Protocol of the Session on May 31, 2018

[Beifall bei der CDU]

Also: Rot-Rot-Grün stärkt die frühkindliche Bildung nicht ausreichend. Sie werten den Erzieherberuf auch nicht ausreichend auf. Reden Sie nicht nur in dieser Aktuellen Stunde, setzen Sie möglichst schnell das Maßnahmenpaket, das die CDU vorschlägt, um!

[Beifall bei der CDU]

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin Kühnemann-Grunow das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wünschte mir manchmal eine Zeitmaschine oder eine Glaskugel: Dann könnte ich nämlich die Zukunft vorausschauen. Manch einem hier im Haus, so hat es den Anschein, mag es ja vergönnt sein – mir leider nicht.

Ich erinnere mich noch gut an die Zeit nach dem Mauerfall: Berlin wurde eine glänzende Zukunft vorausgesagt; die Stadt sollte wachsen. Und nun? – Noch zu Beginn dieses Jahrtausends wurde für Berlin eine deutlich sinkende Bevölkerungszahl prognostiziert, und die Zahl der Kinder und Jugendlichen in der Stadt war tatsächlich rückläufig.

Was man sich heute nicht mehr vorstellen kann: Wir haben in vielen Ortsteilen Schulen geschlossen, wir haben Erzieherinnen und Erzieher entlassen. Dies gilt im Übrigen für alle Bereiche. Unter anderem wurde Wohnraum zurückgebaut. Die Mitglieder des Abgeordnetenhauses aus dem Ostteil mögen sich daran erinnern: Plattenbauten im Ostteil der Stadt wurde zurückgebaut. Es gab Leerstand in der Stadt – das kann man sich heute auch nicht mehr vorstellen. Einige werden sagen, dass der Rückbau damals ein Fehler war. – Das kommt jetzt gleich von der rechten Seite; das sind natürlich die mit der Glaskugel, die Allwissenden.

Heute, nur wenige Jahre später, können wir alle feststellen: Das Gegenteil ist eingetreten, auch wenn Sie es nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Berlin entwickelt sich wirtschaftlich hervorragend und ist auf dem Weg zu einer Weltmetropole. Berlin ist so attraktiv, dass nicht nur Millionen Touristinnen und Touristen nach Berlin kommen. In Berlin entstehen jedes Jahr Zigtausende von Arbeitsplätzen, und weil Berlin mit einem gebührenfreien und qualitativ guten Bildungs- und Betreuungssystem Maßstäbe setzt,

[Lachen bei der AfD]

kommen auch immer mehr Menschen mit Kindern zu uns und entscheiden sich, in Berlin eine Familie zu gründen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Georg Pazderski (AfD): Wo leben Sie denn?]

Mitten in dieser Stadt bin ich zu Hause! Herr Pazderski, melden Sie sich doch! – Und ja: Das galt auch schon in der vergangenen Legislaturperiode. Diesen Herausforderungen haben wir uns auch gemeinsam mit dem Senat gestellt. Allein in den letzten fünf Jahren sind in Berlin

über 40 000 Kitaplätze entstanden. – Lieber Herr Simon! Die Initiative dazu kam in der Regel von der SPD. Beschlüsse zur besseren Qualität oder auch zur besseren Bezahlung von Erzieherinnen und Erziehern kann ich leider nicht in den alten Beschlüssen finden.

Berlin erlebt aber außerdem einen Babyboom wie seit Jahrzehnten nicht mehr, und ich persönlich finde das wunderbar.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Wir müssen aber auch den Tatsachen ins Auge schauen, und die Kitademo am vergangenen Wochenende – Frau Burkert-Eulitz hat es angesprochen – hat es gezeigt: Die Eltern und auch die Fachkräfte in den Kitas vor Ort bekommen das unmittelbar zu spüren. Es gibt unzählige Anfragen, die Vormerklisten sind lang, viele Eltern befürchten, dass sie für ihr Kind keinen Platz bekommen. Ich kann diese Sorgen nachvollziehen. Nicht zuletzt als jugendpolitische Sprecherin bekomme ich selber Anrufe und jede Menge E-Mails von Eltern, die auf der verzweifelten Suche nach einem Kitaplatz sind.

Trotz des massiven Platzausbaus der vergangenen Jahre hat sich die Situation in diesem Frühjahr – und da müssen wir uns ehrlich machen – extrem zugespitzt. Der Druck, der auf allen Beteiligten lastet, ist groß; das wissen wir. Deshalb gilt es an dieser Stelle übrigens, auch einmal danke zu sagen: danke an die Kolleginnen und Kollegen, aber auch danke an die Träger und Kitaeigenbetriebe für ihr Engagement.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Und nun? – Der Senat reagiert auf die aktuelle Situation, und ich muss zugeben, dass ich ganz persönlich von manchen Maßnahmen wie beispielsweise der Genehmigung von befristeten Überbelegungen auch frustriert bin. Noch im vergangenen Jahr haben wir hier im Parlament Qualitätsverbesserungen für die Kitas durchgesetzt: Wir haben den Betreuungsschlüssel verbessert, Anleitungsstunden für Quereinsteiger finanziert, einen Anspruch auf einen Platz für sieben Stunden ohne Bedarfsprüfung geschaffen und die Gebühren in Gänze abgeschafft.

Und was nützt das alles, wenn das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung unmissverständlich klarstellt, dass der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz umzusetzen ist, dass er Priorität gegenüber allen Verbesserungen des Betreuungsschlüssels hat?

In diesem Zusammenhang ist es im Übrigen auch nicht hilfreich, wenn Bezirke und Land sich gegeneinander ausspielen, wenn Bezirke Eltern empfehlen, den Klageweg zu beschreiten. Ich wünschte mir, die Bezirke würden mit ihren Jugendämtern gemeinsam gucken, was wir tun können, und gemeinsam mit den Kitaträgern sprechen, was vor Ort geht.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Im Interesse der betroffenen Eltern ermöglichen wir nun befristete Überbelegungen, und ich betone an dieser Stelle das Wort „befristet“. Ich bin selber Pädagogin und weiß, wie anspruchsvoll die Tätigkeit der Fachkräfte in den Kitas ist. Die Kita ist neben der Familie der erste Bildungsort, wo Kinder Bildung erfahren. Dennoch können wir an dieser Stelle nur um Verständnis für diese Maßnahmen bitten.

Aber was bedeutet das für die Zukunft? – Ausreichend viele Kitaplätze und ein guter Personalschlüssel sind nur möglich, wenn es uns gelingt, genügend Fachkräfte zu gewinnen. Alle haben hier gerade die Tarife angesprochen. Das stimmt mich insofern zuversichtlich, dass wir da gemeinsam mit dem Senat etwas wuppen können. Das heißt vor allem eins: Erziehungsberufe müssen attraktiver werden. Die Senatsverwaltung, allen voran Sandra Scheeres, hat bereits viel dafür getan: Die Ausbildungskapazitäten wurden verdoppelt, und inzwischen wird das Schulgeld übernommen. Heute arbeiten fast 7 000 pädagogische Fachkräfte – das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen – mehr in den Kitas als noch vor fünf Jahren – also von wegen, hier ist nichts getan worden!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Das ist eine Steigerung um 30 Prozent. Dennoch ist der Fachkräftemangel eine der Hauptursachen dafür, dass derzeit mehrere Tausend genehmigter Kitaplätze nicht zur Belegung angeboten werden können.

Wir haben vom Prinzip her kein Kitaplatzproblem, wir haben ein Fachkräfteproblem, und das deutschlandweit – da muss man sich auch ehrlich machen. Hier lohnt z. B. ein Blick nach Brandenburg – ich weiß nicht, ob Sie die Proteste in Brandenburg vor Kurzem mitbekommen haben: Da brennt auch der Fachkräftemangel unter den Nägeln – ein Grund dafür, dass unsere Bildungsministerin Franziska Giffey kürzlich das Bundeskitagesetz auf den Weg gebracht hat.

Aber auch das führt uns in Berlin gerade nicht weiter. Der Fachkräftebedarf wird weiter steigen und nicht mehr nur über die klassische Vollzeitausbildung zu decken sein. Wir brauchen Quereinsteigende aus verwandten Berufen, wir brauchen Menschen in der berufsbegleitenden Ausbildung, und wir brauchen Fachkräfte, die bereit sind, eine gute Ausbildung durch eine qualifizierte Anleitung zu gewährleisten. Um dies zu unterstützen, haben wir die Anleitungsstunden deutlich erhöht, und der Senat hat das Projekt des Quereinstiegs gestartet – alles richtige und wichtige Maßnahmen.

Generell – und ich wiederhole mich an dieser Stelle – werden wir nur dann genügend Fachkräfte gewinnen können, wenn der Beruf attraktiver wird. Dazu gehören

für mich bessere finanzielle Rahmenbedingungen während der Ausbildung und vor allem eine bessere Bezahlung. Die Koalition setzt sich mit dem heutigen Antrag dafür ein, dass bei den anstehenden Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder eine deutlich bessere Bezahlung der Beschäftigten in den Sozial- und Erziehungsdiensten herauskommt. Kurzfristig muss die Lücke zwischen dem TV-L und dem TVöD geschlossen werden. Es kann nicht sein, dass eine Berliner Erzieherin rund 400 Euro weniger verdient als eine Erzieherin in einem anderen Bundesland!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Mittelfristig muss der Senat als Mitglied der Tarifgemeinschaft der Länder aber die Initiative für den Abschluss einer neuen tarifvertraglich geregelten Eingruppierung der Sozial- und Erzieherberufe ergreifen. Ziel muss es sein, den Berufsstand entsprechend den gewachsenen Anforderungen und der großen Verantwortung der pädagogischen Fachkräfte aufzuwerten und die Bezahlung entsprechend zu verbessern.

Ein wesentlicher Grund dafür, warum sich junge Menschen gegen den Erzieherberuf entscheiden, ist die nach wie vor mangelnde öffentliche Anerkennung des Berufsstands, fehlende Entwicklungsmöglichkeiten und Aufstiegsperspektiven und aber eben auch die Bezahlung, die gegenwärtig in keinem Verhältnis zu den Anforderungen und der Verantwortung steht, die die Kolleginnen und Kollegen dort übernehmen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Im Rahmen des letzten Tarifabschlusses der Tarifgemeinschaft der Länder ist verabredet worden, eine neue Entgelttabelle zu entwickeln und die Anforderungen an den Berufsstand neu zu definieren. Im Sinne der Sicherung des Kitaausbaus und der Qualitätsentwicklung ist inzwischen eine bessere Bezahlung der Fachkräfte im Land Berlin dringend geboten und längst überfällig.

Ich habe bereits in einem meiner letzten Redebeiträge hier im Plenum zum Thema Kitaausbau erwähnt: Was für die Grundschulpädagoginnen und Grundschulpädagogen gilt, muss auch für die Erzieherinnen und Erzieher gelten. Wir brauchen dringend eine höhere Eingruppierung.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Wir können das als Land Berlin nicht ganz alleine. Deshalb bin ich Sandra Scheeres dankbar, dass sie auf der Bundesebene eine Fachkräfteoffensive angestoßen hat. Hier wird es im letzten Punkt darum gehen, den Erziehungsberuf als Mangelberuf anerkennen zu lassen. Berlin geht da auf jeden Fall – und da ist mir nicht bange – mit gutem Beispiel voran: Die Senatsverwaltung hat mit der Bundesagentur für Arbeit eine Vereinbarung geschlossen:

Ab sofort können die Jobcenter die Erzieherausbildung als Umschulung finanzieren.

Damit ebnen wir den Weg für Menschen, die sich bisher diese Ausbildung nicht leisten konnten. Wir müssen diesen Beruf so attraktiv wie möglich machen. Dafür sind viele Maßnahmen auf dem Weg. Dann werden sich auch viele junge Männer und Frauen dafür entscheiden, den Beruf zu ergreifen.

Noch kurz zwei Sätze zu dem Antrag der CDU: Man fragt sich wirklich, wo Sie in der Vergangenheit gewesen sind. Keine einzige der insgesamt sieben Forderungen ist neu. Betreuungskosten werden übernommen, wenn kein Betreuungsplatz verfügbar ist, Personalressourcen werden bereits mobilisiert, unsere Initiative zur besseren Bezahlung habe ich bereits erwähnt. Anreize für das Schaffen neuer Kitaplätze sind ebenfalls bereits umgesetzt. Träger können heute für jeden zusätzlichen Platz 250 Euro extra bekommen.

Zum Abschluss: Eines wurde auf der Demo und auch in den verschiedensten Diskussionsforen, in denen ich mich in der letzten Zeit bewegt habe, auch deutlich: Die Erzieherinnen und Erzieher arbeiten nicht nur leidenschaftlich gern in ihrem Beruf, sondern sowohl sie als auch die Eltern erkennen die Bestrebungen der rot-rot-grünen Koalition an, die Situation verbessern zu wollen. Das freut mich besonders. Die geäußerte Kritik ist konstruktiv, differenziert und erkennt an, dass wir das Thema ernst nehmen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die AfD-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin Bießmann das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Eltern! „Wir arbeiten weniger, beide in Teilzeit, sehen uns aber kaum. Mittags Abklatschen, das war es dann auch schon.“ – „Gefühlt wird verlangt, dass man jeden Tag oder einmal die Woche bei der Kita aufkreuzt und sich zeigt. Wir fragen uns: Haben die Erzieherinnen überhaupt die Zeit dafür?“ – „Es ist so anstrengend, ich habe mir die Elternzeit wirklich anders vorgestellt.“ –, das sind Aussagen Berliner Eltern, wie sie von der „Berliner Morgenpost“ auf der Kitademonstration am 26. Mai eingefangen worden sind. Sie zeigen, die Suche nach einem Kitaplatz ist für viele Eltern ein Horrortrip. Dabei gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz, und ein Rechtsanspruch muss auch umgesetzt werden.

Die AfD will nicht, dass Eltern mit einem Kitawunsch zu Hause bleiben müssen. Die AfD ist für die Wahlfreiheit

der Eltern und will, dass die Politik dem Wunsch der Eltern nachkommt und geltendes Recht durchsetzt.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Mittlerweile rollt eine Klagewelle der Eltern, und diese Klagewelle trifft den Senat zu Recht. Das ist Ihnen sicher bewusst. Die Probleme sind hausgemacht. Die SPD hat über Jahre hinweg falsch geplant bei den Schulen und bei den Kitas. Alles, was der Senat unternimmt, ist Flickschusterei. Es gibt keinerlei langfristige Planung. Lehrermangel, Erziehermangel, marode Schulgebäude, fehlende Neubauten bei Kita und Schule, Gewalt an Schulen, Versagen bei VERA 3, die Liste ist lang. Wie immer reagiert der linksregierte Senat erst beim äußersten Notstand. Das ist strukturlose Planung, missachtet die Bürgerinteressen und ist deshalb nicht mehr hinnehmbar. Schämen Sie sich, Frau Scheeres!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Gunnar Lindemann (AfD): Jawoll!]