Gerhard Schröder war der hoffentlich letzte Kanzler der SPD, den dieses Land ertragen musste. Aber er hat im Dezember 1999 das Kind beim Namen genannt. Er sagte:
Mehr als die Hälfte der Gelder, die von Europa verbraten werden, zahlen die Deutschen. Dies zu sagen bedeutet jedoch nicht, ein schlechter Europäer zu sein.
Wenn der Genosse das heute sagen würde, wäre er nicht nur ein schlechter Europäer, sondern ein „gefährlicher Rechtspopulist“, ein „Vertreter gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“.
hebelt wurden. Bekannte Beispiele: Die DublinVerordnungen, nach denen die Millionen von Migranten, die sich auf den Weg nach Europa gemacht haben und hier in der EU gelandet sind, auf die Mitgliedstaaten verteilt werden sollten. Das wurde gar nicht gemacht. Fragen Sie die Schweden.
Bislang der teuerste Rechtsbruch ist die Missachtung der Nichtbeistandsklausel gewesen, die als Artikel 103 im Vertrag von Amsterdam und als § 125 im Vertrag von Lissabon aufgenommen worden ist. Die zweifache Erwähnung hat nichts genützt, es hat keinen gekümmert. 248 Milliarden Euro sind bis heute in Griechenland versenkt worden. Das nächste Rettungspaket wird bereits geschnürt. Machen Sie sich keine Illusionen, meine Damen und Herren, von dem Geld sehen wir keinen Cent wieder.
Die rot-rot-grüne Koalition will sich in ihrem Antrag von vermeintlichen Rechtspopulisten distanzieren. Nur sind diese, die Patrioten, nicht das Problem, sondern Herren des Kalibers eines José Barroso, der 2007 in Straßburg sagte:
Der Kaiser irrte. Zunächst einmal hat der Mann keine Ahnung von Landkarten. Die EU ist nicht Europa, und Europa ist dankenswerterweise auch nicht die EU.
Lassen Sie mich noch über einen weiteren Mythos, als Fake-News, sprechen. In seinem neuesten Buch „Mehr Demokratie in Europa“ schreibt der CDU-Mann Jürgen Rüttgers, dass Europa, und hiermit meint er natürlich wieder die EU, ich zitiere, das „größte Friedensprojekt der Welt“ sei. Zitatende. Dieses beliebte Talkshowargument ist so falsch wie geschichtsblind. Der Garant des Friedens ist die NATO gewesen, unter deren Schutzschirm sich die EU entfalten konnte. Oder ist es die Saat eines Friedensprojektes, wenn Angela Merkel 2012 bei ihrem Besuch in Athen über 7 000 griechische Polizisten braucht, um sie zu schützen? Sind es Signale des Friedens, wenn 76 Jahre nach dem Überfall auf die Sowjetunion wieder deutsche Soldaten an der Grenze zu Russland stationiert werden? Wie friedlich ist es denn, wenn deutsche Sparer enteignet werden und Flaschensammeln die Hauptbeschäftigung vieler Rentner wird?
Während des jugoslawischen Bürgerkriegs in den Neunzigerjahren kam es überall dort, wo die verschiedenen Bevölkerungsschichten zusammenlebten, zu gewaltsamen ethnischen Säuberungen. Wir erinnern uns mit Grauen an den Genozid in der Enklave Srebrenica. Hier war es nicht Brüssel, das eine Lösung herbeiführte, sondern die Amerikaner und die NATO, die buchstäblich die Kombattanten an den Verhandlungstisch bombten. Das Daytoner Abkommen war das Ergebnis. Die Inkompetenz der EU, in Europa für Waffenruhe zu sorgen, wurde beschämend
vorgeführt. Dabei gab es durchaus eine europäische militärische Vereinigung, den europäischen Beistandspakt, die WEU, die richtigerweise als ein zahnloser Tiger am 11. Juli 2011 aufgelöst wurde.
Merkel steht mit ihrem Sonderweg in der EU auf einsamem Posten. Dabei wollte doch gerade Deutschland nie wieder einen Sonderweg in Europa gehen. Zerstritten mit den USA und Russland, marginalisiert von China, vorgeführt von der Türkei und isoliert in Europa hat Merkels Politik der offenen Grenzen ebenfalls einen nicht unerheblichen Anteil zum Brexit geleistet.
Wer deutsche Staatsbürgerschaften und damit den EUReisepass wie trocken Brot auf dem Marktplatz verteilt, darf sich nicht wundern, wenn irgendwann die Nachbarländer die Türen zumachen.
Die AfD ist dagegen, die EU in einen zentralistischen Bundesstaat zu verwandeln. Stattdessen treten wir im Geist der Römischen Verträge dafür ein, dass die EU zurückzuführen ist zu einer Wirtschafts- und Interessengemeinschaft souveräner, lose verbundener Einzelstaaten. Charles de Gaulle sprach von einem Europa der Vaterländer. Dabei ist eine Fiskalunion ebenso abzulehnen wie die von der EU angestrebte Regulierung nationaler Sozialpolitiken
oder auch eine Übertragung weiterer Hoheitsrechte von Berlin nach Brüssel. Wir wollen in Freundschaft und guter Nachbarschaft zusammenleben und lehnen die Vereinigten Staaten von Europa ab.
Das Ziel der AfD ist eine Rechtsgemeinschaft, die geschlossene Verträge achtet. Wir wollen ein souveränes Deutschland, das die Freiheit und Sicherheit seiner Bürger garantiert, ihren Wohlstand fördert und seinen Beitrag zu einem friedlichen und prosperierenden Europa leistet.
Erlauben Sie mir zum Abschluss in den letzten neun Sekunden noch eine Bemerkung. Sollten diese Reformbemühungen scheitern, so darf es auch kein Tabuthema mehr sein, über einen Austritt Deutschlands aus der EU zu verhandeln. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Europa ist doch schon für viele Menschen
heute gelebter Alltag. Und Europa ist kein Fachthema, sondern eine Haltung. Ich bin 1983 geboren. Ich habe mein erstes Geld in Euro ausgezahlt bekommen. Ich habe mein erstes Praktikum im Rathaus von Dijon in Frankreich gemacht. Ich hatte meine erste Grenzkontrolle, als ich nach Benin in Westafrika geflogen bin. Ich hatte im Gegensatz zu vielen anderen Menschen auf dieser Welt immer das Privileg, in Frieden zu leben. Für mich war Europa immer da, und für mich war Europa immer selbstverständlich. Ich gehöre nicht nur zur Enkelgeneration der Gründerväter der EU, sondern ich gehöre ganz klar zur Generation Europa. Und als Teil dieser Generation Europa hätte ich niemals einen Brexit für möglich gehalten; und er scheint doch zu kommen, weil meine Generation es verpennt hat, für das Selbstverständliche zu stimmen, und weil die ältere Generation den Glauben an das Selbstverständliche verloren hat. Weil die europäische Identität vielleicht auch nicht stark genug war oder ist.
Und ich hätte auch niemals einen Frexit für möglich gehalten. Aber mit der Wahl am kommenden Sonntag scheint dieses Szenario möglicher denn je. Le Pen gegen Emmanuel Macron – Marine Le Pen und Emmanuel Macron stehen sich gegenüber in der Stichwahl um die Präsidentschaft von Frankreich. Macron ist mit seinen 38 Jahren
wie ich Teil der Generation Europa. Und Le Pen will mit ihrer Politik zurück ins Europa der Nationen. Dieser Weg wird Europa nicht sozialer oder gerechter machen. Deshalb habe ich auch kein Verständnis für den unterlegenen Kandidaten Jean-Luc Melenchon, der es nicht schafft zu sagen, dass Macron der Kandidat der Europäer und Demokraten ist, und der sich weigert, eine Stimmempfehlung dafür auszusprechen.
Das ist fatal, und das verkennt die Zeichen der Zeit. Alle Demokraten und Europäer müssten heute sagen, Macron sollte der Präsident von Frankreich sein. Denn selbst eine Enthaltung in dieser Frage ist eine Stimme für Le Pen und damit eine Stimme für Ausgrenzung und Nationalismus. Und dieser Weg darf in Europa nie wieder eine Alternative sein.
Und ja, der Status quo ist auch keine Alternative. Europa kann besser und Europa muss besser werden. Das ist doch klar. Europa muss demokratischer werden, um zu bleiben. Europa muss sein Wohlstandsversprechen auch im Süden einlösen und ökologisch-sozial investieren. Europa muss einen anderen Umgang mit denen finden, die vor Krieg hierher fliehen. Europa muss als Garant einer liberalen Ordnung für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und starke Menschenrechte stehen. Europa muss denen
Was wir brauchen, das ist eine europäische Identität, die das Ganze zusammenhält. Hoffnung, dass das gelingt, machen die Tausenden Menschen, die den Pulse of Europe laut werden lassen und Hoffnung machen auf die Millionen Menschen, die heute europäisch leben; die die Freizügigkeit nutzen, um in einem anderen Land zu studieren oder zu arbeiten; die täglich hier in Berlin die europäischen Werte des friedlichen Miteinanders leben. Europa, das ist das Gegenteil nationaler Leitkultur, ohne die Unterschiede der Nationen zu negieren. Denn Europa, europäische Identität lebt vom Aushalten des Widerspruchs, der Vielfalt in der Einheit, vom Ertragen-können des Anderen, von Toleranz in der Wertegemeinschaft. Und das ist anstrengend, aber das lohnt sich.
[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Das sind doch Phrasen!]
Europäische Identität entwickelte sich einst durch gemeinsame Erinnerung in der vielleicht grausamsten Zeit, die der Kontinent jemals erlebt hat. Wer im Jahr 2017 den Nationalismus hochleben lässt wie Viktor Orbán in Ungarn oder Recep Tayyip Erdoğan in der Türkei, der glaubt nicht überzeugt an Europa. Wir brauchen eine europäische Identität und keine Thesen für eine nationale Leitkultur. Wir müssen dazu kommen, dass es nicht um die Frage geht, ob Europa, sondern um die Frage, wie Europa. Und dafür müssen wir Europa als das begreifen, was es ist: eine wichtige, sinnvolle Ebene, um gemeinsam Politik zu machen. Denn nur mit der ganzen Kraft aller gemeinsamen demokratischen europäischen Kräfte können wir Europa zum Besseren gestalten.
Es heißt ja immer, Europa hatte es noch nie so schwer wie jetzt. Das glaube ich nicht. Zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg war es bestimmt nicht leicht, einen Vertrag über einen europäischen Wirtschaftsraum abzuschließen. Konrad Adenauer hat damals zur Unterzeichnung gesagt: Es haben aber die Optimisten und nicht die Pessimisten recht behalten. – Daran kann man doch sehen, dass schon damals die populistischen Fliehkräfte, die das Heil im Nationalen gesucht haben, auch am Werkeln waren wie heute. Gott sei Dank wurde vor 60 Jahren die kluge und mutige Entscheidung für die Römischen Verträge getroffen. Deshalb ist Europa auch ein Friedensprojekt, weil wir seitdem die Konflikte immer am Verhandlungstisch gelöst und sie nicht mehr auf dem Schlachtfeld ausgetragen haben.
Wir hier in Berlin, wir sind Europa. Wir sind selber so vielfältig und halten durch unsere Berliner Identität, durch unser Berliner Sein alles zusammen. Wir haben in unserer Stadt doch erlebt, was es heißt, unsinnige Mauern zu haben, was es heißt, die Meinung nicht frei sagen zu dürfen, was es heißt, wenn Wahlen manipuliert werden. All dies ist nicht Europa.
[Beifall bei den GRÜNEN – Gunnar Lindemann (AfD): Das ist Deutschland! Deutschland 2017! – Zuruf von Stefan Franz Kerker (AfD)]
Berlin hat Europa viel zu verdanken: Solidarität in Zeiten der Teilung, und jetzt ist sie Stadt in der Mitte Europas. Berlin hat durch die Fördermittel des Europäischen Sozialfonds und die Regionalmittel die Entwicklung nehmen können, die uns zu dieser lebenswerten Stadt gemacht hat. Mehrere Milliarden Euro sind in den letzten zwei Jahrzehnten aus Europa bei allen Menschen in unserer Stadt angekommen. Dazu gehören auch die kleinen Projekte – die Stadtteilmütter in Neukölln, die Sanierung des FEZ in der Wuhlheide –, die gefördert werden. Auch das ist Europa.
Die Frage, wie Europas Zukunft ausschaut, liegt in unserer Hand. Wir als Generation Europa, wir als Berlinerinnen und Berliner, wir als Politikerinnen und Politiker, wir als Land Berlin, wir alle haben die Möglichkeit, diesen Prozess mitzugestalten und mitzuentscheiden, wie Europas Zukunft ausschauen soll.
Der Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat fünf Szenarien für die EU aufgezeigt. Vom „Weiter so!“ über unterschiedliche Geschwindigkeiten bis hin zur großen Integration. Laden wir ihn doch zu uns ins Parlament ein und diskutieren wir mit ihm!