Das Geld wäre auch gut in Jugendfreizeiteinrichtungen aufgehoben. Die Jugendämter sind so ausgedünnt, dass sie mit dem Hissen von weißen Fahnen gar nicht mehr nachkommen und ständig wegen Überlastung schließen müssen, z. B. in Mitte. Trotz wachsender Aufgaben sieht auch hier Ihr Haushalt keine spürbaren Verbesserungen vor.
Die Situation der nach Berlin geflohenen Kinder und Jugendlichen ist erschreckend. Unbegleitete Minderjährige warten monatelang auf Registrierung, Beschulung und Ausbildung – das ist der Fakt –, vor allem aber auch auf einen Vormund, der sie unterstützt. Aber auch die Situation der Kinder und Jugendlichen, die mit ihren Familien nach Berlin geflohen sind, ist katastrophal. Die Verhältnisse in den Notunterbringungen sind kindeswohlgefährdend. Dort erleben Kinder teilweise auch wieder Gewalt. So kann es nicht bleiben. Ein schneller Zugang zu Kita- und Schulplätzen ist nicht gewährleistet. Wenn es eine Betreuung gibt, wird sie von den Ehrenamtlichen organisiert. Das geht gar nicht. Der Staat versagt.
Berlin wächst, und die Kinder und Jugendlichen sind die Zukunft der Stadt. Mit den Weichenstellungen im Haushalt entscheiden auch Sie, ob Berlin rechtzeitig und ausreichend dafür sorgt, dass alle Kinder und Jugendlichen gute Chancen zur Entfaltung ihrer Fähigkeiten haben. Mit diesem Haushalt tun Sie das nicht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Doppelhaushalt, den wir heute verabschieden werden, kommt ohne neue Kredite aus und ist auch aus diesem Grund ein generationengerechter Haushalt. Damit wird fortgesetzt, was die rot-schwarze Koalition schon seit Beginn – seit die Union an der Regierung beteiligt ist – schafft: keine neuen Schulden, kein Wirtschaften auf Kosten nachfolgender Generationen, sondern der immense Schuldenberg des Landes Berlin wird Stück für Stück abgetragen. Das ist gut für alle Berlinerinnen und Berliner, am besten für die jüngsten,
da wir dafür sorgen, dass sie mit weniger finanziellen Altlasten zu tun haben werden. Und wir investieren er
Priorität hat für die rot-schwarze Koalition die weitere Erhöhung der Zahl der Kitaplätze. Für die Schaffung von neuen Plätzen werden insgesamt 70 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Mehr Kitaplätze für Berlin sind wichtig, u. a. damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleistet und der Rechtsanspruch, den jedes Kind mit Vollendung des ersten Lebensjahrs auf Förderung und Betreuung in einer Kindertageseinrichtung oder in der Tagespflege hat, erfüllt werden kann. Aber auch die weitere Erhöhung der Qualität der Arbeit in den Kindergärten liegt der Koalition am Herzen.
Zum einem werden im Jahr 2016 ca. 20 Millionen Euro und im Jahr 2017 ca. 40 Millionen Euro bereitgestellt, um mehr Erzieherinnen und Erzieher einzustellen und so dafür zu sorgen, dass die Anzahl der Kinder pro Erzieher sinkt. Ziel ist: ein Kind weniger pro Erzieher als jetzt.
Zum anderen wird die fachliche Begleitung der sogenannten Quereinsteiger – die Seiteneinsteiger, die jetzt zu Erzieherinnen und Erziehern ausgebildet werden und die wir dringend brauchen – durch je zwei Entlastungsstunden pro Woche erleichtert.
Zum Thema Opferschutz: In der Familienpolitik geht es dabei um besonders verletzliche und oft fast wehrlose Opfer, die Kinder. Wir legen in diesem Haushalt die Grundlage dafür, dass vier Kinderschutzambulanzen eingerichtet werden. Der Anteil, den der Einzelplan 10, den wir hier beraten, daran hat, liegt bei 200 000 Euro pro Jahr. Außerdem verstetigen wir das mehrsprachige Angebot der Notfallrufnummer Kinderschutz und fördern künftig die Beratung mit modernen Kommunikationsmitteln zum Thema Kinderschutz mit 240 000 Euro im Jahr 2016 und 320 000 Euro im Jahr 2017. Auch das ist ein deutlicher Aufwuchs gegenüber dem bisherigen Doppelhaushalt.
Stichwort Familienbildung – Björn Eggert hat es schon erwähnt –: Hier schafft die Koalition wiederholt die Möglichkeit, zusätzliche Familienzentren zu eröffnen. Dafür stehen 360 000 Euro pro Jahr ab dem Jahr 2016 zur Verfügung. Weiterfinanziert werden u. a. die erfolgreiche Arbeit des Berliner Beirates für Familienfragen und der beliebte Superferienpass mit Badekarte. Wir erhöhen die Mittel für Jugendbeteiligung – Stichworte Jugenddemokratiefonds, Jugendportal, Ausbau der Jugendstraßensozialarbeit. Wir tun etwas für Familien in Berlin. Wir tun etwas für die Jugendlichen in Berlin. Dieser Haushalt ist auch in den Teilen, die Jugend und Familie betreffen, ein guter Haushalt für die Berlinerinnen und Berliner. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Simon! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Frau Möller das Wort. – Bitte schön!
Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Grundsätzlich lässt sich zu den Haushaltsschwerpunkten im Kinder- und Jugendbereich feststellen, dass es zwar Bemühungen gibt, den Anforderungen der wachsenden Stadt gerecht zu werden, allerdings bleiben dabei qualitative Anforderungen auf der Strecke, und das lässt sich nicht schönreden.
Das Sprichwort: Morgen wirst du über die Brocken fallen, die du heute hingeschmissen hast. – hat sich leider in wichtigen Bereichen bewahrheitet.
Ich will drei Beispiele nennen. Erstens: der Maßnahmenplan zur bedarfsgerechten Personalausstattung der Jugendämter. 160 zusätzliche Stellen für den regionalen sozialpädagogischen Dienst! Die Kitagutschein- und Elterngeldstellen wären mindestens notwendig gewesen, um die bestehenden Defizite auszugleichen. 70 Stellen hat der Finanzsenator zugebilligt – nicht, um dem Problem der Arbeitsüberlastung und dem Personalmangel entgegenzuwirken, sondern nur als Anpassung an die gestiegenen Bevölkerungszahlen. Das reicht nicht und ist ein Armutszeugnis.
4 Millionen Euro bräuchte es für die nötigen 90 Stellen. Die sollen nicht da sein? Es wird also weiterhin Schließungen von Kitagutschein- und Elterngeldstellen und des RSD geben. Es ist zu erwarten, dass weiße Fahnen der Kapitulation vor den Fenstern der Jugendämter auch weiterhin zum Stadtbild gehören werden. Auch damit hat Berlin inzwischen bundesweit Berühmtheit erlangt.
Leider – schlechte Ideen kommen selten allein – bleiben die Angebote der Kinder- und Jugendarbeit gemäß § 11 SGB VIII drastisch unterfinanziert. Auch hier gab es von allen Sachverständigen ein klares Votum und einen Minimalkonsens: 14,1 Millionen Euro hätte es gebraucht, nur um den Status quo aufrechtzuerhalten, ohne dass dabei die wachsende und sich ändernde Bedarfslage berücksichtigt wurde. Aber nicht einmal das war wichtig genug. 4,9 Millionen Euro gibt es nur. Wir beantragen, im Haushalt sofort die Differenz von 9,2 Millionen Euro einzustellen, und wir erwarten, dass die angekündigte Gesetzesänderung zur bedarfsgerechten Ausstattung der Kinder- und Jugendarbeit noch in dieser Legislaturperiode vorgelegt wird, damit die außerschulische Bildung und Förderung neben mehr Aufgaben auch einmal die ihr zustehende Anerkennung erhält und nicht mehr nur den Sparzwängen der Bezirke geopfert wird.
Drittens: Wir stimmen heute über die Überraschungsmillionen für den Kitabereich ab. Gegen mehr Investitionen ist ja grundsätzlich nichts einzuwenden, schließlich brauchen wir dringend weitere Kitaplätze, viel mehr gut qualifiziertes Personal und bessere Arbeitsbedingungen für unsere Beschäftigten, also eine gute Grundlage für gute Qualität. Wir brauchen weniger Kinder pro Fachkraft, Zeit für die Anleitung von Azubis und für die Leitungen, damit sie ihre Managementaufgaben erfüllen können, und eine bessere Bezahlung. Natürlich, Herr Saleh, sind das die richtigen Prioritäten. Da gehören alle Millionen hin. Ich möchte gerne mal wissen, in welchem Paralleluniversum Sie zu Ihren Stammtischen gehen. Hätten Sie mal lieber in den Kitas und bei den Eltern nachgefragt!
Aber auch hier wird das Votum der Realität ignoriert. Es werden alle Sachverständigen ignoriert. Es werden sogar die eigene Senatsverwaltung und die eigene Parteibasis ignoriert. Wegen der Profilierung eines einzelnen Fraktionsvorsitzenden! Jetzt tun Sie auch noch so, als stecke ein Plan dahinter. Das ist nicht Gestalten.
Ja, es ist richtig! Wir haben unter Rot-Rot die letzten drei Kitajahre gebührenfrei gemacht, weil Gebühren ungerecht sind. Wir als Linke haben übrigens einen ordentlichen Parteitagsbeschluss, der langfristig Bildungsgebühren abschaffen will. Sie können aber sicher sein, dass wir unseren Wählern locker erklären können, dass dies für diesen Haushalt nicht unser größtes Problem ist, sondern der Platz- und Fachkräftemangel. Ich möchte im Gegenzug von Ihnen mal wissen, wie Sie den Menschen erklären wollen, wie Sie mit gebührenfreien Kitaplätzen ohne Erzieherinnen und Erzieher umgehen sollen.
Die Gebührenfreiheit ist für diesen Haushalt ein ungeliebtes Geschenk. Wie es der Landeselternausschuss Kita in seiner Stellungnahme ja so treffend ausgedrückt hat und wie Frau Marianne Burkert-Eulitz schon gesagt hat – es ist so schön, dass ich es wiederholen muss –: Danke, Onkel Saleh und Onkel Graf, für die kratzigen Tennissocken! – Dem ist nichts hinzuzufügen.
[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Torsten Schneider (SPD): Dass die Linken gegen mehr Knete so eine Polemik machen, ist doch schön!]
Danke schön, verehrtes Präsidium! – Liebe Damen und Herren! Auch ich möchte mit dem Thema Kita beginnen. – Frau Scheeres! Ich habe diese Woche mit, glaube ich, 30 Kitas und Tagespflegestellen telefoniert, und die haben mir alle gesagt, einen Platz gibt es frühestens ab Sommer 2017. Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Informationen bekommen.
Nun aber zu einem anderen Punkt: Wir brauchen einen besseren Personalschlüssel in den Kitas, und dafür liegt der Bedarf laut dem Kitabündnis bei 70 bis 80 Millionen Euro. Sie als Koalition haben jetzt 20 Millionen Euro im Jahr 2016 und 40 Millionen Euro im Jahr 2017 vorgeschlagen. Das reicht bei Weitem aber nicht für die von Ihnen benannte Verbesserung von einem Kind weniger pro Erzieher.
Stattdessen wird das Geld lieber in die Beitragsfreiheit gepumpt. Dort gibt es 13 Millionen Euro für das Jahr 2016 und 40,5 Millionen Euro für das Jahr 2017. Erster Fakt: Herr Saleh, Sie könne die Beitragstabelle nicht lesen, denn einkommensschwache Familien haben keinen Vorteil durch die Änderung. Sie müssen bereits jetzt nichts bezahlen.
[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN – Heiko Herberg (PIRATEN): So ist es! Endlich sagt es mal jemand!]
Zweiter Fakt: Sie verbauen langfristig die bessere Qualität in Kitas für Ihren kurzfristigen Sieg. Sieg vor wem denn eigentlich? – Ach genau, den gut situierten Familien, die für die Betreuung bezahlen! Das Lustige daran ist: Die wollten das nicht einmal. Die möchten nämlich gerne gute Qualität in den Kitas haben und sind bereit, dafür zu zahlen.
[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN – Torsten Schneider (SPD): Fragen wir sie doch mal!]
In unserem Zeitalter gibt es dafür einen Begriff, nämlich fail. Warum? – Weil diese Familien nicht darum gebeten haben. Berlin ist sich einig. Bis auf Sie wollen alle eine besser Qualität in den Kitas, mehr Erzieher und eine bessere Bezahlung der Erzieher. Dafür nehmen sie Elternbeiträge in Kauf. Die Familien möchten das. Die Erzieher möchten das. Selbst Ihre SPD-Basis möchte das.
Wie sind Sie eigentlich auf diese Idee gekommen? – Es wäre schön, wenn ich weiterreden könnte, ohne von Ihnen unterbrochen zu werden.
Von vorausschauender Haushaltsplanung kann hier auch nicht die Rede sein. Berlin braucht mehr Mittel für die Qualitätssicherung der Kitas. Und was machen Sie? Sie streichen die zugehörige Einnahmequelle einfach weg. Wann kann denn die nötige Investition in die Qualität kommen, von der selbst Frau Scheeres schon eingeräumt hat, dass sie nötig ist? Sie können ja schlecht in zwei Jahren sagen: Ups! Da haben wir uns verkalkuliert. Jetzt müsst ihr doch wieder zahlen. – Lassen Sie diesen Fehler sein, und stecken Sie das Geld lieber in das Kitapersonal!