Protocol of the Session on May 12, 2016

(Alexander Spies)

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Herr Senator Kollatz-Ahnen, bitte!

Dem stimme ich so nicht zu. Man muss sich immer überlegen, was die reale Alternative ist, das heißt, ein Krankenhausbetrieb kann natürlich solche Leistungen auch bei einem Privaten einkaufen. Wie ich eben schon versucht habe auszuführen, ist dann eher damit zu rechnen, dass die Stellensituation bei den Privaten eher mit niedrigeren Gehältern verbunden ist. Insofern glaube ich, dass das Denkmodell, das dahinter liegt, nicht tragfähig ist.

Es ist ein wichtiger Grundsatz für die Beteiligungsunternehmen des Landes Berlin: Wir müssen die Beteiligungsunternehmen in schwarzen Zahlen führen. Wir müssen darüber reden, wo wir im Rahmen von Haushaltszuführungen die Situation der landesweiten Unternehmen so ausbauen, dass sie auch gesellschaftlich gewünschte Leistungen erbringen können – das tun wir in vielen Fällen –, aber dass dann, wenn die Entscheidungen über das Budget getroffen sind, die Krankenhäuser und alle anderen öffentlichen Betriebe versuchen müssen, mit diesem Rahmen auszukommen. Wenn wir das nicht täten, würden wir relativ schnell in eine auch von Ihnen nicht gewollte Privatisierungswelle hineinlaufen. Insofern ist das absolut notwendig.

Was haben wir getan – auch mit Unterstützung des Hohen Hauses? – Wir haben die Investitionen deutlich erhöht, gerade auch bei Vivantes. Wir haben zum Beispiel auch ein wichtiges Projekt für die Berufsgruppe, die in der Diskussion steht, vorgesehen. Wir arbeiten daran, ein duales Ausbildungssystem für therapeutische Berufe zu entwickeln. Das wird dazu führen, dass diejenigen, die in die Ausbildung gehen, in der Ausbildung eine Ausbildungsvergütung erhalten und nicht mehr selbst für ihre Ausbildung bezahlen. Das sind Dinge, bei denen wir im Rahmen dessen, was uns finanziell zur Verfügung steht, Handlungsfähigkeit haben. Diese werden wir wahrnehmen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Senator! – Wegen Zeitablaufs ist die Fragestunde damit für heute beendet.

Wir kommen nun zu

lfd. Nr. 3:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Ich rufe zunächst auf

lfd. Nr. 3.1:

Priorität der Fraktion Die Linke

Entwurf des Bebauungsplans 1-14 für das Gelände zwischen Littenstraße, der nördlichen Grenze des Flurstücks 5 (An der Littenstraße), Waisenstraße, Parochialstraße, Jüdenstraße, Stralauer Straße, Molkenmarkt, Spandauer Straße, Gustav-BößStraße und Grunerstraße sowie die Gustav-BößStraße, den Molkenmarkt, Abschnitte der Jüdenstraße zwischen Gustav-Böß-Straße und Grunerstraße sowie zwischen Parochialstraße und Stralauer Straße, den Straßenzug Mühlendamm – Grunerstraße zwischen Spree und Littenstraße und den Straßenzug Spandauer Straße – Stralauer Straße zwischen Gustav-Böß-Straße und Neue Jüdenstraße sowie Teilflächen der Waisenstraße im Bezirk Mitte, Ortsteil Mitte

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 4. Mai 2016 und dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 11. Mai 2016 Drucksache 17/2901

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/2854

[Michael Schäfer (GRÜNE): Haben Sie die Stralauer Straße erwähnt, Frau Präsidentin?]

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Wird nicht. In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat Frau Abgeordnete Lompscher. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine wenigen verbliebenen Damen und Herren! Wir reden heute über einen dicken Plan zum Molkenmarkt – den Rest können wir uns ja vielleicht sparen – und dieser ist zweifellos von höchster stadtpolitischer Bedeutung. Wir reden über einen 13 Jahre andauernden formellen Planungsprozess. Die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung fand schon 2003 statt. Nun ist aber keine Zeit, alles muss ganz schnell gehen. Der Senat hält es nicht für nötig, das Abgeordnetenhaus früher einzubeziehen, wir sind schlechter informiert als jede BVV, allenfalls der zuständige Arbeitskreis der SPD erhält frühzeitig exklusive Informationen – so der Senat in seiner Antwort auf meine Kleine Anfrage. Das ist keine Planungskultur und kein Umgang mit dem Parlament!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wir reden heute über einen B-Plan, der eine seit 20 Jahren angestrebte kritische Rekonstruktion zum Ziel hat. Das Klosterviertel soll wiedererstehen und der Molkenmarkt, der heute nicht mehr als eine groß dimensionierte Straßenkreuzung ist. Doch der verkleinerte, immer noch gewaltige Straßenverkehrsraum soll weiterhin eine enorme Verkehrslast tragen. Ohne eine andere Verkehrsgestaltung aber können Stadtumbau und Reurbanisierung nicht gelingen. Wir sind der Auffassung, dass nur eine deutlich reduzierte Straßenbreite mit vier statt sechs Spuren die Verknüpfung der Stadtquartiere ermöglicht, gesundes Wohnen erlaubt und die Barrierewirkung der Straße abmildert. Dieses Argument verbindet uns bemerkenswerterweise mit den Historisten, die mit der Straßenplanung auch nicht glücklich sind.

Wir haben nachgemessen. Mit dem angrenzenden B-Plan 1-218 – heute ebenfalls auf der Tagesordnung – wird der Querschnitt der Gertraudenstraße von heute 42 bis 45 Metern praktisch nicht schmaler.

[Senator Andreas Geisel: Was?]

Geh- und Radwege werden in Arkaden gepresst, was Senator Geisel gestern zu der erschrockenen Bemerkung veranlasste, das sei noch nicht entschieden, soll es aber heute werden. – Der Mühlendamm, heute rund 60 Meter breit, wird auf Höhe Poststraße immer noch rund 40 Meter breit sei – und das ohne Gehwege. Vor dem Nicolaiviertel fallen zwei Reihen Bäume der Kreuzung mit der auch künftig vierspurigen Spandauer Straße zum Opfer.

[Ole Kreins (SPD): Das ist falsch!]

Das ist nicht Ihr Ernst! Damit ist der B-Plan auf Kollisionskurs zur Stadtdebatte Berliner Mitte und ihren Bürgerleitlinien, die hier für eine Verkehrsberuhigung plädieren.

[Beifall bei der LINKEN]

Das soll auch vertiefend untersucht werden und ist so ausdrücklich in der Beschlussvorlage festgehalten, die auch Herr Geisel übermittelt hat.

Die mangelnde räumliche und planerische Verknüpfung zeigt sich aber auch an anderer Stelle. Es fehlt eine Geh- und Radwegverbindung vom Rathausforum durch die Rathauspassage über die neue Grunerstraße zur Klosterstraße. Mit der wiederaufgebauten – neuen – Waisenbrücke wäre dann eine Verbindung bis zum Märkischen Museum möglich, ist es aber nicht. Auf den Baufeldern sollen Wohnungen und kerngebietstypische Nutzungen entstehen. Die Defizite in der sozialen und grünen Infrastruktur mit den geplanten bis zu 450 Wohnungen werden im Text zwar eingeräumt, aber mitnichten behoben. Insbesondere die Schulfrage ist ungeklärt. Das ist völlig inakzeptabel.

[Beifall bei der LINKEN]

Ebenso wenig geklärt ist der Umgang mit dem Alten Stadthaus. Zwar war es früher eingebaut, steht aber seit

Jahrzehnten exponiert im Stadtraum. Kaum jemand wird verstehen, warum dieses herausragende Baudenkmal von Ludwig Hoffmann nun zugebaut wird. Die 2010 von uns verlangte Öffnung des Baublocks – immerhin – für eine Sichtachse vom Nicolaiviertel auf den Turm und ein begrünter Hofplatz erweisen sich bei näherer Prüfung als nicht ausreichend.

[Beifall bei der LINKEN]

Auch sind generell Zweifel angebracht, ob Senat und Koalition beim Umgang mit Baudenkmalen dazugelernt haben. Ein Arkadengang vor der Klosterruine wird das Denkmal stark beeinträchtigen. Jetzt können Sie einwenden: Könnte gebaut werden, muss aber nicht –, kann aber gebaut werden, das ist das Problem.

[Daniel Buchholz (SPD): Sie hätten das zehn Jahre lang mit uns gestalten können!]

Mehrgeschossige Tiefgaragen, im Bebauungsplan nicht ausgeschlossen, lassen befürchten, dass sich das Drama Friedrichswerdersche Kirche wiederholen könnte. Ob die Statik der Klosterruine zusätzliche Bebauung in räumlicher Nähe überhaupt auffangen kann, ist nicht einmal untersucht worden. Die bestehenden kulturellen Nutzungen im Palais Podewils und in der Klosterstraße 44 sind planungsrechtlich nicht gesichert. Letzteres wird zum Spielball für Grundstückstausch, in der Sprache des Senats „freiwillige Bodenordnung“. Das Podewilsche Palais wird ohne Not als Kerngebiet ausgewiesen und gerät so unter Renditedruck. Wer kann denn garantieren, dass Berlin – siehe Magnus-Haus – diese Perle nicht irgendwann versilbert?

[Beifall bei der LINKEN]

Abschließend: Mit dem B-Plan droht auch ein Ausverkauf öffentlicher Flächen. Geschätzt 18 Millionen Euro muss das Land allein für den Umbau der Straßen ausgeben, und die Schätzung ist relativ alt. Zur Gegenfinanzierung werden also Einnahmen erwartet. Entstehen wird also ein hochpreisiges kommerzielles Viertel mit ziemlich langweiligen Nutzungen statt urbaner Vielfalt. Weder eine städtebaulich überzeugende Neustrukturierung noch ein tragfähiges Umsetzungskonzept für den ohne Zweifel wünschenswerten Stadtumbau sind mit diesem B-Plan gelungen. Deshalb lehnen wir ihn ab. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Daniel Buchholz (SPD): Unglaublich!]

Vielen Dank, Frau Lompscher! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Haußdörfer. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, heute besprechen und beschließen wir einen

(Katrin Lompscher)

Bebauungsplan, der uns hier im Parlament annähernd zehn Jahre, mich als Historikerin noch um einiges länger beschäftigte. Und ich sage mal, wir hätten ja in der letzten Legislaturperiode auch Nägel mit Köpfen machen können.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das Zentrum der historischen Doppelstadt, der älteste Platz Berlins, das sind einige Lagebeschreibungen für diesen Geltungsbereich, von dem in der Realität aber leider nur noch wenig vorhanden ist. Sicherlich hat die Festsetzung und die parlamentarische Beschäftigung deshalb auch so lange gedauert, weil es um das Vereinbaren unterschiedlicher Nutzungen, Zeiten und stadträumlicher Gestaltungsvorstellungen ging, zwischen dem Annähern an den historischen Stadtgrundriss durch das Anbinden von Spuren des alten Berlins, gerade in einem historisch-stadträumlichen Umfeld, hin zur Integration der modernen Nutzung als Hauptverkehrsanbindung. Umfangreiche Regelungen zum Lärmschutz, die Reduzierung der Verkehrsflächen sowie die Begrenzung des Einzelhandels und die stadträumliche Einfassung erklären, dass eben auch hier ein Platz ist, wo die Innen- vor der Außenentwicklung angegangen wird. Und ja, es gibt eine sehr gute Verbindung zum öffentlichen Nahverkehr, ausreichend Alternativen für Querende erschließen dieses Quartier hervorragend für unterschiedliche Nutzergruppen; übrigens auch gegen die wahrscheinlich jetzt auch sehr langweilige Nutzung, dass dieses Stadtquartier auch wieder belebt wird.

Letztendlich werden die Grundlagen für die Gestaltung eines lebendigen Kiezes für Anwohnerinnen und Anwohner, für Touristen, für Besucher historischer Spuren und für Durchreisende und Flaneure gelegt, der eine bunte Mischung an Nutzung ermöglicht. Über 400 entstehende Wohneinheiten, mit der Begrenzung des großflächigen Einzelhandels doch die Revitalisierung der Idee, auch wieder kleinteiligen Handel hier zu ermöglichen, quasi aus dem Kiez für den Kiez; eine touristische Anbindung an das Konzept der historischen Mitte, mit der Klosterruine als öffentlichem Standort für Kultur und möglichst auch für eine Schulnutzung, öffentliche Grünflächen für die Naherholung, für einen Ausbau der sozialen Infrastruktur und öffentliche Arbeitsplätze – das ist ein umfassendes Paket. Diese für diesen Ort neuen Ansätze ermöglicht der Rückbau der überdimensionierten achtspurigen Straße, und diese „Reparatur im Herzen Berlins“, wie ein Artikel dazu lautete, bedeutet für den einen den sicheren Verkehrsinfarkt mit Rückstau und problematischen Situationen nicht nur für den Berufsverkehr, für die anderen – also offensichtlich auch für die Linke – ist das Maß des Rückbaus noch nicht ausreichend genug.

Das mehrfache Überarbeiten gerade der verkehrlichen Situation sowie die umfangreichen Lärmschutzmaßnahmen tragen diesen Bedenken aber Rechnung. Und die Leistungsfähigkeit der Straße bleibt erhalten. Durch das Konzept der transparenten Liegenschaftspolitik sowie das

Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung, verpflichtende Wettbewerbe und ja, auch wir können uns da durchaus mehr Kreativität vorstellen, das können wir immer nur einfordern und hoffen, aber da wir uns selbst als Architekten nicht an diesen Planungen beteiligen, können wir dazu nur aufrufen. Aber wir hoffen, die entsprechende ansprechende Qualität in der Gestaltung, aber auch für die soziale Infrastruktur und die Nutzung sicherstellen zu können.

Zum Abschluss: Ich zitiere ihn immer gerne, den französischen Sozialisten Jean Jaurès: Ja, Tradition heißt nicht, die Asche zu bewahren, sondern die Flamme weiterzutragen. – Herzlichen Dank!