Protocol of the Session on February 9, 2012

[Zurufe von den PIRATEN]

Ich glaube, dass man damit der direkten Demokratie einen Bärendienst erweist und ihr keinesfalls hilft. Ergebnis: Nach kurzer Zeit wird keiner mehr hingehen. Wenn man allerdings beim Volksbegehren ist, dann hätte man konsequenterweise, wenn man meint, dass das Quorum zu hoch ist, wohl auch die Quoren der nächsten beiden Stufen anpassen müssen, weil in der ersten Stufe noch kein Volksbegehren in dieser Stadt gescheitert ist, sondern in der Stufe 2 oder 3. Insofern scheint das daran bisher nicht gescheitert zu sein.

Die Überschrift der Piraten legt es nahe – mehr direkte Demokratie, mehr Transparenz ist etwas, worüber es sich durchaus nachzudenken lohnt. Der Kollege Kugler sagte schon, dieser Antrag ist handwerklich schlecht gemacht. Da sollen in § 15 die Sätze 2 und 3 geändert werden. Gemeint sein dürften wohl die Sätze 1 und 2, sonst stehen da nämlich zwei fast identische Sätze hintereinander. Da müsste man schon noch mal reingucken, was tatsächlich gemeint gewesen ist.

In dem neuen § 42a des Abstimmungsgesetzes ist von einer einmaligen Registrierung mit Unterschrift die Rede, in der Senatsinnenverwaltung oder vielleicht auch bei den Bürgerämtern. Da müsste man sich schon mal Gedanken darüber machen, wie Missbrauch verhindert wird. Selbst bei 2 500 Unterschriften wäre es ja gut, wenn man nicht mit fünf oder zehn E-Mailadressen schon mal einen erheblichen Teil beisteuern könnte. – Stichwort: elektronische Signatur, vielleicht auch eine PIN, eine TAN, ich weiß es nicht. Ich freue mich jedenfalls, dass die Piraten so viel Zutrauen in die Senatsverwaltung haben, dass die Senatsverwaltung das dann im Rahmen einer Ausführungsverordnung regeln darf. Ich hätte mir da allerdings doch den einen oder anderen vielleicht auch kreativen Vorschlag von den Piraten erhofft.

Ein paar weitere Fragen, die sich mir gestellt haben – eine hatte ich schon genannt: Warum nur in der ersten Stufe beim Volksbegehren, warum nicht auch in den Stufen 2 und 3 die Quoren senken? Wobei – um das auch vorwegzunehmen – ich es für falsch halte, die Quoren zu senken, aber sie nur am Anfang senken zu wollen, erscheint mir nicht konsequent. Warum übrigens soll das Beteiligungsalter auch nur für die erste Stufe geändert werden und nicht für die Stufen 2 und 3? Das erscheint mir auch nicht konsequent.

Grundsätzlich – um damit zum Abschluss zu kommen – finde ich die Idee, elektronische Volksbegehren durchführen zu können, wenn sie denn hinreichend sicher und vor Missbrauch geschützt sind, durchaus attraktiv. Darüber sollten wir uns in den jeweiligen Ausschüssen unterhalten und gucken, ob man da zu einem vernünftigen Ergebnis kommen kann. Der Antrag ist allerdings handwerklich so schlecht, dass wir leider nur dagegen stimmen können. – Danke!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Frau Kollegin Seibeld! – Eine Kurzintervention hatte der Kollege Weiß angemeldet. – Bitte schön, Sie haben das Wort, Herr Kollege Weiß!

Gut! Es kann sein, dass es an der einen Stelle handwerkliche Fehler gibt, dann bin ich dankbar für den Hinweis, aber dafür sind die Ausschüsse ja da.

Was die Frage nach der Unterschrift angeht: Da geht es um eine Unterschrift auf Papier. Ich gehe zu einem Amt, unterschreibe, und dann gibt es ein Abgleich mit dem Melderegister. Das ist ein sicheres Verfahren. Das ist das, was beim Bundestag nicht existiert. Das ist das, was beim elektronischen Petitionsthema, das im Petitionsrecht angesiedelt ist, auch nie existieren kann. Das Petitionsrecht gilt für jeden, und für jeden heißt, das gilt auch für jeden in Neuseeland. Da können Sie nun wirklich nicht viel machen, was die sichere Akkreditierung angeht.

Zu der Frage, dann werden wir mit Initiativen überschwemmt, und außerdem sind das Minderheiteninteressen: Es ist unbedingt wichtig – das ist ein Grund, warum es das einzelne Petitionsrecht gibt, das sogar jedem Einzelnen die Möglichkeit gibt, sich an dieses Parlament zu wenden –, dass dieses Parlament sich auch mit Minderheiteninteressen auseinandersetzt und auch mit Minderheiteninteressen, die deutlich unter fünf Prozent liegen.

[Beifall bei den PIRATEN]

Oder wollen Sie das Quorum für die Volksinitiative auf fünf Prozent der Berliner heben?

[Beifall bei den PIRATEN]

Um noch mal auf die Überschrift einzugehen, weil schon wieder moniert wurde, dass da „Onlinepetition“ steht. Da steht aus einem einfachen Grund „Onlinepetition“. Ich habe das nicht versehentlich da stehen lassen. Da steht „Onlinepetition“, weil – auch wenn es formal nicht um etwas geht, was im Petitionsrecht angesiedelt ist – das etwas ist, was technisch und in der Handhabung so funktioniert wie das Onlinepetitionssystem des Deutschen Bundestages. Onlinepetitionen sind – das wurde schon erwähnt – ein bekanntes Instrument. Das ist eines der wenigen Instrumente der Onlinebeteiligung in diesem Land, was tatsächlich funktioniert, in dem Sinn, dass die Leute es kennen und benutzen. Und wenn ich jetzt hier etwas einführen möchte, was so funktioniert, dann nenne ich das auch so. Das verstehen die Leute, und das ist dann auch transparent.

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Weiß! – Frau Kollegin Seibeld, wollen Sie erwidern? – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Werter Kollege! Der Umstand, dass bisher offenbar nicht mal in diesem Haus alle verstanden haben, was Sie meinen, lässt mich befürchten, dass auch die Berliner Bevölkerung das nicht verstehen wird. – Aber das nur am Rand.

[Zurufe von den PIRATEN]

Sie müssten mir erklären, wie das einjährige Kind sich mit eigenhändiger Unterschrift in der Senatsinnenverwaltung akkreditiert. Selbst dank PISA wird das nicht funktionieren. Auch bei Drei-, Vier- und Fünfjährigen habe ich Sorgen.

[Zurufe von den PIRATEN]

Zweitens – ich habe Sie auch ausreden lassen – würde mich schon interessieren, wie das dann gelöst wird. Also ich gehe einmal hin, akkreditiere mich, und dann? Wie ist dann sichergestellt, dass ich auch nur einmal abstimme und nicht zehn- oder zwanzigmal abstimme? Das habe ich nicht verstanden. Ich hätte es schon hilfreich gefunden, wenn es im Gesetz steht, und wenn es so einfach ist, wie Sie gerade den Eindruck erwecken, dann hätte ich es einfach reingeschrieben. Das hätte nämlich auch den Berlinerinnen und Berlinern durchaus geholfen, das Problem zu verstehen. Ich fürchte allerdings, ganz so einfach wird das nicht sein. Ansonsten würde ich dann doch anraten, vielleicht den nächsten Antrag so zu schreiben, dass ihn alle verstehen.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Frau Kollegin Seibeld! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Kollege Dr. Lederer das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass es uns allen nicht weiterhilft, wenn man jetzt in eine Begriffsstreiterei darüber eintritt, ob man den richtigen Begriff benutzt hat oder nicht, sondern ich finde schon, dass es am Ende sinnvoll ist, am Thema zu bleiben und einfach die Frage zu stellen: Wollen wir das grundsätzlich, oder wollen wir es das nicht? Und wenn wir es grundsätzlich wollen: Wie kommen wir dann weiter, wenn das an der einen oder anderen Stelle möglicherweise derzeit noch nicht in einen abstimmungsfähigen, qualifizierten Antrag gemündet ist? Das ist erst mal mein grundsätzliches Herangehen.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Es ist völlig richtig vom Kollegen Kugler darauf hingewiesen worden, dass die Ermöglichung von Onlinepetitionen schon im Juni 2011 in diesem Haus als quasi Einzelpetition, als Regelpetition beschlossen worden ist. Das gibt es, man kann das über das Internet machen.

Was die Frage der Geldmittel angeht, hatte Frau Kofbinger recht. Ich finde, wenn es darum geht, diese Möglichkeiten auch noch zu erweitern, da kann es nicht an relativ bescheidenen Geldmitteln scheitern. Ich habe heute gerade die Antwort auf die Kleine Anfrage zu den Kosten für die Staatssekretäre auf den Tisch bekommen. – Na ja, da man muss dann wissen, was man will.

Allerdings – da komme ich jetzt zu dem eigentlichen Anliegen des Antrags der Piraten – glaube ich, dass tatsächlich das Petitionsrecht nicht ausreicht, denn es gibt Anliegen, die den klassischen Rahmen des Petitionsrechts sprengen und einfach darauf hinauslaufen, breiter diskutierte stadtpolitische Themen in den parlamentarischen Betrieb mit einzuspeisen und sie hier zu diskutieren.

[Beifall bei den PIRATEN]

Das finde ich auch richtig so. Davon kann die Politik dieser Stadt nur profitieren. Das Petitionsrecht stammt aus der Fürbitte bei Monarchen. Wir leben heute in einer modernen, demokratischen Zeit. Es ist tatsächlich hin und wieder mal sinnvoll, sich die Frage zu stellen, ob die Instrumente und Methoden, die wir hier derzeit noch anwenden, zeitgemäß sind oder ob es auch mal um neue Experimente und neue Schritte geht.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Beifall von Uwe Doering (LINKE)]

2002 war das Land Berlin Schlusslicht in direkter Demokratie. Wir haben das zunächst auf bezirklicher Ebene und dann auf Landesebene geändert. Wir haben die Hür

den gesenkt, die Sammlungsmöglichkeiten erleichtert und dafür gesorgt, dass in Berlin direkte Demokratie überhaupt erst zu einem anwendbaren Instrument geworden ist. Es gab damals sowohl beim damaligen Koalitionspartner Vorbehalte, aber vor allem bei der CDU. Ich habe mir mal die Plenardokumente durchgesehen, welche Argumente da so fielen. – Na ja! Also da hat sich einiges verändert, das ist vorbei. Gerade jetzt laufen mehrere Anliegen von Volksbegehren und -entscheiden. Ich empfinde das auch wie meine Fraktion Die Linke als eine reale Bereicherung der Hauptstadtpolitik.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Alle Fraktionen dieses Hauses bekennen sich heute mehr oder weniger und in unterschiedlicher Vehemenz zu den Instrumenten der direkten Demokratie – auch wenn sie naturgemäß unbequem sind. Ich freue mich darüber, und das kennzeichnet Fortschritt.

Wenn ich mir jetzt das Anliegen der Piraten anschaue, dann ist das im Grunde eine Volksinitiative auf netzbasierter Grundlage. Das finde ich erst mal eine gute Idee. Die Frage ist eher: Verbindet der vorliegende Antrag die Möglichkeiten netzbasierter Volksinitiativen auch mit denen analoger Volksinitiativen? Es wäre sinnvoll, wenn beides geht. Das scheint mir derzeit an der Stelle noch ein bisschen unausgereift zu sein, dass eine Initiative in beiderlei Hinsicht gestartet werden kann, aber über so etwas lässt sich, glaube ich, einfach reden.

Dasselbe gilt beim Volksbegehren. Es ist vernünftig, auch hier moderner zu werden und den Anschluss zu produktiven Ansätzen digitaler Partizipationsverfahren nicht zu verpassen.

Die Quorumdebatte wäre mit uns auch zu führen. Ich finde aber in der Tat: Die müsste dann im Verhältnis zu den anderen Quoren diskutieren. Man müsste sich angucken, wie das in den anderen Bundesländern ist. Wir wollen hier natürlich auch noch handlungsfähig bleiben, und es soll schon eine gewisse Repräsentanz dahinter stehen, also es soll schon eine gewisse Relevanz haben. Da sind wir, glaube ich, alle einig.

In der Vergangenheit war es so: Wenn verfassungsändernde Gesetze beantragt worden sind, dann erging das Angebot an die anderen Fraktionen: Lasst uns mal zusammensetzen, lasst uns mal gucken, ob wir da auf einen gemeinsamen Nenner kommen, weil die Zweidrittelmehrheit in diesem Parlament hoch ist. – Das wäre jetzt auch mein Vorschlag gewesen. Bedauerlicherweise hat der Kollege Kugler – wie ich fand – an manchen Stellen in ein bisschen herablassender und schlaumeierischer Weise schon mal von vornherein relativ deutlich für die SPD-Fraktion gesagt, was alles nicht geht. Das scheint mir ein bisschen der Trend der SPD zu sein, in der neuen Koalition eher die unschönen Positionen, die es in der SPD gibt, zu kultivieren. Es gab schon damals die Dik

tion, als Sie zugestimmt haben, zu sagen: Na ja, mit Zähneknirschen stimmen wir der Verfassungsänderung zu, weil der Regierende dafür seine Richtlinienkompetenz kriegt – mit der er auch nichts anfängt. Aber im Kern ist doch klar, dass wir, wenn wir das beschlossen haben, bis in die Steinzeit nichts mehr ändern. Das ist eine traurige Position. Ich finde es einen Jammer. Und ich glaube, dass Arroganz uns in der Sache nicht weiterhilft. Die Intention des Piraten-Antrags ist völlig richtig. Gespräche und Verhandlungen darüber zu führen, wie man Verfassung und Abstimmungsgesetz in adäquater Weise ändert, wäre mit meiner Fraktion zu machen. Die Linke ist dazu bereit. In dem Sinne sollten dann die, die Interesse daran haben, das weiterzuentwickeln, einfach im Gespräch bleiben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Herzlichen Dank, Herr Kollege Dr. Lederer! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Es wird die Überweisung der zwei Gesetzesanträge an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz und Geschäftsordnung – federführend – und mitberatend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung und an den Ausschuss für Digitale Verwaltung, Datenschutz und Informationsfreiheit empfohlen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5:

Elftes Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Forschung und Technologie vom 23. Januar 2012 Drucksache 17/0138

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache17/0015

Zweite Lesung

Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden, und höre hierzu keinen Widerspruch. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zur Vorlage Drucksache 17/0015 empfiehlt der Ausschuss einstimmig – mit allen Fraktionen – die Annahme mit Änderung.