Protocol of the Session on February 9, 2012

Meine Frage richtet sich an die Bildungssenatorin, Frau Scheeres. – Es gibt, wie der Presse zu entnehmen ist, immer mehr die Forderung nach einem Numerus Clausus für die Gymnasien. Wie bewerten Sie das, und wie gedenken Sie in Anbetracht dieser Forderung und auch der aktuellen Entwicklungen, die Grundschulen dermaßen zu stärken, dass die Rückläuferzahlen zurückgehen und wir auf das Probejahr auf dem Gymnasium verzichten können?

Frau Senatorin – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Mutlu! Wir haben in der letzten Legislaturperiode sehr intensiv über die Zugangskriterien diskutiert, was das Gymnasium angeht. Diese Kriterien stehen. Wir werden sie auch evaluieren. Vorher werde ich mich nicht auf einen Numerus Clausus festlegen.

Die Regelungen, die wir getroffen haben, sind sehr positiv. Sie werden auch positiv aufgenommen, so zum Beispiel die Härtefallregelung, dass plötzlich Kinder und Jugendliche auf das Gymnasium kommen, die vorher keine Möglichkeit hatten, weil sie keinen entsprechenden Durchschnitt hatten.

Herr Kollege Mutlu! Sie haben eine Nachfrage? – Bitte schön!

Frau Senatorin! Wir halten auch nichts von einer Zugangsberechtigung zum Gymnasium. – Da Ihr Aufnahmekriterium jetzt die ersten Früchte zeigt und wir mit ca. 1 000 Rückläufern rechnen müssen,

[Zuruf von der SPD: Woher wissen Sie das denn?]

stellt sich die Frage, wie Sie die Sekundarschulen dafür stark machen, dass diese mit den vielen Rückläufern, die jetzt auf sie zukommen, „fertig werden“, und vermeiden, dass es sogenannte Rückläuferklassen gibt, in denen sich Gymnasiasten, die es am Gymnasium nicht geschafft haben und mit dem Stigma der Gymnasialverlierer sammeln.

Frau Senatorin Scheeres – bitte schön!

Herr Abgeordneter Mutlu! Wir hatten das eben schon in einer Fragestellung. Das Probejahr findet zum ersten Mal statt. Mir liegen keine konkreten Zahlen vor. Das Probejahr ist noch nicht beendet, und wir können noch gar nicht sagen, wie viele Kinder das Probejahr nicht schaffen. Ich habe dies von einzelnen Schulen mitbekommen. Und es ist logisch – das habe ich eben auch angesprochen –: Wir haben Regelungen, dass die Kinder dann das Recht haben, in die integrierte Sekundarschule zu gehen und dort zum Abitur zu kommen.

Das Ziel muss sein, dass die Kinder, die das Probejahr nicht schaffen, in die Regelklasse integriert werden. Sind es in einem Kiez ganz viele Kinder, dann muss der Bezirk bzw. die Schule entscheiden, ob man punktuell eine Klasse einrichtet, aber grundsätzlich sollen die Kinder in die Regelklasse integriert werden. Wir haben die Klassen in der integrierten Sekundarschule im Vergleich zum Gymnasium ganz bewusst verkleinert. Ich fände es pädagogisch ganz falsch, die Klassen vollzustopfen. Das wäre kontraproduktiv zum pädagogischen Konzept. Das Ziel ist, die Kinder in die Klassen zu integrieren. Wenn es

(Senatorin Sandra Scheeres)

eine Häufung von Kindern geben sollte, muss man punktuell Lösungen finden.

Vielen Dank!

Als nächster stellt Herr Behrendt von den Grünen eine Frage. – Bitte schön!

Danke schön, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an den Senator für Justiz und Verbraucherschutz, Herrn Heilmann. – Herr Heilmann! Sie haben gestern in der „Abendschau“ der Stadt mitgeteilt, dass Sie 40 Stellen für die Sicherungsverwahrten in den Haushaltsplan eingestellt hätten. Ich habe mir die ganze Nacht über die Mühe gemacht, den dicken Haushaltsplan zu lesen,

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der SPD]

und die 40 Stellen nicht gefunden. Können Sie mir sagen, an welcher Stelle sie eingestellt sind? Bei der JVA Tegel jedenfalls gibt es diesen Zuwachs nicht.

Herr Senator! Bitte schön!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Behrendt! In der Tat finden Sie keine 40 zusätzlichen Stellen in Summe in Tegel.

[Dirk Behrendt (GRÜNE): Ach!]

Ich habe in der Fernsehsendung auf die Einzelheiten nicht Bezug genommen. Es ist aber die Absicht meiner Verwaltung und auch von mir, entsprechendes Personal einzustellen, das nach verfassungsrechtlichen Gegebenheiten für die Sicherungsverwahrung notwendig ist. Sie wissen ja, dass wir das alles für das Jahr 2013 planen. Gleichzeitig eröffnen wir in Heidering eine neue Haftanstalt, weswegen Häftlinge von Tegel nach Heidering verlegt werden. Insofern wird es eine große Umschichtung geben. Deswegen finden Sie das so auch nicht im Haushaltsplan.

Herr Behrendt! Eine Nachfrage? – Bitte schön!

Herr Senator! Sie geben mir aber recht, dass Ihre Äußerungen gestern – da ging es konkret um den Haushaltsplan – so verstanden werden konnten und auch so verstanden wurden, dass Sie 40 zusätzliche Stellen für die

Sicherungsverwahrten in diesen Haushaltsplan eingestellt haben?

[Zuruf von der LINKEN: Das war doch fürs Fernsehen! – Heiterkeit bei den GRÜNEN]

Herr Senator – bitte schön!

Lieber Herr Behrendt! Sie wissen ja, dass ich noch relativ neu in meinem Beruf bin und in der Frage, wie man komplizierte haushaltsrechtliche Sachverhalte einem Fernsehpublikum so begreiflich macht, dass sie verstanden werden können. Ich bin für sachdienliche Hinweise immer dankbar.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU, der SPD und den PIRATEN]

Vielen Dank!

Als nächster – der Kollege Gelbhaar!

Ich frage den Regierenden Bürgermeister, Herrn Wowereit: Wie positioniert sich Berlin in Bezug auf das „AntiCounterfeiting Trade Agreement“ im Bundesrat? Teilt es die von Hamburg bereits 2010 geäußerten Bedenken, bzw. welche Bedenken formuliert der Senat selbst?

Bitte schön, Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten.

Dann kommt Frau Remlinger von den Grünen an die Reihe. Die Grünen müssen das mit dem Drücken geübt haben. Es gibt eine lange grüne Liste hier. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage Frau Senatorin Scheeres: Wie beurteilen Sie den vom Bund-LänderArbeitskreis zum Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen am 31. Januar gefassten Beschluss,

insbesondere hinsichtlich seiner Auswirkungen für Berlin?

Frau Senatorin? – Von der Zuständigkeit her wäre es eher Frau Obernitz. – Dann müssen Sie antworten! Bitte schön!

Die Ergebnisse der gemeinsamen Konferenz der Kultusminister, Wirtschaftsminister und der Wirtschafts- und Sozialpartner sind folgendermaßen zu beurteilen: Im Kern war der große Konfliktfall, dass das Abitur innerhalb der Niveaus 1 bis 8 seitens der Kultusministerkonferenz auf dem Niveau 5 vorgesehen war, die Wirtschafts- und Sozialpartner aber im Zusammenhang mit der Einordnung der Berufe der dualen Berufsausbildung die Niveaus 3 und 4 für zwei- und dreijährige Berufe gesehen haben. Der Vorstoß der Kultusministerkonferenz wurde an der Stelle sehr problematisch gesehen. Am Ende hätte es dazu geführt, dass jemand, wenn er zunächst Abitur macht und hinterher zum Beispiel eine Ausbildung zu einem Bankkaufmann macht, dann zunächst Niveau 5 und anschließend Niveau 4 erreicht hätte. Auch die Kriterien für diese einzelnen Niveaus waren aus Sicht aller anderen nicht wirklich sachdienlich, um Abitur auf Stufe 5 zu sehen.

Abgesehen davon wäre Deutschland als einziges Mitgliedsland in der Europäischen Union am Ende mit der Einstufung des Abiturs in Niveau 5 gewesen, und alle anderen Länder hatten sich auf 4 geeinigt.

Dann hat man sich nach einer langen Diskussion – ich habe als Vertreterin der Wirtschaftsministerkonferenz an dieser Sitzung teilgenommen – darauf geeinigt, genau wie die Franzosen das Abitur außerhalb dieser Einordnung vorzunehmen, was auch in der Sache sinnvoll ist, weil es bei diesem Qualifikationsrahmen im Kern um die Feststellung von beruflichen Kompetenzen geht. Die Allgemeine Hochschulreife führt aber nicht zur Berufsfähigkeit oder direkt zur Ausübung eines Berufs. So macht man es in Deutschland so wie jetzt auch in Frankreich, dass man das Abitur in einer Präambel definiert, aber nicht innerhalb der Stufen 1 bis 8 verortet.

Man hat sich allerdings bei dieser Sitzung auch darauf verständigt, sich das Ganze in fünf Jahren anzuschauen und zu prüfen, ob sich die bisher vorgenommene Einstufung der dualen Ausbildung, aber auch von Fortbildungen und der akademischen Abschlüsse, all das, was eben zwischen 1 und 8 stattfindet, in der Praxis bewährt und ob wir zum Erreichen des Ziels, mit dem Qualifikationsrahmen europaweit eine Mobilität auf dem Arbeitsmarkt zu erzielen, richtig liegen. Insofern sind die Ergebnisse aus Sicht des Landes Berlin sehr gut, weil die Entschei

dung, wie gesagt, im Moment richtig ist. Und man schaut in fünf Jahren noch einmal hin. Das ist generell immer gut, wenn man einen Praxistest macht und dann noch einmal prüft, ob man bundesweit gut entschieden hat.

Vielen Dank, Frau Senatorin! – Frau Remlinger, Sie haben eine Nachfrage. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Senatorin Obernitz! – Was Sie gesagt haben, ist mir durchaus bekannt. Und ich hatte auch vermutet, dass Sie bei dem Thema die größte sachliche Kompetenz im Senat haben. Ich habe aber dennoch bewusst die Senatorin Scheeres gefragt, weil die Haltung der KMK hier so problematisch war. Ich frage deshalb konkret nach: Wenn Sie sagen, die Ergebnisse seien für Berlin so positiv, muss ich Sie darin korrigieren, dass es nicht allein um die berufliche Bildung ging, sondern um eine Gleichbehandlung und Gleichwertigkeit von beruflicher und Allgemeinbildung und die allgemeinbildenden Schulabschlüsse jetzt ausgeklammert wurden. Wie bewerten Sie das? Was für konkrete Ergebnisse sehen Sie für Berlin? Wie ist die Verwaltung, sind die Schulen und gegebenenfalls auch die Arbeitgeber darauf vorbereitet? Oder wie gedenken Sie sie zu informieren?

Bitte schön, Frau Senatorin!

Das ist ein Thema, das gar keine berlinspezifische Facette, sondern, bei aller föderalen Zuständigkeit für die allgemeine Bildung auf Ebene der Länder eine bundesweite Bedeutung hat. Ich bleibe bei der Bewertung, dass die Entscheidung, die allgemeinbildenden Schulabschlüsse nicht im Deutschen Qualifikationsrahmen abzubilden, die richtige ist, weil der Deutsche Qualifikationsrahmen eine deutsche Übersetzung des sogenannten Europäischen Qualifikationsrahmens ist. Dieser hat zum Ziel, Transparenz über Berufsbildungsabschlüsse europaweit zu schaffen. Damit weiß ein portugiesischer Unternehmer, wenn ein deutscher Arbeitnehmer mit einem bestimmten Abschlusszeugnis kommt, was sich dahinter verbirgt, und genauso ein polnischer Unternehmer weiß, was sich hinter einem deutschen Berufsabschluss oder einem Studienabschluss verbirgt.

Das ist die eigentliche Intention dieses Rahmens; keine innenpolitische Intention, sondern im Kern eine europäische, nämlich die Frage, wie schaffe ich europaweite Transparenz zu Bildungsabschlüssen. Dies ist in keiner Weise durch diese Entscheidung gefährdet.

(Senatorin Sybille von Obernitz)

Ich bleibe auch bei der Einschätzung, dieser Rahmen hat zum Ziel, berufliche Kompetenz nachzuweisen. Ich denke, es ist unstrittig, dass jemand, der in Deutschland Abitur gemacht hat, nicht sofort eine vergleichbare Berufsfähigkeit hat wie jemand, der eine Berufsausbildung hat. Insofern ist die Entscheidung, diese Abschlüsse genau wie die Franzosen in einer Präambel zu würdigen, im Sinn der gesamten Intention dieses Instruments genau die richtige.