Protocol of the Session on April 14, 2016

Deswegen ist es uns ein Anliegen gewesen, nicht nur für den Bereich des Justizvollzugs die Ausstattung und Ausrüstung der Bediensteten dort zu verbessern und ein Ende beim Personalabbau zu erreichen, sondern auch eine entsprechende Zulage für den Vollzugsdienst zu erreichen, wie sie bei der Polizei bereits gezahlt wird. Wir haben deswegen mit der Einführung dieser Vollzugszulage einen Gleichklang geschaffen – der übrigens auch im Bereich der Gerichtswachtmeister Platz greifen wird, nämlich dort, wo durch die Vorführung von Inhaftierten diese in der gleichen sozusagen besonderen Einsatz- und Dienstsituation sind wie die Bediensteten im Justizvollzug.

Das sind alles Punkte, die wir bereits im Rahmen der Haushaltsberatung für den Doppelhaushalt 2016/2017 angekündigt und politisch verabredet hatten und mit der Umsetzung in diesen Anträgen. Sehen Sie, diese Koalition arbeitet, und sie hält Wort! – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke jetzt Frau Kollegin Möller! – Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die wichtigsten Neuregelungen des vorliegenden Haushaltsumsetzungsgesetzes, des jetzt dringlichen Antrags betreffend den Kitabereich, wo es in der Tat dringenden Verbesserungsbedarf gibt – ja, die SPD/CDU-Koalition hat sich in der Frage Personalverbesserungen im U3Bereich einmal nicht völlig beratungsresistent gezeigt und mit dem neuen Vorschlag von gestern für alle überraschend auf den Druck der Fachöffentlichkeit und auf die stetigen Interventionen und Änderungsanträge der Opposition reagiert.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von Hildegard Bentele (CDU)]

Jetzt wird ab August 2018 ein Kind weniger pro Fachkraft finanziert, ab 2019 kommt noch ein Viertel Kind oben drauf, allerdings nur im Ganztag. Die Schrittfolge

dahin wurde beschleunigt. Das ist der richtige Weg, das wollten wir auch.

[Beifall bei der LINKEN]

Aber, Herr Saleh – jetzt ist er leider nicht da –, Spitzenreiter, wie Sie über die Presse verkünden ließen, sind wir damit noch lange nicht! Berlin bleibt weiter Schlusslicht im bundesweiten Vergleich und erreicht erst ab Herbst 2018 in der Erzieher-Kind-Relation bei den Kleinsten den Bundesdurchschnitt von 2012.

Sie haben doch noch, wie ebenfalls von uns gefordert, die Leitungsfreistellung von der Gruppenarbeit angefasst. Sie liegt derzeit bei 120 Kindern pro Einrichtung und sollte realistischerweise zukünftig ab 80 Kinder gelten, und zwar für die Aufgaben, die jetzt aktuell schon zu erledigen sind.

Da gibt es jetzt laut Gesetzesvorschlag den ersten Schritt ab diesem Jahr bei 110 Kindern, ab dem nächsten Jahr bei 100 Kindern. Das sieht erst mal wie eine spürbare Verbesserung aus. Allerdings wird mit genau demselben Gesetz gleichzeitig für die Leitungen der bürokratische Aufwand deutlich erhöht, z. B. dadurch, dass das ITgestützte Personalmeldesystem und das Platzvormerksystem verpflichtend für alle gemacht werden. Dadurch geht die gewonnene Leitungsfreistellung nur für den zusätzlichen höheren Verwaltungsaufwand drauf und ist nicht für die verkündeten pädagogischen Arbeiten gedacht, also unter dem Strich keine Verbesserung.

[Beifall bei der LINKEN]

Wie das praktisch umgesetzt werden soll, ist auch noch völlig unklar. Verbindliche IT-Anwendungen in kleineren Einrichtungen sind absolute Zukunftsmusik. Sie schreiben ihre Wartelisten in Karohefte und brauchten erst mal eine technische Ausstattung. Ich denke außerdem, dass derlei kitaorganisatorische Regelungen im Zuge der Rahmenvereinbarungen mit den Trägerverbänden verabredet werden müssten.

Aber mit Beratung und Kooperation mit den Betroffenen und Umsetzern Ihrer Kitapolitik haben Sie gar nichts am Hut. Das ganze Gesetzgebungsverfahren ist absolut chaotisch gelaufen. Das zeigte schon das Trauerspiel im Fachausschuss am letzten Donnerstag, als die Koalitionsfraktion ihre Gesetzesänderungen ohne die übliche Anhörung durchgewinkt haben, sich nicht mal die Mühe machten, ihren Antrag zu begründen, und auch noch keine Meinung zur Stellungnahme des Senats hatten. Da war nichts mit Einigkeit. Und das war noch nicht der Gipfelpunkt dieses unsäglichen Verfahrens, das seinesgleichen sucht, und eines Prozesses, der ein von uns allen getragenes gemeinsames Ergebnis hätte haben können.

[Beifall bei der LINKEN]

Das haben Sie als Koalition gründlich verbockt. Ohne Einbeziehung der Betroffenen, nicht mal des Instituts für Qualitätsentwicklung, das sich das Land Berlin extra für

(Christian Goiny)

Beratung leistet, ohne den Landeselternausschuss, die Fachöffentlichkeit, ohne die Trägerverbände wird auch dieser neue Text abgestimmt. Ich bin gespannt, wie Sie diesen Vertrauensbruch wieder hinbekommen wollen.

Von Lobbyisten lasse man sich nichts sagen, meinte Herr Feiler gestern im Hauptausschuss. Das ist eine Unverschämtheit, denn die sogenannten Lobbyisten sind in diesem Fall keine frei schwebenden Profiteure, sondern die Wegbereiter und Umsetzer Ihrer Kitapolitik.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Die vertrauensvolle Kooperation ist außerdem in § 4 SGB VIII festgeschrieben. Das gilt auch für die Exekutive, verehrter Senat, und insbesondere für die Koalitionsfraktionen. Die Praktiker sind scheinbar nur dann gefragt, wenn es darum geht, den Kitaausbau zu stemmen, damit der Rechtsanspruch umgesetzt werden kann, für den der Senat die Verantwortung trägt.

Neben dem katastrophalen Gesetzgebungsverfahren kritisieren wir, dass Sie zwar kleinteilige organisatorische Veränderungen vornehmen, aber nicht die Chance genutzt haben, endlich die Bedarfsprüfung abzuschaffen, obwohl das schon jetzt in Ihrem Koalitionsvertrag steht.

[Beifall bei der LINKEN]

Wir wollen den ungehinderten Zugang zur ganztägigen Kinderbetreuung für alle Kinder, unabhängig davon, ob ihre Eltern arbeits- oder ausbildungssuchend, studierend, asylsuchend, berufstätig sind oder nicht.

[Beifall bei der LINKEN]

Die Förderung des Kindes muss im Vordergrund stehen. Eltern und Kinder sollen selbst entscheiden können, ob und für welche Zeit sie die Kita nutzen wollen. Ich kann nicht verstehen, warum das jetzt nicht der richtige Zeitpunkt sein soll.

[Beifall bei der LINKEN]

Das Land Berlin kann damit im Nebeneffekt auch viel Geld, Personal und Stress sparen, denn laut Untersuchungen frisst die Bürokratie für die Bedarfsprüfungen nicht nur die Zeit und die Nerven der Eltern, sondern auch Ressourcen der Fachkräfte in den Jugendämtern, die dieses aufwändige Verfahren jährlich neu durchführen müssen, anstatt andere wichtige Aufgaben zu erledigen. Die Bedarfsprüfung ist überflüssig, teuer, pädagogisch nicht vertretbar und diskriminierend. Sie muss weg.

[Beifall bei der LINKEN]

Deshalb liegt Ihnen heute unser Änderungsantrag für diesen wichtigen Punkt vor. Ich werbe noch mal ausdrücklich für dieses Anliegen.

Kritisch sehen wir auch, dass die Einführung der weitergehenden Beitragsfreiheit über die jetzigen drei Jahre hinaus einen so hohen Stellenwert hat. Ja, auch wir sind

der Meinung, dass Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein darf und lebenslang kostenfrei sein muss. Die schrittweise Umsetzung der Kitakostenfreiheit steht auch in unserem Wahlprogramm. Dazu stehen wir.

Aber machen wir uns nichts vor! Dieses Vorhaben ist nicht sozialpolitisch oder kitapolitisch begründet. Es ist passiert, weil der Fraktionsvorsitzende der SPD sein Profilierungsprojekt Kitapflicht nicht durchsetzen konnte – zum Glück! Es ist passiert, weil er ein neues, anderes, Projekt brauchte, um seinen Namen für den Wahlkampf populär zu machen. Die volle Umsetzung der Beitragsfreiheit für alle sechs Kitajahre schon im Jahr 2018 für 53 Millionen Euro setzt in diesen Zeiten die falsche Priorität. Das sehen nicht nur wir so, das sehen alle Fachleute und die Elternvertretungen auch so. Aber mit denen reden Sie nicht.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Joachim Esser (GRÜNE), Susanne Graf (PIRATEN) und Alexander Spies (PIRATEN)]

Die Frage ist doch: Was nützt uns eine kostenfreie Kita ohne Personal und ohne Räume? Da draußen, in der wirklichen Kitawelt, herrscht vielerorts Ausnahmezustand. Da herrscht Personalmangel. Da gibt es immer mehr langzeitkranke Kolleginnen und Kollegen infolge ihrer Dauerbelastung. Die Kolleginnen und Kollegen vom Fachausschuss und die Senatorin haben alle das jüngste Hilfegesuch einer Kita in Prenzlauer Berg erhalten – wir erhalten dauernd solche Briefe –, worin beschrieben wird, dass von 26 Pädagogen 11 dauerhaft wegen Krankheit fehlen. Das ist längst kein Einzelfall mehr. In einer Leiterinnenrunde letzte Woche in Lichtenberg konnte sich keine Kollegin mehr daran erinnern, wann ihre Kita zuletzt personell auskömmlich besetzt war. In einem pädagogischen Bereich muss auf Leiharbeit zurückgegriffen werden, um die Betreuung der Kinder halbwegs abzusichern. Es geht inzwischen damit los, dass Öffnungszeiten verkürzt werden, dass Eltern gebeten werden, ihre Kinder später zu bringen oder früher abzuholen. Von Qualität der Betreuung, von frühkindlicher Förderung und von der Umsetzung unseres Berliner Bildungsprogramms, das hier so gern gefeiert wird, von ernst zu nehmender Sprachförderung kann unter solchen Umständen nicht mehr die Rede sein.

Das Schlimmste ist, dass inzwischen dringend benötigte Kitaplätze unbelegt bleiben, weil das Personal fehlt. Dazu, wie dem Personalmangel entgegengewirkt und den Kitas geholfen werden könnte, haben Sie keine erkennbare Strategie.

[Beifall bei der LINKEN]

Die Linksfraktion hat in dieser Legislaturperiode mit diversen Anträgen Vorschläge gemacht, unter anderem zur Verbesserung der Personalausstattung für die Sprachförderung, zur Abschaffung des Eigenanteils der Kitaträger von 7 Prozent, damit sie das Personal aufstocken und besser bezahlen können, zu Kitaplätzen für Flücht

lingskinder, zur Einkommensverbesserung der Erzieherinnen – da drückt der Schuh, dafür wird sehr viel Geld gebraucht. Gerade heute gibt es wieder Warnstreikes in Kitas bei der Arbeiterwohlfahrt, und das werden nicht die letzten sein. Es ist bekannt, dass in Berlin um die 300 Euro weniger bezahlt werden als z. B. im Land Brandenburg. Was wollen Sie in dieser Frage unternehmen?

[Beifall bei der LINKEN]

Die Probleme im Kitabereich sind komplex und müssen von allen nur möglichen Seiten angegangen werden. Deshalb verhandeln wir heute neben dem Haushaltsumsetzungsgesetz auch noch zwei weitere Maßnahmen, die wir in diesem Sinne vorschlagen wollen. Die längerfristige ist erstens: Berlin soll sich für ein bundesweites Kitaqualitätsgesetz einsetzen. Das wird von Fachverbänden schon lange empfohlen und nähme den Bund endlich in die Pflicht, sich auch finanziell stärker für die Weiterentwicklung der Kitaqualität zu engagieren, anstatt nur den Rechtsanspruch zu verkünden.

[Beifall bei der LINKEN]

Wer bestellt, der bezahlt. Die Senatorin meint bisher dazu, dass mit einem solchen Bundesgesetz ein Standardabbau im vorbildlichen Berlin erfolgen könnte. Expertenanalysen haben aber bestätigt, was längst Stadtgespräch ist: Der qualitative Kitaausbau hat mit dem quantitativen nicht Schritt gehalten. Das ist in der Stadt inzwischen deutlich zu sehen.

Zweitens: Für den Schutz von Kitas und anderen sozialen Einrichtungen in Mietobjekten muss es kurzfristige Lösungen geben. Neben einer Personalstrategie, neben dem Kitaaus- und -neubau muss es gleichzeitig um den Erhalt von vorhandenen Einrichtungen gehen. Auch hier häufen sich die Pressemeldungen und Hilferufe von Trägern, besonders von den vielen kleinen Einrichtungen im Innenstadtbereich, die ihre Kitas in Mietobjekten betreiben, weil es dort gar keine anderen Möglichkeiten gibt. Wir brauchen alle diese Kitas dringend, jeden einzelnen Platz. Wir brauchen hier schnell kluge Lösungen und machen mit diesem Antrag hier ein Angebot. Herr Schneider! Bringen Sie diese Stadt tatsächlich mal nach vorne, und diskutieren Sie mit uns über solche Dinge!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Danke schön! – Für die Piratenfraktion hat jetzt Frau Kollegin Graf das Wort. – Bitte schön, Frau Graf!

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrtes Präsidium! Wir Berliner können uns glücklich schätzen, denn wir haben engagierte Eltern, Kitas und Verbände, die sich

stetig an der Verbesserung der Berliner Kitalandschaft beteiligen. Nach und nach hat das nun auch endlich die Koalition mitbekommen. Dank des enormen öffentlichen Drucks können wir in dem Antrag, der uns nun vorliegt, einen Schlüssel von 3,75 : 1 für 2019 finden und auch endlich eine Freistellung der Leitungen ab 100 Kindern. Das sind immerhin 40 Kinder weniger als bisher.

Herr Schneider! Mit dem, was Sie jetzt aber gesagt haben, dass wir als Opposition das nicht gefordert hätten, liegen Sie ganz schön falsch, denn bis gestern haben Sie in der SPD und auch in der CDU das Ganze nicht einmal mit dem Gesäß angeguckt. Alle Oppositionsfraktionen haben hingegen in der Haushaltsberatung eine Freistellung ab 80 Kindern gefordert. Auch hier ist es offensichtlich, wir haben unsere Arbeit damals schon getan.

Dennoch ist nach Ihren Erfolgen ein kleiner, aber finanziell relevanter Gedanke geblieben: die Beitragsfreiheit, der Alleingang von Herrn Saleh. Sie sagen jetzt, es wird nicht daran scheitern; im Bildungsausschuss letzte Woche sah das allerdings ein bisschen anders aus. Ihr Koalitionspartner, die CDU, ist mit dieser Änderung wohl gar nicht zufrieden. Sie feiern sich hier nun selbst, doch ist das einzige Verdienst, das Sie sich hier zurechnen können, jenes, dass Sie auf die engagierten Bürger in Berlin gehört haben. Hätten Sie es tatsächlich gewollt, hätten wir keine sechs Monate über dieses Gesetz diskutieren müssen, sondern hätten in den Haushaltsberatungen bereits die entsprechenden Anträge einbringen können. Auch hier hätten wir heute Morgen keine 30 Minuten Verzögerung gehabt, um überhaupt arbeitsfähig zu sein.