Protocol of the Session on April 28, 2016

Besonders erfreulich ist auch, dass es wieder 2 Prozent mehr Erwerbstätige in Berlin gab, und zwar im vierten Jahr in Folge. Das ist die Spitzenposition aller Bundesländer. Seit 2010 sind das etwa 10 Prozent mehr Arbeitsplätze. Darüber kann man sich nur uneingeschränkt freuen. Wir hatten im Jahr 2015 auch 40 000 Einwohner mehr. Das ist sicherlich auch positiv.

Eine direkte Folge dieser Entwicklung, die zu einer abnehmenden Popularität für Unternehmensansiedlungen führt, hat Frau Matuschek erwähnt, nämlich dass der Standortvorteil „günstiges Wohnen“ deutlich bröckelt. Frau Ludwig hat auch angesprochen – und das hat auch die IHK bemerkt –, dass man mittlerweile froh sein kann, wenn man bezahlbare Gewerbeflächen findet, die geeignet sind. Berlin ist – zum Vorteil der Beschäftigten und zum Nachteil der Arbeitgeber – seit Längerem auch kein Niedriglohnland mehr. Hinzu kommt verschärfend der Fachkräftemangel, insbesondere im IT-Bereich, der das Wachstum mittlerweile bremst. Ich kenne persönlich Unternehmen, die in der Summe derzeit sofort zwischen 500 bis 1 000 IT-Fachkräfte einstellen würden, wenn sie sie nur finden könnten, und das bei nur einigen wenigen

Unternehmen. Einige suchen 100, andere 50 Entwickler. Das ist ein Problem.

Wir hatten eine Rekordauslastung bei den Hotels. Das ist aus Sicht der Wirtschaft zu begrüßen, hat aber auch seine Schattenseiten.

Zum Thema Infrastruktur: Wir haben schon öfter darüber diskutiert, dass das bereits jetzt unzureichende Straßennetz ein großes Problem und es auf das Wachstum nicht vorbereitet ist. Die 200 000 Menschen, die jeden Tag in die oder aus der Stadt hinaus pendeln, bekommen zunehmend Probleme. Ich fürchte, dass da noch einiges auf uns zukommt. Bei der BVG nimmt die Durchschnittsgeschwindigkeit der Busse ständig ab. Es gibt immer mehr komplette Verkehrszusammenbrüche in der Stadt. Es ist weder für das Gewerbe noch für die Menschen schön, wenn der Verkehr zum Stillstand kommt. Der eine oder andere hier im Haus hat schon wichtige Termine aufgrund solcher Verkehrskollapse verpasst.

Ansonsten kann man über die Frage, wessen Verdienst das alles ist, trefflich streiten. Es gibt eine Reihe von Bereichen, in denen die Politik Einfluss auf die Wirtschaft hat. Bei Steuern und anderen regulativen Rahmenbedingungen ist viel Bundespolitik. Man muss auch konstatieren, dass Berlin im Großen und Ganzen keine besonders wirtschaftsfreundliche Ordnungspolitik macht. Drei Beispiele: Grunderwerbsteuer, Wohnraumzweckentfremdungsgesetz und Mindestabstandsgesetz. Das sind die Dinge, die einem spontan einfallen, ohne pauschal zu sagen, dass es schlecht wäre. Wirtschaftsfreundlich ist es aber definitiv nicht, das kann man an der Stelle festhalten.

[Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Jetzt greift ja Frau Yzer ein!]

Die Förderpolitik hat sich sicherlich positiv entwickelt. Das mehrfach erwähnte öffentliche WLAN ist leider ein wenig zum Running Gag geworden. Das hört seit man seit fünf Jahren. Wenn es dann endlich kommen wird, wird es niemand merken, dass es tatsächlich vorhanden ist.

Die landeseigenen Unternehmen als Wirtschaftsakteure investieren leider auch zu wenig. Fast alle haben eine niedrigere Investitionsquote als Abschreibungsquote. Der Anlagenabnutzungsgrad nimmt in der Regel zu. Der Verschleiß geht weiter. Trotz jetzt verbesserter Bedingungen kann man nicht sagen, dass es besser wird. Leider ist es auch so, dass sich die privaten Unternehmen mit Investitionen ein bisschen zu sehr zurückhalten. Obwohl die Liquiditätssituation sehr gut ist, könnten sie mehr investieren. Sie tun das aber aus irgendwelchen Gründen nicht.

Da diese Rederunde auch ein wenig Resümee der letzten Jahre Wirtschaftspolitik unserer Senatorin ist, würde ich gern auch ein paar Worte darüber verlieren, wie ich das sehe. Frau Yzer hat sicherlich – aus meiner Sicht – das

Amt unter schwierigen Bedingungen weitgehend unfallfrei geführt, was nur wenige Senatoren von sich behaupten können. Insofern ist es durchaus erwähnenswert. In Berlin – das muss man ehrlich sagen – hat die Tatsache, Senator zu sein, irgendwas von Teilnahme am russischen Straßenverkehr. Jederzeit kann von irgendwo etwas angeflogen kommen, was einem den Tag versaut. Unter dem Aspekt...

Es ist sicherlich auch ein bisschen zu bedauern, dass es noch immer an Phantasie und Risikobereitschaft in der Berliner Politik mangelt, was verständlich ist, weil Politik in den letzten Jahren ein bisschen wie ein geprügelter Hund erscheint. Ich hoffe, dass sich das in den nächsten Jahren wandeln wird. Es sieht alles danach aus, als wenn sich die Wirtschaft – wenn es jetzt nicht zu größeren Weltwirtschaftskrisen kommt – auch die nächsten 15 bis 20 Jahre in Berlin eher positiv entwickeln, also deutlich wachsen wird. Es wird sicherlich noch viel mehr Geld in die Stadt fließen. Deshalb wird Berlin wahrscheinlich irgendwann 2030, 2035 möglicherweise eine reiche Stadt werden. Das kompensiert dann möglicherweise, dass Berlin dann vielleicht nicht mehr so sexy ist. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN]

Danke schön! – Für den Senat hat jetzt Frau Senatorin Yzer das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Offensichtlich ist es für die Fraktionen zu meiner Linken nur sehr schwer zu ertragen, über das starke Wachstum der Berliner Wirtschaft zu sprechen –

[Uwe Doering (LINKE): Wer waren Sie noch?]

erst sollte heute Morgen überhaupt nicht darüber diskutiert werden – warum eigentlich nicht? –,

[Uwe Doering (LINKE): Ihr wolltet nicht diskutieren!]

weil für das starke Wachstum starke Unternehmen in der Stadt stehen, die bereit sind, ein Risiko einzugehen, und weil starkes Wachstum auch dafür steht, dass die Wirtschaftspolitik dieses Senats die erfolgreichste in diesem Jahrtausend ist.

[Beifall bei der CDU]

Da die Zahlen ihre eigene Sprache sprechen und selbst die Opposition nicht in Abrede stellen kann, dass es hervorragende Zahlen sind, werden sie von Frau Matuschek dann doch etwas abstrus interpretiert.

Wir haben jedenfalls drei Prozent Wachstum im vergangenen Jahr erreichen können. Vor allen Dingen aber wird

(Pavel Mayer)

Berlin auch in diesem Jahr wieder überdurchschnittlich wachsen. Davon bin ich überzeugt. Der Blick auf die Zahlen des ersten Quartals des laufenden Jahres hat mich dazu bewogen, die Wachstumsprognose für 2016 noch einmal anzuheben. 2,5 Prozent ist eine realistische Zielmarke.

Davon profitieren natürlich in erster Linie die Berlinerinnen und die Berliner unmittelbar am Arbeitsmarkt. Die Zahlen sind hier mehrfach betont worden. Allein im vergangenen Jahr gab es 57 000 neue Beschäftigungsverhältnisse. Aber auch die steigenden Einkommen sind ein Indikator. 2015 gab es einen Anstieg der Bruttolöhne um 4,1 Prozent gegenüber 2,9 Prozent im Bundesdurchschnitt. Wer das beklagt – das kam gerade auch von der Opposition –, sollte sich fragen, wer in der Vergangenheit wirtschaftspolitisch so versagt hat, dass wir hier von einem so niedrigen Niveau starten mussten.

Tatsache ist, dass Berlin jetzt wieder unter den starken Wirtschaftsstandorten ist, wobei wir noch auf Jahre hinaus ein überproportionales Wachstum brauchen, an dem wir tagtäglich arbeiten müssen, und das gemeinsam mit der Wirtschaft. In dieser Woche habe ich mich bei den stärksten Investoren des vergangenen Jahres dafür bedankt, dass die Berliner Wirtschaft insgesamt 20 Milliarden Euro an Investitionen im vergangenen Jahr geschultert hat. Berlin wächst in allen Sektoren. Vor allem aber sind wir zurück auf der Landkarte der Industriestandorte. Wir sind im technologischen Bereich wieder dabei. Daran müssen wir weiter anknüpfen, indem wir die Wirtschaft in ihren Bestrebungen flankieren, Wachstum durch Innovation zu gewährleisten.

Da spielt der Industriestandort eine wesentliche Rolle. Da spielt Digitalisierung eine Rolle. Mein Credo ist immer gewesen: Reindustrialisierung durch Digitalisierung. Dieses Kalkül geht auf. Ich war gestern bei Siemens im Turbinenwerk, um die eintausendste Gasturbine mit auf die Reise in die Welt zu schicken. Ein Werk, das es nicht einfach hat in Zeiten des energiepolitischen Umbruchs und das sich jetzt dennoch für die Zukunft positioniert, beispielsweise durch Produktion 4.0, damit es im internationalen Wettbewerb wieder erfolgreich sein und bleiben kann wie in den vergangenen Jahren. Es ist wichtig, dass dort jetzt 3-D-Druck stattfindet oder mir der DeutschlandChef von Siemens sagt: Sie haben mich darauf hingewiesen, dass auch Siemens auf die Start-ups dieser Stadt schauen und sich mit ihnen vernetzen muss, um Wachstum zu generieren. Siemens investiert jetzt in die Kooperation mit Start-ups der Hauptstadt. Dass Start-ups und etablierte Unternehmen Hand in Hand in Berlin hervorragend arbeiten, zeigen wir bei der deutschen Leistungsschau der Industrie in dieser Woche auf der HannoverMesse. Da finden Sie Unternehmen wie OSRAM mit einem Start-up, das Drohnen herstellt und künftig erleuchtete Drohnen für kritische Sicherheitsbereiche produziert. Da wird tagtäglich ein E-Scooter von BMW von

einem Start-up aus Berlin gedruckt. Man könnte die Reihe der Beispiele fortsetzen. Aber dieses ist ein starker Anziehungspunkt, weil man auf einmal gerade auch im etablierten deutschen Mittelstand sieht, dass hier die Innovationskraft von Berlin ist, an der man auch teilhaben will.

Deshalb kommen Unternehmen aus ganz Deutschland und aus aller Welt nach Berlin, um hier Inkubatoren, Acceleratoren, Digitaleinheiten, aber vor allen Dingen auch erste Standorte von Produktion 4.0 zu errichten. Damit dies so weitergehen kann, unterstützen wir den Mittelstand 4.0 mit konkreten Programmen zur Digitalisierung, weil Berlin Mittelstandsstadt ist. Es ist gut, dass Berlin Mittelstandsstadt ist. Hier gibt es jetzt konkrete Maßnahmen, die noch einmal Innovationsschübe auslösen, weil es finanzierbar wird. Der Mittelstand scheut häufig vor Digitalisierung zurück, weil er nicht weiß, wie. Das sagen 85 Prozent der Unternehmen selbst. Wir bieten jetzt ein Leistungszentrum für digitale Vernetzung. Die vier großen Fraunhofer-Einrichtungen werden die Unternehmen konkret mit Digitalisierungsprojekten im Unternehmen begleiten. 12 Millionen Euro aus der Wirtschaftsverwaltung, aber auch aus der Industrie stehen hierfür zur Verfügung.

Damit es für den einzelnen Mittelständler finanzierbar ist, haben wir das Förderinstrumentarium völlig umgestellt. Mittelstand 4.0 – da steht die Digitalisierung im Fokus. Aber auch aus der GRW ist jetzt Digitalisierung finanzierbar. Das führt dann dazu, dass ein alteingesessenes Unternehmen wie Collonil sagt: Wir haben das ausprobiert, es funktioniert, wir machen jetzt auf digital, aber ohne die Wirtschaftsförderung des Landes wäre dies nicht möglich gewesen. – Zitat beim Wirtschaftsfördertag bei der IBB durch den Geschäftsführer Herrn Becker von Collonil.

Wir müssen deshalb auch mit hohem Tempo weitermachen, um Berlin an den weltweiten Chancen der Digitalisierung partizipieren zu lassen. Die Digitalisierung wird noch einmal eine Veränderung der gesamten industriellen Wertschöpfungskette mit sich bringen, und das ist die große Chance für Berlin.

Deshalb wollen wir auch die digitalen Infrastrukturen ausbauen. Da besteht auch absolutes Einvernehmen im Senat. 5G ist ein Thema, das der Regierende Bürgermeister und ich mit den Telekommunikationsunternehmen in den letzten Wochen immer wieder besprochen haben, weil es darum geht, hier einen künftigen Mobilfunkstandard in die Stadt zu bringen. Wir haben das HeinrichHertz-Institut. Das hat das Testbed für LTE gestellt, hervorragend! Und deshalb wird es jetzt auch ein Testbed für 5G am Heinrich-Hertz-Institut geben müssen. Wir wollen darüber hinaus ein Testfeld im öffentlichen Raum. Wir sind auch hier mit Telekom und Nokia im Gespräch, die dies in Berlin realisieren wollen.

(Senatorin Cornelia Yzer)

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Gummistiefel aus Berlin!]

Darüber hinaus brauchen wir aber über die Vision, dass wir Zukunftsstandards haben wollen, hinaus auch die konkrete Umsetzung des Möglichen, und das sind Gigabitnetze. Das brauchen Unternehmen, um ihre Effizienz zu steigern, um Fernwartung möglich zu machen, Machine-to-Machine-Kommunikation zu ermöglichen. Deshalb werden wir den Clean-Tech-Park Marzahn, den wir gerade mit 34 Millionen Euro GRW-Mitteln erschlossen haben, jetzt auch mit Gigabit ausstatten.

Ein Antrag beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ist von der Wirtschaftsverwaltung gestellt worden, aber vor allen Dingen hat es im Vorfeld einen engen Dialog mit dem Bundesverkehrsministerium dazu gegeben. Ich bin überzeugt, dass Berlin in diesem Feld von der digitalen Dividende profitieren kann, natürlich mit einem Eigenanteil, aber eben auch mit Bundesmitteln, um ein Gigabit im Clean-Tech-Park Marzahn kurzfristig zu realisieren.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Marzahn steht auch dafür, dass mit Hochdruck Flächen erschlossen werden, denn in der Tat ist es richtig: Gewerbe- und Industrieflächen werden in Berlin knapp. Es gibt nicht viele wie Sie, Frau Matuschek, die bedauern, dass es die alten Brachen nicht mehr gibt, sondern es ist gut, dass hier Wirtschaft boomt, aber wir müssen darauf setzen, dass auch künftig jeder, der hier investieren will, innerstädtisch seinen Standort findet.

Im Moment sind noch 300 Hektar verfügbar. 2011 waren es noch 420 Hektar. Ein Viertel wurde inzwischen verkauft, weil die Wirtschaft brummt. Wir sind mit Hochdruck dabei, Flächen für Industrie und Gewerbe, aber auch für Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen zu qualifizieren. Das findet einmal in Adlershof statt, wo mit Mitteln der GRW aktuell die Gleislinse, also 33 Hektar, erschlossen werden.

Oder die Brunnengalerie in Buch, 5 Hektar, hier ist um das Max-Delbrück-Centrum herum ein Campus entstanden, der für Innovationen im Life-Science-Bereich steht. Life-Science, Gesundheitswirtschaft – eine Stärke der Berliner Wirtschaft! Die Gesundheitswirtschaft ist nach wie vor Wachstumstreiber. Deshalb müssen sich jetzt auch in Buch endlich weitere Unternehmen ansiedeln können.

[Beifall bei der CDU]

Das Ganze lässt sich duplizieren, nämlich dann, wenn wir das Technologie- und Gründerzentrum in der Fabeckstraße realisieren.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Darauf warten wir schon lange!]

Hier gibt es einen großen Konsens, und wir wollen in der Nachbarschaft nicht nur ein Zentrum haben, sondern auch hier gibt es bereits konkrete Ansiedlungsinteressenten.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Warum ist das noch nicht da?]

Insofern sind wir hier auf einem Weg, der begleitet werden soll – und das war die Vereinbarung, die wir im Steuerungskreis am vergangenen Montag mit der Wirtschaft getroffen haben – auch durch digital zugängliche Kataster. Man kann immer sagen: Warum gibt es das nicht schon längst? – Die Hauptsache ist, dass man jetzt umsetzt und das sehr schnell. Das gilt für viele Bereiche, die ich gerade aufgezeigt habe: Nicht nachlassen, sondern die Entwicklung auf dem vorgezeichneten Weg weiter mit Hochdruck vorantreiben!

Ihnen, Herr Mayer, danke ich sehr herzlich für Ihre Bemerkungen zur unfallfreien Fahrt, aber ich sage Ihnen: Für einen Abschied ist es heute noch zu früh, denn wir wählen ja erst im September.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Mal sehen!]

Und ich sage Ihnen: Bis dahin wird die Wirtschaftsverwaltung noch eine Menge umsetzen,

[Wolfgang Brauer (LINKE): Keine Drohungen! – Zurufe von der LINKEN und den PIRATEN]

weil die Wirtschaft nicht die Zeit hat, die sich hier offensichtlich mancher in der Opposition zubilligt. Zeit ist Geld, das gilt in der Wirtschaft, und so handelt auch die Wirtschaftsverwaltung.