Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Radziwill! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Breitenbach! Sehr geehrter Herr Krüger! Gestatten Sie mir, im Folgenden die erste Frage von Frau Radziwill und jeweils die beiden Fragen von Frau Breitenbach und Herrn Krüger zusammenzufassen.
Zunächst die ersten beiden Fragen: Wie ist die Lage in Berlin? Wie unterstützt der Senat die Bezirke? – Seit 1995 ist die Kältehilfeschaffung von Notschlafplätzen und Tagesaufenthalten bezirkliche Aufgabe. Dennoch unterstützt der Senat die Bezirke seit 1995 durch den Betrieb des Kältehilfetelefons und der Website www.kaeltehilfe-berlin.de. Das Kältehilfetelefon erfasst vor Beginn des Winters ab Oktober alle Angebote, insbesondere die Notschlafplätze, und führt sie auf der aktuellen Website auf. Das Angebot wird laufend aktualisiert. Im Winter wird die Inanspruchnahme der Notschlafplätze täglich erfasst. Die Senatssozialverwaltung erhält bei ausreichendem Angebot monatlich die Daten über die Nutzung. Ab einer Auslastung von über 97 Prozent, die eine Woche anhält, wird die Senatssozialverwaltung innerhalb des Monats umgehend informiert. Dies ist aktuell der Fall.
Der Senat hat bereits im letzten Winter, also auch im Winter zuvor, den Bezirken zusätzliche Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt, um zusätzliche Notschlafplätze zu schaffen. Das waren im Winter 2010/2011 rund 133 000 Euro zusätzlich. Bereits vor Beginn dieses Winters wurden die notwendigen Vorkehrungen getroffen, um 70 zusätzliche Notschlafplätze von Beginn an zur Verfügung zu stellen. Die Kosten werden von den Be
zirken, die diese Aufgabe aus der Zuständigkeit heraus wahrnehmen, übrigens zunächst verausgabt, aber im Rahmen der Basiskorrektur zurückerstattet. Das bewirkt eine Erhöhung der Globalsummen für kommende Haushaltsjahre durch den Berliner Senat. Für diesen Winter handelt es sich um 170 000 Euro zusätzlich.
Bereits in der Bezirksstadträtesitzung am 25. Januar hatte ich die Bezirke – das war übrigens vor dem Kälteeinbruch – darum gebeten, weitere Notschlafplätze zu schaffen. Aufgrund des aktuellen Kälteeinbruchs ist die Inanspruchnahme der Notübernachtungen in den letzten zwei Wochen stark gestiegen. Neben den vorhandenen plus den mit Senatsmitteln zusätzlich aufgestockten Notschlafplätzen bewirkt das hohe soziale und ehrenamtliche Engagement der in diesem Bereich beauftragten und tätigen Einrichtungen und Träger, dass grundsätzlich jeder wegen der Kälte einen Übernachtungsplatz suchende Wohnungslose auch einen Schlafplatz findet.
Beispielhaft will ich hier die Stadtmission nennen, von deren hervorragender Arbeit ich mir gemeinsam mit dem Staatssekretär Büge am vergangenen Freitag ein Bild machte. Dort werden neben den 80 offiziell finanzierten Notübernachtungsplätzen über 150 zusätzliche Plätze angeboten. Unser Dank gilt den freiwilligen Mitarbeitern in dieser Einrichtung, aber auch den Mitmenschen, die dort helfen und täglich etwas abgeben.
Im Ergebnis darf deshalb festgehalten werden, dass die bezirkliche Aufgabenwahrnehmung, das zusätzliche Engagement des Senats bei der Unterstützung der Bezirke sowie das herausragende Engagement vieler freier Träger die Nachfrage nach Notunterkünften in Berlin gegenwärtig grundsätzlich deckt.
Der Senat hat durch die anstehende Basiskorrektur außerdem die Voraussetzung für die kommende Periode geschaffen, dass in den Bezirken weitere 100 zusätzliche Notschlafplätze eingerichtet sind, ohne dass die Bezirke mehr belastet werden. Dabei sind konkret die Innenstadtbezirke angesprochen worden, um in dem Bereich, wo sich die meisten wohnungslosen Menschen befinden, ein ordentliches Angebot und weitere Angebote zu schaffen.
Abschließend möchte ich nicht verhehlen, dass diejenigen, die sich in diesen Einrichtungen in den kalten Wochen befinden, diese sicher wie üblich bis Ende März nutzen werden, denn wer im Winter in der Kältehilfe angekommen ist – so zeigen sich die Erfahrungen auch aus den vergangenen Jahren –, wird auch dort bis Ende März bleiben. Das heißt, das Angebot wird weiter erforderlich sein.
Zu der Frage von Frau Radziwill zum Thema Energieversorger: Der Berliner Senat hat wahrgenommen, dass das
in anderen Bundesländern ein Problem ist. Wir konnten aber feststellen, dass es bisher in Berlin keine Fälle gab, wonach Energieversorger Energieabschaltungen wegen Zahlungsrückständen der Mieter vorgenommen haben. Jedenfalls sind uns solche Informationen bislang nicht bekannt. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Dann kommen wir jetzt zu den Nachfragen der Fragesteller. Wir beginnen mit Frau Radziwill. – Bitte schön, Frau Kollegin!
Vielen Dank für die umfassende Beantwortung! – Ich hätte gerne noch mal zu meiner zweiten Frage konkreter nachgefragt: Haben Sie denn schon Kontakt oder Gespräche konkret mit GASAG und Vattenfall aufgenommen, um zu verhindern, dass Energieabschaltungen in dieser kalten Jahreszeit gemacht werden?
Frau Kollegin Radziwill! Herr Präsident! Ja, das haben wir getan. Wir haben mit der GASAG und mit Vattenfall Gespräche aufgenommen und laut telefonischer Auskunft des Pressesprechers der GASAG ist die Sperrung der Energiezufuhr wegen Zahlungsrückstellungen ab heute wegen der Witterungslage ausgesetzt. Die Außendienstmitarbeiter sind bereits mit Schreiben von gestern entsprechend angewiesen worden. Auch Mietshäusern, bei denen die Mieter ihre Zahlungen an die Vermieter regelmäßig entrichten, die Vermieter aber den Zahlungsverpflichtungen gegenüber der GASAG nicht nachkommen, wird die Energiezufuhr nicht gesperrt. Die Aussagen gelten natürlich nur für die GASAG, aber die GASAG hat einen Marktanteil von 80 Prozent in Berlin. Deswegen ist das schon überproportional hoch.
Auch mit Vattenfall haben wir Rücksprache genommen. Laut telefonischer Aussage der dortigen Pressestelle werden derzeit wegen der Witterungslage keine Absperrungen – wie auch in vergangenen Jahren mit niedrigen Temperaturen so geschehen – wegen Zahlungsrückständen vorgenommen. Es handelt sich um eine grundsätzliche Anweisung, die ab einer bestimmten Temperatur bei Vattenfall in Kraft tritt. Die näheren Modalitäten wird Vattenfall auch noch öffentlich in einer eigenen Pressemitteilung heute oder morgen mitteilen.
Herr Senator! Teilen Sie aus Ihrer konkreten Wahrnehmung meine Einschätzung, dass gerade auch derzeit die Kirchengemeinden in dieser Stadt insbesondere durch den Einsatz ehrenamtlicher Bürgerinnen und Bürger eine außerordentlich anerkennenswerte Arbeit bei der Kältehilfe leisten?
Herr Kollege Krüger, vielen Dank für die Frage! – Herr Präsident! Ja, ich teile diese Einschätzung. Ich habe versucht, das mit meiner ersten Beantwortung schon deutlich zu machen. Das ehrenamtliche Engagement ist von besonders hoher Bedeutung bei den Trägern, die Notunterkünfte bezahlt bekommen, wie auch bei den Trägern, die das freiwillig und ehrenamtlich anbieten. Aber auch bei den Trägern wie der Stadtmission, wo die Notunterkünfte in Teilen auch finanziert werden, gibt es ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, junge Leute, die dort ihr Ehrenamtsjahr machen, ältere Personen, die seit vielen Jahren in diesen Einrichtungen tätig sind. Ich bin sehr dankbar, dass sie dies tun. Wir haben uns am Freitag in der größten Einrichtung bei der Stadtmission ein Bild machen und auch ein bisschen was sammeln können, um dort etwas abzugeben, und haben den Mitarbeitern unseren persönlichen Dank ausgesprochen.
Herr Senator! Sie haben eben gesagt, die Nachfrage kann gedeckt werden. Trifft dies denn eigentlich auch für die besonderen Angebote für Frauen zu?
Frau Kollegin Breitenbach! Herr Präsident! Von den betroffenen Wohnungslosen sind zumeist über 90 Prozent Männer und in den Einrichtungen zwischen 8 und 15 Prozent Frauen. Spezielle Angebote für Frauen werden von den Berliner Trägern angeboten, und bei den Einrichtungen, bei denen ich mir selbst ein Bild machen
konnte, sind die speziellen Angebote für Frauen auch vorgehalten. Bei der Stadtmission beispielsweise waren auch noch Kapazitäten speziell für Frauen vorhanden.
1. Wie sieht der Zeitplan des Senats im Hinblick auf die S-Bahn insbesondere in puncto Teilausschreibung des Betriebes und Fuhrparkfrage aus, nachdem die vom Senat öffentlich genannten Termine jeweils verstrichen sind?
2. Wann und wie gedenkt der Senat, das Berliner Abgeordnetenhaus in die Entscheidung zur Zukunft der S-Bahn einzubeziehen?
Herr Präsident! Herr Abgeordneter Gelbhaar! Ich kann zwar Ihre Formulierung nicht ganz nachvollziehen, warum im Moment die angekündigten Termine verstrichen sein sollen, denn wir haben im Parlament in mehreren Sitzungen und auch im zuständigen Ausschuss dargestellt, wann welcher Schritt erfolgen wird, die Gespräche mit der Bahn, die juristischen Überprüfungen, und dass dann auch Anfang Februar ein entsprechender Zeitplan aus den daraus folgenden weiteren Schritten vorliegen wird. Und der liegt nun auch vor und ist ja auch entsprechend dargestellt worden.
Ich fasse das gerne noch mal zusammen: Derzeit wird das Verfahren zur wettbewerblichen Vergabe von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt vorbereitet. Dieses Verfahren lässt sich grob in vier Schritte unterteilen:
Als erster Schritt werden die definierten Anforderungen an die künftigen Fahrzeuge der Berliner S-Bahn veröffentlicht. Die Veröffentlichung der Fahrzeuganforderungen im EU-Amtsblatt soll kommende Woche erfolgen.
Im Anschluss soll der Industrie und den Verbänden bis Ende April Gelegenheit gegeben werden, ihre Einschätzungen abzugeben, die bei der weiteren Ausgestaltung des Vergabeverfahrens berücksichtigt werden.
Ziel dieser geplanten Veröffentlichung ist es zum einen, der Industrie Gelegenheit zu geben, sich frühzeitig auf die Anforderungen einzustellen, mit denen sie im Vergabeverfahren konfrontiert werden wird. Zum anderen eröffnet die Markterkundung die Gelegenheit, mit der Industrie in einen Dialog zu den verschiedenen Anforderungen und deren Kosteneffekten einzutreten. So können wichtige funktionale, technische und konstruktive Aspekte bereits vor Einstieg in das formalisierte Vergabeverfahren geklärt werden.
Parallel zum Markterkundungsverfahren bei der Industrie werden die für die Fahrgäste unmittelbar relevanten Vorgaben mit den Fahrgast- und Behindertenverbänden erörtert. Eine entsprechende Liste mit dem Fokus auf die für diese Zielgruppen relevanten Aspekte wird zeitnah erstellt und an die Verbände mit der Bitte um Rückäußerung übergeben. Nach Eingang der Stellungnahmen wird dann darüber entschieden, inwieweit bei den Vorgaben noch Änderungsbedarf besteht und wie diese in die Anforderungsliste übernommen werden können.
In einem zweiten Schritt werden der Berliner Senat und die Landesregierung von Brandenburg – ich betone das, weil ich finde, dass das in der öffentlichen Diskussion oft untergeht, dass wir nicht allein entscheiden können, sondern auch die brandenburgische Landesregierung immer mit am Tisch sitzt – dann die Durchführung des Vergabeverfahrens beschließen. Der Beschluss ist für Mitte März geplant.
Als dritter Schritt würde dann Ende März 2012 der dem eigentlichen Vergabeverfahren vorgeschaltete Teilnahmewettbewerb zur Vorauswahl geeigneter Verkehrsunternehmen starten. Hier sollen sich interessierte Unternehmen bei den Aufgabenträgern, also beim Land Berlin und natürlich auch bei Brandenburg, melden und u. a. ihre Leistungsfähigkeit und Finanzkraft darstellen. Aufgrund des hohen Finanzierungsumfangs für die Beschaffung von neuen S-Bahnfahrzeugen ist es erforderlich, dass sich interessierte Eisenbahnunternehmen bereits vor einem Teilnahmeantrag mit den Herstellern und Banken über die Realisierbarkeit eines Angebots abstimmen. Vor diesem Hintergrund wird für den Teilnahmewettbewerb mit einer Dauer von dreieinhalb Monaten gerechnet.
Daraus folgt dann ein vierter Schritt. In diesem vierten Schritt würde nach der Vorauswahl befähigter Unternehmen das eigentliche Vergabeverfahren Mitte Juli 2012 starten. Aufgrund des hohen Leistungsvolumens und des komplexen Verfahrens ist mit einer Dauer von rund 20 Monaten bis zur endgültigen Auswahl des neuen Betreibers zu rechnen. Ein besonderes Gewicht wird
dabei darauf liegen, die Einbindung des Herstellers in die langfristige Fahrzeugverfügbarkeit zu sichern und auf diese Weise eine zusätzliche Sicherheit für einen verlässlichen – darum geht es ja immer – Fahrzeugeinsatz zu schaffen.
Zu 2, Herr Abgeordneter Gelbhaar, antworte ich, dass der Senat im Rahmen der Aussprachen im Abgeordnetenhaus und im zuständigen Fachausschuss – ich habe ja zu Beginn schon darauf hingewiesen – bisher regelmäßig über den Stand der Vorbereitung zur Zukunft der S-Bahn berichtet hat. Dies wird natürlich auch künftig gewährleistet. Der Senat wird das Abgeordnetenhaus nach seiner Entscheidung im März 2012 auch über das weitere Vorgehen informieren. Ebenso werden dem Abgeordnetenhaus die Ergebnisse der Markterkundung zur Kenntnis gegeben. Vor dem eigentlichen Start der Vergabe im Juli 2012 wird der Senat dem Parlament die wesentlichen Inhalte der Vergabe vorlegen. Die finanziellen Voraussetzungen dafür sind natürlich mit der Entscheidung zum Doppelhaushalt 2012/2013 ohnehin vom Abgeordnetenhaus, also auch von Ihnen, zu treffen.
Danke! – Herr Senator Müller! Ich habe eine Nachfrage, und zwar: Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die sogenannte Inhouselösung? Warum kommt sie im Koalitionsvertrag noch vor und ist jetzt als Option scheinbar entschwunden?