Protocol of the Session on May 12, 2016

Auch das Thema Inklusion ist Familienpolitik. Das Gesetz zur Ganztagsbetreuung von Kindern und Jugendlichen mit schweren Behinderungen auch über die Grundstufe hinaus bis zum Schulanschluss hin bietet die Möglichkeit, dass diese Kinder aktiv Teil unserer Bildungslandschaft werden und dadurch auch aktive Chancen haben im Berufsleben. Das ist ein wichtiger Punkt.

Die Teilhabe ist uns auch beim Thema Integration besonders wichtig. Hier haben wir die Beschulung der Flüchtlingskinder in über 670 Willkommensklassen organisiert. Hier soll schnellstmöglich ein Übergang in die Regelschulen gewährleistet werden.

[Elke Breitenbach (LINKE): Wann? Das passiert doch gar nicht!]

Mit der verpflichtenden Sprachstandsfeststellung soll sichergestellt werden, dass Kinder frühestmöglich die Sprache beherrschen und keinen unnötigen Nachteil auf dem späteren Bildungsweg erleiden. Wir haben diesen Zeitraum vorgezogen, um so zu ermöglichen, dass Kinder in der Kita länger frühkindliche Bildung haben.

Kurzum, wir haben viel und noch mehr für die Familien in Berlin getan, und darauf sind wir auch, das sage ich ganz ehrlich, ein bisschen stolz. Berlin ist eine familienfreundliche Stadt und – –

[Elke Breitenbach (LINKE): Und wann jetzt noch mal?]

Lassen Sie mich noch kurz einen Einwurf machen, wo ich schon die Zwischenrufe von der Opposition höre! – Machen Sie das doch nicht nieder! Sie haben vieles davon mit gefordert. Es ist doch so, dass wir das alle wollen. Daher lassen Sie uns positiv darüber reden, was Berlin Familien bietet, und weniger darüber, was Sie alles

schlecht finden, was in Ihren Wunschträumen noch besser sein könnte!

Lassen Sie mich Folgendes noch ausführen: Wir haben in den letzten fünf Jahren eine aktive und moderne Familienpolitik in Berlin etabliert. Das war nicht immer einfach. Die SPD mit ihrem Regierenden Bürgermeister steht genau für diese Politik. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Kollegin Kapek das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!

[Torsten Schneider (SPD): Die Stadtentwicklungssenatorin für Familien! – Lars Oberg (SPD): Eine Premiere! – Weitere Zurufe von der SPD]

Das ist kein Grund zur Unruhe!

[Stefanie Remlinger (GRÜNE): Antje macht die Männer nervös! – Antje Kapek (GRÜNE): Ich nehme das mal als Kompliment!]

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Familienfreundliches Berlin“ könnte wahrscheinlich auf jedem Wahlplakat jeder x-beliebigen Partei stehen.

[Zuruf von den GRÜNEN: Nicht bei der AfD!]

Es ist ein Ziel, das wir alle grundsätzlich teilen, die entscheidende Frage ist nur: Wie definiere ich familienfreundlich eigentlich? – Man kann das so tun, wie Herr Eggert gerade,

[Lars Oberg (SPD): Er hat auch recht!]

aber wir haben grundsätzlich ein breiteres Verständnis von dem Begriff „Familie“ und davon, was Familien guttun würde.

[Beifall bei den GRÜNEN – Lachen von Torsten Schneider (SPD): Genau, breites Verständnis!]

Ein familienfreundliches Berlin, das beginnt bei zuverlässigen, ausreichenden und flexiblen Betreuungsangeboten für Kinder und Jugendliche. Das beinhaltet aber auch flexible Arbeitszeitmodelle und eine entsprechende Arbeitsmarktpolitik.

[Beifall bei den GRÜNEN – Torsten Schneider (SPD): Das ist jetzt aber sehr breit! Sehr breit!]

(Björn Eggert)

Denn Familie heißt nicht nur lernen und arbeiten, Familie heißt auch Zeit füreinander zu haben, die man miteinander verbringen kann, und dafür muss Politik den Raum schaffen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Ein stressfreies Leben für alle ist, glaube ich, ein Ziel, das Sie alle mitunterschreiben.

[Torsten Schneider (SPD): Und Sonnenblumen für alle!]

Dazu gehören Chancengerechtigkeit und Teilhabe von Anfang an. Bildung – da sind Sie sicherlich auch mit mir eins – ist dafür der Schlüssel. Leider, liebe Kollegen von der SPD, hängt in Berlin der Bildungserfolg unserer Kinder bis heute viel zu stark vom Elternhaus ab.

[Lachen von Torsten Schneider (SPD)]

Es gibt auch immer noch viel zu viele junge Menschen, die Berliner Schulen ohne einen Abschluss verlassen.

[Martin Delius (PIRATEN): Genau!]

Wir wollen deshalb, dass jedes Kind so gefördert wird, dass es seine Potenziale frei entfalten kann, und zwar unabhängig von seiner Herkunft und seinem sozialen Hintergrund. Davon sind wir in Berlin leider meilenweit entfernt, und daran hat Frau Scheeres in den letzten fünf Jahren nichts geändert.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Lachen von Torsten Schneider (SPD)]

Denn noch immer – und das ist wirklich kein Thema zum Lachen – lebt in Berlin jedes dritte Kind in Armut. Berlin nimmt den Spitzenplatz beim Thema Kinderarmut ein. Jedes dritte Kind lebt von Sozialleistungen, das muss man erst einmal auf sich wirken lassen! Die Folgen für diese Kinder sind, dass sie von Anfang an von Teilhabe und Aufstiegschancen abgeschnitten sind. Selbst die Zahl der wohnungslosen Familien mit Kindern steigt ständig weiter an. Ich bekomme eine Gänsehaut bei dem Gedanken, dass Kinder auf der Straße stehen. In was für einer Stadt leben wir, wenn Tausende von Kindern von Wohnungslosigkeit betroffen oder zumindest gefährdet sind? Dafür müssen wir uns allesamt schämen, und solange auch nur eine einzige Familie mit Kindern auf der Straße sitzt, können wir wohl kaum von einem familienfreundlichen Berlin sprechen.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Deshalb wäre es doch das Mindeste, dass das Land Berlin bei Familien Zwangsräumungen aussetzt bzw. Vermieter zu einer entsprechenden Prüfung zwingt. Gar nicht erst so weit kommen würde es, wenn es die entsprechende aufsuchende Hilfe, eine bessere Schuldnerberatung und Hilfesysteme gäbe, die Familien dabei unterstützen, dass sie gar nicht erst in diese Situation kommen. Das ist in allen anderen Städten Deutschlands Standard, nur die

Bundeshauptstadt Berlin gibt sich hier die Blöße, und das muss sich ändern!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vor besonderen Problemen stehen in Berlin Alleinerziehende. Allein in Berlin leben 150 000 von ihnen, 90 Prozent davon sind Frauen. Vielen von ihnen gelingt es trotz aller Anstrengungen nicht, aus der Armut herauszukommen. Diesen Familien muss niemand erklären, wie wichtig Bildung ist. Dazu gehört nicht nur die Betreuung in Kindertagesstätten oder im Hort, dazu gehört auch der Zugang zu Familienzentren und anderen Angeboten wie den Stadtteilmüttern. Wir setzen uns deshalb für eine gerechte Familienförderung ein. Das heißt: Weg vom Ehegattensplitting, hin zu einer Unterstützung für Familien, in denen Kinder leben.

Außerdem wollen wir, dass auch Alleinerziehende eine Wohnung in ihrem vertrauten Viertel bezahlen können. Gerade Alleinerziehende benötigen neben der sozialen auch die materielle Sicherheit, um trotz zum Teil schwieriger Lebensumstände ein gutes Leben führen zu können. Deshalb wollen wir im Bund eine Kindergrundsicherung einführen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Der Senat will Alleinerziehenden jetzt 50 Euro mehr für Kinder bis 12 Jahre und Coaching-Projekte zuteilwerden lassen. – Liebe Frau Scheeres! Wenn Sie wirklich etwas für Familien tun wollen, dann bringen Sie doch endlich eine Bundesratsinitiative auf den Weg, die die Kindergrundsicherung voranbringt, die zeitlichen Beschränkungen beim Unterhaltsvorschuss aufhebt und eine verlässliche Kinderbetreuung garantiert! Das wäre einmal eine echte Hilfe und mehr als Ihre sonst übliche Modellprojekteritis.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Genau daran krankt Ihre Politik nämlich: Sie machen erstens keine ordentliche Bestandsaufnahme dessen, was die sozialen Probleme von Familien sind, und wenn Sie dann doch zufällig mal eins erkennen, dann gibt es ein Modellprojekt.

Sie haben sich als Koalition die Bekämpfung der Kinderarmut in den Koalitionsvertrag geschrieben – passiert ist nichts. Selbst die Arbeitsgruppen, die ein Kinderarmutsbekämpfungskonzept erarbeiten sollten, haben Sie gestoppt. Die Leute, die echt viel Zeit und Engagement da hineingesteckt haben, sind zu Recht stinksauer. Was wir aber zur Bekämpfung von Kinderarmut brauchen, ist endlich die Einführung eines Netzwerks gegen Kinderarmut, das vor allem alle relevanten Institutionen zusammenbringt, sie mit dem entsprechenden Budget, dem Personal und den entsprechenden Kompetenzen ausstattet.

Auch sonst ist die Bilanz der Familienpolitik in den letzten fünf Jahren eher schlecht: Die Bearbeitung des Elterngelds dauert zu lange und treibt viele Familien, zumindest zeitweise, in die Schulden. Die Jugendämter klagen bereits seit Langem, dass ihnen das Personal für einen ordentlichen Kinderschutz stadtweit fehlt. Es fehlen mehr als 20 000 Kitaplätze; vom Betreuungsschlüssel wollen wir gar nicht mehr reden. Gut, Sie wollen jetzt eine Verbesserung. Aber die Realität nach fünf Jahren ist immer noch, dass in vielen Gruppen 13 Kinder von einer Person betreut werden. Dass da der eine oder andere Unfall vorprogrammiert ist, muss ich Ihnen nicht erzählen – ganz zu schweigen vom typischen Fachkräftemangel.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Ich wollte das nicht sagen, Herr Oberg, aber ganz ehrlich: In meiner Kita ist das Realität. Das ist kein Quatsch! Das ist einfach die Tatsache, die in dieser Stadt überall tägliche Realität ist.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Oberg?

Nein! – Und die Tatsache, dass die Schulen immer noch verrotten, dass es einen Fachkräftemangel bei den Grundschullehrern gibt, muss ich Ihnen nicht ausführen. Die GEW steht heute auf der Straße und streikt, und das zu Recht!