Protocol of the Session on January 14, 2016

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bayram! Die Drohung und die Polemik am Ende lasse ich völlig beiseite, weil sie meines Erachtens der Sache nicht gerecht wird.

Grundsätzlich halten wir es seitens der CDU-Fraktion für richtig, in der aktuellen Lage auch für unabdingbar, jede Möglichkeit zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern seriös auszuloten. Auch die Überlegung, dass dabei besonders an Personen mit dringendem Wohnbedarf zu denken ist, unterstützen wir. Selbstverständlich darf deshalb die Diskussion über eine wie auch immer geartete Nutzung von bisherigen Ferienwohnungen nicht vernachlässigt werden. Auf eine Festlegung auf valide Ferienwohnungszahlen möchte ich mich hier nicht einlassen; sind doch die Schätzungen des Bezirks Mitte sehr vage und müssten weiter durch Fakten belegt und diese dazu ermittelt werden. Dem steht ja nichts entgegen.

Illusionär aber scheint mir der Ansatz der Antragsteller, dass mit dem Einsatz der Ferienwohnungen fast alle Wohnprobleme auf einen Schlag gelöst wären, indem fast 70 000 Menschen – wenn man es aus der Antragsbegründung zusammenrechnet – untergebracht werden könnten. Sie alle wissen – vielleicht wissen es manche auch nicht –, dass Ferienwohnungen anders als normale Wohnungen voll ausgestattete Wohnbereiche sind. Sie unterliegen zum Beispiel mit Kücheneinrichtungen einer viel intensiveren und individuelleren Nutzung als Hostel- oder Hotelzimmer, weisen jedoch in aller Regel zum Beispiel keine Möglichkeiten zum intensiven Waschen, also Waschmaschinen, auf. Ferienwohnungen sind im Besonderen in den Stadtrandlagen häufig Einzelwohnungen oder werden in kleinster Zahl dort angeboten. Zugleich gibt es allerdings auch, da haben sie recht, mehr in den Innenstadtlagen, ganze ehemalige Wohnhäuser, die für Ferienwohnungen genutzt werden.

Nun wäre es meines Erachtens unklug, den nach Berlin kommenden Touristen das Angebot von Ferienwohnungen völlig zu nehmen, da dies eine in allen europäischen Hauptstädten gängige, häufig preiswertere Alternative zu teuren Hotelunterbringungen ist und wir auch weniger begüterten Berlininteressenten Quartiere anbieten sollten. Ein Anschreiben aller registrieren Anbieter von Eigentumswohnungen, mit dem Ziel, sie für eine freiwillige, längerfristige Vermietung an Flüchtlinge und Asylbewerber nach Ablauf der bisherigen Bewilligungsfrist ab 30. April 2016 oder aber durchaus schon vorher zu gewinnen, ist in unseren Augen durchaus sinnvoll. Eine für den Vermieter angemessene Miethöhe angesichts der Tatsache einer vorhandenen, aber auch, wie bereits angeführt, vorab zu vervollständigenden Komplettausstattung müsste dabei angeboten werden, ebenso wie eine entsprechende Haftungsabsicherung. Es sollten speziell bei einer Vereinzelung in Stadtrandlagen Begleitangebote an die betroffenen Mieter und Vermieter gemacht werden, um eine soziale Einbindung zu befördern und einer Vereinzelung entgegenzutreten.

Ob man bei denen, die sich bisher der Meldepflicht ihrer Ferienwohnung oder -wohnungen entzogen haben, auf Strafzahlungen verzichten sollte, wenn sie die Wohnung nunmehr für Flüchtlinge anböten, muss juristisch, aber auch politisch geprüft und bewertet werden. Ein solches Vorgehen würde diejenigen, so meine ich, die ihre Verfügung über Ferienwohnungen ordnungsgemäß angezeigt, die entsprechenden Formulare regelmäßig ausgefüllt und die fällige City-Tax pünktlich bezahlt haben, bestrafen,

[Canan Bayram (GRÜNE) meldet sich für eine Zwischenfrage.]

obwohl sie es waren, die sich gesetzeskonform verhalten haben. Auch ist die Frage zu beantworten, ob als – in Anführungsstrichen – Gegenleistung für einen eventuellen Strafzahlungserlass das alleinige dauerhafte Belegungsrecht durch den Staat juristisch haltbar sein wird.

(Canan Bayram)

Fazit: Wir werden dieses Thema im Ausschuss noch weiter zu behandeln haben, allerdings ohne dass dabei unnötig Zeit verlorengeht. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Kollege Krüger! – Die Kollegin Breitenbach erhält jetzt das Wort für eine Kurzintervention.

Lieber Herr Krüger! Was dann Strafe ist oder nicht, darüber können wir tatsächlich im Ausschuss reden. Aber noch mal: Erstens richten sich der Antrag und die Wohnungen an alle Menschen in Wohnungsnot; ich habe das aufgezählt. Dazu gehören geflüchtete Menschen und Obdachlose. Herr Krüger! Sie wissen, es gibt immer mehr Familien mit Kindern, für die es keine adäquate Unterbringung gibt. Dazu gehören die Frauen in den Frauenhäusern usw., um das noch mal klarzustellen.

Mich haben Ihre Aussagen über die Ferienwohnungen überrascht. Ferienwohnungen seien so aufgebaut, da gebe es keine Waschmaschinen. Herr Krüger! Haben Sie eine Vorstellung, wie es in den Turnhallen und Massenunterkünften aussieht? Dort gibt es nicht mal ausreichend Toiletten,

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

da gibt es nicht mal Duschen. Insofern ist natürlich eine Ferienwohnung eine ganz normale Wohnung, die irgendwann diesem Wohnungsmarkt entzogen wurde. Darin haben früher auch Menschen zur Miete gewohnt, die hatten natürlich auch einen gewissen Standard. Von daher ist es vernünftig in der Situation, in der diese Stadt ist. Und da herrschte übrigens auch immer Einigkeit, diese Ferienwohnungen zurückzuholen und dem Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen. Wir haben so viele Hotels und Hostels und Zimmer, die man hier mieten kann. Es wird den Tourismus dieser Stadt nicht zerstören. Ich finde nach wie vor, es war ein guter Vorschlag.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Danke schön! – Kollege Krüger will, wie ich sehe, antworten. Und dazu kriegt er auch das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich glaube, man muss sich doch schon mal klarmachen, dass es ein Unterschied ist, ob ein Tourist in diese Stadt kommt und in ein Hotel

oder in ein Hostelzimmer zieht oder aber sich eine Ferienwohnung mietet, weil er auf eine ganz andere Weise – mit eigenem Frühstück und eigenem Drumherum – diese Stadt erkunden will. Dieses Recht muss doch jedem Einzelnen gegeben werden, das gehört zu den Freiheiten. Deswegen habe ich nur gesagt, dass man an dieser Stelle keine Tabula rasa machen soll. Das ist das Eine.

[Canan Bayram (GRÜNE): Das hat auch keiner vorgeschlagen!]

Das Zweite: Ich habe ausdrücklich ausgeführt, dass wir anerkennen, dass es wichtig ist, Personen mit besonders dringendem Wohnbedarf – jetzt zitiere ich mich selbst – angemessenes Wohnen zu ermöglichen. Auch das ist doch überhaupt kein Dissens.

Aber wenn wir heute über die Ferienwohnungen reden, da muss man natürlich auch sagen, sie sind eben anders ausgestattet als eine normale Wohnung. Da wird dann auch ein anderer Preis fällig.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Was redet der denn da? – Canan Bayram (GRÜNE): Das ist immer noch billiger als die Massenunterbringung.]

Da wird dann auch die Notwendigkeit sein, dass der Vermieter nicht erst mal alles rausräumt, um Tabula rasa zu machen. Nein! Der hat das eben eingerichtet, und dann hat er auch ein gutes Recht, das so entsprechend zu vergeben. Und ich sage Ihnen, wenn Sie darauf nicht eingehen – können Sie ja alles machen –, dann findet der Eigentümer eine andere Form, die Wohnung vernünftig zu vermieten, und zwar völlig gesetzeskonform. Und dann haben Sie nichts erreicht.

[Beifall bei der CDU – Canan Bayram (GRÜNE): Der hört ja auch nicht mehr so gut.]

Vielen Dank! – Jetzt hat aber der Kollege Reinhardt von der Piratenfraktion das Wort. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Die Unterbringung ist eine elementare Aufgabe zur Versorgung und Integration von geflüchteten Menschen. Aber nicht nur die Zahlen, sondern auch die Qualität der Unterbringung ist wichtig. Dazu ist eben auch diese dezentrale Form der Unterbringung – und ich hoffe, da sind wir uns immer noch alle einig –

[Uwe Doering (LINKE): Nein, sind wir uns nicht!]

weiterhin elementar wichtig.

Leider werden Großeinrichtungen mittlerweile als Unterbringung immer mehr zur einzigen Realität in Berlin.

(Joachim Krüger)

Noch 2010 hatten wir 85 Prozent aller Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Berlin in Wohnungen. Mittlerweile dürfte sich das ziemlich genau ins Gegenteil verkehrt haben. Die Zahl von 2014 ist dann schon runtergegangen auf 57 Prozent. In Rheinland-Pfalz waren es damals, zum Vergleich, noch über 90 Prozent. Und auch wenn Sie jetzt sagen, na ja gut, aber es geht ja hier um Flächenländer und Stadtstaaten: Auch in Bremen und Hamburg waren es damals 64 Prozent und 71 Prozent, also immerhin 15 Prozent mehr als in Berlin. Sie sehen, da ist Nachholbedarf.

Jetzt würde ich sozusagen mit Verlaub und mit Erlaubnis des Präsidenten noch mal den Flüchtlingsrat zitieren, vom 4. Januar, der ein Statement rausgegeben hat, das sehr deutlich ist:

Der Berliner Senat

insgesamt werden mehrere Institutionen aufgezählt, auch Bürgermeister Müller und Senator Czaja –

... scheinen derzeit Alternativen zur Unterbringung in Wohnungen zu sabotieren und allein auf Massenunterkünfte zu setzen. Sie schaffen mit der Massenunterbringung auf unabsehbare Zeit ein Symbol der Ausgrenzung und große Probleme bei der Inklusion der Geflüchteten in die Gesellschaft. Wir fordern den Senat auf, stattdessen mit allen verfügbaren Mitteln das private Wohnen in normalen Mietwohnungen zu unterstützen. Der Abgang asylsuchender und anerkannter Flüchtlinge aus den Lagern in Wohnungen muss gezielt unterstützt und systematisch gefördert werden.

[Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

Ich kann mich dem nur zu 100 Prozent anschließen. Der Flüchtlingsrat bringt das Problem, die Situation und die entsprechenden Forderungen in angemessener Weise auf den Tisch.

Allerdings scheint es eigentlich gar keinen richtigen Dissens zu geben. Heute Morgen hat man den Regierenden Bürgermeister Müller noch im Radio gehört mit der Aussage, Großeinrichtungen sollen die Ausnahme sein. Gleichzeitig ist der Herr Bürgermeister auch genau die Person, die maßgeblich an dem Vorantreiben beteiligt ist, dass nun noch mehr Menschen z. B. in der Großeinrichtung auf dem Tempelhofer Feld untergebracht werden. Das letzte Konzept, letzte Woche vorgestellt, sieht immerhin – nur noch, muss man schon fast sagen –, aber immerhin noch 7 000 Menschen vor. Ein richtiges Konzept gibt es immer noch nicht. Es ist mittlerweile eine richtige Ghettoisierung auch im Schulbereich vorgesehen mit einer eigenen Flüchtlingsschule. Und, wie wir eben schon anhand der verschiedenen Darstellungen gehört haben, schürt das offensichtlich verschiedene Konflikte, die wir zuweilen auch in den Berliner Großeinrichtungen gesehen haben.

Auch die weiteren Initiativen und öffentlichen Diskussionen des Senats gehen leider in die Richtung, dass nur noch Großeinrichtungen wirklich ernsthaft diskutiert werden, sei es ICC, ehemalige Stasi-Zentrale oder, oder. Von Wohnungen hört man so gut wie nichts. Wir als Fraktion haben dazu schon mehrfach Vorschläge gemacht, beispielsweise zur Stärkung der Position der Flüchtlinge auf dem Wohnungsmarkt. Da ging es z. B. um die Verkürzung und Vereinfachung des Verfahrens am LAGeSo. Es geht natürlich auch um die Frage, wie die Nutzung von Wohnberechtigungsscheinen für Geflüchtete ermöglicht wird. Es geht auch um die Ausnahmen bei der Zwangsmassenunterbringung in den mittlerweile ersten sechs Monaten. Das sind alles Punkte, die wir hier weiterhin diskutieren sollten.

Aber es geht natürlich auch um das, was hier der Fokus des Antrags ist, nämlich um die direkte Vermittlung und Zuweisung von Wohnungen über das Land Berlin, z. B. durch die Verbesserung des Vermittlungs- und Beratungsangebots, durch die Ausweitung der Kontingente, aber auch um die Nutzung von freistehenden Immobilien oder illegaler Ferienwohnungen. Und diese Idee – also vom Prozess her –, mit den Vermieterinnen und Vermietern in Verhandlung zu treten und die Aussetzung der Geldbuße zu verfügen, wenn diese sich bereit erklären, den Wohnraum unbefristet an Geflüchtete und andere Menschen in Wohnungsnot zu vermieten, ist sympathisch, ist sinnvoll und geht auch in die Richtung, die wir schon länger fordern. Denn Vermieterinnen und Vermieter haben durchaus auch eine soziale Verantwortung, und ich finde, da sollte man nicht nur auf das Grundgesetz, sondern ruhig auch auf die Berliner Verfassung verweisen, denn auch dort ist ein Recht auf Wohnraum verankert, und das sieht meiner Ansicht nach auch einen angemessenen Wohnraum vor.

Insofern geht der Antrag tatsächlich in die richtige Richtung, und ich denke, dass wir hier schnell vorankommen sollten. Ich freue mich über die Kompromissbereitschaft, die von den verschiedenen Seiten schon signalisiert wurde, und würde davon Abstand nehmen, dass wir jetzt hier in ein Klein-Klein über das Recht, sich als Tourist in der Stadt zu bewegen, diskutieren. Das halte ich für etwas, das man nicht extra diskutieren muss. Ebenso halte ich es auch für sinnvoll, davon Abstand zu nehmen, jetzt noch lang und breit Anhörungen in den Ausschüssen durchzuführen. Wenn es hier Kompromissbereitschaft gibt, wie das hier eben angeklungen ist, dann sollten wir schnell machen, dann sollte hier klar von der Koalition auf den Tisch, was Ihre konkreten Vorschläge sind, und dann sollten wir das auch schnell und zügig umsetzen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Kollege Reinhardt! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und mitberatend an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr und an den Hauptausschuss empfohlen. Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.4:

Priorität der Piratenfraktion

Tagesordnungspunkt 18

Netzneutralität in Berlin sicherstellen – Konzept für eine öffentliche Netzgesellschaft vorlegen!

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/2641

In der Beratung beginnt die Piratenfraktion, und ich erteile dem Kollegen Dr. Weiß das Wort. – Bitte schön!