Protocol of the Session on February 9, 2012

[Uwe Doering (LINKE): So war es! – Martina Michels (LINKE): Richtig!]

Dies verwundert umso mehr, als sich die CDU bisher in keiner wichtigen Frage durchsetzen konnte. Enthaltung

gleich Unterwerfung – nun gut, im Jargon der revolutionären Vorhut der Arbeiterklasse mag das so sein.

[Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Zuruf von der LINKEN]

Bitte unterlassen Sie das Krähen! Das ist hier vorne sehr unangenehm.

[Uwe Doering (LINKE): Sind Sie nun für Mindestlohn oder nicht?]

Ich komme gleich zu Ihrer Frage. – Die Linksfraktion wolle der SPD Gelegenheit geben zu zeigen, dass sie es mit einem gesetzlichen Mindestlohn ernst meine. – Danke, liebe Linksfraktion! Ich muss gestehen, dass ich beim Lesen dieser Passage den Tränen der Rührung sehr nahe war.

[Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Das glaube ich Ihnen nicht!]

Sorgen Sie sich nicht! Lesen Sie! Und wenn Sie nicht lesen, dann hören Sie heute zu!

Als realitätsfremd und Ausdruck einer unsozialen Politik hat der SPD-Landesvorsitzende, Michael Müller, die Verweigerung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns durch die schwarz-gelbe Bundesregierung bezeichnet.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Da hat er recht!]

Er hat klargestellt, dass die SPD ohne Wenn und Aber zur Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns steht.

[Uwe Doering (LINKE): Dann mal los!]

Es wird Sie überraschen, liebe Linksfraktion, aber ich erkläre es Ihnen noch einmal: CDU und SPD sind zum Glück nicht ein Partei, sondern zwei.

[Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Man merkt es nur nicht!]

Ich vermute Bewegung in der CDU, mal in die eine und mal in die andere Richtung, Pendel hin oder her. Im Koalitionsvertrag gibt es die konkrete Festlegung zu den Lohnuntergrenzen im Vergabegesetz mit 8,50 Euro pro Stunde. Ich wünsche mir weitere Schritte der CDU in diese Richtung, aber ich glaube nicht, dass solche Anträge dazu beitragen. Vielmehr muss es eine Debatte innerhalb der CDU geben.

Lassen Sie Ihren moralischen Zeigefinger einfach einmal in der Tasche! Wenn Sie wirklich wollen, dass ein Bundesland mit der Position der Mehrheitsfraktion abstimmt, dann müssen Sie einen entsprechenden Antrag einbringen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Der Abgeordnete Wolf erhält das Wort für eine Kurzintervention. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Frau Monteiro! Das ist das Problem mit vorbereiteten Redebeiträgen. Man hat immer Schwierigkeiten, auf das vorher Gesagte einzugehen.

[Beifall bei der LINKEN]

Ich habe Ihnen nicht vorgeworfen – das ist im Protokoll nachzulesen –, dass Sie sich mit der Enthaltung an die übliche Regelung im Koalitionsvertrag gehalten haben.

[Martina Michels (LINKE): Darum geht es nämlich gar nicht!]

Ich habe Ihnen vorgeworfen, dass Sie es versäumt haben, diese Frage in der Koalitionsverhandlung zu klären, dass diese Frage für Sie offensichtlich nicht so wichtig war. Hätten Sie diese Frage so gehandhabt – wie gegenüber den Grünen die A 100 –, wie Sellering das in Mecklenburg-Vorpommern gemacht hat, und hätten das als wesentliche Bedingung formuliert, dann wären die eingeknickt, wie sie es in anderen Fragen auch getan haben.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Dann hätten Sie das Problem jetzt nicht. Deshalb habe ich das angesprochen.

[Torsten Schneider (SPD): Wozu der Antrag? Machen Sie doch eine PM!]

Ich mache gerne auch noch eine PM, wenn es Ihnen hilft. Das ist bekanntlich die schärfste Waffe der Opposition. Lesen Sie die PM, wenn Sie das Protokoll nicht nachlesen wollen!

Noch ein wichtiger Satz: Es spricht vieles dafür, dass in diesem Jahr im Deutschen Bundesrat für diese Frage eine Gestaltungsmehrheit entsteht. Dann kommt es auf das Berliner Verhalten an. Deshalb ist das kein Symbol oder Pipifax. Dann steht die Berliner SPD in einer ganz anderen Verantwortung – natürlich auch die CDU, aber von denen erwarten wir nichts anderes. Von der SPD erwarten wir aber etwas.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Frau Monteiro möchte antworten. – Bitte!

Herr Wolf! Sie sind zwar eine wichtige Person, aber Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich mich in meinem Redebeitrag nicht nur auf Ihre zuvor gehaltenen Rede beziehe, sondern zu allen Mitgliedern dieses Hauses spreche.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Martina Michels (LINKE): Sie haben aber Zuhören eingeklagt!]

Zweite Bemerkung: Ein bisschen weniger Selbstgerechtigkeit würde der Linksfraktion nach diesem Wahlergebnis vielleicht ganz gut zu Gesicht stehen. – Vielen Dank!

[Martina Michels (LINKE): Seien Sie ganz still! Demut tut gut!]

Vielen Dank, Frau Monteiro! – Die Abgeordnete Bangert hat jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich beginne mit einem Zitat:

Fortschrittlich ist, wenn wir endlich erreichen, dass Arbeitnehmer von ihrem Lohn ein gutes und sicheres Leben führen können. Wer gut arbeitet, soll einen guten Lohn erhalten. Deshalb Mindestlöhne!

Das ist nachzulesen auf den Seiten des SPD-Bundesvorstands, eingestellt am 20. Januar 2012.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Hintergrund dieser Aussage – ja, ja, klatschen Sie nur von der SPD – ist die Ablehnung des Antrags der SPD, Grünen und Linken im Bundestag zur Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns. Er wurde von SchwarzGelb im Bund abgelehnt.

[Zuruf]

Und weil es der SPD-Bundesvorstand so gut zusammengefasst hat, zitiere ich gleich weiter. Die SPD will gerechte Löhne sichern und hat gar das Jahr 2012 zum Jahr der höheren Löhne ausgerufen. Da sind wir ganz bei Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD. Seit Mitte der 90er-Jahre wächst der Niedriglohnsektor in Deutschland rasant. Schlecht bezahlte, atypische und prekäre Beschäftigungen haben Hochkonjunktur. Mittlerweile arbeiten über 22 Prozent der Beschäftigten im Niedriglohnsektor. 1,4 Millionen Menschen sind auf ergänzende Leistungen aus dem Arbeitslosengeld II angewiesen.

Wie so oft sieht es in Berlin noch schlechter aus. Rund 16 Prozent der tariflichen Vergütungsgruppen liegen unterhalb von 8,50 Euro. Nur ein Viertel der Berliner Betriebe ist tarifgebunden. Auch bei der sogenannten Flexibilisierung, dem Anteil atypischer Beschäftigungsverhältnisse ist Berlin bundesweit mit einem Flexibilisierungsgrad von 37 Prozent Spitze. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 33 Prozent.

Besonders dramatisch ist, dass die Qualität der Arbeitsplätze in der Hauptstadt rapide abnimmt. Immer mehr

Menschen in Berlin müssen ihren Lebensunterhalt mit Teilzeitarbeit, Minijobs oder gar Leiharbeit bestreiten. Das vermeintliche Jobwunder wird entzaubert, wenn man hinter die Statistiken schaut. Ein Großteil dieser Jobs ist prekär und ungesichert. Für die Betroffenen bedeutet dies häufig, dass sie ihren Lebensunterhalt nicht allein bestreiten können. Knapp 130 000 Erwerbslose in Berlin müssen ihr Arbeitseinkommen mit Arbeitslosengeld II aufstocken. So schlecht steht kein anderes Bundesland da.

Kürzlich ging es wieder durch die Presse: Berlin ist Hauptstadt der Kinderarmut. Aber diese Armut der Kinder, meine Damen und Herren vor allem von der SPD und der CDU, ist hauptsächlich die Armut ihrer Eltern. Es sind Menschen, die vielfach trotz Vollzeiterwerbstätigkeit nicht mehr von ihrem Einkommen leben können. Diese Tatsache wird in Berlin unter Regierungsverantwortung der SPD inzwischen seit über zehn Jahren ignoriert. Das ist der eigentliche Skandal. Ich würde mich an Ihrer Stelle schämen, das Wort der sozialen Gerechtigkeit noch für sich in Anspruch zu nehmen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN)]

Zumindest die Bundes-SPD scheint in diesem Punkt auf der Höhe der Zeit zu sein und hat zuletzt auf deren Parteitag im Dezember ein umfangreiches Maßnahmenbündel für mehr Fairness auf dem Arbeitsmarkt verabschiedet. Aber dieser Beschluss hat für die SPD in Berlin anscheinend keinen Bestand.

Auch ihr Koalitionspartner, die CDU, hat die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt. Wie glaubwürdig ist denn der Beschluss des letzten CDU-Parteitags für eine Lohnuntergrenze in Deutschland?

[Wolfgang Brauer (LINKE): Gar nicht!]