Protocol of the Session on June 22, 2017

[Canan Bayram (GRÜNE): Nix!]

Welche Innenressortleiter trugen die Verantwortung? Es war ein SPD-Innenminister in Nordrhein-Westfalen, ein CDU-Innensenator in Berlin und jetzt ein SPDInnensenator in Berlin. Merken Sie übrigens auch, dass es die beiden Bundesländer NRW und Berlin betraf? Wenn wir uns auch nach wie vor einer Schleierfahndung verwehren, wie sie jetzt auf der Innenministerkonferenz vehement vom Innensenator abgelehnt wurde, sind wir übrigens auch ein Magnet für Straftäter. All diese Dinge wollten Sie nicht an das Tageslicht kommen lassen.

[Steffen Zillich (LINKE): Was ist das denn für ein Unsinn!]

Aber, ich sage es noch einmal: Wir sagen den Menschen, wer wofür steht. Wir sagen den Menschen, wer Aufklärungswillen hat. Den hat unsere Fraktion. Den hatten wir

von Anfang an. Wir haben ihn seit Januar. Sie verstecken sich hinter Tricksereien. Das ist durchschaubar. Das erkennen wir. Das erkennen auch die Bürger. – Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren!

[Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Der Kollege Zimmermann hat dann das Wort für eine Zwischenbemerkung.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Da ich angesprochen wurde, möchte ich nur diese kurze Bemerkung machen, Herr Woldeit. Es ist genau das, wovor ich gewarnt habe, dass durch eine beispiellose Vermengung und durch Verquirlen von allen möglichen Sachverhalten eine Stimmung erzeugt wird, die bei den Beobachtern den Eindruck erweckt, überall seien Verschwörer am Werk, die eine Strafverfolgung oder eine Abschiebung verhindern wollten. Das, was Sie an Stimmung und Stimmungsmache erzeugen, ist wirklich sehr schwer zu ertragen, Herr Woldeit. Das muss ich Ihnen einmal sagen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Wenn Sie hier alle möglichen Verfahren aufzählen, die eingestellt wurden, die, weil sie vielleicht nicht beweisbar waren oder wegen Geringfügigkeit beim ersten Mal eingestellt wurden, beschreiben Sie eine Praxis der deutschen Justiz, für die ein SPD-Innensenator, ein CDUInnensenator oder sonst irgendein Senator nicht im Einzelnen verantwortlich gemacht werden kann. Das wissen Sie genauso, wie alle anderen auch. Das sind justizielle Entscheidungen.

[Canan Bayram (GRÜNE): Richterschelte! Das zeugt von Unkenntnis!]

So zu tun, als ob bestimmte Ergebnisse in Ermittlungsverfahren einem politisch verantwortlichen Minister angelastet werden können, wie Sie das tun, ist der Versuch der Diffamierung und nicht der Versuch der Aufklärung, Herr Kollege.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Einen Satz möchte ich noch sagen: Dass wir hier irgend- etwas versuchten zu vertuschen oder über einen Tag hinwegzuretten, ist schon dadurch widerlegt, dass der Sonderermittler eher peinliche, für alle Beteiligten schwierige und diffizile Sachverhalte aufgedeckt hat, die uns weitergebracht haben, als mit wir mit Ihrem Verfahren gekommen wären. Deswegen ist der Vorwurf einer Vertuschung hier völlig neben der Sache. Wir haben Erkenntnisse gewonnen, die uns für diesen Un

(Karsten Woldeit)

tersuchungsausschuss sehr nützlich sein werden. Daran werden wir auch weiterarbeiten. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Die Gelegenheit zur Erwiderung hat Herr Woldeit.

[Steffen Zillich (LINKE): Aber das wollte er doch, Stimmung erzeugen!]

Lieber Herr Zimmermann! Ich danke für Ihre Intervention. Wissen Sie auch, warum? Sie zeigt sehr deutlich, dass Sie genau das bestätigen, was ich gesagt habe. Im Übrigen habe ich nicht einmal von Vertuschung gesprochen. Ich habe von Verschleierung nach hinten, von Verschiebung gesprochen. Im Übrigen, wenn wir von Verantwortlichkeit sprechen und die Ressortübergreifung von Justiz und Inneres sehen, möchte ich anmerken, dass es hier auch einen Justizsenator gab, der ebenfalls der CDU angehörte. Lieber Herr Kollege Zimmermann! Ich habe nur die reinen Fakten aus dem Bericht der Parlamentarischen Kontrollkommission verlesen. Diesen Bericht lege ich Ihnen sehr ans Herz. Hätten Sie ihn nämlich auch gelesen, wo noch einmal erläutert wird, warum es die Einstellung der verschiedenen Verfahren gab und welche Dinge noch dahinterstehen, würden Sie ganz schnell nicht von irgendwelchen parteipolitischen Polemiken sprechen, sondern Ihnen würde angst und bange werden. – Danke schön!

[Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat der Kollege Taş das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Terroranschlag am Breitscheidplatz war eine Tragödie. Wir erinnern auch heute noch einmal an die Opfer des Verbrechens und wünschen den Angehörigen Kraft und Durchhaltevermögen. Die Koalition hat sich dazu entschlossen, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu unterstützen, als der Sonderermittler Bruno Jost zweifelsfrei feststellen konnte, dass in Berlin – das sagen wir einmal ganz neutral – große Fehler gemacht wurden. Der eigentliche Plan, mindestens den Zwischenbericht abzuwarten, wurde durch die Geschehnisse, durch die Geschwindigkeit der Ermittlungen und die Tragweite der Entdeckungen überholt.

Die ersten Erkenntnisse des Sonderermittlers haben eine Menge Fragen aufgeworfen, die nunmehr durch den angestrebten Untersuchungsausschuss zu klären sind. Mögliche Versäumnisse vor dem Attentat zu vertuschen und, um vielleicht noch einen weiteren Punkt zu nennen, welche organisatorischen Maßnahmen zu ergreifen sind, um zukünftig ähnliche Vorgänge und Verfahrensversagen auch zu vermeiden – das sind einige andere Punkte, die heute auch schon mehrfach genannt wurden. An der Stelle möchte ich nicht überziehen.

Der Sonderermittler wird mit seinen Berichten wichtige Arbeit als Grundlage auch für den Untersuchungsausschuss, für uns alle, liefern, möglichweise sogar wesentlich schneller, als dies ein Parlamentsausschuss schaffen kann. An der Stelle möchte ich jetzt schon vielen Dank an Herrn Jost für seine wichtige und wertvolle Arbeit sagen. Nach Abschluss der Untersuchungen müssen die notwendigen gesetzgeberischen Konsequenzen, gegebenenfalls auch persönliche Konsequenzen, selbstverständlich gezogen werden. Zudem muss die Verwaltung imstande sein und dazu gebracht werden, etwaige erforderliche Reformen dann auch im Rahmen des praktischen Verwaltungshandelns umzusetzen. Ziel dieses Untersuchungsausschusses ist es nicht, Schuldzuweisungen zu artikulieren. Darauf ist Frank Zimmermann auch eingegangen. Das vordringliche Ziel ist es, so gut wie möglich nachzuvollziehen, was passiert ist und warum dies passieren konnte. Wer wusste wann was, und welche Handlungen wurden daraus abgeleitet? Entsprachen die ergriffenen oder nicht ergriffenen Maßnahmen dem zum damaligen Zeitpunkt gültigen Regelwerk? Ziel ist es auch – hier ist der Unterschied zum Sonderermittler, denke ich –, diese Erkenntnisse politisch zu bewerten. Fehleinschätzungen gehören zum politischen Alltag. Sie sind menschlich und können passieren. Sollten jedoch Verfehlungen größerer Art oder gar Aktenmanipulation und Ähnliches festgestellt werden, müssen selbstverständlich auch dienst- und strafrechtliche Konsequenzen folgen. Wir sind es den Opfern und ihren Angehörigen durchaus schuldig, alle Hintergründe und mögliches Versagen von Sicherheitsbehörden lückenlos aufzuklären und dafür zu sorgen, dass sich so etwas nie wiederholt. Dementsprechend wird die Linksfraktion konstruktiv, sachorientiert, aber auch beherzt und hartnäckig darum kämpfen, auch die letzten Details in diesem Fall ans Tageslicht zu bringen. Ich möchte mich an der Stelle für die gute Zusammenarbeit bei allen anderen vier Fraktionen bedanken.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Luthe das Wort.

(Frank Zimmermann)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst stellt sich mir eine Frage: Warum nicht gleich so? – Am 23.12.2016 haben der Innensenator und sein Staatssekretär in der eiligst einberufenen Sondersitzung des Innenausschusses schnellstmögliche vollständige Aufklärung angekündigt. Das las sich unglaublich gut, das war der Situation auch angemessen. Wie Sie dann – und das ist bisher das einzige Ergebnis der Arbeit von Herrn Jost, das ich kenne, vielleicht kennen Sie noch Weiteres – darauf kommen können, dass das ein besonderes Verdienst des Herrn Jost sei, dass er ans Tageslicht gebracht hat, dass man angeblich sechs Monate lang die Vermerke zu Anis Amri nicht gekannt haben will, sich nicht die Mühe gemacht hat, in die Akten zu schauen, ist mir unbegreiflich. Das ist kein Verdienst, sondern ein weiteres Zeichen der Verschleppung und Verzögerung einer Aufklärung.

[Beifall bei der FDP und der AfD – Canan Bayram (GRÜNE): Das ist jetzt aber nicht Ihr Ernst!]

Der Widerspruch, den Herr Jost aufgemacht hat, ist ein sehr interessanter, den ich an der Stelle gerne noch einmal beleuchte. Am 23.12. hat Herr Akmann als zuständiger Staatssekretär – nachzulesen auf Seite 10 des Protokolls des Innenausschusses – erklärt, die TKÜ zu Amri habe ergeben, dass Amri ein Kleindealer sei, es sei nichts weiter dabei herausgekommen. – Das kann jeder nachlesen. – Am 17.1.2017 soll dieser dramatische Vermerk gefertigt worden sein, von dem kein Mensch weiß, woher er kommt, aber den Herr Jost dankenswerterweise als Problem erkannt hat. In diesem Vermerk steht aber erstmalig drin, dass es sich um einen Kleindealer handeln soll. Am 23.12. lag nur der Vermerk vom 1.11. vor, in dem nicht von einem Kleindealer die Rede war, und es lagen die TKÜ-Protokolle vor. Insofern stelle ich die Frage, die ich gerne auch beantwortet hätte, wie der Innensenator und sein Staatssekretär am 23.12. zu dem Ergebnis kommen konnten, Amri sei ein Kleindealer gewesen, wenn dieser Vermerk vorher gar nicht geschrieben war, sondern erst am 17.1. gefertigt wurde. Sie sehen an dieser Stelle, an einem kleinen Beispiel, dass es in der Tat eine ganze Menge gibt, und zwar je weiter Sie Aufklärung verschleppen und verzögern, das dann auch wieder aufzuklären ist.

Wir haben uns – und insofern bin ich sehr froh und ziehe gerne auch den Bogen zu meinen Vorrednern – in sehr konstruktiver Atmosphäre auf Fragestellungen verständigt, die allesamt sehr wichtig sind und zu dieser Aufklärung beitragen werden. Das entscheidende Thema wird aber nicht sein, wie die Fragestellung ursprünglich gestaltet ist, sondern mit welchen zeitlichen und personellen Ressourcen und welcher Ernsthaftigkeit auch in der Führung des Ausschusses tatsächlich nachgebohrt und jede einzelne Fragestellung geklärt wird. Das schulden wir den Opfern und jedem anderen Menschen in Berlin, dass

wir genau diese Fragen aufklären. Das schulden wir auch den Polizeibeamten, damit kein Misstrauen über ihre Arbeit entstehen kann. Wir schulden diese Aufklärung, und zwar nicht erst seit heute, sondern spätestens seit der Ankündigung am 23.12., die bis zum heutigen Tage folgenlos geblieben ist.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Die Verzögerung von mittlerweile sechs Monaten ist leider nicht das Ende einer Verzögerungssystematik. Wir werden natürlich – das haben wir auch immer gemeinsam formuliert – Akten brauchen, und zwar kurzfristig. Wichtig dafür werden auch die interessanterweise dort ausführlicher als in Berlin vorliegenden Akten des Untersuchungsausschusses Nordrhein-Westfalen sein, der auch Unterlagen unserer Polizei bekommen hat, die wir in der Form bisher noch gar nicht kennen. Diese Unterlagen müssen aber in Nordrhein-Westfalen angefordert werden. Durch diese – jedenfalls aus unserer Sicht, da wir alle Fragen hätten vorher klären können – überflüssige Systematik einer zweiten Lesung eines Untersuchungsausschussantrages werden wir es leider Gottes, welch bemerkenswerter Zufall, nicht schaffen, rechtzeitig vor Beginn der Plenarpause in Nordrhein-Westfalen dort diese Unterlagen anzufordern. Dort muss der Untersuchungsausschuss oder der Innenausschuss darüber beschließen. Das wird leider vor Anfang September nicht möglich sein, außer – und da appelliere ich an alle hier im Haus – wenn wir uns vorher darauf verständigen, dass wir, vielleicht auch der Präsident in Person, auf die Kolleginnen und Kollegen in Nordrhein-Westfalen zugehen und sie bitten, vorsorglich bereits den Beschluss zu fassen, uns diese Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Damit hätten wir dann die Möglichkeit, die Sommerpause zu nutzen und uns kurzfristig einzulesen, vorbereitet zu sein und die Arbeit aufnehmen zu können.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Wo es schon genug Akten gibt!]

Insofern wäre ich allen sehr dankbar, wenn Sie dieses Ansinnen mittragen und dafür sorgen, dass es nicht weiter verschleppt wird. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung der Anträge an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung empfohlen. – Widerspruch hierzu höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.2:

Priorität der AfD-Fraktion

Tagesordnungspunkt 7

Erste Änderung zum Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege von Berlin

Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/0354

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung. In der Beratung beginnt die AfD-Fraktion. – Herr Scheermesser!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dieser verständlicherweise emotionalen Eingangsdebatte hoffe ich, dass es nun etwas sachlicher weitergeht bei einem auch wichtigen Thema, nämlich ein Änderungsantrag zum Berliner Naturschutzgesetz. Warum haben wir diesen Antrag eingebracht? – Nun, weil die Verunsicherung der Seglervereine und aller privattreibenden Wassersportler – und hier spreche ich fast von jedem neunten Berliner – groß ist. Der Berliner Senat ist dabei, das 2002 verabschiedete FFH-Gesetz der Europäischen Union in die Praxis umzusetzen, und das mit Recht. Naturschutz ist gerade für eine Metropole wie Berlin eminent wichtig, und darum unterstützen wir das natürlich. Nur sollten wir bei der Durchsetzung dieser Richtlinien allen Wassersportlern genügend Rechtssicherheit an die Hand geben.

Hier geht es vor allem um das Thema der Genehmigung von Steganlagen, welches ich in meiner Anfrage vom 8. Mai dieses Jahres an den Senat ansprach und dem die CDU mit ihrem Antrag einen Monat später freundlicherweise folgte. Es kann doch nicht sein, dass die Bezirke durch ein sogenanntes „öffentliches Interesse“ explizit für die Seglervereine die geltenden Gesetze außer Kraft setzen können und die privaten Wassersportler einer möglichen Willkür ausgesetzt sind.

Ich möchte uns in meiner Rede alle detaillierten Begründungen für diese Gesetzesänderung ersparen – diese sind in der Vorlage nachvollziehbar –, ein kleines Beispiel sei mir jedoch gestattet: In § 31 Abs. 2 Punkt 3 und 4 des Berliner Naturschutzgesetzes gilt für das Röhricht eine Schneisenmindestdurchfahrt von 20 Metern und beim Abstellen und Ankern ein Mindestabstand von 10 Metern. – Das Röhricht hat sich in den letzten Jahren prächtig entwickelt, sodass viele Durchfahrten enger wurden und das Röhricht näher an Steganlagen herangewachsen ist. Normalerweise ist es kein Problem für den Wassersport, geringere Abstände, wie zum Beispiel bis zu 5 Meter, zu durchfahren oder bei noch geringeren Abständen des Röhrichts zu den Steganlagen anzulegen. Hier wird es aber durch Überregulierung verhindert.

Unser Antrag auf Änderung des Berliner Naturschutzgesetzes soll auch nicht als Dogma verstanden werden. Vielmehr soll er ein Denkanstoß sein und als Besprechungsgrundlage dienen, einige überregulierte Paragrafen zu überarbeiten sowie möglichst willkürliche bezirkliche Genehmigungsverfahren zu vermeiden.