Protocol of the Session on January 28, 2016

während der 25. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen ganz klar für die Notwendigkeit einer weiteren Prüfung und Umsetzung geeigneter Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen positioniert. Darum trägt die Senatsverwaltung einen von NordrheinWestfalen erarbeiteten Antrag „Cybergewalt gegen Frauen und Mädchen ist reale Gewalt“ mit. Unter anderem wurde in diesem Antrag das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gebeten, zu prüfen, ob die derzeit geltenden strafrechtlichen Vorschriften ausreichen. Und vielleicht kommen wir ja dann auch zu einer Regelung wie sie in Österreich stattgefunden hat. – Aus diesem Grund bedarf es an dieser Stelle keiner besonderen Initiative des Senates.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Ja, das stimmt!]

In diesem Jahr 2016 werden Fachgespräche der drei zuständigen Senatsverwaltungen Arbeit/Integration/ Frauen, Justiz/Verbraucherschutz und Bildung/Jugend/Wissenschaft stattfinden, um einerseits die bestehenden Maßnahmen zur Bekämpfung von Cybergewalt abzustimmen und andererseits mögliche Lücken aufzuzeigen sowie Lösungsvorschläge zu erarbeiten.

Wir können zusammenfassend feststellen, dass sich bereits mehrere Senatsverwaltungen in den jeweiligen Ressorts aktiv mit Cybergewalt auseinandersetzen und dagegen vorgehen. In Berlin bestehen bereits verschiedene Beratungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Was die Berliner Politik hier tun kann, geschieht also offensichtlich. – Der Antrag in der vorliegenden Form erweist sich somit als entbehrlich, was die ablehnenden Beschlussempfehlungen auch verdeutlichen. Meine Fraktion wird sich diesen anschließen. – Vielen Dank!

[Benedikt Lux (GRÜNE): Stimmen Sie jetzt zu? – Anja Kofbinger (GRÜNE): Ist das so schlecht? – Beifall bei der CDU]

Danke, Frau Kollegin! – Für die Piratenfraktion hat jetzt der Kollege Kowalewski das Wort.

Geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es hier mit einem Antrag zu tun, der mit ungewöhnlicher Geschwindigkeit den parlamentarischen Gang hinter sich gebracht hat.

[Michael Dietmann (CDU): Durchgepeitscht wurde der!]

Die erste Lesung war am 24. September 2015 – wohlgemerkt. Aber der Antrag ist ja auch dringend. In den letzten vier Monaten, also seit wir zum ersten Mal über diesen Antrag gesprochen haben, haben wir erlebt, wie HateSpeech in den sozialen Medien das unerträgliche Maß, das wir bereits bei der ersten Lesung angesprochen hatten, noch weit überstiegen hat.

Ich habe zwei kleine Beispiele von gestern mitgebracht: Eine ARD-Korrespondentin hat in einer Kneipe antisemitische Morddrohungen erlebt. Als sie im Fernsehen darüber sprach, überschlugen sich im Internet die Kommentare von zwei Seiten: von den üblichen deutschen Antisemiten und von denen, die behaupteten, es gebe gar keinen Antisemitismus in Deutschland, und dieser Vorfall sei – natürlich falsch! – irgendwelchen Zuwanderern zuzuordnen. – Oder auch die Sprecherin von „Moabit hilft!“, also der Organisation, die sich auch gegen den Widerstand des LAGeSo dafür einsetzt, dass die Menschen, die dort tage- und wochenlang warten müssen, eben überleben können. Sie hatte sich auf ein Posting eines bislang sehr gewissenhaften Helfers verlassen, der scheinbar in seiner Überforderung einen missglückten Hilferuf abgegeben hat. Jetzt wird sie ebenfalls von Mobbing von verschiedensten Seiten, manche davon sogar hier auf der Regierungsbank, überzogen. – An wen sollen sich eigentlich diese Frauen wenden?

[Michael Dietmann (CDU): Peinlich, peinlich!]

Die Frage, die sich viele von Ihnen jetzt vielleicht stellen, ist aber vermutlich eher: Warum bringt der Kowalewski jetzt gerade diese beiden Beispiele? – Ich wollte damit zum Abschluss der Beratung dieses Antrags noch auf einen Punkt hinweisen, den die Kollegin Czyborra schon angerissen hat: Das sogenannte Cybermobbing passiert meist nicht nur im Internet. Es hat oft Wurzeln im Offline-Leben. Es liegt an einer Gesellschaft, die in Zeiten von rassistischen und antisemitischen Aufmärschen längst jeden Anstand verloren hat. Es liegt an einer Gesellschaft von Antifeministinnen und Antifeministen, die sich zwar als Frauenrechtlerinnen und Frauenrechtler aufspielen, wenn es dazu dient, Frauen Verhaltensvorschriften zu machen, aber den Frauen, die in der Debatte eine ihnen nicht genehme Meinung einnehmen, gleich wünschen, Opfer einer Vergewaltigung zu werden.

Wir sind für diesen Antrag, weil er sinnvolle Maßnahmen zum Schutz vor Übergriffen im Internet enthält. Trotzdem sollten wir uns vor lauter Cyber-Cyber-Bingo nicht vormachen, dass wir eine kaputte Gesellschaft allein im Internet retten könnten. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Evrim Sommer (LINKE)]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Zu dem Antrag auf Drucksache 17/2455 empfiehlt der Rechtsausschuss mehrheitlich, gegen die Oppositionsfraktionen, die Ablehnung auch mit geändertem Berichtsdatum. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Grünen, die Piraten und eine Linke.

(Katrin Vogel)

[Evrim Sommer (LINKE): Hier alle! – Benedikt Lux (GRÜNE): Alle Linken haben zugestimmt!]

Gegenstimmen? – Die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? – Zweiteres war die Mehrheit, damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich komme zu

lfd. Nr. 10:

Neuorganisation der Ausländerbehörde

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 7. Dezember 2015 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 13. Januar 2016 Drucksache 17/2666

zum Antrag der Fraktion Die Linke und der Piratenfraktion Drucksache 17/2472

In der Beratung beginnt die Piratenfraktion. – Herr Kollege Reinhardt, bitte schön! Sie haben das Wort.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Wo ist denn der zuständige Senator?]

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen über einen Vorschlag für die Reform der Berliner Ausländerbehörde. Was ist der Grund für die Notwendigkeit des Antrags?

[Benedikt Lux (GRÜNE): Na, wer ist denn dafür zuständig? – Heidi Kosche (GRÜNE): Herr Kollege Lux möchte auf den Senator warten. – Elke Breitenbach (LINKE): Wer könnte denn dafür zuständig sein?]

Ich glaube, der Herr Kollege Lux möchte das zuständige Senatsmitglied herbeizitieren.

Wollen Sie das denn?

Ja, bitte!

Weiß jemand, wo der Innensenator ist? Dann warten wir einen Moment.

[Unruhe – Hakan Taş (LINKE): Er ist bei der UN-Konferenz in New York! – Zuruf von der LINKEN: Das ist Chefsache!]

Herr Reinhardt! Jetzt hört er Sie, jetzt können Sie fortfahren.

Herr Henkel! Willkommen bei uns, zum Thema Ausländerbehörde! Wir gehen natürlich alle stark davon aus, dass Sie das Thema genauso ernst nehmen wie IT-Fragen und Sport, wo Sie auch immer im Ausschuss sind.

[Heiterkeit von Heidi Kosche (GRÜNE) und Benedikt Lux (GRÜNE)]

Insofern fangen wir doch mal von vorne an. Die Ausländerbehörde ist zuständig für essenzielle Aufgaben in den Leben von Nichtdeutschen in dieser Stadt. Da geht es um Aufenthalt, um Arbeit, um Weiterbildung, um Studienzulassung. Der Koalitionsvertrag sagt an der Stelle auch relativ klar: Integration ist „eine wichtige Querschnittsaufgabe, die alle Politikbereiche umfasst.“ – „Genau!“, sage ich an der Stelle nur, und das betrifft natürlich auch die Kernaufgaben, die die Ausländerbehörde regelt. Dennoch werden Aufenthaltsfragen, auch die von mir beschriebenen Aufgabenbereiche, lediglich als Steuerungsaufgabe – so wie z. B. auch die Bürgerämter oder die Beantragung von Kfz-Kennzeichen – empfunden. Daher sind Aufenthaltsfragen bzw. der ganze Bereich Ausländerbehörde und auch der ganze Bereich Härtefallkommission z. B. Teil der Innenverwaltung. Die Innenverwaltung, die die Integration nicht unbedingt als Schwerpunktthema hat – und schon gar nicht unter unserem Möchtegern-Hardliner-Senator, der jetzt endlich zumindest im Raum ist. Die Eingliederung dieser Fragen in echte Integrationsbereiche ist sinnvoll. Das sieht z. B. auch Herr Senator Czaja so – der jetzt gerade nicht anwesend ist. Herr Senator Czaja sagte uns nämlich letzte Woche im Sozialausschuss und auch gestern wieder im Hauptausschuss, er könne sich gut vorstellen, dass die Zuständigkeiten für essentielle Integrationsbereiche, die jetzt gerade bei Frau Kolat liegen, aber auch Zuständigkeiten im Aufenthaltsbereich, die bei der Ausländerbehörde liegen, in Zukunft gemeinsam mit den Flüchtlingsfragen und der Unterbringung in einem gemeinsamen Landesamt untergebracht werden. Das wäre nach seiner Vision das heute beschlossene Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten, wo das momentan noch nicht drin ist, künftig aber so sein soll. – Das ist eine interessante Vision. Allerdings wäre das an einem unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft. Es ist also gut zu sehen, dass dort ein bisschen Bewegung in der Sache möglicherweise drin ist. Leider ist es noch zu wenig.

Wir haben in dieser Legislaturperiode fünf Jahre verloren, um die Ausländerbehörde und ihre Aufgaben sinnvoll umzugestalten, zu reformieren und in eine Art Willkommensbehörde umzugestalten bzw. das bei anderen Behörden einzugliedern. Wir fordern, diese Reform

(Präsident Ralf Wieland)

schneller zu machen, und deswegen haben wir im letzten Jahr diesen Antrag eingebracht, denn das Problem bleibt leider groß.

Beispiel 1, Ermessensspielräume: Die Ausländerbehörde hat leider den Fokus zu sehr auf hochqualifizierte Menschen, sogenannte High-Potentials. Diese werden anders behandelt als z. B. Menschen in prekärer Situation. Deswegen wäre es sinnvoll, wenn wir ausnutzen, dass die Behörde schnellstmöglich den Zugang zu sozialer und ökonomischer Teilhabe an der Gesellschaft in den Bereichen Arbeit und Hochschule gewährleistet und deswegen also ihre Ermessensspielräume auch stärker ausnutzt. – Das ist ein Teil der Forderung von uns.

Beispiel 2, Beirat: Die Ausländerbehörde hat nur sporadisch Kontakt zu verschiedenen NGOs aus den Bereichen, für die sie zuständig ist. Deswegen ist unsere Forderung, einen Beirat für die Ausländerbehörde aus Migrations- und Nichtregierungsorganisationen, Bezirken und Senatsverwaltung zu bilden, die den Prozess des weiteren Umbaus dann auch begleiten.

Beispiel 3, Beschwerdestelle: Das derzeitige Beschwerdemanagement wird den Anforderungen nicht gerecht. Lediglich ein geringer Teil der Beschwerden wird als berechtigt eingestuft, und meiner Auffassung nach liegt die Anzahl der Beschwerden auch daran, dass sich viele potenzielle Antragsteller eben keinen Erfolg versprechen und deswegen auch keine Anfrage stellen. Insofern gibt es da einen Verbesserungsbedarf in der Praxis, und daraus folgt die Notwendigkeit einer zentralen, unabhängigen Beschwerdestelle innerhalb bzw. an der Seite der Ausländerbehörde. Das wäre dann ein zentraler Bestandteil der serviceorientierten und kundenfreundlichen Ausrichtung einer neuorganisierten Ausländerbehörde. Diese Beschwerdestelle soll die Beschwerden natürlich nicht nur aufnehmen, sondern auch dokumentieren und ihnen nachgehen und die Ergebnisse dann jährlich in einem Bericht veröffentlichen.

Wir haben unsere Vorschläge auch finanziell unterfüttert: Wir haben dazu im Rahmen der Haushaltsberatung Vorschläge gemacht. Wir haben vorgeschlagen, dass man sich an dem gemeinsamen Kompetenz- und Dienstleistungszentrum auf dem Gebiet der polizeilichen Kommunikationsüberwachung, also diesem Überwachungszentrum, einfach nicht beteiligt und dann die Mittel aus dem Kapitel 0543 unter anderem zur Gegenfinanzierung der Neuorganisation der Ausländerbehörde verwendet. Leider haben Sie das abgelehnt.

Wir haben noch ein Berichtsdatum neu eingefügt; das wäre dann der 1. April. Insofern ist der Antrag jetzt reif für die Abstimmung. Wir – in dem Fall die Linksfraktion und die Piratenfraktion – hoffen, dass wir diese wichtigen Neuorganisations- und Umsteuerungsaufgaben, die für so viele Menschen in Berlin essenziell sind, nicht auf die

nächste Legislaturperiode verschieben, sondern das noch heute final verabschieden. – Ich freue mich auf Ihre Zustimmung!

[Beifall bei den PIRATEN]

Danke schön, Herr Kollege! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kollege Zimmermann das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben sich sicher gesagt, Herr Reinhardt, die SPD-Fraktion hat ja vor einem Jahr auf ihrer Klausur beschlossen, die Ausländerbehörde zu qualifizieren. – Wir haben gemeinsam in der Koalition Schritte im Haushalt nachvollzogen, und jetzt kommen Sie mit einem Antrag, der das noch mal zusammenfasst. Aber leider ist Ihnen der Antrag komplett misslungen und kann uns hier nicht weiterhelfen. Sie sagen, die Ausländerbehörde müsse in die Ressortzuständigkeit der Integrationsverwaltung. Das haben wir auch mal angedacht. Wenn Sie das jetzt aber hier in einen Antrag schreiben und vom Abgeordnetenhaus beschlossen haben wollen, greifen Sie ein bisschen sehr stark in die Senatszuständigkeit ein, und da wird es schon sehr fragwürdig. Man kann das so nicht beschließen, und deswegen können wir den ersten Punkt schon mal gar nicht mitmachen.

Der zweite zeigt: Wenn Sie sagen, Ermessensspielräume voll ausschöpfen, immer zugunsten der Migranten oder der Ausländer, riecht das sehr nach Ermessensunterschreitung – so komisch das für Sie klingt. Aber wenn man eine solche Festlegung treffen würde, dass das immer in eine bestimmte Richtung an die Kante gehen muss, dann ist die Festlegung durch eine solche Weisung allzu starr. Das kann man wohl kaum machen; würden wir so nicht unterschreiben.

Einen Beirat einzurichten für einen weiteren Umbau der Ausländerbehörde – das wollen Sie haben. Aber welcher Umbau? Wo ist hier in Ihrem Antrag überhaupt ein Umbau beschrieben, außer dass Sie Ressortzuständigkeiten ändern wollen? – Sie haben keinen Umbau, sondern eine schrittweise Qualifizierung teilweise hier beschrieben, aber keinen organisatorischen Umbau. Deswegen kann ich nicht erkennen, wofür der Beirat da gut sein soll.

Und schließlich die Beschwerdestelle, Herr Reinhardt: Das ist deswegen schwierig, weil man schon aufpassen muss, diese Behörde nicht dauerhaft zu einem Objekt der Beschwerde zu machen und das geradezu zu zementieren, sondern sie systematisch zu qualifizieren und zu professionalisieren. Das ist genau das, was wir machen.