Wenn Politik mit der Wahrnehmung der Wirklichkeit beginnt, müssen wir erkennen, dass diese Angriffe auf die Freiheit körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung keine Einzelfälle sind. Sie sind ein alltägliches Phänomen. Das erfordert unsere Aufmerksamkeit. Wir müssen ihm gemeinsam als politisch Verantwortliche mit geeigneten Mitteln entgegentreten.
Wir dürfen auch keinen Unterschied machen, gegen wen von uns sich diese Aktionen richten. Es ist mir völlig gleich, ob es sich gegen Abgeordnete der Linksfraktion oder der AfD-Fraktion oder einer anderen Fraktion richtet. Wenn wir hier Unterscheidungen vornehmen, würden wir unseren demokratischen Konsens auflösen. Das können wir uns nicht erlauben.
Zweite Anmerkung: Die von mir genannten Beispiele machen klar, dass es sich nicht um ein Phänomen handelt, das auf Wahlkämpfe beschränkt ist. Diese politisch motivierte Gewalt ist leider an der Tagesordnung auch außerhalb von Wahlkämpfen. Daher bringen Lösungsvorschläge nichts, die nur auf Wahlkämpfe bezogen sind. Daher bin ich überzeugt, dass eine bei der Landeswahlleiterin angesiedelte Erfassungsstelle für Angriffe auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit im Ergebnis nicht zielführend ist.
Dritte Anmerkung: Ist dieses Phänomen beschränkt auf Angriffe gegen politische Verantwortliche in unserem Land? Mit anderen Worten: Geht es allein um den Schutz von Politikern gegen Einschüchterung und Gewalt? Dazu möchte ich ein weiteres Beispiel aus der Tagespresse nennen: Sie
... will gerade eine Straße in Berlin überqueren, als sie Ende Juni von drei Männern angesprochen wird. Ob sie nicht … die Gründerin dieser „perversen“ Moschee sei, in der Männer, Frauen, Lesben und Schwule gemeinsam beteten.
… ist erschrocken. Sie verwickelt die Männer aber in ein Gespräch, wird lauter und sucht so zum eigenen Schutz die Aufmerksamkeit der Passanten. Dann eilt sie davon. „Du stirbst“, ruft ihr einer der Unbekannten hinterher.
Wir alle wissen, wer gemeint ist, die mutige und unbeugsame Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin Seyran Ateş. Sie hat gegen viele Widerstände mit großer Beharrlichkeit auf ihr Ziel hingearbeitet und Mitte Juni die liberale Ibn-Rushd-Goethe Moschee in Berlin gegründet. In ihrer liberalen Moschee vertritt sie einen säkularen Islam. Darin beten Frauen und Männer, Schiiten, Sunniten und Alewiten, alle gemeinsam. Dies hat zu öffentlicher Kritik durch die türkische Religionsbehörde und die FatwaBehörde in Kairo geführt und zu über hundert Morddrohungen mit der Folge, dass Frau Ateş ihr Haus nur noch mit Polizeischutz verlassen kann. Das ist Berlin im Jahre 2017. Das ist wirklich schlimm.
Es geht also nicht nur um den Schutz von politischen Entscheidungsträgern; es geht um alle Bürgerinnen und Bürger, insbesondere um die mit Zivilcourage, die durch Wahrnehmung ihrer Grundrechte auf Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und Selbstbestimmung die gewaltbereite Intoleranz jeglicher politischer Färbung hervorrufen. Daher bringen Lösungsvorschläge, die das Problem auf Wahlkämpfe beschränken, im Ergebnis nichts.
Vierte Anmerkung: Ist eine Erfassungsstelle für Angriffe auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit ein taugliches Mittel? – Natürlich schadet sie nicht. Aber wäre ihre kostspielige Errichtung eine geeignete Investition in Meinungs- und Versammlungsfreiheit? – Ich meine, nein, denn die Erfassung von Straftaten erfolgt auch heute schon, durch die Polizei. Eine systematische Erfassung derartiger Straftaten ist in der polizeilichen Kriminalitätsstatistik möglich. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren von der AfD-Fraktion, ganz deutlich: Ich sehe die Investitionen viel besser aufgehoben bei der Berliner Polizei. Deren Ausstattung muss personell und materiell weiter verbessert werden.
[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Ronald Gläser (AfD) und Kay Nerstheimer (fraktionslos)]
Und sie ist auch mit den notwendigen gesetzlichen Ermächtigungen auszustatten, damit sie in die Lage versetzt wird, Recht und Gesetz durchzusetzen und die körperliche Unversehrtheit, das Eigentum und die Selbstbestim
Da komme ich zu meiner fünften, meiner abschließenden Bemerkung, und zwar zu der Verantwortung der rot-rotgrünen Regierungskoalition. Außer heißer Luft haben Sie sich bislang als handlungsunfähig erwiesen.
Sie versagen bei der Bekämpfung politisch motivierter Gewalt. Sie kritisieren die Vorschläge Ihres eigenen Kollegen, Tom Schreiber, gegen linke Gewalt. Und Sie weigern sich, sich mit den Vorschlägen der CDU-Fraktion aus ihrem 16-Punkte-Aktionsplan gegen linke Gewalt zu beschäftigen.
Sie misstrauen unserer Polizei. Sie sind nicht bereit, ihr die gesetzlichen Befugnisse einzuräumen, die in den meisten Ländern der Bundesrepublik Deutschland selbstverständlich sind. Sie beklagen die schlechte Aufklärungsquote bei Straftaten in Berlin – etwa 40 Prozent, im Gegensatz zu Bayern mit vorbildlichen 68 Prozent –, aber Sie sind nicht bereit, die Polizei auch mit den Befugnissen auszustatten.
[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Was war denn in der letzten Legislaturperiode? Da haben Sie den Innensenator gestellt!]
Der Innensenator kann keine Gesetze ändern, sondern das kann nur dieses Haus, und dazu ist eine Mehrheit verantwortlich.
Ich bin sehr dankbar für diesen Zwischenruf, Herr Kollege Albers! Ich kann Ihnen bei jeder Gesetzesinitiative im Einzelnen darlegen, an wem es gescheitert ist, dass die Berliner Polizei mit den Befugnissen ausgestattet wird wie die bayerische Polizei, die baden-württembergische Polizei, die hessische Polizei oder irgendeine andere Landespolizei in diesem Land.
Ich merke, dass Ihnen das wehtut, deswegen sage ich es auch. Und ich hoffe, dass das etwas bewegt bei Ihnen.
Nehmen wir doch die Aktuelle Stunden und die möglicherweise nachfolgenden weiteren Ausschuss- oder sonstigen Beratungen zum Anlass, uns mit der Stärkung unserer Sicherheitsbehörden und damit mit der Stärkung der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürgerinnen und Bürger zu beschäftigen, denn das ist unsere Verantwortung. – Herzlichen Dank!
Ich danke Ihnen, Herr Präsident, auch noch mal für die Glückwünsche. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Meine Herren von der AfD!
Zunächst ist Meinungsfreiheit ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe. Insofern bewerte ich dann doch ein bisschen anders, von wem gerade in Hamburg die Meinungs- und Versammlungsfreiheit bedroht wird, wenn kreative und friedliche Proteste unmöglich gemacht werden. Aber das nur so am Rande.
[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Zurufe von der AfD – Georg Pazderski (AfD): 19 000 Polizisten!]
Meinungsfreiheit bedeutet selbstverständlich auch das Recht zu widersprechen. Natürlich haben Sie das Recht, Ihr reaktionäres Weltbild zu bewerben, aber Widerspruch müssen Sie dann eben auch aushalten!
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Thorsten Weiß (AfD): Aber nicht in Form von Gewalt!]
Ich finde es sehr gut, dass ein großer Teil dieser Stadtgesellschaft Ihnen immer wieder laut und deutlich widerspricht.
Ich weiß nicht, ob Sie sich nicht eher ein Bein stellen mit dieser Aktuellen Stunde angesichts dessen, dass es Prügeleien von Ihren Abgeordneten an Infoständen und andere ungeklärte Vorgänge gibt.
Ich finde es im Übrigen auch sehr richtig, dass die Berlinerinnen und Berliner sich am 17. Juni friedlich und erfolgreich der sogenannten Identitären Bewegung in den Weg gesetzt haben.
Hören Sie mir doch erst mal zu, bevor Sie mir widersprechen müssen! – Diese hatte nämlich zuvor verkündet, sie wolle im Wedding bewusst einen Kiez von migrantischen und prekär lebenden Milieus zurückerobern. Dass dieser Angriff durch Berlinerinnen und Berliner abge
Sicherlich – es ist jetzt hier schon mehrfach ausgeführt worden –: Dass Drohungen und Gewalt gegen politisch aktive Menschen zunehmen, müssen wir in Berlin schon seit einer Weile feststellen; das ist überhaupt nicht mehr zu leugnen. Mein Genosse Hans Erxleben aus TreptowKöpenick zum Beispiel kann darüber eine ganze Menge erzählen.