Die Persönlichkeit von Gail Halvorsen ist unstrittig sehr respektabel, und man muss auch nicht Westberliner in vierter Generationen sein, um das zuzugestehen. Kollegin Halsch hat das ja schon erwähnt. Ich habe mir als, ich glaube, Zehnjähriger ein Autogramm geben lassen und mich angeregt mit ihm unterhalten – so gut das mit meinen damaligen Englischkenntnissen ging. Er ist wirklich eine respektable Persönlichkeit – gar keine Frage – und jemand, der auch eng an Berlin hängt und mit dieser ihm zugeschriebenen Idee, die Süßigkeiten zu verteilen, Stadtgeschichte geschrieben hat. Wir wollen an der Stelle aber nicht vergessen, dass viele Dutzend andere Piloten
Herr Halvorsen ist jemand, der etwas mehr im Rampenlicht stand. Das hat er sich nicht selbst ausgesucht, aber es ist einfach auch durch die Erzählung von Mercedes Wild geschehen, dem jungen Mädchen, das damals in der Einflugschneise neben dem Hühnerstall stand, die Piloten beobachtet hat, dann Kontakt zu Gail Halvorsen aufgenommen hat und bis heute mit ihm eine enge Freundschaft pflegt. Insofern ist es hier so, dass eine Person stellvertretend für andere steht. Das ist auch so weit in Ordnung, aber gleichzeitig ist das Argument von 2011, auf das Kollege Schatz verwiesen hat, dass man nämlich nicht einen Piloten herausgreifen will, den man stellvertretend für andere ehrt, nachvollziehbar. Gail Halvorsen hat in dieser Stadt ja auch – auf die Beispiele wurde verwiesen – hinreichend und zahlreich Ehrungen bekommen.
Wenn man an die Luftbrücke erinnern will, die sich in diesem Jahr zum siebzigsten Mal jährt und die sicherlich auch vom Senat und von der Zivilgesellschaft mit zahlreichen Aktionen und Programmpunkten bedacht werden wird, dann sei auch auf den General Lucius D. Clay verwiesen, der als Militärgouverneur von Berlin damals die administrativen Entscheidungen getroffen hat. Man darf auch nicht vergessen, Clay war damals in etwa das, was Helmut Schmidt bei der Sturmflut in Hamburg gewesen ist. Er hat sich eben auch über das, was aus Washington kam, hinweggesetzt, es jedenfalls sehr großzügig ausgelegt und die Luftbrücke doch ziemlich autonom organisiert und damit auch einen entscheidenden Beitrag geleistet. Deswegen haben wir auch die Clayallee in Berlin. Deswegen haben wir auch die Ehrenbürgerwürde für Clay seit 1962 in West-Berlin. Damit ist auch an einen herausragenden Vertreter der Luftbrücke in einem akzeptablen und auch eingängigen Maß erinnert. Denn gerade Lucius Clay, stellvertretend für alle anderen, aber auch als prominentes Beispiel für diese Hilfsleistungen von Amerika nach Berlin, nach West-Berlin, ist niemand, den man unterschätzen sollte. Es ist auch keine kleine Straße. Die Ehrenbürgerwürde von Berlin ist auch nichts Unbedeutendes.
Wenn man dann zum Schluss auch noch einmal die Argumente abwägt, kann man nur sagen, dass das Gedenken an die Luftbrücke in Berlin vielfältig ist. Es wird auch weitergehen, zumal die Zeitzeugengeneration immer weniger und bald nicht mehr da sein wird. Es ist doch aber in hohem Maß unanständig, einen 97-jährigen Veteranen in das Licht der Öffentlichkeit zu zerren und für eigene parteipolitische Aspekte zu missbrauchen.
Ich bin mir ganz sicher, dass er es nicht gutgeheißen hätte, dass solche Leute wie Sie von der AfD ihm die Ehrenbürgerwürde antragen. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schade, Herr Pazderski! – Das war zumindest das Wort, das mir sofort eingefallen ist, als ich Ihren Antrag gelesen habe. Ich finde es schade, dass wir hier mit guten Verfahren, was die parlamentarische Meinungsbildung und den parlamentarischen Umgang mit Ehrenbürgerschaften betrifft, brechen. Das ist schade.
Bislang, Frau Halsch hat darauf hingewiesen, war es weitestgehend Konsens, dass diese Ehrung wichtiger als der durchaus verständliche Wunsch nach parteipolitischer Profilierung und dass ein früher Verständigungsprozess über Partei- und Fraktionsgrenzen hinaus ein Wert an sich ist.
Das ist nicht nur eine Frage der Gepflogenheiten, sondern, auch das hat Frau Halsch schon gesagt, auch eine Frage des Respekts gegenüber den Menschen, die man zu ehren gedenkt. Ein interner Vorlauf ist hier keine Frage von Intransparenz, sondern der Rücksicht auf diejenigen geschuldet, deren Ehrung zur Debatte steht. Deswegen sage ich es noch einmal: Es ist schade, denn gerade der nun vorgeschlagene Gail S. Halvorsen, das als CandyBomber bekannt gewordene Gesicht der Berliner Luftbrücke, hätte diesen Respekt verdient. Wer weiß, was der 1942 in die US Airforce eingetretene Pilot zu dem Ganzen sagen würde, etwa wenn er wüsste, dass der Antrag von einer Partei kommt, deren Funktionäre gern vom deutschen Schuldkult schwadronieren und unter deren Mitgliedern es einen latenten Antiamerikanismus gibt.
[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Ronald Gläser (AfD): Das ist unter Ihrem Niveau! – Georg Pazderski (AfD): Das ist würdelos!]
Herr Pazderski! Passen Sie bloß auf! Sie ehren hier einen Ausländer. Wer weiß, was die Herren Höcke und Gauland dazu sagen.
Für die Rechtsaußen in Ihrer Partei riecht das doch ganz, ganz stark danach, als würden Sie hier unbegrenzter Zuwanderung in die deutsche Ehrenbürgerschaft Vorschub leisten. Passen Sie auf! Sie bekommen jede Menge Ärger in Ihrer Partei.
Nun kennen wir Sie leider zwischenzeitlich gut genug, um zu wissen, dass das alles kein peinliches Versehen, sondern Absicht, politische Taktik ist. Es handelt es sich um einen neuen, ebenso kläglichen wie kalkulierten Versuch, die anderen Fraktionen oder den Senat bloßzustellen. Im Zweifelsfall, andere haben auch schon darauf abgehoben, indem man ehrenwerte Dritte vor den eigenen politischen Karren spannt, wie unlängst auch mit Seyran Ateş versucht.
Zum Antrag: Hier verfährt die AfD nach ihrem liebsten Grundsatz in der Parlamentsarbeit: Es ist alles nur geklaut. Wieder einmal wird von Ihnen, Herr Pazderski, in der Begründung suggeriert, als hätten Sie eine brandneue, geradezu revolutionäre Idee, die bislang kein anderer zu denken in der Lage war. Weit gefehlt, einige meiner Vorredner haben es erwähnt. Das ist alles blauer Quark. Die BVV Steglitz-Zehlendorf hat bereits 2008 für eine Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Gail Halvorsen votiert, was heißt, dass sich auch der Senat bereits mit dieser Frage beschäftigt hat.
Wir Grüne werden uns wie damals gewissenhaft mit dem Vorschlag und mit den großen Verdiensten von Gail Halvorsen auseinandersetzen. Seine Lebensleistung für diese Stadt steht außer Frage. Es bleibt offen, ob es richtig ist, hier nur einen von zahlreichen Luftbrückenpiloten auf diese Art herauszuheben,
oder ob das alljährliche Gedenken zum Tag der Luftbrücke und das bereits verliehene Bundesverdienstkreuz nicht ebenso angemessene Formen der Würdigung sind.
Vielen Dank, Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Kollege Wesener! – Verstehe ich Sie richtig, wenn ich Ihren Ausführungen folge, dass 2008 der BVV-Beschluss, der durch die CDU, auch im Rahmen der Ehrenbürgerschaft,
initiiert wurde, nichts anderes als ein parteitaktisches Spielen seitens des rot-roten Senats war, diesen damals abzulehnen?
Nein! Das haben Sie falsch verstanden. Offenbar haben Sie sich auch nicht damit beschäftigt, wie Ehrenbürgerschaften im Land Berlin eigentlich zustande kommen. Es gibt eine Reihe von Gremien, von Parlamenten – dazu gehört auch dieses –, die Vorschläge unterbreiten können. Ich habe aber auf den guten parlamentarischen Brauch abgehoben. Natürlich war es das Recht der BVV SteglitzZehlendorf, einen solchen Vorschlag zu unterbreiten, genauso wie es Ihr Recht ist, einen solchen Antrag zu stellen.
Ich stelle mir nur die Frage: wieso, weshalb, warum? Es liegt nahe, dass es nicht in erster Linie darum geht, Herrn Halvorsen zu ehren, sondern ihn parteipolitisch zu funktionalisieren und, Herr Pazderski, vielleicht auch davon abzulenken, dass Sie in der Tat ein Antiamerikanismusproblem in Ihrer Partei haben.
[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Lachen bei der AfD – Georg Pazderski (AfD): Das sagt ausgerechnet ein Grüner!]
Ich darf Sie fragen, ob Sie noch eine zweite Zwischenfrage des Kollegen Vallendar von der AfD zulassen.
Vielen Dank, Herr Wesener! – Sie sind doch ein freier Abgeordneter mit einem freien Mandat. Ist es nicht eigentlich vollkommen überflüssig, von wem ein Antrag auf eine Ehrenbürgerschaft kommt und wie der vorher ausgekungelt wurde? Jeder hier in diesem Haus ist freier Abgeordneter und kann über eine Sachfrage frei entscheiden. Man muss doch vorher nicht irgendwelche Diskussionsrunden einrichten.
Ich bin sehr froh darüber, dass Sie zwischenzeitlich verstanden haben, was es mit dem freien Mandat auf sich hat. Ich habe eben noch einmal gesagt, dass jeder einen solchen Antrag einbringen und ihm auch zustimmen oder
ihn ablehnen kann. Was doch entscheidend ist, ist die Motivation. Da habe ich deutlich gemacht, was meines Erachtens Ihre Motivation ist.
sondern es geht um Rücksichtnahme – ich weiß, das ist ein Wort, das Sie nicht kennen –, Rücksichtnahme auf Menschen, in diesem Fall um Rücksichtnahme auf den Menschen, den Sie hier ehren möchten. Vielleicht ist es Ihnen aufgefallen, dass das eine mit dem anderen in Widerspruch steht.
Sie merken, dass wir im Umgang mit diesem Antrag alles, nur nicht eines tun werden, nämlich der AfD mit ihrem erneuten Versuch, auf Spaltung und Delegitimierung unserer Demokratie zu setzen, auf den Leim zu gehen.