Protocol of the Session on January 11, 2018

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss zugeben, dass ich ein bisschen überrascht war, als ich diesen Antrag gelesen habe. Ich habe nämlich nicht gedacht, dass man so ohne Weiteres ohne rechtliche oder, besser gesagt, nachhaltige rechtliche Konsequenzen israelische bzw. Flaggen jeglichen fremden Staates hier einfach im Rahmen einer politischen Kundgebung abfackeln könnte. Das ist für jeden Staat eine übelste Beleidigung. Meines Erachtens findet die politische Meinungsfreiheit, die für uns ein sehr hohes Gut ist, dort die Grenze, wo man einem fremden Gemeinwesen auf diese Art und Weise regelrecht die Ehre abschneidet.

Ich verstehe auch nicht, dass dies hier in Berlin mehrere Male möglich war, ohne dass die Polizei bei Kundgebungen nach polizeirechtlichen Regelungen, Störung der öffentlichen Ordnung usw., diese Zwischenfälle verhindert hat. Da wird meines Erachtens viel zu oft das Wort

Deeskalation bemüht. Die Beleidigung fremder Staaten müsste auch nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz heute schon verhinderbar sein.

Wie Sie diesen Worten entnehmen können, stehen wir von der Sache her hinter diesem Antrag der CDUFraktion. Wir stehen aber nicht nur von der Sache her dahinter, wir würden ihn auch unterstützen, weil man diese Problematik noch einmal bundesweit in die Debatte werfen und klar regeln muss, und zwar so klar regeln muss,

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

dass dies hier nicht mal mehr ansatzweise möglich ist.

Dann kommen wir – das ist der Vorteil, wenn man etwas später in der Rednerreihung ist – zu den vorgetragenen Bedenken: keine Mehrheit im Bundesrat. – Sagen Sie mal, Kollege Kohlmeier, wie klein müssen wir uns denn Ihrer Meinung nach hier machen? Wenn wir ganz klar die rechtliche Möglichkeit, Anträge zu stellen, haben, die auf die Initiative im Bundesrat hinauslaufen, wenn uns dieses Anliegen hier wirklich wichtig ist, dann tun wir das, und dann wollen wir doch mal sehen, wer bei diesem Antrag, dass israelische Fahnen in Deutschland nicht verbrannt werden, dagegen stimmt.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Bei dem Antrag geht es doch um viel mehr! Das ganze Haus hat beschlossen, dass es das verurteilt!]

Es geht nicht nur um israelische Fahnen, es geht um viel mehr, es geht um jede Fahne. Das habe ich hier schon erklärt. Wir wollen diese Dinge nicht.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kohlmeier?

Nein, das lohnt nicht! – Wissen Sie, Herr Kohlmeier, Sie haben ja Ihre Meinung im Zuge Ihrer Rede schon hinlänglich mitgeteilt. Nur weil ich hier nicht ständig durch dieses Parlament laufe, als ob ich gerade wo reingetreten wäre,

[Heiterkeit bei der FDP]

können Sie trotzdem davon ausgehen: Ich mache gerne Politik, ich habe Spaß daran, und es ist mir eine Ehre, diesem Land und dieser Stadt zu dienen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der AfD]

Wenn Sie andere Menschen darüber belehren möchten, wann sie reden und wann sie, bildlich gesprochen, besser mal den Mund halten sollen, dann fragen Sie sich doch

(Sebastian Schlüsselburg)

mal, wie man das so nennt, wenn sich jemand in die „Abendschau“ stellt und die Kollegen aus der eigenen Fraktion so ein bisschen durch den Kakao zieht – im politischen Sinne.

Wie gesagt, wir unterstützen diesen Antrag. Wir halten es für eine wichtige Initiative, rechtliche Klarheit zu schaffen. Es hat hier nichts mit polizeirechtlicher Deeskalation zu tun, wenn irgendwelche politischen – in Zukunft hoffentlich – Straftäter die Flaggen fremder Staaten verbrennen. Das gehört nicht in unser Land. Das ist nicht unsere politische Kultur.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD]

Die Linksfraktion hat eine Kurzintervention angemeldet. – Herr Schlüsselburg, Sie haben das Wort! – Bitte schön!

Nein, keine Angst, Herr Krestel, ich werde jetzt keine weitere rechtswissenschaftliche Abhandlung halten. Ich möchte aber nur in aller Ruhe und Gelassenheit auf einen Teil Ihrer Rede erwidern, und das betrifft den Umstand, und da spreche ich für das gesamte Haus, dass dieses gesamte Haus beschlossen hat, in Form einer Resolution, dass wir jedwede Form von Antisemitismus oder dem Verbrennen jüdischer Flaggen oder Ähnlichem entgegentreten und das scharf verurteilen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Deswegen weise ich, hoffentlich für das gesamte Haus, Ihre Polemik zurück, dass sich bei der Frage über die Abstimmung dieses Antrags zeigen wird, wer hier gut und wer hier böse ist. Das ist zu viel des Guten an Polemik und muss hier mit aller Vehemenz und Deutlichkeit zurückgewiesen werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

Herr Krestel, bitte! Sie können erwidern.

Danke! – Lieber Kollege Schlüsselburg! Wenn Sie im Ausschuss sitzen, hören Sie mir normalerweise besser zu. Ich habe hier niemals gesagt, dass wir auf diese Art und Weise das Abstimmungsverhalten der Kollegen bewerten wollen oder werden.

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Sie können im Protokoll nachlesen!]

Ich habe gesagt, ich möchte doch einmal sehen, wer diese Initiative, dass man keine fremden Flaggen bzw. insbesondere die israelische Flagge

[Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

oder die äthiopische, da haben Sie völlig recht, danke, Frau Kofbinger! – verbrennen darf, im Bundesrat zurückweisen würde. Ob wir den Senat auffordern, diesen Antrag einzubringen, ist unsere Entscheidung, und die muss jeder hier für sich fällen. Insofern ziehe ich mir

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Den Schuh nicht an!]

die Jacke, die Sie mir hinhalten, nicht an, weil sie mir nicht passt. Ich ziehe mir nie Jacken an, die mir viel zu klein sind.

[Beifall bei der FDP – Hendrikje Klein (LINKE): Das können wir ja nachlesen!]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Abgeordnete Lux das Wort. – Bitte schön!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Die Debatte hat gezeigt, dass wir alle gemeinsam Antisemitismus verurteilen, dass in Berlin kein Platz für antisemitischen Hass ist, dass wir Bilder wie auf den zwei oder drei Demonstrationen, auf denen Israelfahnen verbrannt worden sind, nie wieder sehen wollen. Ich bin Ihnen allen ausgesprochen dankbar, dass wir das bei dieser Debatte anlässlich des CDU-Antrags noch einmal gemeinsam deutlich machen konnten.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der AfD und der FDP – Beifall von Burkard Dregger (CDU)]

In Berlin ist kein Platz für Israelhass, in Berlin ist kein Platz für Antisemitismus, und wir müssen in diesen Zeiten doch besorgt und auf Habacht sein. Wir dürfen das Problem nicht überhöhen, aber der offene Antisemitismus, der offene Israelhass, egal von welcher Seite, tritt immer deutlicher zutage. Da müssen wir als Demokratie wehrhaft sein, gerade als deutsche Demokratie. Wir haben eine besondere Verantwortung gegenüber Israel, und die wollen wir auch wahrnehmen.

Kommen wir zur Bewertung der Einzelfälle, die zu diesem Antrag geführt haben, zur Frage: Ist es straffrei, wenn eine Israelfahne auf einer Demonstration angezündet wird? – Meine Auffassung ist, das ist zu bestrafen. Erstens wird damit auch eine unmittelbare Gefahr für die Versammlung verursacht, wonach man entsprechende Versammlungen verbieten und auflösen könnte oder auch strafrechtlich gegen diesen Vorgang vorgehen kann.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Richtig!]

(Holger Krestel)

Zweitens – da sollte man insbesondere bei den Demonstrationen, über die wir hier reden, die Polizei weiter schärfen und ermutigen, gut vorbereitet dort hineinzugehen, mit Dolmetschern, mit Sachkenntnis usw., und diese möglichen Szenarien im Blick zu haben –: Versammlungsrechtliche Auflagen sind zu erlassen, die ich dann auch bestrafen kann, bis hin zur Auflösung, bis hin zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, wenn ich mich richtig erinnere. Es geht jetzt auch nicht um die Strafhöhe, aber man kann einschreiten. Man kann das verhindern, man kann das verbieten.

[Beifall von Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]

Das öffentliche Verbrennen von Fahnen ganz egal welchen Staates insbesondere auf Versammlungen ist unter Strafe gestellt, oder man kann es im Wege der Beauflagung unter Strafe stellen.

Der Frage, ob wir eine Regelungslücke haben, sollten wir uns also noch einmal genauer nähern. Dabei bin ich für alle Beiträge hier dankbar, die differenziert waren, denn wir haben erstens auch § 166 StGB über das Beschimpfen einer Religions- oder Wertegemeinschaft. Danach wäre es eindeutig zu verurteilen und entsprechend unter Strafe zu stellen, wenn etwa ein Davidstern als religiöses Symbol beschimpft und öffentlich verächtlich gemacht wird. Das Gleiche gilt dann entsprechend für einen Halbmond oder ein Kreuz. Diesen Schutz genießen Religions- und Wertanschauungsgemeinschaften nach deutschem Strafrecht.

[Beifall von Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]

Zweitens die Hoheitszeichen nach § 104 StGB: Wenn also eine Fahne als bewusstes Hoheitszeichen irgendwo hängt oder genutzt wird, macht man sich auch strafbar, wenn man sie beschädigt, verbrennt usw. Zusammengefasst: Fahnen auf Demonstrationen zu verbrennen, ist strafbar. Zweitens: Fahnen, die als Hoheitszeichen dienen, zu beschädigen usw., ist strafbar. Drittens ist das Beschimpfen von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften – insbesondere bei Israel zu prüfen – strafbar. Wir haben § 130 StGB, nach dem Volksverhetzung strafbar ist. Der Frage also, ob wir noch eine Regelungslücke haben, weil wir das Beschädigen von Fahnen anderer Staaten noch einmal generell unter Strafe stellen wollen, müssen wir uns näher stellen. – Bevor ich das mache, würde ich aber die Zwischenfrage zulassen, Frau Präsidentin!

Das ist schön. Ich hatte gewartet, bis Sie Luft holen. – Frau Seibeld war die Erste, die gedrückt hat. Frau Seibeld und dann Herr Kohlmeier! – Bitte, Frau Seibeld!

Vielen Dank! – Lieber Kollege Lux! Sie sagen die ganze Zeit, es sei strafbar, eine israelische Fahne zu verbrennen.

Also die kollektive Beleidigung des Volkes Israel dürfte nicht strafbar sein nach der Rechtsprechung, die es dazu gibt. Mir fällt beim besten Willen keine Norm ein, nach der es strafbar sein könnte. Nach welcher Norm sollte es denn strafbar sein?

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Nach dem Versammlungsrecht, wenn es eine Auflage gegeben hat! Ist doch ganz einfach!]

Zweitens: Wie viele Versammlungen sind Ihnen denn bekannt, die wegen einer Gefahr für die öffentliche Ordnung verboten worden sind oder aufgelöst worden sind?