Protocol of the Session on February 18, 2016

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Alexander Spies (PIRATEN) – Steffen Zillich (LINKE): Und eine Zufahrt!]

Man hat noch Hoffnung! Es kommt dann nämlich die Überschrift „Weitere Entwicklung, Qualitätsindikatoren und Transparenzinformationen“. Da denkt man, jetzt kommt die Qualität. Ich zitiere den Absatz vollständig:

Die Qualitätssicherung in der Notfallversorgung, an der sich alle Notfallkrankenhäuser und -zentren beteiligen sollen, wird die Berliner Ärztekammer federführend begleiten.

Sie hat über ihren Vorstand, den Arbeitskreis „Interdisziplinäre Notaufnahmen und Notfallmedizin“ beauftragt, mögliche Qualitätsindikatoren für eine klinikübergreifende Qualitätssicherung in der Notfallversorgung zu ermitteln. Längerfristig wäre eine Begleitung durch die Ärztekammer Berlin... vorstellbar.

Drei Jahre Arbeit: „wäre“, „könnte“, „wäre denkbar“, „möglich“. Wie hat Herr Isenberg eben formuliert? – Wenn man Qualitätsziele formuliert, dann hat das so konkret zu erfolgen, dass sie auch klagefähig sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie können jetzt klagen, wenn ihr Notfallkrankenhaus kein Telefon hat oder die Beschilderung nicht stimmt, aber in Bezug auf die Quali

tätsstandards ist das nicht sehr konkret, was dort steht. Was für eine Nullnummer!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN) und Alexander Spies (PIRATEN)]

Was wäre eigentlich nötig gewesen? – Wir haben zwischen den Jahren 2008 und 2012 eine Zunahme der Fälle in den Notaufnahmen um 19 Prozent. Steigt etwa in Berlin die Zahl der Herzinfarkte, der Unfälle, der Überfälle in dieser Dimension? – Nein, natürlich nicht. Was wir feststellen, ist, dass die Funktionsfähigkeit des ambulanten Notfallsystems schlichtweg nicht besser wird, und die Aufsichtsbehörde, die Senatsverwaltung, über die KV nicht in der Lage ist, eine bessere ambulante Notfallversorgung durchzusetzen. Das spiegelt sich dann in den Zahlen der Notaufnahmen der Krankenhäuser wider. Wenn man das einfach nur fortschreibt, wenn man das als Status quo nimmt, wenn man das in der qualitativen Beschreibung auf 100 Seiten nicht einmal als Problem beschreibt, dann hat man die gesundheitspolitischen Ziele schlichtweg verfehlt.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Alexander Spies (PIRATEN)]

Man könnte das jetzt durchdeklinieren. Man kann sich auch auf die Zahlen stützen. Die medizinische Versorgung ist nicht deshalb gut, weil eine Operation fachgerecht durchgeführt wird. Krankenhausbehandlungen können fachlich hervorragend sein und trotzdem die Lebensqualität der Betroffenen verringern, wenn sie nämlich eigentlich nicht angebracht gewesen sind. Wenn Sie sich die letzten Studien von Bertelsmann oder der OECD angucken, stellen Sie fest, dass wir in Deutschland und auch in Berlin vieles zu diskutieren haben: Warum gibt es bei uns bei manchen Operationen dreimal so viele Operationen pro Einwohner als in den europäischen Nachbarstaaten? Warum gibt es in Deutschland – um national zu bleiben – bei den Operationen von Mandeln bei Kindern einen Faktor acht zwischen verschiedenen Landkreisen? – Das zeigt doch, dass es keine objektiven medizinischen Kriterien über die Notwendigkeit von Operationen und damit Krankenhausplätzen gibt, sondern dass die Fragen, welche Rolle Chefärzte in einer Gemeinde spielen oder wie die Mentalitäten sind, entscheidenden Einfluss auf die notwendigen Bettenzahlen haben. All dies wird hier nicht einmal angesprochen, nicht definiert.

Wenn man ein zweites Beispiel nimmt, die psychiatrische Versorgung, stellt man fest: Da gehen Sie mit den Messzahlen hoch. Sie sagen aber gar nicht, warum das notwendig ist. Wir stellen fest: Hier wird sehr richtig formuliert, dass es in der bezirklichen Pflichtversorgung einer deutlichen Erhöhung der Planbetten respektive der tagesklinischen Plätze bedarf. – Dies aber auch deshalb, weil unsere ambulante Versorgung seit zehn bis 15 Jahren auf einem Status quo festgeschrieben ist, bei dem nicht ent

sprechend des Zuwachses an Einwohnern auch der Psychiatrieentwicklungsplan besser ausgestattet wird. Leute fallen mittlerweile ambulant wieder durch die Roste, weil keine Einrichtungen vorhanden oder diese aber überlaufen sind. Ihre Konsequenz: die Bettenzahl in der stationären Psychiatrie zu erhöhen, aber nicht gleichzeitig den ambulanten Bereich zu verstärken.

Ich will jetzt gar keine weiteren Beispiele nennen, weil meine Redezeit abläuft. Für das, was Sie hier abgeliefert haben, Herr Senator, braucht es keinen Gesundheitssenator. Zwei eifrige A9-Beamte, die den Dreisatz beherrschen und die Bevölkerungsentwicklung mit den aktuellen Fallzahlen in eine Relation bringen können, wären ausreichend. Innovative, gestaltende Politik sieht anders aus. Davon aber findet sich nichts in diesem Papier. Vier verlorene Jahre in der Gesundheitspolitik, vier Jahre braves Verwalten des Status quo. Aber, immerhin, Herr Czaja – man soll ja versöhnlich sein –: Sie haben keine Katastrophen mit diesem Papier ausgelöst. Angesichts Ihrer Bilanz in den sonstigen Politikfeldern Ihres Ressorts, der Sozial- und Flüchtlingspolitik, muss man dafür schon dankbar sein.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Aber fünf weitere Jahre mit einer solchen Politik kann sich die Stadt nicht mehr leisten.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Danke schön! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Dr. Ludewig das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Entschuldigung! – Ich habe etwas übersehen, Herr Dr. Ludewig! Es gibt die Meldung zu einer Kurzintervention des Kollegen Isenberg. Das war mein Fehler.

Sehr geehrte Damen und Herren! Eben wurde von meinem Vorredner gesagt, ich hätte gesagt: Früher war alles besser. – Nein, das habe ich nicht gesagt.

[Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN: Doch!]

Ich habe gesagt, bei den Themen Patienten- und Verbraucherschutz war früher vieles besser. Das habe ich gesagt. Und ich habe gesagt, dass ich es lobe, dass Herr Czaja in seinem Ansatz beispielsweise Hygienethemen aufgreift,

(Oliver Schruoffeneger)

dass ich dies aber von anderen Ressorts vermisse, in denen leider momentan auch Kompetenzen liegen, und dort so getan wird, als gäbe es das Thema gesundheitlicher Verbraucherschutz gar nicht. Hier wäre der Raum, um das zu flankieren und seinem eigenen Gesundheitssenator bei diesem Thema den Rücken zu stärken.

Auch das andere Zitat von meinem Vorredner ist nicht richtig. Ich habe nicht gesagt, die Kriterien müssten pauschal klagefest sein. Ich habe gesagt, dass es von Einrichtungen einklagbar ist, am Krankenhausplan teilzunehmen und von den Kriterien u. U. auch abzuweichen. Wir haben es hier leider mit der Gewerbefreiheit zu tun. Wir haben es damit zu tun, dass jedermann, der geeignet ist, ein Krankenhaus betreiben kann, und erst einmal einen Rechtsanspruch auf Aufnahme in diesen Krankenhausplan hat. Wenn das Land sagt: Wir haben spezielle Versorgungsziele, dann sind diese erstens zu beschreiben und zweitens ist darzulegen, dass nur mit den dann im Krankenhausplan benannten Eingriffen in die Gewerbefreiheit zulasten Dritter diese Ziele ausschließlich umgesetzt werden können. Wenn Stellungnahmen der Ärztekammer besagen, es reichten zwei Fachärzte oder ein Chefarzt aus, wenn die Fachgesellschaften sagen: Mit unserem Know-how und unserer Expertise können wir aber nur folgende Kriterien einhalten, die teilweise als SollVorschriften benannt sind, dann ist das erst einmal zur Kenntnis zu nehmen. Ich stelle auch fest: Es ist erstmalig, dass innerhalb eines Krankenhausplans in Berlin die Diskussion bei den eben benannten Themen überhaupt aufgemacht wird.

Dann machen wir das Benchmarking oder wir sorgen dafür, über die Entgelte den Druck auf die Krankenhäuser aufzubauen, indem auf Bundesebene Indikatoren entwickelt werden, an denen sich künftig die Krankenhäuser halten oder orientieren müssen, bzw. wir überlegen müssen, ob wir diese Indikatoren in unsere Krankenhausplanung übernehmen. Das habe ich gesagt, und nichts anderes. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Danke schön! – Herr Kollege Schruoffeneger zur Erwiderung!

Wissen Sie, Herr Kollege Isenberg, es ist immer ein Problem, wenn man eine Kurzintervention macht und sich drei Minuten an den wenigen polemischen Sätzen der vorherigen Rede abarbeitet,

[Thomas Isenberg (SPD): Was für Sätze?]

ohne zum eigentlichen Kern und Inhalt zu kommen. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie etwas zu den von mir zitierten Qualitätskriterien zum Beispiel in der Notfallver

sorgung gesagt und das Ihrem Anspruch gegenübergestellt hätten. Dann hätten Sie nämlich eine andere Rede halten müssen. Stattdessen haben Sie hier die Polemik zurückgewiesen – sei es drum, das ist geschenkt. Man muss auch ein bisschen Spaß hier haben. Inhalt haben Sie wiederum nicht gebracht.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Jetzt, Herr Dr. Ludewig, haben Sie das Wort – bitte!

[Steffen Zillich (LINKE): Jetzt wollen wir aber mal hören, ob der Heilmann schuld ist!]

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute schon viel gehört, viel Lyrik, würde ich sagen. Wir haben auch Zitate aus dem Krankenhausgesetz gehört, wobei es eigentlich der Feststellungsbescheid ist, der die Grundlage ist. Es wäre vielleicht auch ganz gut, wenn die Grünen mal jemanden schicken würden, der sonst im Ausschuss dabei ist, um zu wissen, dass es einer der Feststellungsbescheide ist, der die Grundlage ist, und das andere ein Krankenhausgesetz, und dann auch richtig zitieren könnte. Wir haben von Tätowierungen von Herrn Dr. Albers gehört, auch das anscheinend zur großen Erheiterung, aber Inhalte haben wir doch bisher relativ wenig gehört.

[Heiterkeit bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Und um es vorneweg zu nehmen – bleiben Sie ganz ruhig! –: Dieser Krankenhausplan löst nicht alle Probleme auf einen Schlag, aber er ist eine deutliche Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung für die Berlinerinnen und Berliner und für die Krankenhäuser.

[Beifall bei der CDU]

Ich verstehe das ja, das haben wir von den Grünen, die bei der Regierungsverantwortung immer weit weg sind, dass das nicht so richtig eingeordnet wird. Aber von der Linkspartei hätte ich doch ein bisschen mehr Staatstragendes und mehr Ehrlichkeit mit sich selber erwartet, muss ich sagen. Schauen wir uns das doch mal an: Der Krankenhausplan 2011 erhöhte die Bettenanzahl um 1 300 Betten. Konkret: Charité plus 301 Betten, Psychiatrie, psychosomatische Bereiche plus 501 Betten, Geriatrie plus 312 Betten und Neurologie plus 180 Betten. Jetzt hat uns der Herr Dr. Albers gerade ganz großartig erklärt, das sei bei ihm alles viel besser gewesen und das sei noch gar keine Erhöhung. Dann schauen wir doch mal in die Zahlen: Feststellungsbescheid Krankenhausplan 2010, Zuständigkeit Senatorin Lompscher – falls Sie es vergessen haben: Mitglied Ihrer Fraktion, war übrigens mal Senatorin –, insgesamt 20 653 Betten. Schauen wir uns den aktuellen Krankenhausplan an: 21 977 Betten!

[Oliver Friederici (CDU): Aha!]

(Thomas Isenberg)

Als Sie Verantwortung getragen haben, haben Sie nur eins gemacht: Sie haben Betten abgebaut. Schauen wir uns die Zeit an von 2001 bis 2011, lieber Dr. Albers: Die Zahl der Betten wurde um 2 800 in Berlin gekürzt, als Sie Verantwortung getragen haben.

[Beifall bei der CDU]

Selbst mit dem Krankenhausplan 2010 wollten Sie übrigens noch bei der Charité die Bettenzahl um 500 kürzen. Gott sei Dank für die Berliner Krankenhäuser gab es eine Wahl. Es gab eine neue Koalition, und diese Koalition hat den Abbau, Herr Dr. Albers, den Sie politisch zu verantworten haben, rückgängig gemacht. Bei der Charité wurde die Zahl der Betten nicht gekürzt.

[Beifall bei der CDU]

Kommen wir zu dem Bereich Qualität und Personal! Ich weiß, Herr Dr. Albers, es muss für Sie schwer sein. Sie haben immer für eine Mindestpersonalausstattung gekämpft. Sie haben es in Ihrer gesamten Verantwortungszeit nicht einmal durchsetzen können. Das Einzige, was Sie gemacht haben, ist, den Facharztstandard – und zwar zu Recht – einzuführen. Aber jetzt müssen wir leider mal ins Detail gehen. Was heißt denn der Facharztstandard konkret? – Der Facharztstandard heißt nicht, dass in jeder Abteilung 24 Stunden, sieben Tage in der Woche ein Facharzt sein muss – weit gefehlt. Der Facharztstandard bedeutet, dass die im Krankenhaus tätigen Ärztinnen und Ärzte nach anerkanntem und gesichertem Standard der medizinischen Wissenschaft die Behandlung vornehmen sollten, also wie ein sorgfältig arbeitender Facharzt. Lieber Dr. Albers, das haben wir genau verändert. Wir haben gesagt: Wir brauchen konkret die Fachärzte in den Abteilungen. Deshalb schreiben wir eine Mindestzahl pro Abteilung mit diesem Krankenhausplan vor. Ich weiß, es fällt Ihnen schwer, dass das ein konservativer Senator gemacht hat, aber es ist trotzdem ein richtiger Schritt in diese Richtung.

[Beifall bei der CDU]

Auch bei den Notaufnahmen gehen wir deutlich über Ihre bisherigen Vorgaben hinaus, die Sie zu verantworten hatten. Es gab keine eigene pflegerische Leitung, die in den Notaufnahmen vorgeschrieben war. Es gab keine ärztliche Leitung, die vorgeschrieben war. Das war ein Fehler, und genau das beenden wir, auch bei den Intensivstationen.

Ja, wir alle wünschen uns noch mehr, gar keine Frage. Aber wir haben Qualitätsvorgaben gemacht, die bundesweit so nicht selbstverständlich sind: eine Pflegekraft für zwei Behandlungsplätze pro Schicht, bei speziellen Situationen bis zu einer Pflegekraft pro Behandlungsplatz pro Schicht. Der Anteil – da haben Sie völlig recht – an qualifizierten Intensivfachkräften soll bei mindestens 30 Prozent liegen. Das geht über die gesetzlichen Regelungen hinaus, und Sie hatten es im letzten Krankenhausplan nicht festgeschrieben.