Protocol of the Session on May 18, 2017

Ich rufe auf

lfd. Nr. 25:

Arbeitsplätze und energiewirtschaftliches Know-how der Vattenfall-Mitarbeiter/-innen für Berlin erhalten

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/0333

in Verbindung mit

(Marc Urbatsch)

lfd. Nr. 35 A:

Für den Erhalt der Arbeitsplätze und gute Arbeit bei Knorr-Bremse

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Annahme einer Entschließung Drucksache 18/0350

Der Dringlichkeit des Tagesordnungspunktes 35 A hatten Sie eingangs bereits zugestimmt. In der Beratung beginnt die Fraktion der SPD. – Herr Kollege Stroedter, bitte schön, Sie haben das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben alle mit Besorgnis Zeitungsberichte gelesen, ich selbst hatte auch ein Gespräch mit dem Betriebsrat von Vattenfall, dass sowohl Vattenfall am Standort Berlin weitreichende Ausgliederungen von Geschäftsbereichen zulasten der Mitarbeiterschaft plant und auch – und deshalb haben wir das heute verbunden –, dass bei der Firma Knorr-Bremse im Werk von Hasse & Wrede 130 Arbeitsplätze wegfallen sollen. Die SPD-Fraktion kritisiert das ganz eindeutig. Wir stehen fest an der Seite der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Wir als Koalition haben deshalb zwei Entschließungsanträge vorbereitet, weil wir nicht tatenlos zusehen wollen, wie wichtige Berliner Unternehmen Strukturentscheidungen zulasten des Wirtschaftsstandorts Berlin und der Arbeitsplätze treffen. Wir fordern Vattenfall und KnorrBremse auf, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden und den geplanten Abbau der Arbeitsplätze nicht zu realisieren.

Ich will zunächst etwas zu Vattenfall sagen, weil mich das besonders ärgert. Vattenfall ist im Augenblick dabei, sich wieder für das Stromnetz zu bewerben, überzieht uns mit, was weiß ich, zweihundert Rügen und will der große Player auf dem Markt in Berlin sein.

[Heiko Melzer (CDU): Wird ja auch an der Ausschreibung liegen!]

Gleichzeitig, Herr Kollege Melzer, das ist es der CDU vielleicht egal, uns nicht, werden 50 Prozent der Arbeitsplätze in Berlin abgebaut. Das ist schlichtweg ein Skandal, wie die Firma Vattenfall sich verhält!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Gerade wenn man einen solchen Kampf führt, und der wird uns ja möglicherweise jahrelang begleiten, muss die Firma Vattenfall auch eine besondere gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Das tut sie nicht, und das ist inakzeptabel, das lehnen wir ab. Arbeitsplätze werden teilweise sogar nach Indien outgesourct; das ist der Stil,

der dort herrscht. Wir wollen, dass die Stellen nicht abgebaut und die Geschäftsbereiche auch nicht ausgegliedert werden. Das Know-how der Belegschaft, das wichtig ist, sollte unbedingt in Berlin bleiben.

Herr Kollege Stroedter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gräff?

Ich immer gerne, das wissen Sie ja!

Ich muss Sie trotzdem fragen.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Lieber Herr Kollege Stroedter, vielen Dank für die Möglichkeit! Sind Sie nicht auch der Auffassung, dass man sich – so, wie der Senat mit der Frage der Vergabe der Konzession mit einem Unternehmen umgeht – möglicherweise auch als Unternehmen in eine Unsicherheit begibt und dass der Senat auch eine Verantwortung dafür trägt, wie der Auftragnehmer des Landes Berlin, nämlich Vattenfall, mit seinen Beschäftigten umgeht?

[Zurufe von Torsten Schneider (SPD) und Joschka Langenbrinck (SPD)]

Ich bin überhaupt nicht Ihrer Annahme, weil das Gegenteil der Fall ist. Vattenfall disqualifiziert sich mit so einem Verhalten. Das ist nicht die Frage des Senats, sondern die Firma Vattenfall muss sich überlegen, wie sie mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Berlin umgeht.

[Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Deshalb ist uns die Rekommunalisierung noch wichtiger, und das ist eher die gegenteilige Position zu der vom Kollegen Gräff vertretenen.

Kommen wir zum zweiten Thema, das ist der Entschließungsantrag Knorr-Bremse und Hasse & Wrede: Auch da ist es so, dass das Land Berlin darunter leiden muss, wenn hier Arbeitsplätze abgebaut werden, aber das ist keine Privatentscheidung einer Firma der Privatwirtschaft. Warum nicht? – Da können Sie gerne wieder eine Zwischenfrage stellen. – Weil Knorr-Bremse und seine Tochterunternehmen seit vielen Jahren erhebliche Summen in Millionenhöhe aus öffentlichen Wirtschafts

(Präsident Ralf Wieland)

fördermitteln, aus Bundes- und Landesmitteln beantragt und erhalten haben. Die Gelder wurden vom Land Berlin mit der Erwartung bereitgestellt, dass die Unternehmen dauerhaft am Standort mit all ihren Arbeitsplätzen erhalten bleiben. Es geht nicht, dass hier knapp, nachdem die Mindestzeit der Arbeitsplatzgarantien abgelaufen ist – auch das ist kein untypisches Verhalten –, die Bindungswirkung der Fördermittel also nicht mehr greift, die Produktion ins Ausland verlagert wird. Diese Pläne nehmen wir mit Unverständnis und Empörung zur Kenntnis und fordern Knorr-Bremse dringend auf, die Pläne zur Verlagerung des traditionellen Berliner Industrieunternehmens Hasse & Wrede aufzugeben.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Wir fordern Knorr-Bremse weiter auf, spielen Sie die Standorte – und das ist der übliche Versuch – nicht gegeneinander aus, beenden Sie die Pläne zur Gewinnmaximierung durch Tarifflucht, Lohndumping und radikale Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, nehmen Sie Ihre gesellschaftliche Verantwortung gegenüber dem Berliner Standort und gegenüber der Belegschaft wahr, bekennen Sie sich zu Berlin und zu Ihren Mitarbeitern am Standort! Die Koalition fordert auch hier den Senat auf, das Gespräch mit Knorr-Bremse zu suchen, ähnlich wie bei Vattenfall, um sich bei der Geschäftsleitung von Knorr-Bremse für die Interessen der Beschäftigten einzusetzen und den Industriestandort abzusichern.

Ich glaube, deshalb sollten wir das auch heute abstimmen, dass das gesamte Parlament sich dem anschließen sollte und dass es sinnvoll ist, dass wir darauf achten, dass Firmen nicht so mit ihren Mitarbeitern umgehen. Wir haben alle eine entsprechende Verantwortung, und deshalb bitte ich um Ihre Unterstützung und Zustimmung zu den beiden Entschließungsanträgen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der LINKEN – Beifall von Dr. Stefan Taschner (GRÜNE)]

Danke schön, Herr Kollege! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Schultze-Berndt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden dem Knorr-Bremse-Antrag zustimmen.

[Beifall von Katina Schubert (LINKE)]

Wir werden den Vattenfall-Antrag ablehnen. Meine Rede besteht aus zwei Teilen. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die von Kündigung oder sonstigen Vertragsänderungen bedroht sind, gilt die uneingeschränkte Solidarität der CDU-Fraktion bei diesen beiden Firmen wie bei allen anderen Firmen auch.

[Beifall bei der CDU]

Wir haben aktuell 171 433 Arbeitslose in Berlin, und es werden in Kürze weitere Flüchtlinge als Suchende auf dem Arbeitsmarkt vertreten sein. Wer schafft die Arbeitsplätze, mit denen diese Menschen dann ein finanzielles Auskommen, soziale Kontakte und gesellschaftliche Teilhabe erlangen? – Wir wissen, wer die Arbeitsplätze schafft, nämlich die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die Gewerbetreibenden und Handwerker, diejenigen, die mit hohem persönlichen Risiko den Unternehmergeist und die Vision haben, mit ihren Geschäftsideen ein dauerhaftes Auskommen zu haben.

Aber es sind auch große Unternehmen, die unternehmerisch in unserer Stadt tätig sind und vielfach großartig zum Miteinander beitragen. An diese gilt es zu appellieren, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und rechtzeitig auf technologischen Wandel und Veränderungen auf den Märkten zu reagieren, damit möglichst viele Arbeitsplätze erhalten und idealerweise auch viele neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. – Ende des ersten Teils meiner Rede!

Jetzt bitte ich all diejenigen, die von der Arbeitslosigkeit bedroht sind, abzuschalten, weil ich jetzt zum politischen Teil der Rede komme. Denn diese Heuchelei von RotRot-Grün, die mit diesen beiden Anträgen hier vorgebracht wurde, ist wirklich bodenlos. Da stellen Sie sich hier hin und sagen: Wir möchten gerne, dass bei KnorrBremse etwas getan wird. Da kann es so nicht sein, wie das Management mit den Mitarbeitern umgeht. – Auf die Frage am Montag, was denn Wirtschaftsverwaltung mit Knorr-Bremse besprochen hat, hat die Wirtschaftsverwaltung zugegeben, sie hat mit dem Management überhaupt noch nicht gesprochen. Na, was soll denn das sein? – Sie stellen sich hier hin und äußern große Solidaritätsbekundungen, und dann hat die Wirtschaftsverwaltung mit dem Management noch nicht mal gesprochen. Das heißt, nicht quatschen, sondern machen ist dann angesagt. Das ist ein Skandal.

[Beifall bei der CDU und der AfD]

Genauso ist es ein Skandal, dass Sie nicht in der Lage sind, diese Konzessionsverträge zum Abschluss zu bringen. Bei der GASAG machen Sie es nicht. Beim Stromnetz machen Sie es nicht. Sie wollen bei der Stromproduktion mit einem eigenen Stadtwerk selbst in die Konkurrenz gehen. Sie sagen, Vattenfall ist ja ein Schweinekonzern, ist ja unglaublich, sie führen die Dividende nach Schweden ab und verhalten sich privatwirtschaftlich. Sie machen ein Vattenfall-Bashing vorne und hinten und werfen dann dem Unternehmen vor, dass es sagt: In diesen unruhigen Zeiten in Berlin müssen wir darauf reagieren und dafür Sorge tragen, dass die Substanz des Unternehmens nicht gefährdet ist. – Sie versuchen zu restrukturieren und kriegen wieder eine Klatsche von Ihnen, weil Sie sagen: Ist ja unglaublich, dass sie darauf reagieren. – Das ist wirklich Heuchelei, auf der einen Seite in den Hintern treten und auf der anderen Seite ihnen erklären, wie unverantwortlich sie sind.

[Beifall bei der CDU und der AfD]

Meine Solidarität, unsere Solidarität gilt den Mitarbeitern in beiden Unternehmen, insbesondere bei Vattenfall, aber meine Aufforderung an den Senat ist, die Konzessionsverträge als Verfahren endlich abzuschließen, damit wir Planungssicherheit haben, denn das Theater können wir uns in den nächsten fünf Jahren sparen. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Für die Fraktion Die Linke jetzt der Kollege Wolf!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schultze-Berndt! Das war ja der Versuch eines Entlastungsangriffs für die Geschäftsstrategie von Vattenfall.