Protocol of the Session on November 30, 2017

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Herr Dr. Nelken das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Reden der Vorredner scheint es mir erforderlich, an den Anlass und das Thema dieser Aktuellen Stunde zu erinnern,

[Zuruf von Paul Fresdorf (FDP)]

denn offenbar animiert das Stichwort BER einige der Kollegen zum Abheben und löst einen Reflex aus, über alles zu reden, was man zum Flugwesen – und speziell zu Tegel – schon immer mal sagen wollte. Was ist aber eigentlich das Thema der Aktuellen Stunde? Was ist die Aktualität, über die wir heute reden? – Da oben steht es: Es geht um die aktuellen Entwicklungen an der Baustelle BER. Was sind diese aktuellen Entwicklungen gewesen? Was ist da passiert?

[Zuruf von der FDP: Nichts!]

In der letzten Woche gab es Medienberichte über neuerliche Bauverzögerungen auf dem BER, die den Terminplan gefährden würden. Diese würden sich aus ganz geheimen Gutachterberichten ablesen lassen – so lautete die Meldung. Es begann dann das übliche Rauschen und die Aufregung über diese Medienberichte. Wenn man nun nach ein paar Tagen guckt, wo sich Rauch und Aufregung etwas verzogen haben, könnte man diese Medienberichte kritisieren. Medienschelte ist aber nicht nur unschicklich, vielmehr gilt in dem Fall: Da man im Glashaus sitzt, sollte man nicht mit Steinen werfen, denn trotz der dürren Meldungslage sahen sich alle politischen Parteien in diesem Haus gezwungen, schnellstens darauf zu reagieren.

[Zuruf von Paul Fresdorf (FDP)]

Auch die Regierungskoalition wollte zeigen, dass sie sich des vermeldeten akuten Problems auf der Langzeitbaustelle natürlich unverzüglich annehme und das Feld nicht der Opposition überlasse. Auch die Koalition hat sich nicht die Zeit genommen zu hinterfragen: Was hat es tatsächlich mit diesen alarmierenden Medienberichten auf sich? Was steht in den Berichten? Um welche Berichte geht es überhaupt? Wer sind die Gutachter, die da was berichtet haben? Was wird da zitiert? Was ist auf der Baustelle wirklich los? – Das hat offensichtlich keinen richtig interessiert.

[Paul Fresdorf (FDP): Was wird denn da gebaut? – Sebastian Czaja (FDP): Das ist die Frage! – Frank-Christian Hansel (AfD): Ich habe es gesagt!]

Das Aufregungsbarometer schlug sofort hoch. Gestern gab es eine ausführliche Anhörung mit – das muss ich im Gegensatz zu meinen Vorrednern mal sagen – relativ geringem Neuigkeitswert.

[Beifall bei der FDP]

Nun haben wir heute eine Debatte in der Aktuellen Stunde des Plenums, und ich habe bis jetzt – zu Ihnen komme ich noch – auch nichts Neues gehört, obwohl Herr Czaja ja noch nicht geredet hat.

[Stefan Evers (CDU): Kommt noch!]

Ich vermute aber, dass sich, wenn er das vorträgt, was er gestern als Besucher im Stadtentwicklungsausschuss gesagt hat, daraus nichts Neues ergeben wird. Er wird uns was aus seiner blitzscharfen Konsequenz aus dem TÜVAbschlussbericht darlegen, die da lautet: Tegel muss offen bleiben. – Das leiten Sie aus diesem Bericht ab.

[Heiterkeit bei der LINKEN – Sebastian Czaja (FDP): Ich leite politisches Versagen ab! – Steffen Zillich (LINKE): Ganz überraschend!]

Ich muss aber auch zugeben: Bei mir hat diese Aufregungsnummer auch funktioniert; das gebe ich sofort zu. Bauverzögerung, Terminplan auf kritischem Pfad, Sprinkleranlage, Entrauchung, Brandmeldeanlage SSV – das kannten wir alles, das funktioniert alles nicht. Alles klar wie immer. Und so war die genervte Erstreaktion meinerseits: Warum schon wieder das? Beim zweiten Hinsehen wurde aber klar, dass die Berichterstattung vor allem hinsichtlich der intendierten Botschaft alles andere als nachvollziehbar war und bei genauerer Betrachtung eigentlich keinen Grund zur gesteigerten Aufregung bietet. Ich bin auf die Verpackung, wie viele andere auch, reingefallen, weil sie einfach meine Erwartungen und meine Vorurteile erfüllt hat.

Damit komme ich zu den bislang bekannten Fakten; wir wollen hier mal über die Fakten reden. Im Mittelpunkt steht der berühmte Bericht des TÜV Rheinland. Der TÜV Rheinland ist von der Flughafengesellschaft als ÜSV, als übergeordneter Sachverständiger unter Vertrag genommen worden. Was bedeutet das? Was sind seine Aufgaben? – Das kann man dem Bericht des 1. Untersuchungsausschusses der letzten Legislaturperiode entnehmen. Ich kann empfehlen, Seite 276 des Berichts aufzuschlagen. Da steht – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

Gemäß § 76 Abs. 1 Nr. 4 der Brandenburgischen Bauordnung hat der Bauherr mit Anzeige der Fertigstellung der Bauaufsichtsbehörde die Bescheinigungen der Prüfsachverständigen über die ordnungsgemäße Beschaffenheit und Betriebssi

(Frank-Christian Hansel)

cherheit der technischen Anlagen und Einrichtungen vorzulegen.

[Beifall von Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]

Der TÜV Rheinland wurde daher ab Oktober 2010 von der Flughafengesellschaft damit beauftragt, die Aufgabe eines sogenannten übergeordneten Sachverständigen wahrzunehmen. Während die ausführenden Firmen der technischen Anlagen im Fluggastterminal die Prüfbescheinigungen über ihre jeweiligen Anlagen beizubringen hatten, prüfte der übergeordnete Sachverständige im Auftrag der Bauherrin die Schnittstellen zwischen den Anlagen und die Funktion des Gesamtkomplexes. Grundlage für die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 76 Abs. 1 Nr. 4 BauOBbg waren für den übergeordneten Sachverständigen zum einen die Prüfnachweise der einzelnen Firmensachverständigen. Zum anderen führte er sogenannte Wirkprinzipprüfungen am Gesamtkomplex durch.

So steht es in dem Bericht. Das hätten die Kollegen, die in der letzten Legislaturperiode nicht in diesem Hause waren, mal nachlesen können. Bevor man hier Wind macht, sollte man sich über die Fakten informieren,

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

denn vor dem Hintergrund dieser Aufgabenstellung bieten die aus dem TÜV-Bericht – was die Presse wiedergegeben hat – Anfang November kolportierten Aussagen eigentlich überhaupt keinen Grund für Aufgeregtheit. Was steht denn in dem Bericht, was zitiert worden ist – den gesamten Bericht kenne ich ja nicht? – Da steht einfach nur: Das Mainpier Nord ist nicht nur baulich fertiggestellt. Dafür liegen nicht nur die Sachverständigenprüfberichte der Sachverständigen der Unternehmen vor, sondern: Der übergeordnete Sachverständige hat auf dieser Grundlage mit einer Funktionsprüfung begonnen. Das ist doch eine gute und keine schlechte Nachricht!

[Beifall bei der LINKEN und der SPD]

Man hat für die Gebäudeteile am FGT offensichtlich bereits die IBN-Phase II und III begonnen. Das ist eine gute Nachricht.

Prof. Lütke Daldrup bestätigte gestern im Ausschuss diese Aussage. Außerdem führte er dazu aus, dass man am fertiggestellten Gebäudeteil Mainpier Nord begonnen habe, um so Erkenntnisse für ggf. systematische Mängel zu gewinnen. Große Aufregung – systematische Mängel!

[Heiterkeit bei der LINKEN]

Man könnte diese Erkenntnisse aus der Funktionsprüfung am Mainpier Nord auf die anderen übertragen. Warum?

[Holger Krestel (FDP): Weil die auch die Mängel haben!]

Der A-Riegel im Flughafenterminal, das ist der Mainpier. Da sind die Gebäudeteile im Mainpier Nord und Süd

praktisch identisch. Sie sind spiegelverkehrt. Sie sind die gleichen Gebäude mit den gleichen Anlagen. Und auch der Mittelmainpier ist fast identisch mit diesen Anlagen. Das heißt, wenn wir jetzt dort Funktionsprüfungen durchführen, dann kann man sie übertragen. Und wenn man jetzt Mängel an den Anlagen feststellt, dann kann man die vorher abstellen, bevor man in die Funktionsprüfung geht. Dass man mit diesen Tests nicht zuwartet – irgendeiner meiner Vorredner hat es gesagt – bis zum Beginn der Wirkprinzipprüfungen des ÜSV, ist richtig. Die sollen ja im September 2018 beginnen. Viele Kollegen wissen vielleicht nicht, worüber wir reden, Herr Evers, aber Sie sollten es wissen, Sie haben lange genug im Untersuchungsausschuss gesessen, um die Abläufe der Inbetriebnahme zu kennen. Sie sollten das jedenfalls wissen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Das ist vernünftig, jetzt damit anzufangen, denn alles andere, wenn man anders vorgehen würde, Herr Evers, dann würde man auf den kritischen Pfad mit dem Ende der Bautätigkeit und mit der Abnahme und mit dem Beginn der Wirkprinzipprüfung kommen.

Herr Dr. Nelken! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Evers?

Ja, aber klar!

Vielen Dank! – Nur deshalb, weil ich etwas irritiert bin, wir haben gar nicht kritisiert – –

Ist da bei Ihnen vielleicht ein Smartphone nah – –

Jetzt ist aber nichts mehr hier. Ich kann auch den Rechner aus dem Fenster werfen.

[Stefan Ziller (GRÜNE): Aber mach’s vorher aus!]

Also zur Frage, ich kann jetzt wirklich nicht noch mehr Technik entfernen, höchstens das Mikrofon der Nachbarin, wenn’s hilft. – Gut, also: Weil ich jetzt etwas irritiert darüber bin, dass Sie uns vorwerfen, wir hätten ein Problem damit, dass geprüft wurde, dass sozusagen RKS und TÜV ihren Aufträgen zu diesem Zeitpunkt nachgekommen sind, das ist nicht der Fall. Das Ergebnis der Prüfungen ist es, das uns irritiert, dass diese Art von Mängeln zum jetzigen Zeitpunkt beschrieben wird, und die fest

(Dr. Michail Nelken)

gehaltenen Äußerungen beider, TÜV und RKS, lauten nicht etwa, dass man Gefahr läuft, auf einen kritischen Pfad zu kommen, sondern dass man sich darauf längst befindet.

[Zuruf von der LINKEN: Frage!]

Herr Evers! Sie zumindest wissen, da wir alle dort sehr viele TÜV-Berichte zur Kenntnis nehmen durften, wie die TÜV-Berichte geschrieben werden und was da zu „betriebssicher“ und „wirksam“ steht. Die Formulierungen, die ich der Presse entnommen habe, sind völlig normale Formulierungen. Sie sind sozusagen einschließlich dessen, was der RKS-Ingenieur, der das Monitoring über die Terminplanung der Steuerer macht – – Diese Aussagen, die dort stehen, weisen überhaupt nicht auf ein ernsthaftes Problem hin. Allerdings – und da gebe ich Ihnen recht – würde ich mich jetzt sehr vorsichtig verhalten, denn wir haben es schon oft genug bei diesem BER erlebt, dass wir aufgeregte Presseberichte haben. Alle regen sich auf. Dann stellt sich heraus: Es ist nicht wirklich etwas Ernsthaftes, das da berichtet wird. – Und dann stellt sich heraus, dass wir an anderer Stelle ein viel größeres Problem haben und dass die allgemeine Aufgeregtheit dazu führt, dass die tatsächlichen Probleme des BER verdeckt werden. Das haben wir oft genug erlebt.

[Heiterkeit bei der LINKEN]

Insofern werde ich mich hier nicht hinstellen und sagen: Es gibt keine Probleme. Was zitiert worden ist und worüber Sie hier den Skandal sozusagen inszenieren, das trägt diese Inszenierung nicht, und das wissen Sie, Herr Evers, und diejenigen, die im Untersuchungsausschuss gesessen haben. Die können das noch echt bewerten, was dieser 14. Monatsbericht des TÜV Rheinland als übergeordneter Sachverständiger zu bedeuten hat. Das haben Sie nicht gemacht. Sie haben dort wissentlich skandalisiert, obwohl das Material das gar nicht hergibt.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Jetzt muss ich leider zum Schluss kommen, sonst hätte ich Ihnen gerne noch etwas zum RKS gesagt. Ich komme jetzt zu zwei Faziten. Das erste Fazit lautet einfach, dass man sich sozusagen, wenn man sich mit solchen Berichten auseinandersetzt, eher der Realität zuwenden – das braucht der BER sehr dringend – und diese aufgeregte öffentliche Debatte lassen sollte, denn erfahrungsgemäß kommt beim BER irgendwann das wirkliche Problem durch die Hintertür.