Protocol of the Session on February 22, 2018

Da werden wir im Ausschuss über die wissenschaftlichen Ungenauigkeiten mal genauer sprechen. Ich werde den Saal jetzt nicht mit Mikrosievert und diesen ganzen Fakten langweilen.

[Zurufe von der LINKEN]

Worüber reden wir denn hier eigentlich? – Werden Sie mal wieder ein bisschen ruhiger, dass wir mal die Ernsthaftigkeit hier wieder zurückbringen können! – Wir reden hier über Menschen, die aus einem Kriegsgebiet kommen, Menschen, deren Häuser zerbombt wurden, die miterlebt haben, wie ihre Verwandten getötet wurden. Das sind Situationen, die wir zum Glück nie erlebt haben. Ich glaube, keiner von uns kann sich vorstellen, wie traumatisiert diese Menschen sind, wenn sie zu uns herflüchten. Deswegen ist es auch vollkommen richtig, dass sie unseren Schutz in unserer Gesellschaft bekommen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Und deshalb ist es auch vollkommen richtig, dass Minderjährige einen ganz besonderen Schutz genießen. Minderjährige bekommen eine bessere Betreuung. Sie bekommen einen besonderen Schutz vor Abschiebung. Und sie haben mehr Rechte beim Familiennachzug, und das ist auch richtig so.

Es gibt aber unter Flüchtlingen wie in jeder Gesellschaft Menschen, die einfach dieses System schamlos ausnutzen. Sie geben vor, minderjährig zu sein, obwohl sie es in Wirklichkeit gar nicht sind, manchmal sogar mit kriminellen Hintergedanken. Wer zu uns aus berechtigten Gründen kommt und minderjährig ist, der übrigens auch gar nichts dagegen, dass sein Alter medizinisch abgecheckt wird, wenn der Altersnachweise anders nicht erbracht werden kann. Aber diejenigen Menschen, die mit unredlichen Beweggründen zu uns kommen, das sind genau diejenigen, die einen solchen Alterstest ablehnen.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Cornelia Seibeld (CDU) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Und sie tun das nicht nur auf Kosten unseres Staates, sie tun das auch auf dem Rücken derjenigen Geflüchteten, die zu Recht in unser Land kommen, denn kriminelles Fehlverhalten einiger schadet nämlich dem Ruf aller.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Die Zahl derjenigen, die ihr Alter falsch angeben – das hat Frau Seibeld richtig ausgeführt –, ist eben nicht so gering, wie Sie gerne tun. Mittlerweile gibt es übrigens sogar Fälle in Familien, wo Familien gerne minderjährige Flüchtlinge aufnehmen würden, dies aber aufgrund Ihrer Politik nicht tun, weil sie sagen, ich weiß nicht, ob ich wirklich einen Minderjährigen aufnehme oder einen potenziell kriminellen Erwachsenen, und diese Leute nicht in der Familie haben wollen. Ihre Politik schadet eigentlich eher der Flüchtlingspolitik, als dass sie ihr nützt.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Kurt Wansner (CDU) – Udo Wolf (LINKE): Wer denkt sich eigentlich so einen Unsinn aus?]

Dass Sie sich hier zum Anwalt der unredlichen Kriminellen machen, das ist nicht in Ordnung. Sie reden von medizinischen Eingriffen, die aus Ihrer Sicht wegen der großen Strahlenbelastung völlig unzumutbar sind. Medizinische Röntgenaufnahmen erhöhen das befürchtete Risiko für Krebs und andere Sachen allerdings nicht. Gerade bei Kindern und jungen Erwachsenen, um die es hier geht, kann diese Strahlung, die dort in den Körper hineinkommt, auch relativ schnell wieder abgebaut werden. Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, dass diese medizinische Untersuchung zum Nutzenfaktor durchaus gerechtfertigt ist.

[Beifall bei der FDP – Udo Wolf (LINKE): Ich glaube, dass Sie ziemlich verstrahlt sind!]

Die Strahlenbelastung im Flugzeug bei einem Langstreckenflug ist übrigens viel höher als bei einer Röntgenuntersuchung. Wahrscheinlich werden Sie demnächst auch alle Abschiebungen aufgrund von medizinischen Problemen abschaffen, die es da mit der Strahlenbelastung geben kann. Das werden wir aber nicht mitmachen.

Wie bei jeder medizinischen Untersuchung muss man auch hier die Kostenabwägung machen. Das ist bei der Feststellung, ob ein Flüchtling minderjährig ist oder nicht, durchaus gegeben. Wenn Sie sich um das medizinische Wohl von Flüchtlingen kümmern, dann sollten Sie vielleicht auch mal die medizinischen Zustände in den Flüchtlingseinrichtungen so herstellen, dass die ein bisschen besser sind. Und wenn Sie mir was von Röntgenstrahlen erzählen, dann holen Sie endlich die Flüchtlinge aus dem ICC raus, wo noch die Asbeststrahlung drin ist.

[Beifall bei der FDP – Zurufe von Katina Schubert (LINKE) und Udo Wolf (LINKE)]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Dr. Albers?

Nein! Ich bin fertig. – Vielen Dank!

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Abgeordnete Frau Burkert-Eulitz das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, meine Zeit reicht nicht aus, um hier mal die Situation auf die richtigen Füße zu stellen. Das Erste, was ich beim Jurastudium gelernt habe, ist: Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.

[Beifall bei der LINKEN]

Sie reden hier über Asylrecht, Strafrecht, Ausländerrecht, Erschleichen von irgendwas. Hier geht es schlicht um Kinderschutz, Inobhutnahme. Wir reden über die UNKinderrechtskonvention, und wir reden über Jugendhilfe.

[Zurufe von Gunnar Lindemann (AfD) und Marc Vallendar (AfD)]

Ich weiß nicht, ob Sie jemals was vom SGB VIII gehört haben. Gucken Sie mal rein! Dann werden Sie auch sehen, dass jeder junge Mensch, egal ob deutsch oder ausländisch, Rechte hat. Und die gelten nicht bis 18 oder 21, sondern bis 27.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Buchholz?

Nein! – Mein Vorredner hat den Jugendhilfebedarf der jungen Flüchtlinge, ob sie jetzt 18, 15 oder 21 sind, gerade selbst begründet, indem sie traumatisiert sind. Sie haben Jugendhilfebedarf, das heißt, dass Sie hier eigentlich irgendwie so eine Scheindebatte führen, denn diesen Leuten steht sozusagen besondere Betreuung zu, egal ob sie minderjährig oder junge Erwachsene sind. Deswegen kommen Sie mal bitte auf den Punkt!

Der Rahmen, um den es hier geht, ist das SGB VIII. Es geht nicht um eine Altersfeststellung, sondern allenfalls um eine Altersschätzung. Auch der VGH München hat sich gerade 2016 noch mal dazu geäußert, es heißt, im Zweifel pro Minderjährigkeit, und es gibt eine Streubreite von zwei Jahren. Auch der BGH sagt, insbesondere bei jungen, minderjährigen Flüchtlingen spielt die Verhältnismäßigkeit eine besondere Rolle. Das heißt, wenn Sie dieses Gesetz ändern wollen – das hat auch schon mein Kollege vorher gesagt –, dann gehen Sie bitte in den Bundestag! Da haben Sie das auch in konkurrierender Gesetzgebung vorliegen. Und dann instrumentalisieren Sie die Kinder- und Jugendhilfe hier nicht in Scheindebatten für Ihre Ressentiments gegen junge Menschen!

Das werden wir nicht mittragen. Wir haben in den Koalitionsvertrag geschrieben, dass wir junge Flüchtlinge, ob sie 18 oder etwas älter sind, besonders unterstützen

[Gunnar Lindemann (AfD): Sie oder die Steuerzahler?]

und bis 21 von der Regel des Jugendhilfebedarfs ausgehen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Gunnar Lindemann (AfD): Das ist das Geld der Steuerzahler!]

Und das ist gut angelegt, weil sie traumatisiert sind und besondere Unterstützung brauchen. Anstatt irgendwo in der Turnhalle allein zu sein, nehmen wir sie an die Hand

(Florian Kluckert)

und betreuen sie, sodass sie auch nicht irgendwo abrutschen, um dann irgendwie im Tiergarten zu landen und sich prostituieren oder anderes zu müssen, und wir sie nicht in der Kältehilfe wiederfinden, sondern wir wissen, wo sie sind, und unterstützen sie entsprechend.

[Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]

Deswegen ist das, was Sie heute vorgetragen haben, peinlich. Mit Kinderschutz hatte das überhaupt nichts zu tun. Führen Sie die Debatten da, wo sie hingehören, beim Strafrecht extra, im Asylrecht extra, und missbrauchen Sie nicht die Kinder- und Jugendhilfe für Ihre sehr merkwürdigen Auffassungen und für Ihr negatives Menschenbild!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Dr. Clara West (SPD)]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags der Fraktion der CDU, des Änderungsantrags der AfD-Fraktion Drucksache 18/0751-1 sowie des Änderungsantrags der Fraktion der FDP Drucksache 18/0751-2 federführend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie und mitberatend an den Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung und an den Ausschuss für Integration, Arbeit und Soziales empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 27:

Berlin macht barrierefrei mobil!

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/0768

In der Beratung beginnt die Fraktion der FDP. Es hat der Abgeordnete Herr Seerig das Wort. – Bitte schön!

[Unruhe]

Sehr verehrte Abgeordnete! Ich bitte Sie, die Gespräche draußen fortzuführen oder sie hier drin zu unterlassen. Es ist ohnehin schon sehr anstrengend. Es ist Erkältungszeit. Das Husten erschwert es ohnehin. Also bitte ich um einen entsprechenden Geräuschpegel hier im Haus! – Herr Seerig! Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Wir haben heute schon viel über das Thema Mobilität geredet. Auch die rot-rot-grüne Koalition redet viel über Mobilität und meint damit meistens neue Radstreifen und weniger Parkplätze. Aber Mobilität ist zumindest für uns mehr und betrifft auch sehr viel mehr Menschen. Es geht nämlich auch um Menschen mit Handicap, um Senioren und um alle übrigen, die – und sei es

auch nur zeitweise – uneingeschränkte Barrierefreiheit brauchen. Wir denken, diese Gruppe spielt in der Diskussion um Mobilität bisher eine viel zu geringe Rolle.

Es fehlt aus unserer Sicht ein wirkliches Gesamtkonzept für Berlin, denn auch an dem Punkt ist gelebte Inklusion eine Querschnittsaufgabe, und zwar eine, die qualitativ und quantitativ belastbar sein muss. Das heißt, es geht um ein Konzept, das vom Sonderfahrdienst über das Inklusionstaxi, vernünftige Ampelphasen bis zu rolligerechten Behindertenparkplätzen und rolligerechtem ÖPNV geht, bei dem die Aufzüge und Rolltreppen tatsächlich funktionieren, oder um Busse und Straßenbahnen, die es auch Blinden und Sehbehinderten verlässlich ermöglichen mitzubekommen, welcher Bus gerade zu spät kommt und um wie viele Minuten,

[Beifall bei der FDP – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

das heißt, weit über den jetzigen Versuch hinausgehend um einen ÖPNV, der wirklich niemanden im Regen stehen lässt. Dazu gehören für uns aber natürlich auch Ampelphasen, die es möglich machen, die Straße zu überqueren, wenn man eben nicht Usain Bolt ist,

[Beifall bei der FDP]