Dazu gehört, dass wir in einer kommenden Novellierung des Hochschulgesetzes die tierversuchsfreie Lehre stärken sollten. Andere Bundesländer sind uns da weit voraus. Aber wenn derselbe Studiengang an einer Berliner Uni oder an einer Uni an einem anderen Standort in Deutschland eben auch ohne Tierversuche auskommt, dann sollte das doch eigentlich auch an allen anderen Unis in Berlin möglich sein. Dass dieses tierversuchsfreie Studium geht, zeigen bereits zahlreiche Universitäten. Tiere müssen dort nicht extra zum Zweck für Lehre und Forschung getötet werden. Sollte es dennoch unbedingt notwendiges Studium an einem Tier geben, auch hier kann man Alternativen finden. Kooperationen mit Tierkrematorien z. B. oder Tierärzten sind hier ein gangbarer Weg. Eine sinnlose Tiertötung für das Studium hat zumindest in meinem Berlin in Zukunft nichts mehr zu suchen.
Natürlich müssen wir aber auch Rechtssicherheit für die Studierenden schaffen, die den Tierversuch ablehnen, genauso wie für die Beschäftigten in Lehre und Forschung. Hinzu kommt, dass wir die tierversuchsfreie Forschung auch weiter fördern müssen. Wir müssen eben den Forschenden auch langfristig Perspektiven eröffnen, damit es sich für die Forschenden lohnt, eben auch in die Alternativenentwicklung zu gehen, denn das lohnt sich in vielerlei Hinsicht, für das Ansehen des Wissenschaftsstandorts Berlin, für die Übertragbarkeit von im Experiment erbrachten Ergebnissen auf den Menschen und für die Tiere, die dafür nicht mehr sterben müssen.
Mir ist es aber auch ganz wichtig, dass den überlebenden Tieren – davon gibt es eine große Anzahl – dann ein angenehmes Leben ermöglicht wird. Damit wir aber den Tieren ein rechtzeitiges Überleben sichern können, brauchen wir auch eine verstärkte Tiervermittlung mit einer institutionenübergreifenden Datenbank. Auch den Ausbau einer Datenbank zum Nutzen von überschüssigen oder toten Versuchstieren sollten wir weiter forcieren, um den Tierverbrauch so schnell wie möglich weiter zu reduzieren.
Ich stehe genau wie meine gesamte Fraktion für einen konstruktiven Dialog zwischen Tierversuchsgegnern, Wirtschaft und Wissenschaft. Dafür suche ich regelmäßig das Gespräch mit allen Akteuren. Aus diesen Gesprächen bekomme ich mit, ja, wir stehen am Beginn eines Paradigmenwechsels, den eigentlich alle Akteure wollen. Wir in Berlin können diesen Paradigmenwechsel ein bisschen in eine Richtung schubsen, indem wir auf der einen Seite die Alternativen zu Tierversuchen weiter fördern, aber auch ein tierversuchsfreies Studium ermöglichen. Diesen Weg können wir gemeinsam gehen. Die Koalition ist dazu bereit. Ich würde mich freuen, wenn FDP und CDU diesen Weg unterstützen würden. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal freut es mich sehr, dass wir heute über zwei Anträge aus dem Bereich Forschung beraten. Wir tun das leider viel zu selten. Dabei gäbe es Anlass genug dazu, an dieser Stelle über die Bedeutung des Forschungsstandortes Deutschland, insbesondere Berlin zu sprechen. In vielen Bereichen ist Berlin ohne Frage gut aufgestellt, übrigens auch ganz aktuell, in diesen Minuten läuft die Entscheidung über die künftigen Exzellenzcluster, bei denen die Berliner Unis sich fürs Finale qualifiziert haben. Herzlichen Glückwunsch von dieser Stelle!
Wir haben im Bereich der Forschung aber auch einige Baustellen, wenn ich z. B. an das Berliner Institut für Gesundheitsforschung denke. Staatssekretär Krach erklärte erst kürzlich in einem Interview mit der „Berliner Zeitung“, dass er mit der Struktur des Instituts nicht völlig zufrieden sei. Und das ist noch sehr freundlich ausgedrückt, nachdem das Land Berlin fast 30 Millionen Euro in dieses Projekt investiert hat und der Bund sogar weitere 280 Millionen Euro. Doch statt sich mit diesem Thema oder wirklich wichtigen Fragen zu beschäftigen, die den Berliner Forschungsstandort stärken, legt uns die Koalition Schaufensteranträge zu Tierversuchen vor. Es ist wie bei fast allen Themenbereichen der Koalition, es werden die völlig falschen Prioritäten gesetzt.
Die vorliegenden Anträge bringen Berlin keinen Schritt weiter, und auch in der Sache – es tut mir leid, das an dieser Stelle zu sagen – helfen sie nicht weiter, denn bereits heute unterliegen Tierversuche in Deutschland strengen gesetzlichen Vorgaben. Sie müssen im Vorfeld beantragt und behördlich genehmigt werden. Tierversu
che müssen – so sieht es die aktuelle Gesetzeslage vor – auf das notwendige Maß beschränkt bleiben. Wir sind uns doch alle in diesem Hause einig, dass das Leid von Tieren im Rahmen notwendiger Versuche weiter reduziert werden muss. Auch im Sinne einer Stärkung des Forschungsstandortes müssen wir die Forschung nach Alternativmethoden weiter vorantreiben.
Wir sind überzeugt davon, dass Berlin mit seinen exzellenten biomedizinischen Forschungen, seinen starken Universitäten und Forschungseinrichtungen die Chance hat, in diesem Feld absoluter Vorreiter zu sein. Wir müssen in diesem Bereich aber auch deutlich mehr investieren. Dafür reichen die bisher vorgesehenen Mittel von unter 2 Millionen Euro bei Weitem nicht aus.
Tierversuche in Berliner Einrichtungen dienen keinem Selbstzweck, sondern dem Ziel, schwere Erkrankungen besser verstehen, lindern und am Ende vielleicht sogar heilen zu können. Bei vielen dieser schweren Erkrankungen ist gegenwärtig leider ein medizinischer Fortschritt ohne Tierversuche nicht möglich. Bevor zuverlässige Alternativmethoden zur Verfügung stehen, dürfen wir die exzellente Forschung nicht gefährden. Viele Fortschritte, die wir beispielsweise im Bereich der Humanmedizin erzielt haben, wären ohne die Durchführung von Tierversuchen, auch an Primaten, nicht möglich gewesen. Viele der Therapien, die heutzutage die Lebensqualität von Menschen mit Parkinson deutlich erhöht haben, gehen auf die Forschung an Affen zurück. Auch in der Krebsforschung sind Tierversuche heute leider noch nicht verzichtbar. Das menschliche Nervensystem ist ein hochkomplexes Organ, das wir künstlich eben noch nicht nachstellen können.
Da sehe ich genau an dieser Stelle in den Anträgen der Koalition erhebliche Schwächen, denn anstatt sich zunächst auf die Stärken und den Ausbau der Alternativmethodenforschung zu konzentrieren, fordern Sie erhebliche Einschränkungen in der Forschung. Wir werden deshalb die Anträge aus den genannten Gründen nicht mittragen. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, alle in diesem Saal würden sich auf den Satz verständigen können, dass wir unnötige und überflüssige Tierversuche auf jeden Fall vermeiden wollen. Das ist auch schon lange die Leitlinie in der Wissenschaft: Vermeidung, Verringerung und Verbesserung der Methoden. Dazu wollen wir in Berlin noch einmal einen
Schritt weiter gehen. Wir wollen tatsächlich, dass alternative Methoden zu Tierversuchen hier in dieser Stadt an vorderster Front erforscht werden, damit wir diesem Ziel „vermeiden und verringern“ immer näherkommen können.
Wir haben schon ein hohes Niveau bei der Genehmigung von Tierversuchen. Ethikkommissionen entscheiden darüber, ob es sich an unseren Universitäten tatsächlich um notwendige Versuche handelt, ob es Alternativen gibt, ob wir andere Wege gehen können. Aber – und das möchte ich an dieser Stelle auch ganz klar sagen – wir wollen auch, dass unser Gesundheits- und Forschungsstandort weiterhin notwendige und sinnvolle medizinische Forschung machen kann. Und sofern dazu Tierversuche dringend nötig sind, weil es noch keine anderen Wege gibt, will ich an dieser Stelle sagen, wird das auch weiterhin in dieser Stadt stattfinden.
Was wir nicht wollen, zumindest kann ich das für meine Fraktion sagen, ist, dass sich Forscherinnen und Forscher, die ihren medizinischen Forschungsgegenständen nur auf diesem Wege näherkommen können, einer Hetze oder permanentem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sehen. Wie gesagt, wir haben hier ein sehr hohes ethisches Niveau, das immer wieder überprüft, was notwendig ist.
Was wir auch wollen, ist, dass die Antragsverfahren und die Genehmigungsverfahren möglichst transparent und für die Forscherinnen und Forscher nachvollziehbar ablaufen und dass nicht der Eindruck entsteht, dass hier vielleicht künstlich verzögert oder verhindert werden soll. Wie gesagt: Jeder überflüssige Tierversuch ist in dieser Stadt absolut zu vermeiden. Darin sind wir uns einig.
Aber – und das will ich auch sagen – diese Stadt hat gerade wieder einen ganz großen Schritt gemacht, was die Exzellenz angeht. Herr Grasse hat es eben erwähnt, heute sind von der DFG in Bonn 57 Anträge von Exzellenzclustern genehmigt worden, sieben davon aus Berlin. Wir waren mit neun Anträgen im Rennen. Ehrlich gesagt, dass wir mit sieben erfolgreich sein würden, hätten wir nicht zu träumen gewagt. Wir sind darauf sehr stolz.
Und von dieser Stelle hier meinen Glückwunsch an alle erfolgreichen Cluster und meine Versicherung, dass wir auch weiterhin in dieser Stadt exzellente Forschung zum Nutzen der Menschen, zum Nutzen unserer Sozialsysteme, unseres Zusammenlebens, unserer Gesundheit, unserer Städte unterstützen werden. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Jahrzehntelang war der Bereich der Tierversuche im Hinblick auf das Tierwohl und die damit einhergehenden ethischen Fragen von der Politik weitestgehend vernachlässigt worden. In Deutschland haben Wissenschaftler 2016 an rund 2,8 Millionen Tieren Versuche durchgeführt. Rund die Hälfte davon waren Mäuse, gefolgt von Fischen, Ratten, Kaninchen und Vögeln. Unter den Versuchstieren waren auch fast 4 000 Hunde, rund 2 460 Affen und Halbaffen sowie rund 770 Katzen. Die Zahl der Versuche steigt damit kontinuierlich an. Zum Vergleich: 2001 waren es noch knapp 2 Millionen Tiere. Mittlerweile nähern wir uns der 3-Millionen-Marke pro Jahr.
Die Statistik lässt noch einige weitere Versuche außer Acht, z. B. auf Vorrat gezüchtete Tiere wie Mäuse, die bei einer Genmanipulation nicht das gewünschte Merkmal aufweisen und deshalb getötet werden. Die zweckfreie Grundlagenforschung macht nach Angaben ihrer Kritiker heute rund die Hälfte aller Tierversuche aus. Das sind viermal so viele wie vor 30 Jahren. Immerhin ist zumindest in Berlin ein rückläufiger Trend zu verzeichnen.
Die Beziehung zwischen Mensch und Tier ist heute so widersprüchlich wie nie zuvor. Sie bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Zuneigung und Eigennutz. Tiere sind Freunde und Fleischlieferanten, Mitgeschöpfe und Versuchsobjekte zugleich. Für die Forschung ist das Tier als Modellorganismus bislang jedoch häufig unverzichtbar. So liefern Tierversuche wichtige Informationen darüber, ob und wie Medikamente wirken und ob einzelne Chemikalien für den Menschen giftig sind. Daraus ergibt sich ein Dilemma zwischen dem Sicherheitsbedürfnis und dem Erkenntnisstreben des Menschen auf der einen und dem Schutz des Tieres auf der anderen Seite.
Umso wichtiger wird es, dass wir alternative Methoden finden und fördern, um dieses Dilemma zu beheben. Alternativen gibt es bereits, z. B. der Einsatz von dreidimensional wachsenden Zellkulturen, Computersimulationen oder bildgebende Verfahren wie Kernspintomografie oder Ultraschall. In der Förderung tierversuchsfreier Forschung liegt auch eine Chance. Wenn die Forschung erst einmal aus den Kinderschuhen ist, könnte sie sogar kostengünstiger sein als die Bereitstellung einer Versuchstierzucht.
Die Anträge gehen hier schon in die richtige Richtung. Und die darin aufgestellten Forderungen und Maßnahmen
sind zu unterstützen. Dennoch gibt es auch etwas an den Anträgen zu kritisieren. Hinsichtlich der Forderungen nach einem Verbot von Versuchen an Menschenaffen ist der Antrag nicht hinreichend präzise. Es gibt auch sozialwissenschaftliche Experimente mit Menschenaffen, beispielsweise zur Verhaltensforschung. Schmerzbringende Versuche sollten hingegen ausnahmslos verboten werden.
Die Anträge sind ferner bisher nur Absichtserklärungen der Koalition. Ich hätte mir persönlich einen Gesetzentwurf und nicht nur einen Entschließungsantrag mit der Beauftragung des Senats von Ihrer Seite gewünscht, also einen fertigen Entwurf zur Änderung der Versuchstierordnung und des Hochschulgesetzes. Denn nur verbindlich festgeschriebene Gesetzesgebote, welche bei Verstößen mit einer Ahndung einhergehen, entfalten Wirkung gegenüber der Wirtschaft und der Forschung. Auch lässt sich nur ein fertiger Entwurf dahingehend bewerten, wie weit sie in die Hochschulautonomie eingreifen wollen oder nicht. Das lässt sich aus dem Antrag nicht abschließend beurteilen.
Ich hoffe, dass der Senat für die Umsetzung des Entschließungsantrags nicht wieder so viel Zeit benötigt, wie er für die Novellierung des ASOG benötigt. Als gesetzgebendes Organ sind wir hier gefragt. Wir werden den Prozess als Opposition weiter beobachten und begleiten. – Vielen herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Vallendar! Ein Gesetzentwurf zum Thema Hochschulgesetz wird ja noch kommen. Wir schlagen hier schon mal die ersten Pflöcke ein. Dass wir jetzt einen Gesetzentwurf für ein Bundesgesetz vorlegen, ist vielleicht ein bisschen zu viel verlangt, finde ich.
Ich freue mich, dass wir hier mit diesen beiden Anträgen zum Thema Tierversuche vorangehen. Ich habe mich selbst intensiv mit dem Thema beschäftigt und stehe auch – das ist mir wichtig zu betonen – im regelmäßigem Austausch sowohl mit Tierschutzverbänden als auch mit Forscherinnen und Forschern, die teilweise auch selbst Tierversuche durchgeführt haben.
Ich glaube, dass wir beim Thema Tierversuche vor einer Zeitenwende stehen. Es ist schon angesprochen worden:
Ganz lange galten sie als alternativlos, als Goldstandard, auch als notwendiges Übel für eine wissenschaftliche Karriere in bestimmten Disziplinen. Dies kommt langsam, aber sicher ins Rutschen. Zunehmend werden Tierversuche in der Gesellschaft hinterfragt. Tierversuche für Kosmetika sind mittlerweile europaweit verboten. Diese galten lange Zeit als absolut unverzichtbar. Und es ist sicherlich auch kein Zufall, dass eine europäische Bürgerinitiative zu diesem Thema mit 1,2 Millionen Unterschriften erfolgreich zustande gekommen ist. Das liegt aus meiner Sicht an drei Dingen: Erstens sind Tierschutz und Tierrechte für immer mehr Menschen ein wichtiges Thema, das sich nicht zuletzt in der Verankerung des Staatsziels Tierschutz im Grundgesetz niedergeschlagen hat. Zweitens gibt es zunehmend Kritik an der Effektivität, auch an der Übertragbarkeit von Tierversuchen. Und drittens – darauf gehe ich noch näher ein – gibt es immer mehr und immer bessere Ersatzmethoden.
Mit den vorgelegten Anträgen verfolgen wir ausdrücklich das Ziel, Tierversuche weiter zu reduzieren. Wir setzen neben einer Reform des Hochschulgesetzes vor allem auf den Ausbau von Alternativmethoden. Hier wird in Berlin bereits Hervorragendes geleistet. Das ist auch schon angesprochen worden, wenn ich z. B. an die Entwicklung von synthetischen Hautmodellen denke oder an Multiorganchips, und der Senat fördert diese Verfahren auch im Rahmen des Charité-Vertrags. Ich will aber ein konkretes Problem in der Wissenschaftslandschaft ansprechen. Wir haben nämlich die Institution BB3R, eine existierende Berlin-Brandenburger Forschungsplattform. Und die droht uns wegzubrechen mangels ausreichender Finanzierung. Das haben wir explizit in den Antrag mit aufgenommen. Es wäre ein schmerzhafter Verlust für eine international geschätzte Forschungseinrichtung, den wir nicht zulassen dürfen. Deswegen ganz klarer Aufforderung an den Senat, die Finanzierung des BB3R zu sichern.
Ich mag es auch, ein bisschen über den Tellerrand der Landespolitik hinauszublicken, weil mir viele Sachen ein bisschen zu defensiv sind, was wir hier auch diskutiert haben. Ich will nur einige Beispiele nennen, was sich in anderen Ländern tut. Die Region Brüssel verbietet Tierversuche an Hunden, Katzen und Affen ab 2020. Der Staat Holland will bis zum Jahr 2025 bei der Entwicklung von Ersatzmethoden weltweit führend sein. Die USA investieren 140 Millionen Dollar in die Entwicklung von Human-on-a-Chip. Und es ist gerade vor einigen Monaten eine Software entwickelt worden, die das Gesundheitsrisiko chemischer Substanzen präziser einschätzen kann als Tierversuche. Wenn sich das durchsetzt, wäre das ein Durchbruch beim Ersatz von Tierversuchen im Bereich der Zulassung von Chemikalien und ein riesiger Schritt, ähnlich wie bei den Kosmetika.