Protocol of the Session on May 26, 2016

Der Antrag der Linksfraktion liegt dazu sei September 2014 vor. Der Petitionsausschuss – Herr Kugler hat es schon erwähnt – hat sich mit ihm, verbunden mit einer Anhörung, intensiv beschäftigt. Wir haben die Erkenntnisse der Anhörung eingearbeitet. Obwohl es im Petitionsausschuss über alle Fraktion im Prinzip Zustimmung gab, sind SPD und CDU zur Zustimmung nicht bereit. Warum, erschließt sich nicht. Wir hätten unseren Antrag, wie bereits mehrfach angeboten, auch gern zugunsten eines gemeinsamen Antrags aller Fraktionen zurückgezogen. Dieses Angebot steht auch heute noch.

(Monika Thamm)

Zum Schluss möchte ich noch auf drei Petitionen eingehen. Es ist uns nicht gelungen, eine falsche Entscheidung der BVG zu korrigieren. Ich spreche über den 325er Bus. Das Resultat: Ein Kiez mit altersgerechtem Wohnen, vielen mobilitätseingeschränkten Menschen und einem Stadtteilzentrum, in dem sich viele Selbsthilfegruppen von zum Teil Schwerstkranken regelmäßig trafen, unter ihnen eine Gruppe, bei der alle Mitglieder große Sauerstoffgeräte mit sich führen müssen, wurden von der Teilnahme am Leben abgehängt. Das war eine unmenschliche Entscheidung, die ich nicht mittrage.

Zweitens: Es gab eine Petition zur Flexibilisierung der Früh- und Späthortbetreuung. Der Senat wollte etwas ändern, scheiterte aber an der Verweigerung der großen Wohlfahrtsverbände. Warum, ist unklar.

Drittens: Eine Petition, in der eine Mutter für ihren behinderten Sohn in einer ISS in Weißensee eine pädagogische Unterrichtshilfe fordert, wie er sie in einer Förderschule bekommen würde – bisher keine Chance! Soll er doch in eine Förderschule gehen! Hier fordere ich von der Senatsbildungsverwaltung und von diesem Haus eine Änderung der Gesetzesgrundlage für eine inklusive Regelschule für alle. – Danke!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Kittler! – Für die Piratenfraktion spricht jetzt die Kollegin Graf. – Bitte sehr!

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Auch ich möchte mich als Erstes beim Petitionsbüro für die sehr gute Zuarbeit und Hilfe bei den Sprechstunden, die wir abgehalten haben, bedanken. Meine Bereiche, für die ich zuständig bin, sind Jugend und Familie, innere Angelegenheiten, Datenschutz und Sicherheit und Ordnung. Es waren in diesen Bereichen 2015 ungefähr 175 Vorgänge. Ich möchte aus jedem Bereich kurz einen Vorgang vorstellen. Das Wesentliche zur Änderung des Petitionsgesetzes hat meine Kollegin Kittler schon gesagt.

Erster Bereich „Innere Angelegenheiten und Datenschutz“: Das ist ein Thema, das uns auch aktuell immer noch begleitet, wenn man das hört, nämlich Bürgerämter und die Wartezeiten für Termine. Anfang Mai 2015 wurde das einheitliche Terminbuchungsfenster von zwei Monaten in den Bezirken eingeführt. Dadurch hat sich die Situation in den Bezirken zugespitzt. Sowohl online als auch über das Bürgertelefon konnten keine Termine mehr vergeben werden. Der Grund dafür ist schlicht zu wenig Personal. Das ist Ihnen, denke ich, auch allen bekannt.

Die Senatsverwaltung sah das Problem allerdings im Bevölkerungszuwachs. Wir haben nicht nur von der Senatsverwaltung eine Stellungnahme gehabt, sondern auch die Stellungnahme der Bezirke, die immer wieder auf die seit 15 Jahren anhaltenden personellen Einsparungen hinwiesen. Die Lösungsansätze waren unterschiedlich. So wurden z. B. 31 neue, auf zwei Jahre befristete Stellen geschaffen, und die Prozesse sollten optimiert werden. Das hat sich in Teilen bewahrheitet. Dennoch gab es weiterhin Petitionen, die zu uns gekommen sind. Auch 2016 können wir noch welche verzeichnen.

Eine Petentin hat vorgeschlagen, dass man die Wartenummern wieder einführt und die Terminvergabe über die Onlineportale abschafft. Das Problem hier ist, konnten wir sagen, nicht die Terminvergabe, sondern wieder der Personalmangel in den Bürgerämtern. Die Anregung eines Durchlaufschalters wurde stattdessen angenommen. Hier hat uns eine Petentin gesagt, sie hätte gerne die Möglichkeit, am Infotresen auf kurzem Weg Beglaubigungen und Wohnungsummeldungen durchführen zu können. Auch das wird vom Bezirk bereits umgesetzt.

Im Haushaltsplan im Herbst wurden 36 weitere Stellen für die Bürgerämter geschaffen. Es sind hoffentlich weitere im kommenden Haushalt zu erwarten, sonst wird sich diese zugespitzte Situation vermutlich nicht ändern. Verfolgen Sie das bitte, wenn die Berichte 2016 und 2017 kommen, wie sich die Zuschriften in diesem Bereich geändert haben und ob Sie einen Trend erkennen können, dass es besser geworden ist!

Zum zweiten Bereich zur Auflockerung ein Thema, das Sie vielleicht gar nicht für wichtig halten, das aber dennoch seine Relevanz hat, hier geht es um Sicherheit und Ordnung und um Teddys, die Trost spenden. Die Berliner Polizei hat Kindern in Notlagen Teddys geschenkt. Diese wurden aus Spendenmitteln finanziert, doch die Spendenorganisation musste ihre Aktivität einstellen, wodurch es keine Teddys mehr gab. Das ist einem Bürger aufgefallen, was er sehr bedauert hat. Wir als Petitionsausschuss haben ganz klar gesagt, es ist sehr traurig, denn wir halten es für ein sinnvolles Ritual. Dann muss diese hilfreiche Aktion also fortgeführt werden. Aus Steuermitteln ist die Beschaffung nicht ohne Weiteres möglich, da sind Haushaltsanträge u. Ä. notwendig, also musste ein neuer Spender gesucht werden. Kurzfristig konnten so 1 000 neue Teddys beschafft werden. Der Spender hat sich bereit erklärt, der Polizei und der Feuerwehr auch künftig Teddys zu spenden.

Der dritte Bereich ist von der Anzahl her der, der am meisten Umfang hat. Hier geht es um Jugend und Familie. Ein Elternpaar hat uns einige Kritikpunkte zu ihrer Kita im Berliner Süden zugesandt. Das inkludierte eine sehr ausführliche Beschreibung, mehr als 30 ergänzende Mails und einige persönliche Gespräche. Bei diesen

(Regina Kittler)

Missständen ging es u. a. um das Verhalten einzelner Erzieher, mangelnde hygienische Vorgaben, den Zustand sanitärer Anlagen und die baulichen Mängel.

Der Petitionsausschuss hat sich daraufhin mit der Kitaaufsicht in Verbindung gesetzt, und die Mängel wurden betrachtet. Dabei wurde festgestellt, dass die Mängelrügen gerechtfertigt sind und entsprechende Änderungen vorgenommen werden müssen. Hier gab es klare Terminanweisungen von der Kitaaufsicht, die die Kita einhalten musste. Am längsten dauerte es, die Baumängel zu beseitigen, da die Absprache mit dem Bezirksamt nötig war. Gut an diesem Fall ist: Wir haben gesehen, dass, nachdem auf die Mängel hingewiesen wurde, sie von der Senatsverwaltung sehr ernst genommen wurden, entsprechend vorbildhaft wurde gehandelt, was man nicht immer behaupten kann.

Ich freue mich, mit diesem erfreulichen Ereignis abschließen zu können, bedauere es, in der nächsten Legislaturperiode nicht wieder im Petitionsausschuss sitzen zu können, weil mir dieser Ausschuss wirklich sehr viel Spaß gemacht hat. Ich möchte mich auch bei den Kollegen im Büro und bei den Kollegen Abgeordneten für die Familienfreundlichkeit bedanken, die sie mir im Ausschuss immer entgegengebracht haben.

[Allgemeiner Beifall]

Vielen Dank, Frau Kollegin Graf! – Das Haus hatte sich vorhin schon den Danksagungen des Herrn Vorsitzenden für die Arbeit der Mitarbeiter angeschlossen. Insofern ist dieser Tagesordnungspunkt nunmehr für heute erledigt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

lfd. Nr. 5.1:

Priorität der Piratenfraktion

Tagesordnungspunkt 23

Kein Mensch ist illegal! Legalisierung von Menschen ohne regulären Aufenthaltsstatus.

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/2931

Naturgemäß beginnen die Piraten mit der Beratung. Herr Kollege Reinhardt hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen viel über die Situation von Menschen in

Asylverfahren in Berlin oder im Duldungsstatus. Viele Menschen, auch in dieser Stadt, sind aber ganz ohne regulären Aufenthaltsstatus. Auch die sind in Landeszuständigkeit. Ohne Papiere, ganz ohne regulären Aufenthaltsstatus kann man aus den unterschiedlichsten Gründen sein. Es kann sein, dass man eine Scheidung hinter sich hat, z. B. von einem gewalttätigen Menschen, dass der Aufenthaltstitel aus verschiedenen Gründen einfach nicht verlängert wurde, man Termine verpasst hat usw., also die unterschiedlichsten Gründe.

Die Schätzungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge gehen von bis zu 500 000 Menschen in ganz Deutschland für das Jahr 2010 aus, die keinen gültigen Aufenthaltstitel haben. Ich denke, wir sind uns einig, dass die Zahl mittlerweile deutlich höher sein wird. Die Ausgrenzung durch die Asylrechtsverschärfung in den letzten Monaten wird die Zahl auch noch stramm steigen lassen. Es gibt Schätzungen, die von einer Million oder noch mehr Menschen ausgehen. Viele sind hier schon Jahre oder Jahrzehnte.

Diese Menschen leben nicht nur im Schatten und dürfen nicht wählen. Sie leben auch in ständiger Unsicherheit. Sie müssen Angst davor haben, von der Polizei entdeckt, inhaftiert oder abgeschoben zu werden. Als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – das ist sicherlich für viele Fraktionen interessant – ohne Aufenthaltspapiere sind sie in besonderem Maß der Ausbeutung im Arbeitsverhältnis ausgesetzt, weil sie nicht auf die normalen Schutzmechanismen des Arbeitsrechts zurückgreifen können. Ähnlich ausbeuterische Verhältnisse herrschen natürlich auch hinsichtlich der existierenden Wohnverhältnisse. Eine Stadtstudie aus Hamburg zeigt, dass Illegalisierte oft in beengten Wohnverhältnissen mit geringem Komfort zu überhöhten Quadratmeterpreisen leben.

Der Gesundheitsbereich ist genauso prekär. Werden Menschen ohne Papiere krank, sind sie vom regulären Gesundheitssystem ausgegrenzt. Vertreterinnen und Vertreter staatlicher oder gesundheitlicher Behörden müssen Menschen ohne gültigen Aufenthaltsstatus, die sich medizinisch behandeln lassen, melden, denn nach § 87 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes haben alle öffentlichen Stellen die Pflicht, Informationen über den fehlenden rechtmäßigen Status eines Ausländers an die Ausländerbehörde zu übermitteln, wenn sie davon Kenntnis erlangen. Das Problem ist, dass natürlich aus Angst vor Registrierung und Abschiebung Menschen darauf verzichten, Vorsorgeuntersuchungen oder Krankenhausaufenthalte in Anspruch zu nehmen, was wiederum zu Spätfolgen führt und das System auch belastet. Ein ähnliches Verhaltensmuster lässt sich bei der Beschulung feststellen. Sicherlich ist unstrittig, dass alle Kinder ein Recht auf Bildung haben, auch solche ohne Status, da Kinder keine eigene Migrationsentscheidung treffen können. Die Verwirklichung dieses Rechts stand in der Vergangenheit aber im Widerspruch zur Übermitt

(Susanne Graf)

lungspflicht nach § 87 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz. Daher führt das Leben in der Illegalität dazu, dass Kinder aufgrund der Angst vor Entdeckung ihres irregulären Aufenthalts trotz bestehender allgemeiner Schulpflicht nicht zur Schule geschickt werden. Das kann ja keiner wollen.

Statt ihnen zu helfen, werden sie oft noch als Problem oder als Gefahr betrachtet. Sie stellen keine Gefahr für andere dar, sondern sie leiden unter dieser Situation. Ich finde, dem sollten wir uns stellen und das klar ansprechen.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Udo Wolf (LINKE)]

Deswegen ist die Piratenfraktion der Meinung, dass Deutschland eine Legalisierungsoffensive braucht. Wir müssen Menschen, die hier leben, wohnen, arbeiten, endlich aus dem Schatten holen und an der Gesellschaft teilhaben lassen.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Die Details will ich hier gar nicht weiter ansprechen. Wir haben den Antrag allgemein gehalten. Man kann z. B. mit Stichtagsregelungen arbeiten. Da gibt es viele Varianten. Aber Berlin muss sich im Bundesrat für eine solche Regelung einsetzen. Es gibt hier dringlichen Handlungsbedarf. Selbst wenn man die Position vertritt, alle illegalisierten Menschen abschieben zu wollen, muss man sich einfach eingestehen, dass dies nicht realistisch ist und eine Legalisierung keine Einladung ist, sondern die Realität in diesem Land anerkennt.

Legalisierung bedeutet Entlastung von Behörden und Polizei, das kommt noch hinzu. Migrationskontrolle ist arbeitsintensiv und kostenaufwendig. In Deutschland werden im großen Umfang polizeiliche Kapazitäten durch Ermittlungen bei aufenthaltsrechtlichen Straftaten gebunden. Irreguläre Migration ist strafbar, und die Polizei muss nach dem Legalitätsprinzip – das wissen Sie – alle Straftaten verfolgen. Sie ist zum Handeln gezwungen und muss sie melden und dokumentieren. Das ist teuer und verursacht meist unsinnige Arbeit, die sich einsparen ließe.

Eine Legalisierungsoffensive wäre übrigens kein Alleinstellungsmerkmal für Deutschland. In vielen Staaten der Welt sind mehr oder weniger regelmäßige Legalisierungsprogramme an der Tagesordnung: von Argentinien über Australien bis zu den Vereinigten Staaten. In Italien z. B. ist durch die Amnestie, die dort „Sanatoria“ heißt, aus dem Jahr 2002 630 000 Menschen eine Aufenthaltserlaubnis verschafft worden. Auch in Deutschland gibt es verdeckte Legalisierung z. B. über die EU-Osterweiterung. Insofern braucht es hier den Mut, den richtigen Schritt zu tun, um gesellschaftliche Realitäten anzuerkennen, Menschen Sicherheit vor Ausbeutung zu geben und Behörden zu entlasten. Berlin muss hier Vorreiter sein. Deswegen sage ich ganz klar: Ich solidarisiere mich mit

allen Illegalisierten, mit allen Sans-Papiers, mit allen unsichtbar Gemachten, egal, ob hier oder in anderen Ländern. Ich trage stolz die Aufschrift „Kein Mensch ist illegal“ und rufe dazu auf, diese Forderung mit Leben zu erfüllen und sich auf allen Ebenen für die Legalisierung von illegalisierten Menschen einzusetzen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Kollege Reinhardt! – Kollege Lehmann! Sie haben jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Kaum etwas ist so zufällig wie der Ort, an dem ein Mensch geboren wird, und der Staat, dem er zugeordnet wird. Manch einer hat sogar das Pech, dass ihn kein Staat als Bürger aufnimmt, ein grausames Schicksal, denn auch wenn aus diesem Status sehr lästige Pflichten erwachsen, ist diejenige oder derjenige ohne Staatsangehörigkeit ziemlich rechtlos, auch wenn internationale Verträge minimalen Schutz garantieren sollen. Während als Deutsche anerkannte Personen oder die Bürgerinnen und Bürger bestimmter Vertragspartner des deutschen Staats noch relativ privilegiert hier leben können, ist denjenigen ohne regulären Aufenthaltsstatus mit laufendem Asylverfahren und selbst denen, deren Asylanträge genehmigt wurden, eine Reihe von Dingen verwehrt, die für die anderen selbstverständlich sind. Sie dürfen unter anderem nicht hier arbeiten und sind damit auf Unterstützung angewiesen.

Ein weiterer Aspekt ist die gesundheitliche Versorgung, die hier schon mehrfach eine Rolle gespielt hat. Da sagen wir ganz klar, nach wie vor: Für die Gruppe derjenigen Menschen, die in Berlin ohne Papiere leben und aus Angst vor Abschiebung nicht zum Arzt gehen, muss ein anonymer Krankenschein für die Arztpraxis eingeführt werden.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Monika Thamm (CDU)]

Zudem muss das Nothelferverfahren im Krankenhaus neu gestaltet und gerecht ausfinanziert werden.