Aber verschwenden Sie nicht unsere Zeit mit Scheindebatten, sondern lassen Sie uns über die echten Probleme reden!
Lassen Sie uns darüber reden, wie wir den Scherbenhaufen, den Sie verursacht haben, wieder zusammenführen!
Denn – vielleicht schreien Sie jetzt mal ein bisschen weniger – Sie haben es am Sonntag selber gesehen: Unsere Demokratie kann auch verwundet werden.
Und deshalb wäre es auch Ihre Verpflichtung gegenüber unserer gemeinsamen Demokratie, endlich wieder zur Sachpolitik zurückzukehren. Ich warte darauf.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir haben heute in der Debatte wieder vieles an Zuspitzungen und Polemik gehört.
Ich glaube, das hat uns schon in den vergangenen Monaten im Zusammenhang mit dem Volksentscheid nicht weitergebracht, und wir sollten damit auch irgendwann aufhören. Es geht hier nicht um Sieg oder Niederlage. Wir müssen vielmehr gemeinsam eine schwierige Sachfrage bewerten, die beim Tegel-Volksentscheid eben nicht final entschieden werden konnte. Aber es wurde doch für unsere weitere Politik zum Flughafen Tegel eine Richtung vorgegeben, ohne Frage, mit der sich nun der Senat, die Regierung, aber natürlich auch das Parlament seriös auseinandersetzen müssen.
Ich will allerdings auch vorneweg sagen – und das muss auch erlaubt sein für eine Regierung und für einen Regierenden Bürgermeister –: Ja, es stimmt, ich finde diese Entscheidung nach wie vor nicht richtig für die Entwicklung der Stadt, für den Flughafen BER, aber vor allen Dingen auch für die 300 000 vom Fluglärm Betroffenen, die sich auf das Schließungsversprechen der Politik seit 20 Jahren verlassen haben. Für diese 300 000 Menschen mindestens bleibt der 24. September ein bitterer Tag.
Ich möchte das auch eingangs mit den Worten einer großen Berliner Tageszeitung einordnen, wie man das Ergebnis am Sonntag beim Volksentscheid sehen kann.
Richtig! Fast eine Million Berliner hat den Senat am Sonntag aufgefordert, den Flughafen Tegel offenzuhalten.
Und zugleich – steht in der Zeitung – will fast eine dreiviertel Million Berliner genau das Gegenteil.
Und ich füge noch hinzu: Fast zwei Millionen Berlinerinnen und Berliner haben an der Abstimmung nicht teilgenommen, weil sie nicht wollten, zu jung waren bzw. keine deutsche Staatsangehörigkeit haben. So kompliziert, meine Damen und Herren von der Opposition,
und wir reden heute gemeinsam über die Offenhaltung des Flughafens Tegel. Ja, diese Regierung hat eine Verantwortung gegenüber dem Ergebnis des Volksentscheids, aber sie hat auch eine Verantwortung für alle Menschen in dieser Stadt und für eine gute zukünftige Entwicklung Berlins.
Die rot-rot-grüne Koalition ist sich ihrer Gesamtverantwortung bewusst, und Sie müssen uns auch wahrlich nicht erklären, wie man mit den Instrumenten der direkten Demokratie umgehen muss, denn Rot-Rot hat genau diese Instrumente damals unterstützt, von den Grünen gegen den erbitterten Widerstand der CDU überhaupt erst durchgesetzt.
Und diese Instrumente der direkten Demokratie machen auch ganz bewusst Unterscheidung möglich, Unterscheidung in bindende und eben nicht bindende Volksentscheide; denn nur so kann es das beabsichtigte konstruktive Zusammenspiel zwischen direkter und parlamentarischer Demokratie überhaupt erst geben. Auch das muss eine Rolle spielen, wenn man sich mit dem Verhältnis zwischen repräsentativer und direkter Demokratie auseinandersetzt.
Wir müssen verantwortungsvoll mit den Instrumenten der direkten Demokratie umgehen. Ich will noch mal hinzufügen, was ich auch vor 14 Tagen gesagt habe: Diese Instrumente müssen wir insbesondere da lassen, wo sie hingehören: bei den Bürgerinnen und Bürgern.
In dieses Parlament gewählte Parteien müssen sich selbst ernst nehmen und ihren politischen Gestaltungswillen hier im Abgeordnetenhaus, im Ringen zwischen Koalitions- und Oppositionsparteien, darstellen. Wer mit seiner Rolle allzu kreativ und machtpolitisch umgeht und je nach Gusto parlamentarisch oder außerparlamentarisch arbeitet, der muss sich am Ende nicht wundern, wenn klare Grenzen des demokratischen Systems auch von anderen nicht mehr akzeptiert werden, und am Ende droht Verdruss und Demokratiemüdigkeit. Und davon profitieren nur die Feinde der Demokratie, die auch am vergangenen Sonntag mit über 12 Prozent in den Deutschen Bundestag gewählt worden.
[Anhaltender Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zurufe von der AfD – Georg Pazderski (AfD): Ein Dummschwätzer! Sie lehnen den Volksentscheid ab! Schämen Sie sich, Herr Müller! Schämen Sie sich! Schämen Sie sich!]
Ich komme gerne nachher mit in den Ältestenrat, um noch mal genau zu untersuchen, was Sie hier alles gesagt haben!
Noch einmal: Es muss Schluss sein damit, jeden Volksentscheid gleich zur Existenzfrage hochzustilisieren.
[Kurt Wansner (CDU): Er regiert mit den Kommunisten! – Georg Pazderski (AfD): Ja, Stalinisten und Kommunis- ten, das sind die Richtigen!]
Es geht bei diesem Volksentscheid zu Tegel um eine Sachfrage. Möglicherweise geht es Ihnen auch um die Regierung, aber auch das muss man sich wirklich – vielleicht auch in der öffentlichen Diskussion – mal auf der Zunge zergehen lassen. Wir haben jetzt jedes Jahr ein oder zwei Volksentscheide. Und das bedeutet dann: Jedes Mal, wenn die Regierung eine andere Position hatte, dann muss sie gehen? – Na, dann viel Spaß beim Wählen!
Aber es geht hier nicht um Rot-Rot-Grün, es geht hier auch nicht um mich, sondern es geht um verantwortungsvolles Handeln. Ich bin der Überzeugung, dass diesem Volksentscheid mit seiner Vorgeschichte und den stark emotional und deshalb so selten auch sachlich geführten
dass wir diese Versachlichung auch brauchen. Hier geht es – noch einmal – um grundsätzliche Dinge, die nach dem 24. September zu klären sind. Ja, wir wissen als Koalition, die sich der direkten Demokratie verpflichtet sieht, dass wir einen Auftrag erhalten haben.