Protocol of the Session on March 3, 2016

Vielen Dank, Herr Dregger! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Reinhardt. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Eigentlich wollte ich mich hinstellen und sagen: Es ist alles gesagt. Aber die Debatte fand ich an einigen Stellen so lustig, dass ich darauf noch eingehen möchte. Ich fange mit Frau Kollegin Grosse an. Jetzt haben Sie im Grunde genommen das Gleiche gemacht, was Sie vorhin auch schon gemacht haben, nämlich zu sagen, im Großen und Ganzen ist alles gut. Wir lehnen das ab. Nur, das Lustige ist, wenn Sie sagen, es gibt das Landesrahmenprogramm als Konzept, und deswegen braucht es den Antrag nicht – das ist ein bisschen komisch. Wir kriegen regelmäßige Berichte von Senatorin Kolat im Ausschuss. Aber das Landesrahmenprogramm selbst ist ja von 2013, und darauf dann 2016 zu verweisen und zu sagen, deswegen gibt es ein Konzept, deswegen brauchen wir den Antrag nicht, in dem durchaus sinnvolle Fragestellungen formuliert werden,

das halte ich für sehr kurz gegriffen für eine Begründung der Ablehnung des Antrags.

Frau Kollegin Breitenbach! Auch bei Ihnen kann ich heute ein Muster erkennen, und zwar: Sie scannen jeden Antrag, der hier vorliegt, egal, ob es darum geht, irgendwie zusätzlich Informationen zu kriegen, ein Konzept zu erstellen oder irgendwelche zusätzlichen Maßnahmen aufzufahren, auf die Frage: Kann man darauf eine Existenz aufbauen? Also, ist es ein gut finanzierter Job mit Rentenversicherung usw.? – Zwischenfrage?

Ich wollte Sie nicht mitten im Satz unterbrechen,

[Fabio Reinhardt (PIRATEN): Doch, bitte!]

aber dann frage ich Sie jetzt einfach, ob Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Breitenbach zulassen würden.

Jetzt wäre es ja komisch, wenn ich es nicht machen würde, oder?

Aber sicher. – Frau Breitenbach, bitte!

Werter Kollege Reinhardt! Würden Sie mir mal bitte erklären, warum für Sie Arbeit so einen zentralen Stellenwert hat und warum Sie glauben, dass Sie alles Mögliche vorschlagen müssen, damit Menschen einen Zugang zu Ausbildung und Arbeit haben? Wenn Ihnen aber letztlich ein existenzsicherndes Arbeitsverhältnis gar nicht so wichtig ist, könnten Sie mir dann bitte erläutern, warum Sie dann finden, dass Menschen ein Arbeitsangebot erhalten sollen?

Es besteht hier, glaube ich, ein Missverständnis. Es geht nicht um mich dabei und darum, wie ich zur Arbeit stehe. Das können wir auch gerne noch mal diskutieren.

[Steffen Zillich (LINKE): Genau, das war nämlich die Frage!]

Nein! Es geht ja um die Frage, wie diese Gesellschaft zur Arbeit steht. Das habe ich heute Morgen auch schon ausführlich erläutert, dass es leider so ist, dass man in dieser Gesellschaft ohne Arbeit sehr wenig Geld hat, zum Teil auch sehr wenig Selbstwertgefühl und auch wenig Anerkennung von der Gesellschaft bekommt. Das betrifft übrigens Neuzuwanderer und Neuankommende ganz besonders. Das bedaure ich auch sehr stark. Ich würde mir eine Gesellschaft wünschen, in der wir uns alle viel weniger über Arbeit definieren; in der leben wir aber

momentan nicht. Und wenn Sie einfach pauschal sagen, jede Maßnahme, jedes Konzept, jede Stelle, die nicht so ausfinanziert ist, wie ich mir einen guten und auskömmlichen Arbeitsplatz unter dem Thema gute Arbeit vorstelle, lehne ich pauschal ab, dann finde ich, das greift zu kurz, auch wenn ich das im Ansatz durchaus nachvollziehen kann.

[Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Ich denke, es gibt durchaus auch sinnvolle Maßnahmen. Man kann durchaus sagen, dass bei den Integrationslotsinnen und -lotsen und Stadtteilmüttern auch sinnvolle Maßnahmen stattfinden. Ich finde das richtig, dass wir immer wieder im Ausschuss gemeinsam dieses Konzept loben. Insofern steht die Frage im Raum, und da kann ich nur weiterhin sagen: Ich verstehe nicht, dass die sich so gegen diesen Antrag aussprechen, in dem im Grunde genommen nicht viel drinsteht, außer dass bestimmte aktuelle Entwicklungen und Perspektiven dieses Programms aufgezeigt werden sollen. Das ist eigentlich so wenig angreifbar, dass wir uns als Fraktion dazu auch ganz entschieden enthalten werden.

Ansonsten ist sicherlich noch mal spannend, dass wir vielleicht irgendwann aktuelle Zahlen bekommen: Wie entwickeln sich die Integrationslotsinnen und -lotsen, die Stadtteilmütter? Das haben wir im Ausschuss leider nicht bekommen. Wie viele von denen finden welche Möglichkeiten, auf den ersten Arbeitsmarkt überzuwechseln? Das ist das Ziel des Senats. Solange wir dazu nichts Belastbares bekommen, können wir viel im Nebel stochern und uns wenig darüber unterhalten, welche Maßnahmen sinnvoll wären und welche nicht. Ansonsten, bezüglich des Berufsbilds stochern wir auch viel im Nebel. Es ist durchaus sinnvoll, dort eins zu bekommen. Soll das auf Landesebene passieren, auf Bundesebene, wann, wie, in welchem Rahmen? Dazu lässt sich momentan relativ wenig sagen.

Eine entschiedene Ablehnung des Antrags finde ich, ehrlich gesagt, unsinnig, und zwar von allen Seiten. Aber das über den Klee loben würde ich auch nicht. Insofern vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Reinhardt! – Das Wort zu einer Zwischenbemerkung hat Frau Abgeordnete Breitenbach. – Bitte!

[Torsten Schneider (SPD): Das zweite Mal zum selben Thema!]

(Fabio Reinhardt)

Na ja, da kann ja vielleicht die SPD möglicherweise noch was lernen und sich an ihre alten Werte erinnern, die ihr schon lange vergessen habt.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Arbeit! Wir haben Arbeit, wir haben Reproduktionsarbeit, wir haben Erwerbsarbeit. Ich rede hier von der Erwerbsarbeit, Bufdi ist möglicherweise auch andere Arbeit. Menschen gehen einer Erwerbsarbeit in erster Linie nach, um ihre Existenz abzusichern. Eine existenzsichernde Erwerbsarbeit, Herr Reinhardt, ist u. a. eine zentrale Voraussetzung, um ein unabhängiges Leben zu führen. Das ist zumindest für mich zentral wichtig.

[Beifall bei der LINKEN]

Erwerbsarbeit muss bestimmte Standards haben, um Ausbeutungsverhältnisse zu verhindern. Diese Standards gilt es zu verteidigen. Diese Standards werden seit relativ vielen Jahren, vor allem seit der Einführung von Hartz IV – herzlichen Glückwunsch noch mal an diejenigen, die dem zugestimmt haben – permanent unterwandert und abgeschafft. Ich finde, diese Mindeststandards gilt es zu erhalten.

Und jetzt noch mal: Warum gute Arbeit? Was ist gute Arbeit? – Gute Arbeit muss die Existenz absichern. Gute Arbeit darf nicht krank machen. Und gute Arbeit muss die persönliche Lebenssituation der jeweiligen Menschen eben auch berücksichtigen. Und wenn wir diese Bedingungen haben, dann können Menschen von ihrer Arbeit leben, und dann können sie auch ein gutes Leben führen. Gute Arbeit, gute Rente gehören übrigens auch noch zusammen. Und deshalb, Herr Reinhardt, bin ich immer dafür, dass Menschen vernünftige Arbeitsplätze angeboten bekommen und dass Menschen vernünftige Arbeitsbedingungen haben. Ich bin übrigens gegen jegliche Form von Arbeitszwang und Sanktionierung, auch das gehört zu guter Arbeit, dass das eben nicht vorkommt, was wir heute massenhaft haben, im Übrigen auch bei Ihren komischen Ein-Euro-Jobs und Ähnlichem. Das ist der Punkt, um den wir kämpfen. Und das ist, glaube ich, auch der Unterschied, den wir hier haben.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Danke, Frau Breitenbach! – Möchten Sie replizieren? – Bitte, Herr Reinhardt!

[Torsten Schneider (SPD): Heftiger Beifall der Opposition!]

Frau Kollegin Breitenbach! Das waren ja jetzt viele Aussagen, die jeder hier im Raum unterschreiben würde.

[Steffen Zillich (LINKE): Sicher?]

Ich bin für gute Arbeit, wer würde dazu nicht Ja sagen? Ich bin gegen Arbeitszwang, da würde auch die SPD mitgehen, da würde auch Herr Prof. Korte mitgehen. Letztendlich muss man doch erst mal definieren, worüber man spricht. Natürlich geht es darum, dass Jobs fair bezahlt werden und Arbeitsbedingungen eingehalten werden. Da ist doch hier auch gar kein Dissens im Raum. Es geht aber auch um die Frage, zum Beispiel haben Sie es korrekt gesagt: Wird Reproduktionsarbeit wertgeschätzt? Das wird sie von dieser Gesellschaft natürlich nicht angemessen. Ich erinnere an Kampagnen, die sich auf Carearbeit konzentrieren. Da ist es so, dass wir noch eine ganz große Kluft in dieser Gesellschaft haben, weil eben die Arbeit, die nicht fair bezahlt wird, die aber auch für die Gesellschaft relevant ist, auch ehrenamtliche Arbeit, bei allem Lob – sie wird nicht angemessen wertgeschätzt von dieser Gesellschaft, auch von diesem Parlament nicht. Da sitze ich glücklicherweise immer noch in der einzigen Fraktion, die sich überzeugend – das tut Ihre ja auch nicht – für die Umsetzung eines bedingungslosen Grundeinkommens einsetzt, was genau diese Fragen lösen würde und was dafür sorgen würde, dass man Arbeit – egal ob Erwerbsarbeit, Reproduktionsarbeit oder Carearbeit oder Ähnliches – eben auch wertschätzen würde, womit wir ein gesellschaftliches Umdenken erreichen würden. Das ist das, was wir immer noch als Gesellschaft anstreben sollten. Ich bleibe dabei, auch wenn Ihre Partei, Ihre Fraktion sich dem leider nicht anschließen kann.

Und was diese Übergangsjobs und diese Maßnahmen angeht: Ja, ich war in vielen Flüchtlingsunterkünften, und da wurde mir vor Ort berichtet, dass die Ein-Euro-Jobs – und das sind einige der Punkte, die Sie angegriffen haben – sinnvoll sind, damit Geflüchtete sich dort beschäftigen, damit die rauskommen aus den Unterkünften und damit die auch Anschluss finden und zum Teil in andere Arbeitsplätze wechseln können. Und wenn mir das vor Ort berichtet wird, dann sage ich doch nicht per se: Das ist nicht existenzsichernd, das lehne ich einfach ab – und beschäftige mich damit nicht weiter. Dann sage ich doch: Das höre ich mir an als Maßnahme und lehne das nicht einfach grundlegend ab. Deswegen bin ich offen für solche Gedankenspiele, auch wenn das kein langfristiges Ziel sein kann, sondern immer nur eine Übergangsbeschäftigung. Insofern finde ich, da ist viel gesagt worden, was letztendlich sehr allgemein ist. Aber in der Sache ist relativ wenig passiert.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Reinhardt! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Zu dem Antrag Drucksache 17/2334 empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich gegen Grüne und Piraten bei Enthaltung der Linken die Ablehnung, auch mit geändertem Berichtsdatum 31. Mai 2016.

Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und sechs Stimmen der Piratenfraktion. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU. Enthaltungen? – Das sind die Fraktion Die Linke und die übrigen Mitglieder der Piratenfraktion. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 12 steht auf der Konsensliste. Tagesordnungspunkt 13 war Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter Nummer 3.4. Die Tagesordnungspunkte 14 bis 17 stehen wiederum auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 18:

Zusammenstellung der vom Senat vorgelegten Rechtsverordnungen

Vorlage – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Absatz 3 der Verfassung von Berlin Drucksache 17/2739

Von den Verordnungen hat das Haus hiermit Kenntnis genommen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 19:

Besondere Situation geflüchteter Frauen berücksichtigen, spezifische Angebote zur Integration und Partizipation sichern

Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/2703

In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat Frau Abgeordnete Sommer. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die besondere Situation von geflüchteten Frauen sollte auch die Frauensenatorin Kolat interessieren. Ich würde sie bitten, hier im Saal anwesend zu sein, wenn wir über das Thema reden.

Es wird darum gebeten, dass die Senatorin zitiert wird. – Widerspruch nehme ich nicht wahr. Dann unterbrechen wir so lange.