Protocol of the Session on January 11, 2018

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Mehr als fünf, also sechs!]

Es findet ein Stellenabbau im Bereich der Justizvollzugsanstalten statt, das ist die Wahrheit. Dirk Behrendt steht für Abbau von Sicherheit in den Haftanstalten.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Stefan Evers (CDU): Zahlen lügen nicht! – Anja Kofbinger (GRÜNE): Ist doch alles Quatsch!]

Wie ist das eigentlich mit den Aussagen des Senators vereinbar, die er ja angesichts der Fluchten getroffen hat? Er wollte uns doch vermitteln, er habe das Problem erkannt und mehr Personal durchgesetzt. – Mehr Personal durchgesetzt hat er womöglich: im Bereich der Antidiskriminierung, aber nicht in den Justizvollzugsanstalten.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Das stimmt doch alles nicht!]

Gerade vor diesem Hintergrund und dieser gerade aufgezeigten Entwicklung, muss doch die Frage gestellt werden, ob er der richtige Justizsenator ist. Diese wird nicht nur im klassischen Rollenspiel zwischen Regierung und Opposition formuliert, sondern es gibt relevante Kollegen aus der Regierungskoalition, die im Bereich Inneres und Recht bewandert und seit Jahren tätig sind, die auch ihre Bedenken haben. Darum mache ich der Koalition einfach einen Vorschlag: Entlassen Sie Herrn Behrendt als Justizsenator. Meinetwegen kann er ja Senator für Antidiskriminierung bleiben, wenn es Ihrem Koalitionsfrieden dient.

[Paul Fresdorf (FDP): Und für Schweinezucht!]

Damit würden Sie ihm wahrscheinlich auch noch einen Gefallen tun,

[Lachen von Anja Kofbinger (GRÜNE): Ja, und Sie werden dann Justizsenator! Na, danke schön!]

weil er dann die unliebsamen Themen nicht mehr behandeln müsste, die für den Fundi-Grünen besonders unangenehm sind – Recht durchsetzen zu müssen in Haftanstalten –, sondern dann kann er sich mit dem grünen Kokolores beschäftigen.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Anja Kofbinger (GRÜNE): Wer hat denn die Unisextoiletten eingeführt?]

Sie würden nicht nur ihm damit einen Gefallen tun, sondern auch der Berliner Justiz. Sie würden der Berliner Justiz damit sogar einen Dienst erweisen. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Kohlmeier das Wort.

[Paul Fresdorf (FDP): Das ist die gleiche Rede! – Anja Kofbinger (GRÜNE): Herr Kohlmeier! Ich freue mich!]

So viel Freude! – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Auch von mir ein gesundes neues Jahr! Ich freue mich auf viele gute Beschlüsse und niveauvolle Debatten, die wir in diesem Haus führen. Deshalb möchte ich meine Ausführungen zur Aktuellen Stunde in drei Komplexe fassen. Erstens: Was ist passiert? – Zweitens: Wer trägt die Schuld dafür? – Drittens: Welche Konsequenzen muss es geben?

Was ist passiert? – Kollege Rissmann hat es gerade dargestellt: ein Ausbruch von vier Häftlingen aus der JVA Plötzensee und weitere fünf Ausbrüche aus dem offenen Vollzug. Ja, auch meine Oma aus Torgau fragte mich am Telefon: Was ist eigentlich bei euch in Berlin los? – Es gibt viele Fragen über die Häufung der Fälle und natürlich über das Wie. Der Rechtsausschuss hat letzte Woche Donnerstag versucht, sich die Örtlichkeit anzuschauen und auf die eine oder andere Frage Antworten zu bekommen. Insofern hat der Justizsenator völlig recht, wenn er gestern sagte, auch er hat noch offene Fragen. Tatsächlich fragen wir uns, warum vier Personen fast zwei Stunden lang in einem Heizungsraum flexen, hämmern, arbeiten können, ohne dass es jemand merkt.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Ronald Gläser (AfD)]

Die Frage ist jetzt nicht überraschend. Wir haben ja auch einen Fragenkatalog eingereicht, daher wundere ich mich, dass es jetzt von dieser Seite Applaus gibt. Vielleicht ist das aber noch alte Liebe. Herzlichen Dank, liebe Kollegen von der CDU!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Zurufe von Antje Kapek (GRÜNE) und Danny Freymark (CDU)]

Natürlich fragen wir uns: Warum war der Heizungsraum offen? Wurde das möglicherweise vorbereitet? Ist das entsprechend über mehrere Tage gelaufen? Und natürlich die politische Frage, die auch dahinter steht: Wie ist die Personalsituation an diesem Tag gewesen, und warum fällt es keinem auf, weder in der Werkstatt noch in der Alarmzentrale, dass vier Personen ausbrechen? – Ich hatte gestern das Gefühl, dass wir diese Fragen im Rechtsausschuss seriös miteinander diskutieren wollen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, und es ist klargestellt worden, dass auch Disziplinarverfahren eingeleitet wurden.

Natürlich dürfen Entweichungen aus dem offenen Vollzug nicht passieren, weil der offene Vollzug natürlich nicht offen ist im Sinne von: „Da kann sich jeder frei bewegen und herein- und herausgehen“, sondern der offene Vollzug ist eine Vollzugsform. Insofern ist das,

(Sven Rissmann)

was hier passiert ist, tatsächlich der größte anzunehmende Betriebsunfall und, ich habe es gestern schon gesagt, das klassische Berufsrisiko eines Justizsenators hat sich verwirklicht: Gefangene hauen ab.

Das bringt mich zum zweiten Punkt: Wer trägt die Schuld dafür? – Die Opposition hat diese Frage ja sofort beantwortet und auf den Justizsenator gezeigt: Er habe Schuld,

[Karsten Woldeit (AfD): Die Verantwortung!]

er muss zurücktreten. Auch mein Fraktionskollege Joschka Langenbrinck hat getwittert:

Wer will nochmal, wer hat noch nicht? Das wäre eigentlich ein Rücktrittsgrund für einen Justizsenator.

[Beifall von Heiko Melzer (CDU)]

Ich sage ganz deutlich für die SPD-Fraktion: Ich hätte das so nicht getwittert. Meine Auffassung ist auch, die Ausbrüche aus der JVA sind kein Rücktrittsgrund für den Justizsenator.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Heiko Melzer (CDU): Da gibt es ganz andere Kollegen, die das sagen!]

Sie können sich gern noch melden, Herr Melzer! – Es gibt wegen der Ausbrüche natürlich nichts zu beschönigen. Ich sage auch nicht, dass die Anstaltsleitung, die Justizverwaltung und der Justizsenator hier den besten Job der Welt gemacht haben. Zur Ehrlichkeit gehört aber auch, zu sagen, dass der Justizsenator ein schweres Amt geerbt hat. Ich komme nachher noch einmal zum früheren Justizsenator. Dieser hat eben auch nicht nur ein ordentliches Amt überlassen, das man einmal eben so weiterführt, sondern er hat viele Missstände hinterlassen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Wo Menschen arbeiten, werden Fehler gemacht. Einen Fehler zu machen, ist nicht falsch. Wir alle lernen aus Fehlern. Das trifft auf Mitarbeiter im Vollzug genauso zu wie auf den Justizsenator und mich. Ich stelle hier fest: Der Justizsenator hat im Hinblick auf die Ausbrüche keinen Fehler gemacht. Deshalb muss er auch nicht zurücktreten.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Woldeit von der AfD?

Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Kollege Kohlmeier! – Sie sprachen gerade von einem großen Betriebsunfall. Diese Wortwahl finde ich ein bisschen kritisch. Und Sie sprachen von Schuld. Das sehe ich nicht so; ich spreche von Verantwortung. Sehen Sie es nicht auch so, dass ein Justizsenator die Verantwortung trägt, wenn diese Art von Gefängnisausbrüchen so geschehen ist, wie sie hier geschehen ist?

[Antje Kapek (GRÜNE): Tragen Sie dann nicht auch die Verantwortung für die Äußerungen Ihrer Parteikollegen? – Georg Pazderski (AfD): Na, das war ja jetzt eine Frage! Mein lieber Mann!]

Lassen Sie sich nicht von Zwischenrufen irritieren!

Die Kollegin Kapek hat die richtige Frage gestellt. Die Frage der Verantwortung können wir hier gerne mal miteinander diskutieren, liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD-Fraktion.

[Georg Pazderski (AfD): Sie sollen antworten, nicht mit dem Finger auf uns zeigen!]

Dann sind Sie verantwortlich für alles, was Ihre Kolleginnen und Kollegen aus anderen Landtagen und im Bundestag twittern, sagen usw. Diese Frage können Sie nicht ernst gemeint haben.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Sie können schön aus der letzten Reihe noch ein bisschen herumpöbeln usw. So viel zur Verantwortung, und die müssen Sie sich dann auch zurechnen lassen, lieber Herr Kollege Woldeit.

[Georg Pazderski (AfD): Das können Sie besser, Herr Kohlmeier! – Torsten Schneider (SPD): Sie sind doch Bundesvorsitzender Ihrer Partei! – Steffen Zillich (LINKE): Diese Verantwortung lehnen Sie ab!]

Herr Abgeordneter!

(Sven Kohlmeier)

Ich würde jetzt erst einmal keine Zwischenfrage mehr zulassen, denn die letzte war nicht so qualifiziert. Ich möchte gerne weiter ausführen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zurufe von der AfD]