Das Mobilitätsgesetz zählt aus unserer Sicht zu einem der wichtigsten Vorhaben in dieser Legislaturperiode. Und obwohl einzelne Teile im Gesetz noch folgen, steht der bisherige Stand bereits für einen Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik unserer Stadt, denn die Politik der letzten 60 Jahre hat sich hauptsächlich auf das Auto konzentriert. Mit dem Gesetzentwurf legen wir nun den Schwerpunkt auf den stadt-, umwelt- und klimaverträglichen Verkehr. Berlin bekommt ein Gesetz, das neben dem Radverkehr zusätzlich den ÖPNV stärkt und dessen Ausbau priorisiert und beschleunigt.
Der erste Teil des Gesetzes enthält Maßnahmen zur Verbesserung des Radverkehrs und des Personennahverkehrs. In einem zweiten Teil werden sich weitere, noch nicht final ausgearbeitete Abschnitte schwerpunktmäßig mit der Situation der Fußgänger und dem Wirtschaftsverkehr, dem unter anderem der Taxiverkehr und Paket- und Lieferdienste zugeordnet werden, beschäftigen. Der Abschnitt „Intelligente Mobilität“ soll die Themen Car- und Bikesharing, autonomes Fahren, intelligente Ampeln und Ähnliches umfassen. Das Mobilitätsgesetz wird alle Verkehrsträger abbilden und wird demzufolge im zweiten Teil auch Regelungen zum stadtverträglichen Autoverkehr beinhalten.
In Berlin sind circa 1,3 Millionen private Pkws zugelassen. Wenn wir im Gesetz Qualitäts- und Quantitätskriterien für Fußgänger und Radfahrer sowie Standards für den ÖPNV festlegen, dann bedarf es in ähnlicher Form entsprechender Kriterien für den Autoverkehr. Wir wollen nicht den Status quo aufrechterhalten, sondern uns für einen stadtverträglichen Autoverkehr der Zukunft starkmachen.
Unsere Änderungsvorschläge führten teilweise zu einer öffentlichen Diskussion, die jeglichen Kompass vermissen ließ. Vertreter des Volksentscheides Fahrrad warfen der SPD in den sozialen Netzwerken vor: „An Euren Händen klebt Blut!“ –, nachdem es einen weiteren tragischen Unfall mit einer Radfahrerin gab, die offenbar trotz Rotlichts die Straße überquerte, oder wollten von Abgeordneten wissen, ob diese Autofahrer seien und Kinder hätten. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Ziel ist eine rücksichtsvolle, zukunftsfähige und nachhaltige Gestaltung der Mobilität in unserer Stadt. Lassen Sie uns hieraus keinen Kulturkampf beginnen!
Unsere Aufgabe ist es, die Interessen in unserer Stadt auszugleichen, und dafür sind wir gewählt. Weder kann und wird Berlin ausschließlich eine Autostadt noch ausschließlich eine Fahrradstadt sein. Einzel- oder Partikularinteressen zu vertreten, spaltet unsere Stadt und führt nicht zusammen. Aus unterschiedlichen, nachvollziehbaren Gründen nutzen Berlinerinnen und Berliner ein Auto. Wir werden keinen zwingen, ein bestimmtes Verkehrsmittel zu benutzen.
Jeder soll selbst entscheiden, welches Verkehrsmittel er favorisiert. Auch das zählt zur viel gelobten Berliner Liberalität. Aber Fakt ist auch, dass es Einschränkungen für den Autoverkehr geben wird.
Für Radfahrer entstehen Schnellwege in die City und sichere Fahrradwege. Das ist unser erklärter politischer Wille – ganz unabhängig vom Mobilitätsgesetz –, und dafür brauchen die Berlinerinnen und Berliner auch nicht zu warten. Auch für den öffentlichen Personennahverkehr wollen wir endlich eine Verkehrswende hin zu einem emissionsfreien ÖPNV bis 2030. Erst vor einigen Wochen war Senatorin Popp in China und hat eindrucksvoll nach Berlin mitgebracht, dass die Volkswirtschaft mit immenser Bevölkerung in den Städten schon heute E-Busse im 20-Minutentakt lädt,
Ebenso stehen wir für eine Mobilität, die gleichwertig in allen Berliner Kiezen angeboten wird. Dies bedeutet für uns, dass die Innenstadtmobilität nicht gegen die Außenstadtmobilität ausgespielt werden darf.
Am späten Abend muss es möglich sein, dass in Spandau oder Marzahn-Hellersdorf ein öffentliches und sicheres Verkehrsangebot besteht.
Unsere Zeitleiste zur Verabschiedung des Mobilitätsgesetzes war durchaus ambitioniert. Erst im März wurde der Gesetzentwurf durch den Senat in das Abgeordnetenhaus eingebracht, und natürlich haben die Abgeordneten das Recht, das Gesetz zu beraten und zu diskutieren, frei nach dem struckschen Gesetz: Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist. Dabei ist es völlig legitim, dass Vorschläge diskutiert werden. So hat der BUND Berlin mit einem öffentlichen Brief einen richtigen Weg für den politischen Diskurs gewählt. Einzelne Vorschläge werden begrüßt, andere wurden abgelehnt. Diese Anregungen fanden in der Entscheidungsfindung Berücksichtigung. Dem Wettbewerb um die besten Ideen stellen wir uns verantwortungsbewusst und treffen Entscheidungen, die für die gesamte Stadt gut sind – für die Innen-, für die Außenbezirke, für Ost und West und für Fahrrad- und Autofahrer –, denn dies alles gehört zu Berlin. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Herr Schopf! Ihre Fraktion scheint von dem Gesetz im Ganzen nicht so wirklich überzeugt zu sein, sonst müssten Sie nämlich nicht für teuer Geld riesengroße Werbeanzeigen schalten, denn bekanntlich müssen Produkte und Konzepte, die überzeugen, nicht noch extra beworben werden.
[Beifall bei der AfD – Lachen bei der SPD – Torsten Schneider (SPD): Das sagt die AfD! – Zuruf von Ülker Radziwill (SPD) – Weitere Zurufe von der SPD]
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstens bitte ich um Ruhe! – Zweitens darf ich Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Isenberg zulassen.
So. – Bei dem heute in der zweiten Lesung vorgelegten Gesetzesentwurf handelt es sich um ein zusammengewürfeltes Stückwerk, inhaltlich völlig überfrachtet und handwerklich durch und durch schlecht gemacht.
[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos) – Zuruf von der LINKEN]
Es handelt sich um ein Papier, das von ideologiegetriebenen Verbänden, Fahrradaktivisten und links-rot-grünen Autohassern erstellt wurde, und zu dem sich der Senat von Aktivisten unter anderem mit Sitzblockaden auf Hauptverkehrsstraßen hat erpressen lassen. Es ist ein Papier, an dem man im Verlauf der Präsentation hier im Plenum und in den Ausschüssen wunderschön nachvollziehen konnte, wie zerstritten die Koalition tatsächlich ist.
So haben die links-rot-grünen Koalitionsfraktionen selbst noch einmal kurzfristig 50 Änderungsanträge zu diesem Ideologiepapier eingebracht – man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen.
[Daniel Buchholz (SPD): Echte Parlamentsarbeit! Die kennen Sie nicht! – Zuruf von Torsten Hofer (SPD) – Weitere Zurufe von der SPD]
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Sie präsentieren einen angeblich von Ihnen selbst stammenden Gesetzesentwurf, zu dem Sie dann selbst noch einmal 50 Änderungsanträge nachliefern,
mit dem Ergebnis, dass dieser von Anfang an völlig überladene Entwurf noch weiter mit leeren Phrasen, Worthülsen und nichtssagenden Parolen aufgepumpt worden ist. Unsere über 30 Verbesserungsvorschläge hätten das Ganze wesentlich gestrafft, entideologisiert und somit zu einem überzeugenden, bürgerfreundlichen Gesetz gemacht.
Dieses Papier, das uns im Vorfeld so groß als Lösung der Berliner Verkehrsprobleme angekündigt worden ist, ist nichts als eine Aneinanderreihung einseitiger Maßnahmen, alle mit dem Ziel, eine kleine Klientel, nämlich die innerhalb des S-Bahnringes wohnende eigene Wählerschaft, ruhigzustellen und alle anderen komplett zu ignorieren.
Sie schaffen es mit diesem Papier, das zu den Themen Autoverkehr, Wirtschaftsverkehr, Ausbau des ÖPNV, intelligente Verkehrssteuerung und auch zum Flughafen überhaupt gar nichts zu bieten hat, große Teile der Berliner Bevölkerung zu diskriminieren und zu stigmatisieren.
Und Sie, Frau Kapek, scheuen nicht einmal davor zurück, Verkehrsopfer für Ihre Rede zu instrumentalisieren.