Protocol of the Session on July 6, 2017

Ähnlich interessantes Zahlenmaterial findet sich im Kapitel H.2. „Handlungsfeld Gebäude- und Stadtentwicklung“, aber auch in anderen Kapiteln. Hier wird dargelegt, dass der Gebäudebestand für rund 49 Prozent der Berliner CO2-Emissionen im Jahr 2012 verantwortlich war. Woher kommt denn diese Zahl? Nachweislich gibt es laut amtlicher bundesweiter Fortschreibung des Gebäude- und Wohnungsbestands nur Daten darüber, wie viele Wohngebäude in Berlin, aber auch bundesweit existieren. Der Bestand von Nicht-Wohngebäuden wird überhaupt nicht erfasst, und über den Zustand und die bauliche Qualität der vorhandenen Gebäude gibt es auch so gut wie keine Statistik. Ebenso wenig existieren verlässliche Daten darüber, wie viele Gebäude überhaupt schon energetisch saniert wurden und in welchem Umfang.

Sie sehen, ich muss gar nicht allzu tief einsteigen: Uns wird eine mathematisch-statistische Genauigkeit vorgegaukelt, die so nicht existiert und die es so auch nicht geben kann. Hier wird mit Zahlen jongliert, die schlichtweg nicht nachvollziehbar sind. Und das nenne ich unseriös. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD – Zuruf von der AfD: Hört, hört! – Daniel Buchholz (SPD): Aber dass man Gebäude im Winter heizen muss, ist unerheblich? – Zuruf von Georg Pazderski (AfD)]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat Herr Dr. Efler das Wort.

[Georg Pazderski (AfD): Der kann die Zahlen erklären!]

Ja, hören Sie genau zu! – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Ich will mich zunächst beim Senat für die Erarbeitung und Vorlage des Berliner Energie- und Klimaschutzprogramms bedanken. Ich bin sehr zuversichtlich, dass dem BEK diesmal ein besseres Schicksal zuteilwird als in der letzten Wahlperiode; denn für uns als Linksfraktion ist völlig klar, dass Klimaschutz eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit ist.

Es handelt sich um eine globale Gerechtigkeitsfrage, denn für den menschengemachten Klimawandel sind überwiegend die wirtschaftlich mächtigen Staaten der Welt verantwortlich. Die Auswirkungen des Klimawandels treffen aber alle Staaten und den Planeten insgesamt. Die größten Verlierer werden die ärmsten Staaten der Welt sein, weil sich diese nicht mit milliardenschweren Investitionen gegen sich ausbreitende Wüsten oder den steigenden Meeresspiegel schützen können. Wenn Berlin es ernst meint, dass wir eine globale Metropole sind, und wenn es uns nicht egal ist, wie sich unser Handeln und unsere Wirtschaft auf andere Staaten und vor allem auf andere Menschen auswirken, dann sind wir schon moralisch dazu verpflichtet, konsequenten Klimaschutz zu betreiben.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Die Grundsatzentscheidung zur Klimaneutralität Berlins bis zum Jahr 2050 ist in diesem Haus ja bereits getroffen worden – übrigens in großer Einmütigkeit – und dann durch das Energiewendegesetz rechtlich normiert worden. Bisher fehlte aber ein konkretes Umsetzungsprogramm. Das ist jetzt mit dem BEK vorgelegt worden. Wir werden es uns in den Ausschussberatungen sehr genau ansehen. Auch da gilt mit Sicherheit das strucksche Gesetz: Es wird am Ende nicht so herauskommen, wie es eingebracht worden ist.

Ich will kurz auf zwei Punkte eingehen: Der erste betrifft das Thema erneuerbare Energien. Hier ist Berlin bislang sehr schwach. In einer Bundesländervergleichsstudie liegt Berlin auf dem letzten Platz. Wir liegen auch deutlich hinter den Stadtstaaten Bremen und Hamburg zurück. Da ist sehr viel Luft nach oben, und angesichts des Kohleausstiegs, den wir umsetzen werden, brauchen wir mehr erneuerbare Energien in Berlin. In diesem Punkt ist mir die Senatsvorlage noch nicht ambitioniert genug. Aus meiner Sicht mangelt es an konkreten Ausbauzielen für erneuerbare Energien insgesamt. Gerade die spezifischen

(Frank Scholtysek)

Aussagen zur Solar- und zur Windenergie sind verbesserungsfähig. So sollten wir uns zum Beispiel, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, ein konkretes Datum für die Überprüfung von Dachflächen öffentlicher Gebäude auf ihre Eignung für die Installation von Solaranlagen vornehmen und das klar hineinschreiben, denn dann kommt wirklich Zug in die Sache, und dann wird Berlin wirklich zu der Mieterstromhauptstadt, die Silke Gebel zu Recht gefordert hat.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Auch bei der Steigerung des Anteils der Windenergie ist der Zeithorizont mit dem Jahr 2050 doch etwas weit entfernt.

Ich will noch zum Thema Gebäudebestand kommen, es ist ja angesprochen worden. 49 Prozent halte ich für eine sehr vernünftige und nachvollziehbare Zahl. Wir müssen sehr ehrlich sein: Wir haben hier einen Zielkonflikt. Wenn wir die ambitionierten Klimaziele Berlins erreichen wollen, müssen wir energetisch sanieren und das auch stärker als bisher. Bisher führen energetische Sanierungen aber häufig zu teilweise heftigen Mietsteigerungen. Wir alle kennen drastische Beispiele aus bestimmten Kiezen. Ich bin froh, dass der BEK-Entwurf diesen Zielkonflikt erkannt hat und Maßnahmen zur Sozialverträglichkeit energetischer Sanierungen vorgesehen hat. Das ist schon sehr gut.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Daniel Buchholz (SPD)]

Das müssen wir uns aber sehr genau ansehen. Ich verweise auch auf unseren Koalitionsvertrag und auf eine Formulierung, die für uns als Linksfraktion handlungsleitend ist: Keine Mieterin und kein Mieter soll aufgrund einer energetischen Sanierung ihre oder seine Wohnung aufgeben müssen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Silke Gebel (GRÜNE)]

Abschließend möchte ich mich noch zur Fraktion ganz rechts außen äußern. Wir haben im Haus große Unterschiede in der Energie- und Klimapolitik. Bei der CDU und auch bei der FDP habe ich aber grundsätzlich den Eindruck, dass sie anerkennen, dass der Klimawandel menschengemacht und dass Klimaschutzpolitik notwendig ist. Wir unterscheiden uns in den Maßnahmen, und – Herr Schultze-Berndt, nehmen Sie es mir nicht übel – was Sie zur Elektromobilität erzählt haben, war Quatsch. Sie haben aber am Anfang Ihrer Rede deutlich gemacht, dass auch die CDU für Klimaschutz steht.

[Daniel Buchholz (SPD): Theoretisch!]

Bei Ihrer Fraktion, bei Ihrer Partei ist das vollständig anders. Sie wollen, dass Deutschland aus dem Pariser Klimavertrag aussteigt. Sie wollen das Berliner Energiewendegesetz wieder abschaffen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Richtig!]

In Ihr Grundsatzprogramm haben Sie ernsthaft hineingeschrieben, dass CO2 gut für das Pflanzenwachstum und damit für die Welternährung ist. Das ist eine solche Ignoranz und ein Zynismus, den ich wirklich unerträglich finde, gerade im Hinblick auf die Opfer des Klimawandels auf dieser Welt.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Von daher ist für mich völlig klar, Sie sind nicht nur neoliberal und rechtspopulistisch, Sie sind auch eine Klimawandel-Leugner-Partei, und das werden wir auch sehr deutlich den Menschen in diesem Land sagen. – Herzlichen Dank! Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Dann hat der Kollege Schultze-Berndt das Wort zu einer Zwischenbemerkung.

Sehr geehrter Herr Dr. Efler! Ich schätze Sie sehr, insbesondere angesichts der Tatsache, dass Sie über vorliegende Papiere gerne bereit sind, ergebnisoffen zu diskutieren. Allerdings möchte ich mich an der Stelle doch sehr verwundert darüber äußern, mit welcher Chuzpe hier ein Gesetz oder ein Programm vorgelegt wird, das sich eigentlich nur in zwei Bereichen von dem unterscheidet, was vorher vorgelegt wurde, ohne dass irgendeiner von Rot-Rot-Grün bisher darüber gesprochen hat, was eigentlich geändert wurde gegenüber dem von Schwarz-Rot.

[Christian Buchholz (AfD): Ich habe es gesagt!]

Es ist, erstens, geändert worden: Nachhaltigkeit oder – Entschuldigung – Klimafolgeeinschätzung. Es wurde festgestellt, dass 3,5 Milliarden Euro betriebswirtschaftliche Schäden in Berlin dadurch entstehen werden, dass die Temperatur höher ist und wir deswegen Trinkwasserbrunnen brauchen, weil die Temperatur steigt. Alles in Ordnung! Und dann gibt es einen Bereich, in den massiv eingegriffen wurde, das ist der Bereich Verkehr, ausschließlich im Bereich Verkehr. Im Bereich Energie ist geändert worden, dass man sich mit Geothermie nicht mehr so beschäftigen muss, was die Vereinfachung angeht, während im alten Klimaschutzprogramm noch steht: Geothermie ist kompliziert und muss anders vereinfacht werden. Das heißt, das ist sozusagen ausreichend kompliziert, und es muss nichts mehr vereinfacht werden. Im Verkehr haben Sie massiv eingegriffen. Und wenn Sie sagen, es ist doch gar nichts, was die Elektromobilität angeht, dann heißt der alte Satz:

Dementsprechend sind

(Dr. Michael Efler)

es geht um Maßnahmen bei Elektro –

einerseits Rahmenbedingungen bzw. Anreize zu schaffen für die Anschaffung von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben.

Jetzt heißt der Satz neu, ergänzt, nach „alternativen Antrieben“:

soweit dies nicht dem übergeordneten Ziel einer Stärkung der Verkehrsmittel des Umweltverbundes und einer Reduzierung der PKW-Nutzung widerspricht.

[Christian Buchholz (AfD): Genau!]

Genau! Das ist neu. Und neu ist: Bisher haben wir gesagt, wir wollen gerne 700 Ladezapfsäulen in Berlin schaffen, damit es eine Infrastruktur gibt, damit die Leute ihre Autos betanken können. Diese 700 sind aus dem Ziel herausgenommen worden.

[Pfui! von der CDU]

Sie wollen gar keine neuen Zapfsäulen mehr schaffen, weil es nämlich heißt, es könnte eventuell der Reduzierung des Individualverkehrs widersprechen. Das heißt, Sie greifen ein in die E-Mobilität. Sie greifen ein ins teilautonome Fahren. Sie greifen ein in die Wissenschaftslandschaft. Sie greifen ein in den Individualverkehr. Sie greifen ein in die Freiheit der Menschen, die in Berlin leben wollen, und das finde ich inakzeptabel. – Danke schön!

[Oliver Friederici (CDU): Ich glaube, sie haben es jetzt verstanden! – Beifall bei der CDU]

Dann hat Herr Dr. Efler das Wort für eine Erwiderung.

Ich mache es relativ kurz. Wie Sie wissen, gehöre ich diesem Haus erst seit dieser Wahlperiode an.

[Unruhe]

Wollen Sie zuhören? – Danke! Ich gehöre diesem Haus erst seit dieser Wahlperiode an. Ich habe keine umfassende Vergleichsanalyse mit dem Vorentwurf des BEK vorgenommen, das an Ihnen gescheitert ist in der letzten Wahlperiode. Ich kümmere mich erst um diesen Text. Wir werden ihn genau prüfen. Was wir als Rot-Rot-Grün nicht machen werden, ist, wir werden nicht Berlin mit Verbotsregeln überziehen und in die individuelle Freiheit eingreifen. Aber was Sie gemacht haben in Ihrer ersten Rede, war, einfach darzustellen, dass wir Elektromobilität ausbremsen wollen. Wir haben es etwas anders formuliert. Das war einfach falsch. Das stimmt einfach nicht. Wenn es da einzelne Abweichungen von Vorentwürfen geben sollte, dann reden wir noch mal darüber. Dann

reden wir auch noch mal über die Ladesäulen. Wo ist das Problem?

[Beifall von Christian Gräff (CDU)]

Dann machen wir das halt. Aber so zu tun, als würden wir einen großen Rollback machen bei diesem Thema, ist falsch, und damit kommen Sie auch nicht durch.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Dann hat Herr Hansel das Wort für eine weitere Zwischenbemerkung.