Protocol of the Session on January 14, 2016

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Regina Kittler (LINKE) und Stefanie Remlinger (GRÜNE)]

Vielen Dank, Kollege Delius! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Ich lasse jetzt zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke zu a, das ist die Drucksache 17/1920-1, abstimmen. Wer also dem Änderungsantrag der Fraktion Die Linke zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind Die Linke, die Grünen und vollständig die Piraten. Wer ist dagegen? – Das sind vollständig die Regierungsfraktionen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Jetzt kommen wir zum Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/1920. Hier empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich – gegen die Oppositionsfraktionen – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Ich denke, das dürfte dasselbe sein wie eben: Linke, Grüne und auch Piraten komplett. Wer ist dagegen? – Das sind die Regierungsfraktionen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Jetzt kommen wir zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2300. Hier empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich – gegen die Oppositionsfraktionen – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Spiegelbildlich: Linke, Grüne und auch Piraten komplett. Wer ist dagegen? – Das sind die Regierungsfraktionen. Enthaltungen? – Sehe ich nicht! Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt. Der fraktionslose Kollege ist nicht im Raum.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.3:

Priorität der Fraktion Die Linke

Ferienwohnungen zur dezentralen Unterbringung von Geflüchteten und Menschen in Wohnungsnot nutzen

Dringlicher Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/2656

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke, und die Kollegin Breitenbach erhält das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Immer mehr Menschen in dieser Stadt sind von Wohnungslosigkeit bedroht, oder sie sind schon wohnungslos, unter ihnen zunehmend Familien und Frauen mit Kindern. Viele der geflüchteten Menschen, die eigentlich aus den Gemeinschafts- und den Notunterkünften ausziehen könnten,

(Martin Delius)

finden keine Wohnungen. Und weitere Menschen, die in Gemeinschaftsunterkünften leben – wie z. B. Frauen in Frauenhäusern und junge Erwachsene in Einrichtungen der Jugendhilfe –, suchen vergeblich Wohnraum. Diese Situation ist nicht länger hinnehmbar. Der Senat muss endlich handeln.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Deshalb haben wir Ihnen heute einen Antrag vorgelegt, der aufzeigt, wie mehr Wohnraum für diese Menschen mobilisiert werden kann. Dabei geht es uns um die Ferienwohnungen, die ja allenthalben von allen beklagt werden. Nach Schätzungen des Stadtrats Dassel aus Mitte werden in Berlin rund 23 000 Ferienwohnungen angeboten – die meisten illegal. Die durchschnittliche Größe einer Ferienwohnung beträgt rund 70 Quadratmeter. Wenn man die Mindestanforderung an die Quadratmeterzahl für eine Person – das sind 9 Quadratmeter – zugrunde legt, könnte man dort 60 000 Flüchtlinge und 8 000 Obdachlose unterbringen.

[Beifall bei der LINKEN]

Wir reden hier also nicht von Peanuts, sondern wir reden über rund 1,6 Millionen Quadratmeter Wohnraum.

Wie soll das passieren? – Wir schlagen vor, dass der Senat so schnell wie möglich Kontakt zu den Vermieterinnen und Vermietern der angemeldeten Ferienwohnungen aufnimmt und mit ihnen verhandelt. Die Kontaktdaten liegen vor. Das ist eine einfache Sache. Kurz: Der Senat, die Bezirksämter, aber auch andere Behörden sollen Mietverträge für die Ferienwohnungen abschließen, um dort die vorher genannten Menschen unterzubringen – für eine angemessene Miete natürlich. Diese Mietverträge sollen zeitlich befristet sein, weil bis Ende April der Bestandsschutz gilt. Und nach April läuft alles, wie im Gesetz vorgesehen. Entweder werden die Wohnungen sofort dem Wohnungsmarkt zur Verfügung gestellt, oder es muss über den Antrag auf Zweckentfremdung entschieden werden.

Dann kommen wir zu den Vermieterinnen und Vermietern der nicht gemeldeten Ferienwohnungen – also der illegalen Ferienwohnungen. Die müssen jetzt mit einer Geldbuße von bis zu 50 000 Euro rechnen. Wir wollen ihnen den Weg in die Legalität erleichtern und sagen: Wenn sie sich bereit erklären, ihre Ferienwohnungen unbefristet für geflüchtete Menschen und für andere Menschen in Wohnungsnot zu vermieten, dann wird dieses Bußgeld ausgesetzt.

Der Antrag zeigt, dass sich weiterer Wohnraum gewinnen lässt, und zwar relativ schnell. Wir brauchen keine Massenunterkünfte für geflüchtete Menschen in Containern, in Turnhallen, in Hangars, in Messehallen oder ehemaligen Kaufhäusern, in denen diese Menschen unter erbärmlichen Bedingungen leben müssen. Wir brauchen auch nicht immer mehr ASOG-Unterkünfte für Menschen, die

von Wohnungslosigkeit bedroht sind bzw. wohnungslos sind. Und wir brauchen auch keine Beschlagnahmungen von irgendwelchen Lagerhallen, um weitere und immer größere Massenunterkünfte herzurichten. Wir brauchen endlich Wohnraum für Flüchtlinge und für Menschen in Wohnungsnot.

Wir haben Ihnen einen sehr konkreten Vorschlag gemacht, und ich bitte darum, dass Sie diesem Antrag zustimmen, denn dann muss dieser Senat endlich mal handeln und sich von seinem Konzept der Massenunterkünfte und der menschenunwürdigen Unterbringung verabschieden.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Danke schön! – Für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt das Wort der Kollegin Radziwill. – Bitte sehr!

[Canan Bayram (GRÜNE): Kurze Rede: Einfach ja!]

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Liebe Kollegin Frau Breitenbach! Auch Ferienwohnungen zur dezentralen Unterbringung von Geflüchteten und Menschen in Wohnungsnot zu nutzen, ist sinnvoll, und grundsätzlich begrüße ich das. Es ist auch keine neue Idee, denn wir haben dieses Thema schon des Öfteren im Sozialausschuss beraten. Die aktuelle Wohnraumversorgungssituation ist besonders für geflüchtete Menschen, aber auch für einige weitere Gruppen in der Stadt in der Tat schwierig. Der Senat sucht intensiv nach Möglichkeiten, sie so schnell wie möglich aus den Notunterkünften in geeignete Gemeinschaftsunterkünfte und natürlich auch in eigenen Wohnungen unterzubringen, denn es muss schon das Ziel sein, sie aus diesen aktuell und übergangsweise notwendigen Notunterkünften herauszuholen.

Heute in der Fragestunde hat Senator Geisel auch den aktuellen Umsetzungsstand bei den modularen Unterbringungsbauten gegeben. An rund 60 Standorten – mit 240 bis 500 Einheiten – werden insbesondere durch die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften modulare Wohneinheiten entstehen. Das ist gut, das ist sinnvoll, das ist notwendig, und das wird vom Senat auch zügig umgesetzt.

Die Sozialverwaltung teilte mir heute mit, dass die zuständigen Träger von Januar bis November 2015 1 829 geflüchteten Menschen in Wohnungen vermittelt haben, und sie geht davon aus, dass rund 10 000 geflüchtete Menschen bereits in eigenen Wohnungen wohnen. Sie sehen daran, dass die Vermittlung in Wohnungen durchaus unterstützt wird. Die Antragsidee ist, wie gesagt,

(Elke Breitenbach)

nicht neu. Auch die zuständigen Senatsstellen recherchieren bzw. prüfen, ob das umsetzbar ist. Auch viele Bezirke haben diese Möglichkeit im Blick und werden auch schon aktuell von Vermietern von Ferienwohnungen angefragt. Und in der heutigen Fragestunde hat Senator Geisel auf eine Frage von Frau Lompscher gesagt, dass er es, wo immer es möglich ist, gut findet: Leerstehende Wohnungen müssen, wenn auch nur übergangsweise, für dringend eine Wohnung Suchende genutzt werden. – Er wies auf die Arbeitsgruppen in den Senatsverwaltungen hin. Es gibt z. B. im Berliner Koordinierungsstab Flüchtlingsmanagement eine Arbeitsgruppe für die Versorgung mit Wohnraum.

Hier bei dem Antragsanliegen sehe ich sehr wohl den Tatbestand des öffentlichen Interesses erfüllt, und nach dem Zweckentfremdungsverbotsgesetz kann es aus meiner Sicht auch umgesetzt werden. Ziel muss es sein, dass eine gemeinsame Linie zwischen Senat und den Bezirken und unter den Bezirken verabredet wird. Die Anträge auf Ausnahmegenehmigungen werden bei den zuständigen Bezirksämtern gestellt, und dabei ist ein einheitliches Vorgehen der Bezirke dringend notwendig und sinnvoll. Hier sehe ich aber auch gute Möglichkeiten, eine Einigung vorzubereiten.

Die zuständigen Stellen in den Bezirken müssen streng nach der geltenden AV Wohnen und nach dem Berliner Mietspiegel die Mieten vereinbaren. Überteuerte und überhöhte Mietvorstellungen der Vermieterseite können und dürfen nicht berücksichtigt werden. Hier ist auch das öffentliche Interesse sehr groß. Sinnvoll ist auch eine längerfristige Vermietung. Das ist sinnvoll für die Betroffenen, das ist sinnvoll für eine schnellere Integration und die Unterstützung der Integration. Gerade für Familien – Familien mit Kindern – ist ein häufiger Umzug, wenn sie auch noch längere Fluchterfahrung haben, nicht angebracht und sehr schwierig.

Für uns ist die aktuelle Unterbringung in den Notunterkünften nur eine übergangsweise notwendige Situation. Die Koalition unterstützt den Senat in seinen Bestrebungen, für diese Menschen zügig bessere und weitergehende Unterbringungsmöglichkeiten zu organisieren. Wir werden diesen Antrag in den zuständigen Ausschüssen beraten und uns auch den aktuellen Stand der Beratungen und Vorbereitungen des Senats und der Rücksprache mit den Bezirken darstellen lassen. Ich bitte nun um die Überweisung in die zuständigen Ausschüsse und sehe sehr wohl Möglichkeiten, hier zu einem Konsens zu kommen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Kollegin Radziwill! – Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Bayram als Rednerin benannt, und ich erteile ihr das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Idee – das hat Frau Radziwill schon gesagt –, Ferienwohnungen für Geflüchtete und für Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind, zu nutzen, ist nicht neu. Die wurde von der Bezirksbürgermeisterin des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann, aufgeworfen. Sie wurde auch vom Bezirksstadtrat in Mitte, Stephan von Dassel, aufgeworfen. Das macht schon deutlich, dass es dort ein großes Potenzial gibt. Ich will die Zahlen nicht wiederholen, die die Kollegin Breitenbach hier vorgestellt hat, aber wenn man diese Zahlen hört, fragt man sich: Wem gehört eigentlich diese Stadt, und warum können Geflüchtete, aber auch von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen nicht in Wohnungen untergebracht werden? Warum werden sie in Lagern gehalten? Ob es große oder kleine Lager sind, macht da keinen Unterschied.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Für uns, Bündnis 90/Die Grünen, steht fest: Geflüchtete in Wohnungen dezentral unterzubringen, ist nicht nur human, menschenwürdig, es fördert Integration, und unter dem Strich ist es sogar günstiger. Es erschwert Geschäftemachern, sich auf dem Rücken von Geflüchteten zu bereichern. Das sind viele gute Argumente, sodass sich tatsächlich die Frage stellt: Warum wird es eigentlich nicht gemacht?

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Frau Radziwill scheint das gerade mit dem zuständigen Senator zu klären. Man kann nur hoffen, dass sie das Ohr von Herr Czaja erreicht, denn wir von der Opposition haben schon häufiger versucht, an das Ohr des Sozialsenators zu gelangen. – Mein Eindruck, der sich auch sonst schon mal einstellt, ist, dass der CDU Eigentum und auch Geldverdienen so heilig sind, dass sie dabei vergessen zu lesen, dass in der Verfassung auch steht, dass Eigentum verpflichtet, und es bei der CDU keine Beachtung findet. Deswegen können wir gespannt sein, was die Koalitionsfraktionen in der Ausschussbesprechung inhaltlich vortragen werden, wie es gelingen kann. Da würde sich auch die Frage aufdrängen – gestern war Senatsklausur –, warum wir heute nicht ein Papier dazu haben. Das hätte man auch ins Konzept schreiben können.

[Ülker Radziwill (SPD): Hätte man machen können!]

Zumindest müssten Sie sich dann bei uns dafür bedanken, aber vor dem Dank steht die Umsetzung. Das heißt: Machen Sie es, dann helfen wir mit!

Ehrlich gesagt, der Antrag der Linken ist sehr freundlich im Ton. Der sagt halt, was geht und was nicht geht, und er macht deutlich: Es ist eine Brücke, die denen angeboten wird, die nach der Frist, die abläuft, Gefahr laufen, dass die Nutzung ihrer Ferienwohnung in die Illegalität fällt. Es soll ermöglicht werden, dass, statt eine hohe

(Ülker Radziwill)

Geldstrafe zu zahlen, die Wohnung dem Bedarf des Gemeinwohls aller Berlinerinnen und Berliner zugeführt wird. Das heißt, die ständige Unterbringung von Geflüchteten in der illegalen Ferienwohnung schützt vor Strafe. Das hat den schönen Aspekt, dass man die Leute davor schützt, sich strafbar zu machen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Das Wesentliche zu dem Thema ist gesagt. Deswegen bin ich der Meinung – wenn wir einer Ansicht sind, dass man das alles machen kann –, dass wir es heute gleich hätten abstimmen können. Meine Befürchtung allein ist, und ich werde in der Runde daran anknüpfen und es aufgreifen, wenn Sie unseren Antrag im Ausschuss abgelehnt haben und wir dann hier darüber diskutieren, warum die Koalition sich wieder nicht einigen kann und unfähig ist, eine menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten zu organisieren: Wir werden dann darüber reden, dass außer einer Diskussion im Ausschuss nichts dabei herumgekommen ist, und um dem vorzubeugen, Frau Kollegin Radziwill, würde ich mich freuen, wenn es Ihnen heute zumindest gelingt zu sagen: Ja, wir werden auch die Bezirke im Ausschuss dazu holen, wenn wir darüber beraten –, denn die nächste Stufe, mit der wir uns auseinandersetzen werden müssen, ist, wer die Geflüchteten unterbringt, denn die Zuständigkeit der Bezirke wird immer stärker und wird sich im März zuspitzen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Bayram! – Jetzt folgt der Kollege Krüger, dem ich das Wort für die CDU-Fraktion erteile. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bayram! Die Drohung und die Polemik am Ende lasse ich völlig beiseite, weil sie meines Erachtens der Sache nicht gerecht wird.