Protocol of the Session on April 14, 2016

Vorlage – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Absatz 3 der Verfassung von Berlin Drucksache 17/2817

Von den Verordnungen hat das Haus hiermit Kenntnis genommen.

Die lfd. Nr. 15 war Priorität der Fraktion Die Linke unter der lfd. Nr. 3.3. Die lfd. Nr. 16 wurde in Verbindung mit der Aktuellen Stunde behandelt.

Ich komme nun zur

lfd. Nr. 17:

„Spielbare Stadt“: Maßnahmen zur Stärkung der Videospielbranche in Berlin

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/2777

In der Beratung beginnt die Piratenfraktion. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Morlang. – Bitte!

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Anwesende und liebe zwei, drei Zuschauer! Die Entwicklung der Gamingindustrie in Berlin ist eine Erfolgsgeschichte. –

Das ist der Moment, wo Sie klatschen können. Ich versuche es noch mal: Die Entwicklung der Gamingindustrie in Berlin ist eine Erfolgsgeschichte.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zurufe von der LINKEN]

Danke! – 1,1 Milliarden Euro Umsatz im Jahr, das ist mehr, als die Filmindustrie macht, das hat gar keiner mitbekommen. 10 Prozent Wachstum im Jahr, das hat kaum eine Industrie in Berlin, und wir reden über Industrie. 11 000 Arbeitsplätze – meine Fachpolitikerkollegen wissen das, jetzt wissen Sie es auch. Wir haben inzwischen fette E-Sports-Events in Berlin, und wir haben eine Industriestruktur, die aus einer Mischung von Kleinunternehmen und KMUs, also Mittelständlern, besteht, die relativ gesund ist, und das ist das, was wir eigentlich wollen. Und, last but not least: Wir hatten 2015 das League of Legends World Championship Final in Berlin. Das ist ziemlich fett, würde ich mal sagen.

[Beifall bei den PIRATEN – Zurufe von den PIRATEN]

Wir wissen darüber hinaus aber ziemlich wenig. Wir habe ziemlich wenig allgemeine wirtschaftliche Kennzahlen, wir wissen ziemlich wenig über die Arbeitnehmerstruktur, wir wissen auch nicht so besonders viel über die Bedürfnisse der Marktteilnehmer, und wir wissen wenig über das Investitionsklima.

Da komme ich jetzt zum Inhalt des Antrags. Die grundlegende Annahme, dass man mit mehr Wissen besser handeln kann, legt nahe, dass wir möglicherweise den Senat beauftragen, eine Studie zu erstellen, um diese und die anderen im Antrag gestellten Fragen zu klären und Datenmaterial zu beschaffen. Mittel- und langfristig wäre es cool, über die entsprechende NACE-Klassifikation eine Verbesserung der Datenlage herbeizuführen. Dafür müsste man sich auf Bundes- und EU-Ebene einsetzen.

Was kann das Ganze bringen? – Wenn wir mehr wissen, können wir besser fördern. Wir haben momentan ziemlich viele Beauftragte, wir haben Berlin Partner, wir haben das Medienboard. Das überlappt sich alles, das macht das Ganze unübersichtlich. Wir haben auch keine wirklich einheitliche Webpräsenz. Die Informationen dazu sind sehr fragmentiert, das heißt, die Transaktionskosten steigen massiv, weil ein Mitarbeiter da sehr viel Zeit investieren muss, in der er sonst anders arbeiten könnte. Damit ließe sich auch Deutschland als Standort stärken.

Was kann das alles bedeuten? – Wir könnten größere Projekte nach Berlin holen. Wir haben ein paar Projekte nach Berlin geholt, aber wir könnten noch viel mehr machen. Wir könnten gezielte Standortentwicklung machen. Die Kollegen aus dem Wirtschaftsausschuss, die mit in London waren, waren begeistert und erstaunt. Sie haben das Silicon Roundabout gesehen, wo sie ein Londoner Silicon Valley für Start-ups gemacht haben. Wir

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

könnten unser „Gaming Schöneweide“ machen. Wir haben da den Lehrstuhl, wir haben da Adlershof, wir haben da viele, schöne Altbauten und eine ganze Menge günstiger Flächen. Wir könnten dort den zentralen Standort für Gaming in Europa schaffen, längerfristig gedacht. Und wir könnten mit entsprechenden Förderungen und Maßnahmen und durch das Nutzen der Gelegenheiten, die da sind, auch die Berlinale des Gamings in Berlin schaffen.

Insgesamt ist die Situation großartig. Es geht also nicht darum, auf der Koalition und dem Senat herumzuhacken, dass alles suboptimal sei, aber ich bin der festen Überzeugung, dass wir an dieser Stelle noch deutlich optimieren und mit verbessertem Datenmaterial auch noch deutlich justieren können, um Berlin zur Gaminghauptstadt Europas zu machen

[Beifall von Alexander Spies (PIRATEN)]

damit meine ich die Gamingindustrie – und damit Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und was so dazugehört zu generieren.

Ich möchte an dieser Stelle hinzufügen: Unser Antrag ist nicht etwa in Stein gemeißelt, sondern eine Art guter Prototyp. Ich würde mich freuen, wenn wir uns zusammensetzen könnten, um das Ganze im Wirtschaftsausschuss in ein beschlussfähiges Format zu setzen, etwas Schickes daraus zu machen und Berlin als Ganzes – zumindest was das Gaming betrifft – ein großes Stück weiterzubringen. Für die Wirtschaft mag es nur ein kleiner Schritt sein, aber für das Gaming wäre es ein ganz großer Schritt. Daher rufe ich die Kollegen auf, da zusammenzuarbeiten und etwas wirklich Cooles abzuliefern. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Ich danke Ihnen, Kollege Morlang! – Für die SPD spricht jetzt der Kollege Jahnke. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion setzt sich seit nunmehr drei Legislaturperioden für die Stärkung der definierten Berliner Cluster und Kompetenzfelder ein.

[Zuruf von Heidi Kosche (GRÜNE)]

Auch die Informations- und Kommunikationstechnologie, zu der die Gamesbranche gehört, ist ein wesentliches Feld der Clusterstrategie Berlins. Seit die Zusammenführung des Filmboards Berlin-Brandenburg und des Medienbüros auf Initiative der SPD-Fraktion im Jahr 2004 erfolgreich zur Gründung des Medienboards BerlinBrandenburg geführt hat, ist auch die Gamesbranche ein

Schwerpunkt der Arbeit des Medienboards. Seit Jahren sehen wir, wie beeindruckend dynamisch sich diese Branche entwickelt. Gerade weil wir in der Vergangenheit die richtige Strukturentscheidung getroffen haben und die Institutionen neu strukturiert wurden, hat sich die Gamesbranche am Standort Berlin besonders dynamisch entwickelt. Man kann sogar im Grunde sagen: Die Gaminghauptstadt, die Sie fordern, die sind wir längst. Das Medienboard Berlin-Brandenburg ist heute erste Anlaufstelle für alle Akteure der Medienbranche in der Region. Das Medienboard wurde auf Initiative unserer Fraktion aus dem Zusammenschluss der genannten Institutionen gegründet, insofern ist eigentlich auch die Betreuung der Gamingindustrie gewährleistet, und zwar in den Bereichen Games, Web und Mobile gleichermaßen. Das Medienboard fördert alle Genres, qualitativ hochwertige, unterhaltsame und marktfähige Spiele. Dazu gehören Casual Games ebenso wie AAA-Titel oder Debut Productions

[Lars Oberg (SPD): Was er alles kennt!]

und Nachwuchsgameentwickler genauso wie etablierte Unternehmen, zu denen inzwischen beispielsweise auch das ursprüngliche Start-up Wooga gehört, das ein enormes Wachstum gezeigt hat. Das ist übrigens ein Beispiel für das Thema Industriekultur, über das wir vorhin gesprochen haben. Wooga findet es angemessen, in einer ehemaligen Backfabrik zu residieren.

Innerhalb der Aktivitäten des Medienboards nimmt der Umsatz im Bereich Games eine zunehmend wichtige Position ein und wächst jährlich mit beachtlichen Steigerungsraten, seit 2004 mit 137 Prozent auf nun – Sie haben es erwähnt – über 1 Milliarde Euro jährlich, ist damit schon in der Größenordnung von TV und über dem Film, das ist richtig. Die Unternehmen der Gamesbranche zeigten sich in Befragungen 2014 zu 81 Prozent mit der Geschäftsentwicklung sehr zufrieden, was für eine Branche ein sehr hoher Anteil ist. Auch die Rahmenbedingungen für die dringend benötigten international gesuchten Arbeitskräfte sind in Berlin sehr gut, wie Jens Begemann vom schon erwähnten Wooga-Unternehmen jüngst sagte. In Berlin können diese Programmierer und Entwickler schon nach wenigen Stunden mit ihrer Arbeit anfangen, weil arbeitsrechtliche und aufenthaltsrechtliche Vorgänge hier eben schneller erledigt werden als anderswo.

Wir sind auch gut im Messegeschehen aufgestellt. Auf der internationalen Games-Week in Berlin nächste Woche beispielsweise werden zum Thema Computer und Videospiele zwölf verschiedene Veranstaltungen an zwölf Orten in Berlin stattfinden. Die Ausrichter wollen nach eigenem Bekunden „die Grenzen zwischen Games, Technologie und Kultur überschreiten“. Fachvorträge, spezielle Angebote für Entwickler, zahlreiche Veranstaltungen für private Gamesenthusiasten und einem Gamesfest im Berliner Computerspielemuseum gehören zum Programm.

(Alexander Morlang)

Das gesamte gamesspezifische Bildungsangebot in Berlin ist ebenfalls immens. Auch wissenschaftlich wird in der Hauptstadtregion zu dem Thema geforscht, sodass neue technologische und inhaltliche Entwicklungen frühzeitig erkannt und damit Trends gesetzt werden können. All diese Dinge sind Auswirkungen richtiger Strukturentscheidungen aus der vorvorletzten Legislaturperiode. Die Piraten können das vielleicht nicht wissen, sie existierten vor zehn Jahren noch nicht und werden in zehn oder weniger Jahren vielleicht auch nicht mehr existieren.

[Lachen von Alexander Spies (PIRATEN)]

Aber gern können wir mit Ihnen in der noch verbleibenden Zeit der Legislaturperiode den Antrag zur „Spielbaren Stadt“ diskutieren. Ob die geforderte große Studie, die einen riesigen bürokratischen Aufwand erfordern würde, der richtige Weg oder nötig ist, da habe ich meine Zweifel. Doch lassen Sie uns dies in Ruhe im Ausschuss diskutieren und schauen, ob die schon gute Förderung der Gamesindustrie noch weiter verbessert werden kann! – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke schön, Kollege Jahnke! – Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Schillhaneck als Rednerin benannt, und ich erteile ihr das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Jahnke! Na, dann ist ja alles gut. – Leider mitnichten, keineswegs!

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Sie haben sich an ein paar Rahmendaten abgearbeitet, so ein bisschen Namedropping betrieben, darauf verwiesen, dass Ihrer Meinung nach vor zehn Jahren die eine oder andere genial gute Entscheidung getroffen worden ist: Ja, in der Tat, das Medienboard fördert vor allem im Bereich innovatives Spiel und Serious-Games. Was Sie nicht erwähnt haben, was ich aber durchaus erwähnenswert finde, ist, dass beim Deutschen Computerspielepreis ein Medienboard-gefördertes Spiel prämiert worden ist, genau in dieser Kategorie. Da kann man nämlich feststellen, da funktioniert es in der Tat.

Aber – wäre ja nicht schön ohne Aber, nicht wahr? – Sie sagen, das ist seit Jahren beeindruckend und dynamisch, und das ist ein Schwerpunkt usw. usf. Aber wir hatten vor Kurzem im Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien das Medienboard da. Sie machen seit Jahren in den Anhörungen über ihre Arbeit immer wieder selbst darauf aufmerksam, dass sie dort einen Bereich haben, den sie ausbauen. Aber wissen Sie, was uns da jedes Mal deutlich gesagt wird? – Das wird viel zu wenig

wahrgenommen, insbesondere vom Senat und von der Berliner Politik. Das ist vielleicht auch kein Wunder, wenn es beim Medienboard in dem Bereich der sonstigen Bewegtbildwirtschaft ressortiert. Das ist ein so wunderbares Wort für die Gamesindustrie, dass ich denke, wenn ich in dem Bereich unterwegs wäre, wäre ich nicht sofort auf den Gedanken kommen, dort genau nach einer Förderung zu gucken. Vielleicht können wir dort erst einmal an der Sprachlichkeit im Rahmen der Förderung ansetzen.

[Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE) und Alexander Spies (PIRATEN)]

Sie haben von den entsprechenden Verbänden, Tagungen usw. gesprochen: Ja, das gibt es alles, aber dennoch ist dieser Antrag überhaupt nicht obsolet, im Gegenteil. Das Problem, das wir hier in dieser Stadt haben, wenn es um die Gamesindustrie geht, ist, dass Sie eine Art ad-hocdeskriptiven Umgang damit gefunden haben, der aber wenig Daten hat. Und ganz ehrlich: An der Stelle frage ich Sie: Erinnern Sie sich noch an originär Berliner Spieleschmieden wie das SEK-Ost oder Radon Labs oder gewisse Publisher wie Sunflowers, die ein relevanter Partner für große Spieleentwickler in dieser Stadt waren? Ich weiß nicht, ich glaube, zu dem Zeitpunkt haben Sie bereits Wirtschaftspolitik gemacht. Aber das heißt noch nicht notwendigerweise, dass Sie sich mit der Entwicklung der Gamesindustrie in dieser Stadt auskennen. Denn das ist erheblich mehr als der reine Bereich CasualGames, das, was Sie auf Ihren Mobilgeräten machen können und Ähnliches. Das ist ein viel breiterer Bereich. Den lassen Sie mit der Förderpolitik, die die Senatsverwaltung betreibt, und mit den entsprechenden Angeboten schlicht und ergreifend außen vor. Dabei wäre genau das die Stärke, die wir in dieser Stadt fördern können. Die Frage, ob wir die europäische Hauptstadt der Spieleentwicklung und der Gamesindustrie sind, wird sich nicht allein daran bemessen, ob es gelingt, immer wieder in diesem Durchlauferhitzermodell ein Start-up mit einer genialen Idee zu kreieren, das dann von irgendwem aufgekauft wird. Das ist kein nachhaltiges Wirtschaftsmodell, sondern die Frage wird sein, ob es uns gelingt, das Ökosystem, in dem solche Entwicklungen stattfinden, zu stabilisieren, interessant und nachhaltig zu halten.

An der Stelle möchte ich auf etwas eingehen, das leider erst in der Begründung kommt, aber meiner Meinung nach ins Zentrum des Antrags gehören würde. Das ist nämlich genau die Frage: Was braucht eine lebendige, dynamische Entwicklungsszene? – Die kann nicht ohne den Kontext stattfinden. Wir bewegen uns hier aber leider in einem Rahmen, in dem wir vor Kurzem erst lernen mussten, dass dem für Sport zuständigen Senator der Begriff E-Sports nichts sagt. So wie Sie gerade über das Überschreiten der Grenzen zwischen Games und Kultur geredet haben, habe ich den Eindruck, dass auch bei Ihnen die Diskussion darüber, dass Games Kultur sind, noch lange nicht angekommen ist. Wenn das die Grundlage ist, auf der Sie darüber reden wollen, wie wir die Stärke der Stadt im Bereich der Spieleentwicklung

(Frank Jahnke)

stützen können, dann kann ich nur sagen, ich glaube, wir brauchen auf jeden Fall die entsprechenden Daten.

Ansonsten sehe ich in diesem Antrag vor allem eine Bestätigung, dass wir gute Gründe hatten zu sagen, wir Grünen wollten die Große Anfrage eigentlich nicht abschaffen, weil das ein klassischer Fall dafür gewesen wäre. Dann könnten wir mit der in den Antwort enthaltenen Daten hier in eine inhaltliche Auseinandersetzung über förderliche Strukturen zum Ausbau der Gameskompetenz, die wir in dieser Stadt haben, eintreten und müssten nicht diesen Von-hinten-durch-die-Brust-ins-AugeWeg nehmen und dann, ich weiß nicht, vielleicht eines Tages darüber reden. Ich hoffe jedenfalls, dass das Anliegen, das uns auch ein sehr wichtiges ist, nicht der Diskontinuität anheimfallen wird. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]