Ich eröffne damit die Generalaussprache mit einer Richtredezeit von ca. 30 Minuten pro Fraktion und rufe hierzu auch den Einzelplan 03 – Regierender Bürgermeister – ohne die Kapitel „Kulturelle Angelegenheiten“, dies sind 0310, 0312, 0313, 0314, 0319 und 0320, auf. Wir beziehen auch die Empfehlungen zu diesem Einzelplan gemäß Drucksache 17/2600 sowie den Auflagenbeschlüssen des Hauptausschusses Nummern 33 und 36 bis 38 ein.
Damit kommen wir zur Runde der Fraktionsvorsitzenden, und es beginnt die Fraktion der SPD. – Herr Kollege Saleh, bitte schön! Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir standen in diesen Haushaltsberatungen vor der Frage, ob wir auf die wachsende Stadt nur reagieren oder ob wir darüber hinaus diese Stadt gestalten. Wir haben uns für einen echten Gestaltungshaushalt entschieden,
Wir machen das, weil wir eine klare Vorstellung von Berlin haben. Wir wollen eine weltoffene Metropole sein, die sich nicht spalten lässt. Keine Spaltung in Arm und Reich, keine Spaltung in wohlhabende, gentrifizierte und abgehängte Kieze, und keine Spaltung in Alt- oder Neuberliner! Wenn Berlin etwas auszeichnet, dann ist es das, dass alle Platz haben in dieser Stadt mit ihrer Geschichte, mit ihrer Art zu leben, mit ihren Fähigkeiten und Interessen, mit ihren Weltanschauungen oder Religionen.
Berlin ist aber kein Idyll. Berlin ist eine Metropole am Scheideweg. Viele Berlinerinnen und Berliner haben Angst, dass sie sich ihre Stadt bald nicht mehr leisten können. Wir wollen eine Stadt, die wirtschaftlich stark ist und in der ein soziales Miteinander bestimmend ist, eine
Die Stimmung in der Bevölkerung gegenüber der Politik ist oft sehr kritisch. Viele Leute sagen mir: Sonst war nie Geld da, z. B. für Schulsanierungen oder Straßenbau, –
Wohnungsbau oder Personal, und jetzt, für die Flüchtlingskrise, gebt ihr Politiker plötzlich das Geld aus! – Und auf diese Fragen geben wir die Antwort: Wie beweisen mit diesem Haushalt, dass durch die Flüchtlingskrise niemandem etwas weggenommen wird. Wir beweisen, dass wir Politik für die ganze Stadt machen. Wir kümmern uns um Kitas und Schulen. Wir schieben den Wohnungsbau massiv an. Wir stärken die Sicherheit. Wir investieren in Berlins Wirtschaft. Diese Politik ist im Interesse aller Gruppen in Berlin, und das ist genau das, was diese Stadtgesellschaft im Moment am dringendsten braucht.
Berlin wird in den nächsten zwei Jahren insgesamt 140 Millionen Euro für neue Kitaplätze ausgeben. Das ist ein finanzieller Kraftakt und ein strategischer Schwerpunkt unserer Haushaltspolitik, den niemand übersehen kann. Unser Ziel als SPD-Fraktion ist: Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz darf nicht nur auf dem Papier stehen. Wir wollen und werden alles dafür tun, dass alle Eltern einen Kitaplatz für ihre Kinder finden.
Kinder lernen im Umgang mit anderen Kindern. Sie lernen die deutsche Sprache, auch wenn Mama oder Papa aus einem anderen Land gekommen sind. Sie lernen den sozialen Umgang, und sie sollen teilhaben an den Chancen, die unsere Gesellschaft bietet. Deshalb investieren wir so viel Geld in die Kitas in Berlin. Deshalb wächst dieser Bereich so stark wie sonst kein anderer Politikbereich. Es ist eine Frage von Gerechtigkeit und Anstand, dass wir unseren Kindern diese Chancen geben.
Wir werden in diesem Haushalt schrittweise 49 Millionen Euro mehr ausgeben, damit es in den Kitas mehr Personal gibt und der Betreuungsschlüssel verbessert wird. Die Erzieherinnen und Erzieher leisten in Berlin einen extrem harten Job. Wissen Sie, meine Frau und ich, wir sind Eltern von Zwillingen, und abends sind wir manchmal so erschöpft, und das bei einem Betreuungsschlüssel von eins zu eins. Wir wissen also, wovon wir reden. Die Berliner Kitas haben im Bereich der unter Dreijährigen einen schlechteren Betreuungsschlüssel als die anderen Bundesländer. Dieser Zustand ist im Interesse der Erzieherinnen und Erzieher und der Kinder nicht akzeptabel, und deshalb werden wir das verändern. Wir werden den Betreuungsschlüssel bei den Krippenkindern senken.
Wir schaffen mehr Kitaplätze, wir senken den Betreuungsschlüssel, und wir werden zugleich die Familien entlasten. Ja, wir werden die Kitagebühren für die unter dreijährigen Kinder Schritt für Schritt abschaffen. Die Entlastung der Eltern kostet 40,5 Millionen Euro. Bei einem Haushalt von 25 Milliarden Euro sind das 0,16 Prozent des Haushalts.
Wer da von falschen Prioritäten spricht, hat von gestaltender Finanzpolitik wirklich nichts verstanden.
Unser Schritt ist sozial gerecht, denn in einer gerechten Gesellschaft ist Bildung kostenfrei, und das von der Kita bis zur Uni. Nehmen wir als Beispiel eine junge Familie. Nehmen wir an, die Mutter arbeitet als Verkäuferin, der Vater vielleicht im Wachschutz. Beide arbeiten Vollzeit. Beide verdienen exakt den heute gültigen Mindestlohn von 8,50 Euro. Sie verdienen womöglich so wenig, dass sie Wohngeld bekommen. Ihr Verdienst ist so gering, dass sie keine Einkommensteuer zahlen. Diese Familie soll für einen Krippenplatz 105 Euro netto zahlen, Monat für Monat. Und wenn dieses Pärchen dann die „Abendschau“ guckt, dann sehen sie Herrn Esser von den Grünen.
Und Herr Esser sagt dann mit lächelndem Gesicht in die Kamera: Die Abschaffung der Krippengebühren nutzt den Besserverdienenden.
Wer Mindestlohn verdient, ist nach Logik der Grünen ein Besserverdienender. Ich hoffe, dass an diesem Abend ganz viele Berlinerinnen und Berlin die „Abendschau“
gesehen haben, denn wer so redet, hat sich von der sozialen Realität in dieser Stadt völlig entkoppelt!
Eigentlich hätte die Idee, die Krippenbeiträge abzuschaffen, von Ihnen kommen müssen. Alle Kitagebühren sind „unsozial“ und „eine Erfindung des Westens“.
Gegen beides müssten Sie eigentlich sein. Stattdessen muss die SPD-Fraktion den Job der Linkspartei übernehmen.
Herr Wolf! Sie hatten als eine Reaktion auf unseren Kompromiss von einem „persönlichen Steckenpferd“ und von „falschen Prioritäten“ gesprochen.
Bitte, seien Sie ehrlich! Erzählen Sie es nächstes Jahr im Sommer an allen Infoständen: Die Linkspartei möchte die Krippengebühren erhalten. – Bitte sagen Sie es allen, gerade im Ostteil der Stadt: Die Abschaffung der Kitagebühren war eine verrückte Idee von Saleh. – Bitte machen Sie es! Ich schicke Ihnen gerne von mir ein Foto für Ihre Plakate und Ihre Flyer.