Protocol of the Session on June 22, 2017

Sie dagegen machen dezidiert Politik für diejenigen, die es sich leisten können, nicht in der dröhnenden Einflugschneise zu wohnen. Sie machen keine Politik für alle Berlinerinnen und Berliner. Sie machen beinharte Klientelpolitik, das nicht mit uns.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Unsinn!]

Ein innerstädtischer Flughafen ist auch immer ein Sicherheitsrisiko. Für die Münchener war nach dem verheerenden Absturz von 1958 klar, dass der Franz-Josef-StraußFlughafen außerhalb der Stadt errichtet werden muss. Flugzeuge stürzen Gott sei Dank selten ab, aber wenn, dann am häufigsten beim Start und beim Landen. Das weiß hier jeder im Saal.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Sie schüren hier Ängste, oder was?]

Wir dürfen jeden Tag dankbar dafür sein, dass wir in Tegel bislang davon verschont geblieben sind. Gott sei Dank, kann ich dazu nur sagen.

[Georg Pazderski (AfD): Sie wissen gar nicht, wie Fliegen funktioniert! Da ist alles automatisiert! – Lachen bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Wer von Ihnen will die Verantwortung dafür übernehmen, wenn das Schreckensszenario eines Flugzeugabsturzes im dichtbesiedelten Stadtgebiet Berlins eines Tages doch passieren sollte? Wer von Ihnen ist bereit, wider besseres Wissen eine zynische Wahrscheinlichkeitsrechnung, die ich gerade schon gehört habe, aufzumachen, nur weil für ihn der Weg nach Tegel kürzer ist als nach Schönefeld? – was im Übrigen nicht mal für alle Berlinerinnen und Berliner zutrifft.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Wir wissen alle, unser Berlin ist eine wahnsinnig attraktive Stadt. Berlin wächst jedes Jahr um etwa 40 000 Menschen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Die Sie abwürgen! Sie würgen das ab!]

Die Zahl der Beschäftigten in der Stadt wächst mittlerweile genauso schnell wie die Zahl der Einwohner und

Einwohnerinnen, und sie alle suchen Wohnungen, Arbeit, Platz für Unternehmen und Platz zum Leben.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Dann muss man besser verdichten!]

Wenn auf dem Flughafengelände in Tegel Neues entsteht, werden wir ein wichtiges und großes Stück Stadt zurückgewinnen. Knapp 500 Hektar – das entspricht etwa 5 Prozent des Stadtgebietes von Paris, und das citynah. Das ist ein einmaliges Geschenk. Andere Metropolen beneiden uns um diese Chance, eine solche Fläche entwickeln zu können.

Das Zukunftskonzept für Tegel ist in den letzten zehn Jahren in einem intensiven Dialog zwischen dem Senat und allen ihn tragenden Parteien in dieser Zeit, SPD, Linke, CDU, von den Grünen damals noch in der Opposition, mit zahlreichen Verbänden, mit der Berliner Wirtschaft, mit den Gewerkschaften, dem Bezirk entwickelt worden. Im künftigen Kurt-Schumacher-Quartier werden 5 000 Wohnungen entstehen, in unterschiedlichster Größe und Bauform,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ich dachte 9 000!]

Davon ca. 50 Prozent preisgebunden und bezahlbar, ein lebendiges städtisches Quartier für Familien, für generationsübergreifendes Wohnen bis hin zu Studentenwohnungen, ein modernes Quartier mit klimaneutraler Energieversorgung, neuen Modellen für Mobilität, Recycling und Wasseraufbereitung.

[Georg Pazderski (AfD): Toll!]

Das sind alles urbane Technologien, die im besten Fall nebenan in der Urban Tech Republic erforscht und entwickelt werden.

Sie, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, betonen immerzu, dass die Mietenexplosion nur gestoppt werden könnte, wenn das Wohnungsangebot groß genug ist, um die ständig steigende Nachfrage zu befriedigen, und hier wollen Sie Wohnungsbau verhindern. Das erklären Sie mal den Berlinerinnen und Berlinern, denen täglich die Mieterhöhung ins Haus flattert. Das muss man nämlich auch wissen, wenn man am 24. September 2017 mit Ja stimmen möchte.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Nicht nur die Einwohnerzahlen wachsen. Berlins Wirtschaft wächst seit Jahren überdurchschnittlich. Mit der Schaffung von jährlich 40 000 neuen Arbeitsplätzen und mit über 200 Gründungen pro Kopf ist die wirtschaftliche Dynamik auch bei den Berlinerinnen und Berlinern angekommen, und das soll auch so bleiben. Ich treffe immer mehr Unternehmer, die verzweifelt auf der Suche nach Flächen in der Stadt sind,

[Gunnar Lindemann (AfD): In Marzahn sind genug Flächen frei!]

(Bürgermeisterin Ramona Pop)

Unternehmer, die erweitern und neue Arbeitsplätze schaffen wollen, Neuansiedlungen von Unternehmen, oftmals Unternehmen, die mit ihren Digital Units nach Berlin kommen, Industrieunternehmen, die hier smarte Technologien entwickeln und produzieren wollen. Wo ist denn in diesen Fragen Ihre Wirtschaftskompetenz? Reden Sie etwa nicht mit den Unternehmen? Wissen Sie vielleicht gar nicht, was die Sorgen und Nöte der Berliner Wirtschaft sind? – Mir kommt es so vor.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Die Verbindung von Wissenschaft und Wirtschaft, die den Standort Adlershof so erfolgreich gemacht hat, wollen wir auch in Tegel auf den Weg bringen. Der neue Campus TXL, der im Hexagon des heutigen Flughafens entstehen wird, ist wichtig für die Zukunft der BeuthHochschule, für Technik und ein zentrales Projekt für die Zukunft unserer Stadt. In Adlershof und auch in BerlinBuch sind die Gebiete voll, die Flächen nahezu ausgereizt. Die wirtschaftliche Dynamik braucht Platz, um sich in Zukunft zu entwickeln. Berlin hat viel zu lange auf diesen wirtschaftlichen Aufschwung gewartet, um diesen Aufschwung mit Flächenknappheit und aus Bequemlichkeit, das ist das meistgenutzte Argument für Tegel, zu ersticken. Dafür sind wir nicht zu haben.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Sie spielen Zukunft gegen Zukunft aus!]

Frau Senatorin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gräff?

Ich möchte hier gerne weitermachen. –

Also nicht.

Manche wollen zurück in die Bequemlichkeit der Sechzigerjahre, die Stadt von gestern unter der Käseglocke schön konservieren.

[Holger Krestel (FDP): Der Flughafen war damals gar nicht offen. Was ist das für ein Geschichtsbewusstsein? Frank-Christian Hansel (AfD):Uns geht es um die Zukunft!]

Wir wollen, dass Tegel zu einem modernen Stadtquartier mit Platz zum Wohnen, Leben und Arbeiten wird.

Die Standortentscheidung für den BER und die damit verbundene Schließung der beiden Flughäfen Tempelhof und Tegel wurden lange und sorgfältig abgewogen, auch erstritten und dann mit deutlichen parlamentarischen Mehrheiten entschieden. Im Jahr 1996 wurde der sogenannte Konsensbeschluss als Vereinbarung zwischen Berlin, Brandenburg und dem Bund gefasst. Im Berliner Abgeordnetenhaus hat der damalige Regierende Bürgermeister, Eberhard Diepgen, die Vorlage im Juli 1996 eingebracht. Diese Vorlage besagt, Schönefeld als SingleAirport-Standort zu definieren, und gibt damit einhergehend die Schließung der innerstädtischen Flughäfen Tegel und Tempelhof vor. Dieser Beschluss hat Sicherheit und Verlässlichkeit geschaffen, wie der Name schon sagt: Konsensbeschluss. Damit wurde endlich ein Konsens in der hart umkämpften Flughafenfrage erzielt, ein Konsens als deutliches Versprechen nicht nur an Berlin, sondern an die gesamte Region Berlin-Brandenburg, dass man nicht je nach politischer Konjunktur und Couleur an dieser entscheidenden Frage nach Lust und Laune „herummacht“. An diesem Konsens haben bislang alle Berliner Regierungen festgehalten, im Sinne der Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit von Politik, die in heutigen Zeiten oft als effekthascherisch und auf Profilierungsspielchen aus von vielen Menschen empfunden wird. Der kurzfristige vermeintliche Erfolg anstatt der Kontinuität, das ist das Gegenteil von Verantwortung.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN Frank-Christian Hansel (AfD): Das sind doch ganz ande- re Zahlen gewesen vor 30 Jahren!]

Noch vor zwei Jahren sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende, er ist es heute noch: Für die CDU hat die Entwicklung des heutigen Flughafens Tegel zum Großprojekt für Arbeiten und Wohnen absolute Priorität. – Da fragt man sich, was in diesen zwei Jahren anders geworden sein soll. Natürlich kann man im Laufe der Zeit seine Ansichten ändern, aber was hat sich eigentlich real seitdem geändert? – Nichts. Okay, Sie sind jetzt in der Opposition gelandet, das ist für Sie eine Veränderung.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Silke Gebel (GRÜNE): Eine Verbesserung für die Stadt!]

Ganz offensichtlich geht es Ihnen hier nicht um die beste Entscheidung für die Stadt. Sie fragen Ihre Mitglieder nicht einmal, ob die Argumente für oder gegen die Schließung richtig sind. Sie fragen Ihre Mitglieder, ob es das politische Ziel der CDU sein soll, für die von Ihnen selbst als sinnvoll betrachtete Schließung von Tegel zu kämpfen. Ich glaube, es gibt auch dazu Teils-TeilsAntworten. Ihnen geht es hier nicht um die Stadt, um die Zukunftsperspektive für die Berliner Wirtschaft oder um neue Arbeitsplätze, um Ansiedlungen oder neue Wohnungen. Ihnen geht es mal wieder um Sie selber, und so

(Bürgermeisterin Ramona Pop)

ist sie, die altbekannte Berliner CDU, die vor allem mit sich selbst beschäftigt ist, und das merken die Menschen auch.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Dann gibt es die anderen – als moderne Beta-Partei gestartet. Mir kommen Sie inzwischen eher vor wie Betablocker. Wir werden vor allem eines nicht zulassen: dass Sie den Menschen Sand in die Augen streuen und sie in die Irre führen.

Warum haben Sie eigentlich keinen Gesetzentwurf zur Abstimmung eingebracht? Sie stehen ohne diesen Gesetzentwurf da wie der Kaiser ohne Kleider.

[Sebastian Czaja (FDP): Sie haben nicht zugehört! – Holger Krestel (FDP): Da haben Sie wieder abgeschrieben!]

Ich sage Ihnen, warum nicht: Sie haben kein Gesetz zur Abstimmung vorgelegt, weil der Weiterbetrieb Tegels rechtlich gar nicht möglich ist

[Frank-Christian Hansel (AfD): Falsch!]

und Ihnen alle Fachleute und Wirtschaftsbosse, auf die Sie sonst gern hören, das auch sagen. So wird man den Verdacht nicht los, dass es sich um ein Ablenkungsmanöver handelt, dass es Ihnen im Grunde um einen Geschäftsfliegerflughafen geht, bezahlt von der Allgemeinheit und aus Steuermitteln.

[Sebastian Czaja (FDP): Eine Frechheit ist das! – Gunnar Lindemann (AfD): Billigflieger, keine Geschäftsflieger!]

Das würde auch gut zur Mövenpick-Partei passen.