Diese Sätze stammen nicht von mir. Der erste Teil stammt von Ex-Senator Heilmann am 22. Mai 2014 in der Fragestunde hier im Hause zu dem damaligen Ausbruch aus der JVA Moabit, der zweite Teil vom Kollegen Rissmann – CDU – in der Sitzung des Rechtsausschusses am 28. Mai 2014 zum selben Thema.
Werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Dieses Maß an Sachlichkeit und Differenzierung habe ich mir nicht nur heute, sondern auch in den vergangenen Tagen gewünscht und habe es vermisst. Sie haben stattdessen tief in die Mottenkiste billigster Oppositionspolemik gegriffen und von „Tagen der offenen Tür“ gesprochen
Damit haben Sie zwei Dinge getan: Sie haben gezeigt, dass Ihnen sachliche und konstruktive Oppositionsarbeit offensichtlich völlig egal sind. Es geht Ihnen nur darum, Krawall zu machen und sich mit der AfD einen demagogischen Wettbewerb an den Stammtischen zu liefern. Das ist natürlich Ihr Recht. Aber ich sage Ihnen: Es ist erbärmlich für eine bürgerliche Partei, die versucht, Oppositionsführerin zu sein! Sie senken das Debattenniveau so, dass man sich nur noch schämen kann.
Und Sie machen damit noch eine zweite Sache: Sie sorgen mit dafür, dass in der Öffentlichkeit immer weniger unterscheidbar wird, welche Vorgänge echte Sicherheitsrisiken sind, die wir abstellen müssen, und welche Vorgänge keine ernstlichen Risiken darstellen. – Liebe CDU! Ich kann Ihnen nur den gutgemeinten Rat geben: Kehren Sie zurück zu einer sachlichen Oppositionsarbeit!
Zur Sachlichkeit gehört zuerst, dass wir vernünftig differenzieren. Damit scheitern Sie bereits in der reißerischen Überschrift Ihrer Aktuellen Stunde, und zwar gleich doppelt: Sie sprechen von „Tagen der offenen Tür“ in den Haftanstalten. Wenn wir uns den eigentlichen und schwerwiegenden Ausbruch der vier Gefangenen aus der Kfz-Werkstatt ansehen, liegen Sie schon mal sprachlich falsch. Oder ist für Sie der Ausbruch mit einer Flex durch
Und was die übrigen Entweichungen aus dem offenen Vollzug angeht, ist Ihre Metapher nicht nur sprachlich, sondern auch denklogisch und juristisch falsch: Es ist gerade Sinn und Zweck des offenen Vollzugs, dass es dort bis auf die Schließzeiten offene Türen gibt. Und warum ist das so, liebe CDU? – Es ist so, weil dieses Haus es zuletzt 2016 mit den Stimmen von SPD und CDU zum Berliner Strafvollzugsgesetz so beschlossen hat.
Kleine Nachhilfe: Aus § 16, Abs. 2 ergibt sich sogar, dass der offene Vollzug der Regelvollzug ist und die Gefangenen nur dann im geschlossenen Vollzug einsitzen, wenn sie den besonderen Anforderungen des offenen Vollzugs nicht genügen oder wenn der geschlossene Vollzug zur Erreichung des Vollzugsziels notwendig ist. – Das haben Sie mitbeschlossen! Oder leiden Sie schon wieder an Regierungsamnesie? Zeigen Sie doch mal Haltung; stehen Sie doch mal zu Ihren Entscheidungen!
Und wenn Sie hier davon sprechen, dass der Senator Behrendt Recht und Ordnung nicht einhalten würde, dann gucken Sie sich doch mal an, was Ihr eigener Senator gemacht hat in seiner Amtszeit: Der hat aus Spargründen die Justizvollzugsanstalt für Frauen geschlossen. Dann hat er Platzprobleme gehabt, und dann hat er den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen einfach ausgesetzt. Darüber kann man ja reden. Aber so eine Entscheidung zu treffen, ist für eine Partei, die sich für Law and Order einsetzt und hier hinstellt und den anderen den Vorwurf macht, sie würden Recht und Ordnung nicht einhalten, schon ein starkes Stück!
Das Thema illegale Parteienfinanzierung in SteglitzZehlendorf, das heute in der Presse stand, will ich an der Stelle gar nicht erwähnen. Da bin ich mal gespannt, was dabei rauskommt.
Nein! Wir werden den offenen Vollzug und alle Mitarbeiter, die ihn mit ihrer täglichen Arbeit so erfolgreich machen, entschieden gegen Ihre reaktionären Angriffe verteidigen. Wenn Sie den offenen Vollzug hier aus billiger Parteitaktik in Frage stellen, dann ist das auch ein Schlag ins Gesicht des Vollzugsdiensts, und dafür sollten Sie sich schämen! Das lässt Ihnen Rot-Rot-Grün nicht durchgehen; das kann ich Ihnen ganz klar sagen!
Der offene Vollzug, der sogenannte Knast ohne Gitter, ist ein Berliner Erfolgsmodell. Rot-Rot-Grün bekennt sich
Der offene Strafvollzug ist keine liberale Verirrung, sondern ein hoch erfolgreiches Konzept, wie Strafgefangene besser resozialisiert werden.
Wissen Sie, wer das gesagt hat? – Ex-Senator Heilmann, CDU, 2013 in der „Berliner Zeitung“. Zumindest damit hat er recht: Die Missbrauchsquote bei den Haftlockerungen im offenen Vollzug liegt bei unter 1 Prozent. Hören Sie auf, Ängste in der Bevölkerung zu schüren! Das können Sie den Hetzern von der AfD überlassen.
Aber natürlich sollten wir auch über Probleme im offenen Vollzug sprechen. Wissen Sie, was das zentrale Problem im offenen Vollzug ist? – Er ist voll von Ersatzfreiheitsstrafen. Da gibt es einen großen Teil, die wegen sogenannten Schwarzfahrens einsitzen. Das ist ein völlig absurder und sehr teurer Zustand: Jeder Hafttag kostet uns Steuerzahler ca. 140 Euro. Das steht in keinem Verhältnis zum Unrechtsgehalt des Schwarzfahrens, das zunächst mit dem erhöhten Beförderungsentgelt von 60 Euro zu bemessen ist. Der Unrechtsgehalt ist vergleichbar mit Parken ohne Parkschein. Ich sage Ihnen: Nein! Das Gefängnis sollte für Straftäter sein und nicht für Menschen, die im Kern Hilfe bei der Bewältigung ihres Alltags brauchen.
Deswegen hat sich Rot-Rot-Grün darauf verständigt, Modelle für einen fahrscheinlosen Nahverkehr zu prüfen, denn mit einem fahrscheinlosen Nahverkehr würden sich diese und andere Probleme lösen lassen. Bis dahin sind wir als Linke zumindest der Auffassung, dass das sogenannte Schwarzfahren aus dem StGB herausgenommen und Ordnungswidrigkeit werden soll. Ich freue mich, dass das auch der Richterbund und der neue CDUJustizminister in NRW so sehen.
Liebe Kollegen – nein, Abgeordnete der AfD! Ich kann Ihnen ein Argument nennen: Ich argumentiere aufgrund von Fakten und nicht aufgrund von Fake-News, und ich hetze die Öffentlichkeit nicht mit selbigen auf. – Vielen Dank!
Lassen Sie uns jetzt zu dem tatsächlich schwerwiegenden Ausbruch aus der Kfz-Werkstatt kommen! Es ist völlig unstrittig: Der Ausbruch hätte nicht stattfinden dürfen. Die Gefangenen hätten nicht unbeaufsichtigt mit Flex, Wagenheber und Vorschlaghammer hantieren dürfen. Sie hätten nicht in den Heizungsraum gelangen dürfen, und es hätte beim Herausklettern Alarm ausgelöst werden müssen. Und der Zaun hätte über eine Untersicherung verfügen müssen.
Die Fragen, die sich daraus ergeben, werden jetzt von der Staatsanwaltschaft, der Verwaltung und der von Senator Behrendt eingesetzten Untersuchungskommission und der Dresdener Sicherheitsfirma geklärt. Wir haben dann hier im Hause alle zusammen die Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.
Schon jetzt sind aus meiner Sicht aber zwei Punkte absehbar – erstens: Die Entscheidung des damaligen Justizsenators Heilmann in den Jahren 2012 und 2013, die Ausbildung für den allgemeinen Vollzugsdienst komplett einzustellen, war eine schlechte Entscheidung für die Sicherheit in den Haftanstalten. Sie hat eine Personallücke gerissen, die wir erst Ende 2019 schließen können, und möglicherweise wird es darüber hinaus erforderlich sein, den Personalschlüssel in Bereichen wie den Werkstätten zu erhöhen.
Zweitens: Wenn das Ergebnis des Sicherheitschecks in Plötzensee und den anderen Haftanstalten vorliegt, werden wir Nachbesserungen vornehmen müssen. Alle vergleichbaren Zäune müssen künftig mit einer Untersicherung versehen werden; Schlösser von vergleichbaren Räumen müssen auf den neuesten Stand gebracht werden, und auch der Algorithmus der Überwachungskameras muss verbessert und detektionsfähig gemacht werden.
Wenn wir all dies mit der erforderlichen Sorgfalt umsetzen, werden wir die Haftanstalten am Ende sicherer gemacht haben. Eine absolute Ausbruchssicherheit – das gehört zur Wahrheit dazu – wird es allerdings niemals geben; das war nicht einmal in Alcatraz der Fall. Deswegen ist und bleibt eine vernünftige Präventionsarbeit zusammen mit einer guten Sozial- und Bildungspolitik das beste Rezept für mehr Sicherheit in unserer Stadt. Daran wird die Koalition arbeiten, und daran können Sie uns messen. – Vielen Dank!
Lieber Herr Dr. Behrendt! Wenn ich diese Rede soeben gehört habe, dann haben Sie die größte Konkurrenz in diesem Hause in Ihrer eigenen Fraktion. Wenn ich den Schluss noch einmal rekapituliere, hat sich ja da schon fast der neue Justizsenator vorgestellt.
Wenn wir heute aber die erfolgten Ausbrüche parlamentarisch aufarbeiten, dann machen wir es uns viel zu leicht, hier eben mal mit dem Finger auf den amtierenden Justizsenator zu zeigen.
Wie der SPD-Sprecher gestern im Justizausschuss zu erklären beliebte, ist das höchste Berufsrisiko für einen Justizsenator der Ausbruch aus einer Justizvollzugsanstalt. – Das ist natürlich politischer Unsinn. Kein Senator oder Minister in einem Flächenstaat ist verpflichtet, mit der Taschenlampe die Keller der Vollzugsanstalten abzulaufen, um nach eventuellen Löchern in der Wand zu suchen – dies umso weniger, als die Justizvollzugsanstalt in Plötzensee schon seit ihrer Inbetriebnahme einen schweren Konstruktionsfehler hat, der sich durch den Ausbruch am 28. Dezember leider auch realisiert hat.
Die Außenmauer einer Justizvollzugsanstalt ist die ultimative Sicherheitssperre einer solchen Einrichtung. Für die sicherheitsarchitektonische Großtat, in genau diese Außenmauer Lüftungsschlitze für eine Heizung hineinzubauen, anstatt diese in den Hof hineinzuführen, müssten der Architekt sowie der verantwortliche Prüfer, der die Anlage abgenommen hat, eigentlich probesitzen gehen.
Zweitens müssen wir uns fragen, wie viele Mängel strukturell bedingt sind. Der Berliner Senat ist nach dem Prinzip gebildet, dass man bundesrechtlich Kanzlerprinzip nennt. Für Berlin bedeutet das: Wir konnten hier nur den Regierenden Bürgermeister wählen, der dann in seiner Verantwortung – wohlgemerkt! – den Fachsenatoren die Ernennungsurkunden ausgehändigt hat. Der arme Herr Müller muss zwar auch nicht jedem Senator hinterherlaufen und ihn überwachen, bei der am 28. Dezember 2017 entstandenen Lage wäre aber schon das Konfliktmanagement des von uns hier gewählten Regierungschefs gefragt gewesen, anstatt das Problem zwischen Weihnachtsgans und Silvesterkarpfen im schönen Tempelhof einfach auszusitzen, Herr Müller!