Protocol of the Session on February 18, 2016

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung. In der Beratung beginnt die Fraktion die Linke. Das Wort hat Frau Abgeordnete Lompscher. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Bevor ich beginne, würde ich es begrüßen, wenn wenigstens ein Vertreter der Leitung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt anwesend wäre. Ist es möglich, dass ich so lange warte?

Es wird um die Zitierung des zuständigen Senators gebeten. Er ist auf dem Weg hierher. Wir unterbrechen so lange.

[Dr. Manuel Heide (CDU): Wir können gleich einen Hammelsprung machen! – Elke Breitenbach (LINKE): Wenn alle so beschäftigt sind, gehen wir doch nach Hause!]

Der Herr Senator ist da! – Frau Lompscher, Sie haben das Wort. – Bitte!

Ich gebe dem Senator auch noch die Chance, seinen Platz zu erreichen. Ich hatte einen kürzeren Weg. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein kurzer Rückblick! Wir reden über das Zweckentfremdungsverbotsgesetz. Dieses Gesetz kam seinerzeit spät, zu spät.

[Katrin Vogel (CDU): Sie hatten zehn Jahre Zeit gehabt!]

Es kam erst zu einem Zeitpunkt, als bereits rund 23 000 Wohnungen zu Feriendomizilen umgewandelt waren. Von rund 6 300 wissen wir es genau, weil sie gemeldet worden sind. Die übrigen finden sich in diversen Internetportalen und summieren sich zu dieser sehr stolzen Zahl. Der Senat spielte das Problem lange herunter. Es gibt zudem kein überzeugendes Vorgehen gegen Leerstand und Abriss von Wohnraum, was auch Zweckentfremdung ist; es gibt nicht einmal ein Monitoring.

Bis heute weigert sich der Senat, dieses Potenzial für die Unterbringung von Flüchtlingen auch nur in Erwägung zu ziehen, oder, wie wir heute gelernt haben, zahlt sogar überhöhte Preise für illegale Ferienwohnungen. Ich erinnere an unseren jüngsten Antrag, in dem wir entsprechende Vorschläge für Verhandlungen machen.

Das Gesetz zum Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum enthält eine von uns seinerzeit kritisierte großzügige Übergangsfrist für gemeldete Ferienwohnungen von zwei Jahren, die nun im Mai ausläuft. Zudem gibt es eine sogenannte Genehmigungsfiktion, nach der eine Zweckentfremdung als genehmigt gilt, wenn die Behörde nicht in angemessener Frist entscheidet. Angesichts der Personalnot der Bezirke war diese immerhin für zwei Jahre ausgesetzt.

Jetzt ist dem Senat offenbar klar geworden, dass es mit der ab Mai theoretisch eintretenden Genehmigungsfiktion nichts werden wird, weil sich die Lage in den Bezirken kaum entspannt hat und eine Vielzahl von Anträgen zu erwarten ist. Der Senat spricht in der Vorlage sogar von einer Flut und schiebt die Genehmigungsfiktion um weitere Jahre hinaus. Wir sind dafür, sie abzuschaffen. Das würde die Dinge erleichtern.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Den Änderungsantrag der Opposition zum Gesetz haben SPD und CDU damals natürlich abgelehnt. Nur ein kleines bisschen davon findet sich in der Senatsvorlage, das meiste bedauerlicherweise nicht. Neu ist die Datenerhebung bei Internetvermietungsportalen. Es gab bei der Auslegung des Gesetzes bisher Kontroversen darüber, ob dieses bereits zulässig war oder nicht. Deshalb ist die Klarstellung auch unsererseits zu begrüßen.

Ein großer Wurf ist das neue Gesetz nicht. Es ist nicht nur im übertragenen Sinn eine dünne Vorlage.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Wir werden daher erneut einen Änderungsantrag stellen, sicherlich wieder gemeinsam in der Opposition. Wir haben seinerzeit schon vorgeschlagen, die Genehmigungsfiktion zu streichen. Das werden wir dieses Mal auch tun. Das Thema Zweitwohnung übrigens ist im Rahmen der Novelle zwar redaktionell behandelt worden – wobei klar ist, dass es auch Menschen gibt, die Zweitwohnungen benötigen, aber das dürften die wenigsten sein –, es ist aber zu vermuten, dass Zweitwohnungen ähnlich wie Ferienwohnungen ein größeres Berliner Phänomen darstellen, welches wir uns genauer anschauen sollten, nicht nur durch höhere Besteuerung, sondern möglicherweise auch durch gesetzliche Regelungen. Wir brauchen hier in jedem Fall eine neue Herangehensweise.

Weitere wichtige Regelungen fehlen in der Novelle des Senats. Der Leerstand von Wohnraum ist weiter sechs

Monate, bei Modernisierung auch länger, genehmigungsfrei. Wir fordern eine Reduzierung auf drei Monate. Ebenfalls sollte die Koalition nachdenken, ob nicht angesichts der vielen Menschen, denen dringend auch durch kürzere Anmietung von Wohnraum geholfen werden kann, Zwischenvermietungen grundsätzlich für zumutbar zu erklären sind. Wir denken an besondere Bedarfsgruppen wie von Obdachlosigkeit Bedrohte und geflüchtete Menschen. Leerstand etwa für eine umfassende Modernisierung kann so bis zum endgültigen Baubeginn zwischengenutzt werden. Dafür ist eine weitere Änderung sinnvoll. Wenn nämlich der Verfügungsberechtigte der Aufforderung zur Beseitigung von Zweckentfremdung nicht nachkommt, kann das Bezirksamt einen Treuhänder einsetzen, schlagen wir vor. Der Wohnraum würde dann anschließend bevorzugt für Personen mit besonderem Wohnbedarf bereitgestellt.

Der Abriss ist ebenfalls eine Zweckentfremdung und in der Praxis ein riesiges Problem. Preisgünstiger Wohnraum wird durch hochpreisige Miet- und Eigentumswohnungen ersetzt. Wir haben eine Menge Fälle in der Stadt, die ich hier nicht aufzählen will. Das kürzlich zur Uhlandstraße ergangene Urteil macht deutlich, dass hier nur eine gesetzliche Klarstellung hilft. Der Wille des Gesetzgebers nach adäquatem Ersatz muss deutlich zum Ausdruck kommen. Ersatzwohnraum muss eben nicht nur der Sache nach als Wohnersatz gelten, sondern muss auch nach Art und Ausstellung einen adäquaten Ersatz darstellen, sonst darf er als Ersatzwohnraum nicht anerkannt werden.

[Beifall bei der LINKEN– Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Hier kann und muss die Koalition in der parlamentarischen Beratung nachbessern. Das werden wir gern unterstützen. – Vielen Dank

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Vielen Dank, Frau Lompscher! – Für die SPD-Fraktion hat nunmehr das Wort Frau Abgeordnete Spranger. – Bitte!

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Die Gewährleistung einer ausreichenden Wohnungsversorgung in Berlin ist eine zentrale Aufgabe unserer Wohnungspolitik. Der Zuzug nach Berlin ist weiterhin sehr hoch. Deshalb treiben wir einerseits mit hoher Energie die Wohnungssanierung und den Wohnungsneubau voran. Andererseits muss aber im Sinne der oben genannten Sicherstellung von Wohnraum auch eine zweckfremde Nutzung von Wohnraum unterbunden werden.

(Katrin Lompscher)

Daher haben wir bereits im Jahr 2013 das Zweckentfremdungsverbotsgesetz beschlossen. In der praktischen Anwendung des Gesetzes haben sich einige Defizite aufgetan, die nun mit der Novellierung beseitigt werden sollen. Neben einigen redaktionellen Änderungen – Frau Lompscher hat sie schon angeführt –, die zu mehr sprachlicher und inhaltlicher Klarheit führen werden, möchte ich auf zwei wesentliche Änderungen eingehen.

Zum 30. April dieses Jahres läuft die Übergangsfrist für Ferienwohnungen aus. Es ist zu erwarten, dass im Frühjahr 2016 eine Antragsflut – auch noch mal von mir genauso formuliert – von Zweckentfremdungsanträgen für Ferienwohnungen bei den Bezirken eingehen wird, die diese in der erforderlichen Zeit nicht abschließend bearbeiten können. Wenn aber die Anträge nicht rechtzeitig – Sie wissen, es geht um 14 Wochen – beschieden werden können, gelten sie dadurch grundsätzlich als genehmigt. Auch ich sage das Stichwort „Genehmigungsfiktion“. Dies widerspricht ganz klar, auch von hier vorne noch mal gesagt, in eklatanter Weise der Intention des Gesetzes.

[Beifall von Monika Thamm (CDU)]

Daher soll das Inkrafttreten der Regelung zur sogenannten Genehmigungsfiktion um zwei Jahre verschoben werden.

[Beifall von Monika Thamm (CDU)]

Wie wir alle wissen, zeigen nicht alle Anbieter ihre Ferienwohnungen – das ist jetzt der zweite Punkt – gegenüber den Behörden an. Die Zahl hat Frau Lompscher schon genannt. Die Recherchen für die zuständigen Behörden gestalten sich durchaus schwierig und stoßen bislang in Berlin auch an rechtliche Grenzen. Mit dem Änderungsgesetz soll nun eine weitere Eingriffsmöglichkeit bei den behördlichen Ermittlungen von Zweckentfremdungsverfahren im Bereich der Telemedien geschaffen werden. Eine vergleichbare Regelung gibt es bereits in Hamburg. Diese wurde auch schon gerichtlich bestätigt. Der Rat der Bürgermeister hat der Vorlage zugestimmt. Es ist uns selbstverständlich auch wichtig, dass durch die Neuregelung auch noch mehr Personal in die Bezirke gehen muss und gehen wird. Die Gespräche dazu werden bereits mit den Bezirken geführt. Ich denke, die Novellierung sollte in diesem Hause fraktionsübergreifend Zustimmung erfahren, und schlage vor, dass wir die Weiterberatung, so wie Frau Lompscher schon gesagt hat, im Fachausschuss vornehmen werden. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen jetzt Frau Schmidberger!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Spranger! Wir müssen leider heute mal feststellen, dass wir in den letzten drei Jahren ziemlich viel Zeit vergeudet haben. Nicht nur, dass das Gesetz erst 2013 kam – ich muss leider trotzdem noch mal darauf aufmerksam machen, dass viele Bezirke, gerade die Innenstadtbezirke, bereits 2008 Alarm geschlagen haben, dass Wohnraum zweckentfremdet wird –, sondern auch die Nachbesserung, die Sie heute hier ankündigen bzw. eingereicht haben, wird nicht dafür sorgen, dass wir die Probleme innerhalb des Gesetzes auch wirklich lösen werden. Es reicht schon, dass Sie sozusagen selbst ein Gesetz aufgelegt haben, wo Sie jetzt feststellen, dass Sie da Fehler gemacht haben und es eklatante Probleme gibt. Das ist auch okay. Aber wenn wir jetzt schon an das Gesetz herangehen und Nachbesserungen anstellen, dann müssen wir uns doch die Frage stellen: Wird das Gesetz danach auch wirklich umgesetzt, und wird es danach auch wirklich funktionieren, sodass zweckentfremdeter Wohnraum wieder Wohnraum wird?

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Und da muss ich leider sagen: Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum Sie sich hier selbst feiern – wir hatten vorhin eine RBB-Runde dazu –, das Gesetz wird auch jetzt nicht funktionieren. Ich kann Ihnen auch erklären, warum. Das Gesetz ist weiter in der Vollzugskrise, weil die Ferienwohnungen oft nicht aufgespürt werden können, die Anträge oft nicht bearbeitet werden können, die Wohnungen oft nicht kontrolliert werden. Es gibt auch sehr viele Eigentümerinnen und Eigentümer, die dann klagen. Ein Bezirk muss dann erst mal ein, zwei Jahre damit leben, dass ein illegales Geschäft weiterbetrieben wird, während das Personal sich um die anderen 5 000 Anträge kümmert. So haben wir leider keinen Wohnraum gewonnen, sondern es wird weiterhin eine Ferienwohnung sein.

Wir rennen der Entwicklung immer noch hinterher. Da verstehe ich nicht, dass Sie es nicht endlich mal einsehen, dass nicht nur ein paar befristete neue Stellen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Bezirke notwendig sind, die jetzt wieder in Ein-, Zweijahresverfahren eingestellt werden müssen, sondern dass man jetzt langfristig Stellen braucht, die sich nicht nur um Ferienwohnungen kümmern, sondern um spekulativen Leerstand und um Abriss, die wirklich effektiv kontrollieren können, sodass das Gesetz auch wirklich funktionieren kann und wir Wohnraum effektiv schützen können.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Bitte verstehen Sie endlich: Gute Wohnungspolitik geht nur mit starken Bezirken. Wir müssen uns darum kümmern, auch mal den Bezirken zuzuhören, was sie überhaupt brauchen, um ein Gesetz umzusetzen. Da können

(Iris Spranger)

wir uns hier alle wunderschön Gedanken machen, aber wenn die Bezirke da draußen in der Stadt mit diesem Gesetz nicht arbeiten können, dann müssen wir doch mal einsehen, dass wir da Fehler gemacht haben. Und dann, finde ich, muss man sich das Gesetz noch mal ganz genau angucken und auch weitere Nachbesserungen vornehmen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Es ist doch absurd, dass es in einer Stadt wie Berlin möglich ist, Abriss durchzubekommen, auch gerichtlich, auch wenn ein Bezirk ihn gerne unterbinden möchte, und dabei bezahlbarer Wohnraum verlorengeht, während der Ersatzwohnraum aus teuren Eigentumswohnungen besteht. Dass Sie mit dieser Situation weiter leben können und diese Ungenauigkeit im Gesetz nicht endlich klarstellen und verbessern, kann ich nicht nachvollziehen. So werden wir weiterhin zugucken müssen, dass die Bezirke immer mehr vor Gericht scheitern, wenn sie den Abriss von preiswerten Mietwohnungen verhindern wollen. Das kann es doch nicht sein!

Ich gebe Ihnen noch ein Beispiel. Es gibt Hauseigentümer, die mit illegalen Zweckentfremdungen über 1 Million Euro pro Jahr verdienen.

[Philipp Magalski (PIRATEN): Steuern!]

Was passiert dann? – Dann schickt das Bezirksamt eine Mahnung raus. Es ist eine Ordnungswidrigkeit und wird mit maximal 50 000 Euro bestraft. Das zahlt dieser Eigentümer aus der Portokasse. Der lacht sich doch tot über uns! Das kann doch nicht der Sinn dieses Gesetzes sein! Die Strafe muss doch auch in Relation zum entstandenen Schaden und zum Verlust von preiswertem Wohnraum stehen!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Also auch wir fordern einige Nachbesserungen. Ich will nur ein paar aufzählen: Neben mehr Personal und endlich auch einem Leerstandskataster, das auch kontrolliert wird, brauchen wir endlich auch die genaue Definition von Ersatzwohnraum.

Wir brauchen auch ein Treuhändermodell. Es gibt in dieser Stadt Häuser, die stehen seit ein, zwei Jahren leer. Der Eigentümer sitzt irgendwo in Luxemburg. Der Bezirk schreibt den Eigentümer an, kann aber nicht mehr machen. Die Bezirke selbst haben kein Personal, um sich um dieses Haus zu kümmern. Da geht ganz wertvoller Mietwohnungsraum verloren. Deswegen brauchen wir endlich dieses Treuhändermodell für Berlin.

Wir brauchen leider auch höhere Geldstrafen, das habe ich gerade schon erklärt. Ansonsten läuft die Drohkulisse ins Leere.