Protocol of the Session on September 27, 2018

[Beifall von Raed Saleh (SPD)]

Alleinige Softwareupdates reichen nicht aus.

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Daniel Buchholz (SPD): Richtig!]

Wer also künftig in die Umweltzone fahren möchte, muss die Möglichkeit erhalten, eine Blaue Plakette zu erwerben. Es gibt Menschen, die mit ihrem Auto nie in die Innenstadt fahren. Die werden wir natürlich nicht zwingen, nachzurüsten, das ist doch selbstverständlich. Unbenommen davon wird und muss es Übergangsfristen, Ausnahmeregelungen und Härtefallregelungen geben, zum Beispiel für Rettungskräfte, Pflegedienste, Handwerker und Anwohnerinnen und Anwohner. Hardwarenachrüstungen und die unkomplizierte effektive Kontrolle seitens der Kommunen durch Anwendung der Blauen Plakette sind längst überfällig.

Die Umwelthilfe hat bundesweit bereits zu 61 Städten Rechtsverfahren eingeleitet. Davon laufen in 28 Städten Klageverfahren; in Stuttgart und Aachen mit Erfolg. Dort treten Fahrverbote für Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 1 bis 4 im nächsten Jahr in Kraft. Hamburg führt ein Fahrverbot auf eigene Initiative ein, und Frankfurt muss 2019 ein Fahrverbot einführen.

Berlin soll sich nicht in den kommunalen Flickenteppich an Regelungen einreihen. Stattdessen fordern wir eine einheitliche Kennzeichnung. Denn es geht um mehr als nur bessere Luft, es geht um die Lebensqualität, um die Gesundheit aller. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Kollege Friederici das Wort.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Und wann kommt die Dieselnachrüstung?]

(Vizepräsidentin Cornelia Seibeld)

Hochverehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass die Koalition sich für eine bundeseinheitliche Regelung ausspricht und das im Verkehr, ist erst einmal grundsätzlich positiv. Aber ob das alleinig die fünfte oder die vierte Plakette, also die Blaue Plakette, sein soll, ob das ausreicht, das wage ich zu bezweifeln.

[Harald Moritz (GRÜNE): Na, wir könnten ja damit anfangen!]

Aufgrund unserer gemeinsam durchgeführten Paris-Exkursion des Ausschusses für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz wissen wir ja, von Paris lernen, hilft auch einmal. Dort sehen wir, wozu eine Vielfalt von Plaketten führt, nämlich sechs an der Zahl, dass eine große Verwirrung gestiftet wird und keine Übersicht a für die Nutzer und b für das Kontrollpersonal herrscht. Deshalb bitte ich Sie, darüber nachzudenken, vielleicht ist das nicht ganz der große Wurf, wieder in eine ganze Reihe von Anträgen einzustimmen, die auch andere Landes-SPD-Fraktionen in anderen Landesparlamenten gestellt haben, meistens, wenn sie in der Opposition sind, um hier eine Breitseite gegen die Bundesregierung zu feuern, an der sie eigentlich auch beteiligt sind.

Von der Reise können wir diese beiden Punkte mitnehmen, zum einen, dass Paris ein leuchtendes Beispiel dafür ist, wie man es vielleicht nicht machen soll, zum anderen, nicht gut gemachte Anträge der SPD regen mich schon jetzt nicht mehr auf. Das ist ein weiteres Ergebnis dieser Reise, denn die Ursache schmutziger, dreckiger Luft, ist nicht irgendeine Plakette hinter der Windschutzscheibe, die Ursache schlechter Luft, von Feinstaub, anderen Emissionen, von Lärm ist Ihre Verkehrspolitik. Das Grundproblem ist, dass Sie eine adaptive Verkehrssteuerung ablehnen, dass Sie keine grünen Wellen mehr haben wollen, dass Sie bewusst Staus herbeiführen, weil Sie Verkehrsflächen verkleinern, Sie fordern ewige Baustellen heraus, weil Sie der VLB nicht das notwendige Personal zur Planung, zur Anordnung und zur rechtzeitigen Kontrolle und Fertigstellung zur Verfügung stellen, Sie bauen jetzt erstmals den öffentlichen Nahverkehr aus – das haben wir schon in der CDU-SPD-Koalition begonnen –, Sie wollen nicht den Weiterbau der A 100. Alles das führt zu mehr Stau. Sie wollen auch nicht den Ausbau des U-Bahnnetzes, Sie wollen alleinig den Ausbau des Straßenbahnnetzes. Alles das führt zu mehr Stau in Berlin, zu mehr Wartezeiten und zu mehr Emissionen.

[Harald Moritz (GRÜNE): Das stimmt! Durch die Dieselfahrzeuge!]

Und da kommen Sie allen Ernstes mit einer kleinen, blauen Plastikplakette. Das sind die Hauptthemen, die Sie lösen müssen. Das wollen Sie nicht.

Auch so ein einfaches Thema, das Sie auf Ihrem SPDParteitag beschlossen haben,

[Sven Kohlmeier (SPD): Aha!]

was wir auch sehr gern übernehmen, was wir uns auch schon vorher überlegt haben, nämlich, dass Sie das Seilbahnsystem der Gärten der Welt weiterführen und dass Sie das als zukünftiges Projekt ansehen, das ist nichts Neues. Ich finde das sehr gut.

[Beifall von Sven Kohlmeier (SPD)]

Auch das greifen Sie nicht auf.

Die Hauptprobleme der Staus, der dreckigen Luft, ist nicht die Einführung einer weiteren Plakette.

[Daniel Buchholz (SPD): Aber vielleicht der Autofahrer!]

Die Hauptprobleme der Verkehrspolitik und der Staus, das ist Ihre ideologische Ausrichtung, mit der Sie für mehr Stau, mehr Aggressivität, mehr Unfälle und mehr Streit sorgen. Diese Themen müssen Sie aufgreifen. Wenn Sie die in einer wachsenden Stadt nicht lösen können, dann werden sich die Verhältnisse leider in Berlin weiter verschlimmern und nicht verbessern. Das sage ich Ihnen gleich: In der Bundesregierung gibt es in der Tat die Diskussion über die Blaue Plakette. Aber es sind auch Ihre Ministerien, die dazu keine rechte Meinung haben, die Ministerien der Sozialdemokratie, auch diese fordern nicht aktiv die Einführung der Blauen Plakette.

[Harald Moritz (GRÜNE): Brauchen wir auch nicht, wenn wir die Dieselnachrüstung erreichen!]

Deshalb: Überlegen Sie sich noch einmal, ob Sie mit einem kleinen, blauen Plastikschildchen hinter der Windschutzscheibe die Luft in Berlin verbessern oder ob Sie nicht aktiv in die Verkehrspolitik mutig eingreifen.

Wir sind in einer neuen Gründerzeit. Denken Sie daran, was vor 130, vor 150 Jahren passiert ist: Es wurde der Ring gebaut, es wurde die Stadtbahn gebaut. Es wurden Nord- und Südtrassen der Eisenbahn gebaut. Es wurde nach dem Krieg, Ende der Fünfzigerjahre begonnen, einen Stadtring zu bauen, und es wurde Mitte der Fünfzigerjahre ein massives U-Bahn-Ausbauprogramm begonnen. Immer dann, wenn Berlin in einer Gründerzeit, im Wachstum war, sind die politisch Handelnden mit mutigem Handeln aufgetreten. All das unterlässt diese Koalition von Rot-Rot-Grün in dieser Zeit, in dieser Gründerzeit, in der wir uns jetzt befinden. Deswegen: Fassen Sie sich bitte an die eigene Nase! Klären Sie diese Probleme intern in Ihrer Koalition,

[Daniel Buchholz (SPD): Hä?]

und gehen Sie weg von dieser blauen Plastikplakette! Die verbessert überhaupt nicht die Luft in Berlin.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Ronneburg das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin jetzt erst einmal etwas schockiert, weil ich eine ganz andere Rede erwartet hatte. Heute hatte Herr Friederici doch einen anderen Ton drauf, der Inhalt war dennoch gleich. Aber das hat spürbar dazu geführt, dass sich mein Puls etwas gesenkt hat und ich am Anfang auf einige Anmerkungen von Herrn Friederici eingehen möchte.

Was Sie gesagt haben, von wegen, wir wollen keine grüne Welle, das ist völliger Quatsch. Verkehrslenkung Berlin, da werden wir uns demnächst über die Organisationsuntersuchung unterhalten, das steht schon auf der Tagesordnung des Verkehrsausschusses. U-Bahnen, Herr Friederici, wir haben gelernt, Paris verfolgt ein solches Megaprojekt. In Paris und im Umland von Paris werden 30 Tunnelbohrmaschinen gebraucht, um 200 Kilometer U-Bahn zu bauen. Ich sage mal so: Wir befinden uns in ganz schöner Konkurrenz mit Paris, es wird schwierig werden, diese 30 Tunnelbohrmaschinen irgendwie aufzutreiben, selbst für die Pariser, weil es in Europa nur 20 gibt. Das werden noch einmal spannende Debatten werden.

Die Seilbahn, ich gucke einmal den Kollegen Kohlmeier an, das ist ein Thema, das wir gern aufnehmen, das wir auch schon diskutieren. Insofern, danke für den Hinweis.

Neue Gründerzeit, Herr Friederici, wir haben als rot-rotgrüne Koalition ein Mobilitätsgesetz verabschiedet,

[Beifall von Harald Moritz (GRÜNE)]

das erste, also insofern Gründerzeit, was machen wir hier in Berlin? In welchem Paralleluniversum leben Sie eigentlich, Herr Friederici?

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Aber noch einmal zum Antrag zurück. Vor zwei Wochen haben wir über die Hardwarenachrüstung gesprochen, und da konnten wir beobachten, wie sich die Opposition im Abgeordnetenhaus eigentlich zu dem Thema verhält. Einerseits das Thema Gesundheit der Menschen, andererseits der Verbraucherschutz, der gilt anscheinend nicht für all die Käuferinnen und Käufer von Dieselfahrzeugen. Insofern sind die Versprechungen der Union, das hat man in den letzten beiden Wochen schon gesehen, alle total unglaubwürdig. Teile der Union und die Bundeskanzlerin bewegen sich langsam in Richtung einer Lösung, die nicht die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen belasten soll. Was macht der CSU-Verkehrsminister? – Er will die Dieselfahrzeugbesitzer an den Nachrüstungskosten betei

ligen. So stand es in seinem ursprünglichen Plan, nun scheint er doch wieder zurückzurudern, bekommt ein bisschen Angst, gerade auch wegen der Landtagswahlen, die jetzt anstehen. Man muss dazu festhalten: So viele Jahre beschäftigt uns dieses Thema schon, der Diesel, und die Bundesregierung führt hier einen politischen Eiertanz auf, es ist ein Skandal!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Weshalb dauert das so lange? Warum gehen die Autohersteller nicht endlich die Hardwarenachrüstung an? Stattdessen wird das Problem ausgesessen, und man will neue Konjunkturprogramme. Es ist völlig irre! Die Finanzierungsfragen, die hätte man alle schon längst klären können, wenn man den politischen Willen dazu besitzen würde. Wenn es am Ende Fahrverbote gibt, dann ist die Bundesregierung schuld, weil sie nicht durchsetzungsfähig ist, weil Sie sich mit dem Ring in der Nase von der Autolobby durch die Manege ziehen lässt.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Millionen Dieselfahrzeuge mit zu hohem Schadstoffausstoß sind immer noch auf den Straßen und belasten die Gesundheit. Außerdem auch die Gesundheit von CDU-, FDP- und AfD-Wähler, das will ich auch einmal anmerken.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Hui!]

Die rot-rot-grüne Koalition hier in Berlin hat ein Bündel an Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die Luftqualität in der Stadt weiter zu verbessern.

[Holger Krestel (FDP): Luftnummern!]

Ich will mal an die Mobilitätsgespräche des Regierenden Bürgermeisters erinnern. Wir müssen uns doch auf das Schlimmste vorbereiten. Das Bundesverwaltungsgericht – das wurde angesprochen – hat beschlossen, Dieselfahrverbote sind rechtlich zulässig – wir kennen das Urteil aus Wiesbaden, und – das wurde auch schon erwähnt – die Deutsche Umwelthilfe hat geklagt und im Oktober wird in Berlin verhandelt, ob es zu Fahrverboten kommen wird. Um uns auf dieses Szenario vorzubereiten, brauchen wir eine bundeseinheitliche Plakette, eine Blaue Plakette. Herr Schopf hat es schon erwähnt. Wir brauchen dafür klare gesetzliche Vorgaben, ansonsten droht ein Flickenteppich in Deutschland. Es muss endlich Schluss sein mit dieser Unsicherheit. Und wir brauchen auch die notwendigen Definitionen: Welche Fahrzeuge bekommen eine Blaue Plakette?

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Woldeit?

Nein! Ich bin gerade so im Fluss. – Wir brauchen Kontrollinstrumente, um schadstoffstarke von schadstoffärmeren Fahrzeugen unterscheiden zu können, und es wäre doch ein Irrsinn, wenn wir da nicht bundeseinheitlich vorgehen würden. Der Deutsche Städtetag hat gesagt, man braucht die Blaue Plakette um Fahrverbote zu handhaben.

[Georg Pazderski (AfD): Da machen wir doch die deutsche Autoindustrie kaputt!]