Zehn Tage vor Heiligabend fühle ich mich ein bisschen an die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens erinnert. Denn mit dem Doppelhaushalt, mit dem Sie uns konfrontieren, kann man die wohl gleichsetzen. Mit Ihrem Doppelhaushalt konfrontieren Sie als rot-rot-grüner Scrooge unsere Stadt mit dem Geist der zukünftigen Weihnacht, mit einer Sammlung voller Humbug, die die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt mit viel Geld zu bezahlen habe.
Wir haben in dem vergangenen Jahr R2G eins gelernt, nämlich dass allein Unfug und Utopie die Maxime Ihrer
Politik sind. Ihre selbstgezogene, verfrühte Bilanz ist sowas von realitätsfern, so weit weg von den Alltagssorgen der Berlinerinnen und Berliner wie die Wiederwahl des Regierenden Bürgermeisters.
Sie sind aufmunitioniert mit zusätzlichen 632 Millionen Steuereinnahmen, und Sie wollen mit dieser Munition Ihren Kurs ideologischer Grabenkämpfe und reiner Symbolpolitik in unserer Stadt weitertreiben. Doch wir sagen Ihnen eins als Freie Demokraten:
Gedulden Sie sich, Herr Schneider! Ich weiß, Sie sind ungeduldig, aber Sie werden die Antwort kriegen. – Als Regierungskoalition haben Sie nach einem Jahr immer noch nicht verstanden, dass sich die Entwicklung einer globalisierten Welt, wie wir sie miteinander erleben, in Berlin am Übergang zum Tarifbereich B nicht aufhalten lässt. Gerade deshalb gehört es zu einer sozialen Verantwortung, die Bedingungen für die Menschen in dieser Stadt klug zu gestalten. Das sage ich vor allem an die Adresse der Linksfraktion. Die Schuldentilgung ist genauso wichtig wie die Verbesserung der sozialen Infrastruktur. Das eine und das andere müssen in unserer Stadt gemacht werden.
Sie hätten spätestens nach dem Wowereit-Senat lernen müssen, dass das von Relevanz ist. Mit einem Doppelhaushalt von fast 58 Milliarden können Sie den Grundstein – Achtung, Herr Schneider! – für eine funktionierende Stadt legen, damit unsere Stadt endlich zu dem Sehnsuchtsort wird, wegen dem viele Menschen nach Berlin kommen. Ich darf daran erinnern: Es war Ihr Finanzsenator, der in der letzten Plenardebatte von dem Sehnsuchtsort sprach und sagte: Berlin muss zum Sehnsuchtsort werden. Er hat verheißungsvoll erklärt, dass Berlin zum Sehnsuchtsort wird. Ich kann allerdings nur feststellen, dass am Ende eine schmerzhafte Ernüchterung eintritt und Berlin eben nicht der Sehnsuchtsort wird, den Sie so gerne hätten, Herr Kollatz-Ahnen.
[Beifall bei der FDP – Senator Dr. Matthias Kollatz-Ahnen: Das Gegenteil ist der Fall! – Steffen Zillich (LINKE): Dann müssen Sie aber jetzt die Konsequenzen ziehen!]
Der Zustand ist aktuell so, dass auch die hundertste Annonce nicht zu einer bezahlbaren Wohnung verhilft, Diebstähle nicht mehr verfolgt werden können und der ausbleibende Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende zur Existenzbedrohung wird. Das ist der Zustand. Wenn wir einmal genau das Spannungsfeld zwischen Unfug und Utopie anschauen und sehen, was in Ihrem Haushalt steckt, dann wollen wir das als Freie Demokraten gerne tun, und zwar indem wir konstruktive Politik machen und die Dinge, die tatsächlich sinnvoll sind, unterstützen. Nicht alles ist schlecht, aber sehr vieles ist schlecht gedacht in Ihrem Haushalt.
Investitionen in Bildung sind nachhaltig. Doch dafür muss man Investitionen – ganz simpel – auch nachhalten. Das sehen wir im Moment nicht gegeben. Wenn ich auf die Besuchertribünen zu den Jüngsten dort oben schaue, dann ist es doch absurd, dass 600 000 Euro und mehr für die Digitalisierung in den Strafanstalten ausgegeben werden und in den Schulen das Geld für Digitalisierung fehlt. Da gehört es doch hin.
[Beifall bei der FDP und der AfD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Antje Kapek (GRÜNE): Fake-News! – Zuruf von Silke Gebel (GRÜNE)]
Die Notwendigkeit der Sanierung und des Neubaus von Schulen wird in diesem Haus niemand bestreiten, auch Sie nicht, Frau Kapek und Frau Gebel.
Sie werden doch nicht bestreiten, dass unsere Schulen dringend saniert werden müssen. Doch anstatt Mut zu einer zentralen Lösung zu haben, verlieren Sie sich im Klein-Klein Ihrer Koalition. Sie verlieren sich im Konzeptstreit. Und wer zahlt dafür? – Die Schülerinnen und Schüler in dieser Stadt.
Wir haben mit der Schulinfrastrukturgesellschaft eine Lösung aufgezeigt, die die Umsetzung möglich macht – auch die statische Umsetzung von Bienenstöcken auf den Schuldächern, weil sie nicht zusammenbrechen, wie es zuletzt in Spandau der Fall war.
Es ist richtig, dass wir mit 150 Millionen Euro mehr für die Lehrkräfte bereitstellen und Quereinsteiger finanzieren. Es ist auch richtig, dass Lehrer in Berlin nach Jahrzehnten der Prügel auch mal in den Genuss der Durchschnittsbezahlung kommen. Es ist auch richtig, dass – Gott sei Dank! – Herr Rackles in der Debatte noch beigedreht und den vierwöchigen Crashkurs für die Quereinsteiger in unserer Stadt noch eingeführt hat. Das war richtig, das macht konstruktive Zusammenarbeit aus. Denn wären wir am Ende bei 40 Stunden Vorbereitung
für den Quereinstieg gewesen, dann wäre das so ähnlich wie Ihr Vorhaben, einen ehemaligen Staatssekretär zum BER-Chef zu ernennen, der am Ende eben auch nichts hinkriegt.
Es ist aus unserer Sicht beschämend, die Bildungspolitik in einer Stadt miterleben zu müssen, in der einst Wilhelm von Humboldt die bedeutendste Bildungsreform der deutschen Geschichte hervorbrachte. Frau Scheeres bringt allein mit stoischer Gelassenheit eklatante Bildungsergebnisse hervor, mehr nicht. Das ist Ihre Bilanz. Schaffen Sie eine vielseitige Bildungslandschaft für die Potenziale unserer Kinder und das Erbe Humboldts, und werden Sie diesem, verdammt noch mal, endlich wieder gerecht!
Unterstützen Sie doch auch Schulen in freier Trägerschaft und schaffen Sie einen diskriminierungsfreien Zugang zu Fortbildungsmaßnahmen für Lehrer freier Träger! Sorgen Sie dafür, das wäre richtig.
Ich sage Ihnen: Die Bilanz im Bildungsbereich ist schon schlimm. Schlimmer wird es nur noch im Wohnungsbau. Mit dem Aufwuchs der Milieuschutzgebiete wird deutlich, warum Ihre Koalition die Bedürfnisse unserer Stadt nicht verstanden hat. Im Milieuschutzwahn wollen Sie sich die Stadt zusammenkaufen und überlassen den Rest der Bürger dem von Ihnen verurteilten Spiel der Märkte. Dann tun Sie doch was dagegen! Aber das, was Sie tun, ist absolut falsch.
Ich habe mich gefragt, wieso Sie das tun. Aber ja, Sie tun das am Ende des Tages, weil, wenn der Senat schon marode Polizeiwachen und Justizgebäude seit Jahren zu Spitzenpreisen anmietet, dann kann er einfach nicht anders, dann ist das die Logik daraus. Daher sage ich Ihnen: Gehen Sie neue Wege in Berlin! Doch selbst wenn die Stadt bauen, bauen, bauen und nochmals bauen fleht, dann zieht sich Frau Lompscher lieber in ihre Beraterkreise mit Intimus Holm zurück und will landeseigene Gesellschaften noch mit der Schulsanierung beauftragen, die sich eigentlich um das Thema kümmern sollen, das in dieser Stadt von großer Bedeutung ist, nämlich Wohnraum zu schaffen. Das wäre der richtige Schritt.
Ein Baulückenkataster haben wir bis heute noch nicht, den Dachgeschossausbau sabotieren Sie, die privaten Bauherren verteufeln Sie. So viel politische Unvernunft erlebt man wahrscheinlich nur noch bei Raúl Castro.
Ja, so ist das, Herr Schneider! Die Wahrheit ist bitter, aber das ist die Bilanz Ihrer Haushaltsberatungen. Das ist die Bilanz von einem Jahr Rot-Rot-Grün in dieser Stadt. Mit der müssen Sie sich leider auseinandersetzen. Leider
sage ich, denn mit diesen beiden Koalitionspartnern wollen doch Sie am Ende des Tages wohl auch nicht mehr länger regieren, wenn man sich den Zustand anschaut.
Und der Humbug nimmt ja kein Ende, um mal in dem Bild der Weihnachtsgeschichte zu bleiben. Ich teile Ihre Ansicht, Frau Kapek, dass wir die Bedingungen für den Radverkehr in der Stadt verbessern müssen.
Denn wenn Radverkehrsinfrastruktur in Oberlungwitz – ich weiß nicht, wer von Ihnen weiß, wo das ist – besser ist als in der Hauptstadt Berlin, dann besteht doch in der Tat Handlungsbedarf. Und da haben auch Sie uns an Ihrer Seite. Aber wenn Sie diese sensiblen und wichtigen Dienste wie z. B. häusliche Krankenpflege auf das Lastenfahrrad verlegen wollen, wenn Sie diejenigen, die wichtig sind für unsere Stadt, auf dem Fahrrad durch die Stadt schicken wollen, dann hört der Spaß am Ende des Tages auch auf, Herr Wolf.
Und die einseitige Fixierung von Ihnen auf Radverkehr und Straßenbahn wird sich in einer Metropole, die sich schnurstracks auf vier Millionen Einwohner entwickelt, irgendwann rächen. Sie wird sich rächen, Herr Wolf. Immerhin haben Sie verstanden, dass die Menschen, die nach Brandenburg zu den besser bezahlten Stellen – denn da sind sie leider noch besser bezahlt – im öffentlichen Dienst pendeln, auch einen Regionalverkehr brauchen. Also sorgen wir doch dafür, dass Berlin attraktiv wird!
Sie hätten vorausschauend damit beginnen können, die U-Bahn-Lücken in unserer Stadt zu schließen. Sie hätten eine S-Bahn-Ausschreibung auf den Weg bringen können, die faire Wettbewerbsbedingungen garantiert und das Wohl der Fahrgäste berücksichtigt. Sie hätten zu den 30 E-Bussen auch gleich Fahrkartenautomaten anschaffen können in den Berliner Straßenbahnen, die nicht nur mit Münzgeld bezahlt werden. Stattdessen wollen Sie Schneisen für sinnlose Straßenbahnen in unsere dichten Verkehrsräume schlagen. Nicht jede Straßenbahn ist zielführend, einige davon in der Tat, aber nicht jede.