Protocol of the Session on April 28, 2016

Priorität der Piratenfraktion

Tagesordnungspunkt 18

Funkzellenabfrage im Land Berlin — sofortige Umsetzung eines Pilotprojekts zur Information der Bürger/-innen per SMS

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/2851

Bevor wir die Beratung beginnen, wollte der Kollege Herberg einen Geschäftsordnungsantrag stellen. Dazu hat er jetzt die Gelegenheit. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Ich stelle den Antrag nach § 64 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dass mit Mehrheit dieses Hauses von der Redezeit bzw. der Redeordnung abgewichen werden kann. Mir haben vier Fraktionen signalisiert, dass sie kein Problem damit haben, dass Herr Lauer zwei Rederunden in diesem Beitrag hält. Deshalb muss die Mehrheit dieses Hauses jetzt darüber entscheiden. Ich bitte um Zustimmung zu diesem Antrag.

[Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Gestellt ist der Antrag, wenn ich das richtig verstanden habe, nach § 64 Abs. 3 der Geschäftsordnung. Das Präsidium ist sich hier nicht hundertprozentig schlüssig, dass das die richtige Vorschrift ist. Wir würden dann nach § 63 der Geschäftsordnung verfahren und entsprechend darüber abstimmen lassen. – Das Wort zur Gegenrede hat jetzt der Kollege Schneider.

Meine Damen und Herren! Die Koalition hat sich dazu verabredet. Deswegen bin ich ein bisschen irritiert, dass hier über vier Fraktionen berichtet wird. Wir haben große Sympathie für den Kollegen Lauer, zumindest was die BNote anbelangt, wir sind aber zu der Überzeugung gelangt, dass das jetzt nicht rechtfertigt, hier sozusagen Sonderrechte einzuräumen, und werden den Antrag ablehnen.

[Lachen bei den PIRATEN]

Dann müssen wir über den Geschäftsordnungsantrag abstimmen. Wer dem Geschäftsordnungsantrag des Kollegen Herberg seine Zustimmung gibt, den bitte ich ums Handzeichen. – Das sind Grüne, Piraten und Linke. Wer ist dagegen? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Letzteres war die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Es beginnt dann in der Beratung der Kollege Lauer. Er darf zehn Minuten sprechen, solange er will, nur ein Teil wird aufs Kontingent angerechnet. – Bitte schön, Kollege Lauer, Sie haben das Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrtes Präsidium! Noch 60 Sekunden, das ist die kürzeste Redezeit aller Zeiten. Da kann irgendetwas nicht stimmen.

[Sven Kohlmeier (SPD): Es heißt Minuten, Herr Lauer, 60 Minuten!]

Nein, es laufen tatsächlich 60 Sekunden runter! Wollen wir noch mal von vorne? – Liebes Präsidium! Haben wir ein Problem? Hier laufen nur 60 Sekunden.

Nein, Sie haben zehn Minuten, und wenn das jetzt nicht funktioniert, Kollege Lauer, dann stoppen wir mit!

Starten Sie doch einfach mal die Zeit richtig!

Das Präsidium steht hinter Ihnen.

Nein, starten Sie doch bitte die Zeit richtig, denn wenn hier die ganze Zeit rote Lampen leuchten – –

[Michael Dietmann (CDU): Herr Lauer! Jetzt machen Sie doch mal, mein Gott!]

Wir können das von hier aus nicht ändern. – Ich nutze die Gelegenheit, um mitzuteilen, dass ein Pirat gegen den Antrag gestimmt hat. – Vielleicht kann die Technik noch mal kurz kommen und helfen. – Aber Sie können natürlich so lange reden, und dann werden wir mitstoppen und das eintragen, Kollege Lauer, darauf können Sie sich verlassen!

Das ist ja kein Problem!

Hier vorne sitzt ein Notar. Das schreibe ich mit.

Ja, super! Und es ist noch nicht Mitternacht.

[Heiterkeit bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

So, jetzt fangen wir an! – Bitte schön!

Okay! Ich habe also keine Redezeit, super! – Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrtes Präsidium! Ja, hier ist wieder eine Kuriosität, die wir als Parlament immer machen müssen, wenn – – Ach, der Herr Heilmann ist gar nicht da! Es betrifft ihn aber. Es wäre ganz gut, wenn er da wäre. Dann müssen wir ihn noch herzitieren. – Bitte!

[Beifall von Dr. Klaus Lederer (LINKE)]

Meine Zeit läuft noch immer, aber es ist, als ob das hier zum ersten Mal wäre.

[Zurufe von den PIRATEN und der LINKEN]

Ist jemand unterwegs, um den zuständigen Senator – – Gut, danke schön! – So lange wird die Redezeit unterbrochen.

[Heiko Melzer (CDU): Es dauert ungefähr zehn Minuten!]

Der Staatssekretär ist schon da, wie ich sehe.

Das ist schön für ihn.

Das ist schön für uns alle. – So, der Herr Senator betritt den Saal. – Sie können fortfahren, Kollege Lauer!

Ich habe ja noch gar nicht angefangen, aber – – Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrtes Präsidium! Lieber Herr Heilmann! Wir haben jetzt hier wieder einen Antrag, den man dann öfter schon aus dieser Legislaturperiode kennt, immer wenn es darum geht, dass die Justizverwaltung irgendetwas tun soll, weil wir ja in der Vergangenheit schon gelernt haben, dass die Justizverwaltung selbst dann nichts tut, wenn es einen einstimmigen Beschluss dieses Hauses gibt.

[Andreas Baum (PIRATEN): Was?]

Ja, Andreas, ich bin genauso entsetzt wie du! – Denn damit beschädigt die Justizverwaltung den Kern der parlamentarischen Demokratie. Wenn sie sich einfach nicht an unsere Spielregeln hält und auch nicht ihren verfassungsmäßigen Pflichten nachkommt,

[Dr. Manuel Heide (CDU): Woher wissen Sie, was verfassungsmäßige Pflichten sind?]

Gesetze oder Beschlüsse dieses Parlaments umzusetzen, haben wir nichts Geringeres als eine Staatskrise.

[Zuruf]

Dann ist tatsächlich die Frage, was wir machen. Aber wir haben hier das Problem oder den Punkt, dass dieses Haus im November 2014 beschloss, dass wir ein Pilotprojekt für ein SMS-Informationssystem für die von Funkzellenabfragen Betroffenen haben wollen. Solche Systeme gibt es im Land Berlin schon an anderer Stelle, z. B. Katwarn. Das ist ein System für Katastrophenschutz. Wenn Sie vor Katastrophen gewarnt werden wollen, geben Sie Ihre Telefonnummer ein, und Sie bekommen dann eine Unwetterwarnung oder ähnliche Warnungen zugeschickt.

Ein solches System wollte dieses Parlament haben, eben genau für Funkzellenabfragen, dass also die Leute in Berlin, die es interessiert, auf einer Webseite eingeben können: Hier ist meine Telefonnummer, und wenn ich in einer Funkzellenabfrage drin war, dann soll ich irgendwann eine SMS-Benachrichtigung darüber bekommen, dass ich in einer Funkzellenabfrage war. – Denn die Funkzellenabfrage ist noch immer eine verdeckte Maßnahme. Sie ist eine Überwachungsmaßnahme. Sie kann in dem Moment, in dem Bewegungsprofile geschaffen werden, sehr eingriffsintensiv sein. Wir haben als Staat eine Verpflichtung, Bürgerinnen und Bürger auch darüber zu informieren, wann sie überwacht werden.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Es ist ja insbesondere vor dem Hintergrund – – Heute in der Aktuellen Stunde wurde sich wieder damit gerühmt, dass Berlin mit dem E-Government-Gesetz ganz vorne mit dabei sei. Deswegen verstehe ich das nicht. Ein solches SMS-Benachrichtigungssystem wäre auch einmalig in Deutschland. Dann könnte sich das Bundesland Berlin wieder damit rühmen und sagen: Toll! Wir informieren hier Bürgerinnen und Bürger darüber, wenn sie überwacht werden. – Das ist ja etwas, mit dem man auch bei den anderen Bundesländern ein bisschen angeben kann. Aber nein! Seit 16 Monaten gibt es den Beschluss, und er wurde noch nicht umgesetzt. Das geht nicht.

[Zuruf von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Ich sage Ihnen ganz klar, ich kann die Motivation der Verwaltung an der Stelle verstehen. Es war vor allen Dingen meine Fraktion, die in dieser Legislaturperiode daran gearbeitet hat, diesen ganzen Krempel mit der Funkzellenabfrage aufzudecken und immer wieder zu nerven und nachzufragen.

[Zuruf von Dr. Manuel Heide (CDU)]

Und wir wissen ja, welche Fraktion im nächsten Berliner Abgeordnetenhaus nicht mehr vertreten sein wird. Ich glaube, dass es bei der Verwaltung die Hoffnung gibt nach dem Motto: Na ja, die sind ja nächstes Jahr eh nicht mehr da, dann können wir ja mal schauen, ob es dann überhaupt noch jemanden gibt, den das interessiert und der dann noch mal nachfragt.

Das wird auf die lange Bank geschoben, und das geht nicht. Das geht insbesondere deswegen nicht, weil uns der Senat an keiner Stelle irgendeinen Grund genannt hat, warum es nicht umzusetzen ist. Der Programmieraufwand für ein solches System wären ein paar wenige Monate. Der Kostenaufwand für ein solches System wurde vom Senat selbst mit 165 000 Euro beziffert. Ich persönlich halte ihn für zu hoch, aber wenn der Senat der Meinung ist, er muss für so was 165 000 Euro ausgeben – bitte! Ich frage Sie: Wollen wir uns gefallen lassen, dass der Justizsenator Beschlüsse des Parlaments einfach nicht umsetzt?

[Nein! von den GRÜNEN]