Protocol of the Session on December 10, 2015

Außerdem wird es durch die schleichende Projektisierung allen Verbraucherschutzes schwieriger, kurzfristig auf neue Trends oder Angebote zu reagieren. Wir haben im Haushalt 200 000 Euro für ein neues Hunderegister – eine Parallelstruktur zu existierenden Datenbanken, datenschutzrechtlich bedenklich und unnötig, zumal die Bezirke bereits angekündigt haben, dass es ihnen gar nicht möglich sein wird, diese Datenbanken zu pflegen. Stattdessen hungert Berlin die Tiersammelstelle aus, sodass der Berliner Tierschutzverein diese hoheitliche Aufgabe mit hochgezogenen Lefzen zu 90 Prozent aus Spendengeldern subventioniert, und das seit Jahren und eben auch noch bis Ende 2016, weil eine Kündigung vorher nicht möglich war. Ein neuer Betreiber soll per Ausschreibung gesucht werden. Wir wissen aber, wie gut Ausschreibungen in Berlin funktionieren. Wer sollte denn diese Tiersammelstelle günstiger betreiben können, ohne den Tierschutz zu gefährden, als das Tierheim?

Aber das ist ein geringer Kostenpunkt im Vergleich zu den 36,8 Millionen Euro, die der Senat für einen Tierversuchsneubau für die Charité ausgibt, und zwar direkt neben dem 24-Millionen-Euro-Tierversuchsneubau des MDC. Das ist dann der Senat, der sich – wir haben es gerade gehört – besser als je zuvor für den Tierschutz einsetzt? Ist das der Sinn des vielgelobten Berlin Institute of Health, über 60 Millionen Euro in den verschiedenen Haushalten zu verstecken

[Benedikt Lux (GRÜNE): Skandal!]

(Dr. Turgut Altug)

und damit auch direkt gegen den Koalitionsvertrag zu verstoßen, in dem es heißt, die Koalition werde sich für die Einschränkung von Tierversuchen einsetzen und verstärkt tierversuchsfreie Forschungsmethoden fördern? Dafür haben Sie gerade mal 10 000 Euro übrig, und die nur alle zwei Jahre für diesen Preis.

Zum Schluss: Wir reden hier nicht über Landwirtschaft.

[Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

Wir haben alle nicht über Landwirtschaft geredet. Wenn wir über Landwirtschaft reden, dann nur über das Endprodukt. Aber ich halte das für ein Problem, weiterhin. Berlin hat seine Kompetenz in der Landwirtschaft 2003 an das Monokultur- und Massentierhaltungsland Brandenburg verscheuert, sodass wir Berliner Initiativen zu Urban Gardening, solidarischer Landwirtschaft oder nachhaltiger Nutzung der Berliner Stadtgüter überhaupt nicht unterstützen können, während um uns herum überall Agroindustrieunternehmen Flächen in einem Ausmaß zusammenkaufen und verseuchen, dass dagegen jede LPG in der DDR im Vergleich wie ein idyllischer Bauernhof aus der CMA-Werbung aussieht. Und das müssen wir lustigerweise auch noch aus unseren Landesmitteln kofinanzieren. Das ist eine Schande. Wir werden uns dafür einsetzen, dass sich das ändert. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN – Sven Rissmann (CDU): Super! Ende!]

Vielen Dank, Herr Kowalewski! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer nun dem Einzelplan 06 – Justiz und Verbraucherschutz – unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Hauptausschusses Drucksache 2600 und der Auflagenbeschlüsse des Hauptausschusses Nrn. 43 bis 49 vorbehaltlich der am Ende der Sitzung abzustimmenden Änderungsanträge der Fraktionen zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der SPD und die Fraktion der CDU. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion und die Piratenfraktion. Enthaltungen? – Ich sehe keine Enthaltungen, dann ist dem so zugestimmt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1 f:

Einzelplan 09 – Arbeit, Integration und Frauen –

Ich verknüpfe dies mit der Beratung über die Auflagenbeschlüsse des Hauptausschusses Nrn. 50 und 51, Drucksache 17/2600.

In der Rederunde beginnt die Fraktion der SPD. Es geht in der ersten Runde um die Arbeitsmarktpolitik. Das Wort hat Frau Abgeordnete Grosse. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich rede heute über den Einzelplan 09, für den Bereich Arbeit. Lassen Sie mich mit einem Beispiel anfangen!

Ende August berichtete die „Abendschau“ des RBB über das Beratungsangebot „Irren ist amtlich – Beratung kann helfen“, ein Projekt des Berliner Arbeitslosenzentrums Evangelischer Kirchenkreis, kurz BALZ genannt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Projekts sind mit ihrem Beratungsbus regelmäßig unterwegs und beraten vor den zwölf Jobcentern die Erwerbslosen vor Ort. Am Ende ihres Beitrags berichtete die „Abendschau“, dass die weitere Finanzierung des Projekts nicht gesichert sei.

[Elke Breitenbach (LINKE): Genau!]

Zuhören! – Die Moderatorin Cathrin Böhme fragte, ob die Politik nicht helfen könne. Deshalb freue ich mich, heute antworten zu können: Ja, die Politik kann helfen, und wir tun es auch. Wir werden dieses so wichtige Projekt für die Erwerbslosen in dieser Stadt erhalten

[Beifall bei der SPD]

und erstmals mit Landesmitteln unterstützen. Dafür stellen wir 2016 und 2017 jeweils 60 000 Euro in den Haushalt ein. Vielen Dank an die Haushälter, die das mitgetragen haben,

[Beifall bei der SPD und der CDU]

und zwar an die Haushälter aller Parteien.

Das war nur ein kleiner, für viele Bürgerinnen und Bürger jedoch sehr sichtbarer Teil des Einzelplans. Mit diesem Haushaltsplanentwurf ist es uns insgesamt gelungen, einen Großteil der wegfallenden ESF-Mittel mit Landesmitteln zu kompensieren und die allermeisten der bewährten Arbeitsmarktprogramme aus dem Kapitel Arbeit und Ausbildung zu erhalten. Im Zentrum steht nach wie vor unser Programm Berlin-Arbeit, das nachweisbar wirkt und erfolgreich ist.

Unsere Bemühungen, Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen, werden wir weiter aufrechterhalten, Frau Senatorin, stimmt’s? Die Berufsausbildung und berufliche Weiterbildung werden wir weiterhin fördern. Auch das Projekt zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten, ARRIVO, das wir in diesem Jahr begonnen haben, werden wir fortsetzen und ausbauen. Ein Schwerpunkt des Haushalts liegt in der öffentlich geförderten Beschäftigung, mit der wir Langzeitarbeitslosen eine Perspektive geben.

Schließen möchte ich mit einem Projekt, das mir besonders am Herzen liegt, mit der Jugendberufsagentur. Mit ihr machen wir allen Berliner Jugendlichen ein Angebot aus einer Hand. An der entscheidenden Schnittstelle des Übergangs von der Schule in den Beruf bieten wir allen jungen Menschen unter 25 Jahren unter einem Dach

(Simon Kowalewski)

Beratung und Vermittlung an, damit sie einen Schul- und Berufsabschluss erreichen. Sie sehen, mit diesem Haushalt setzen wir die richtigen Schwerpunkte! – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Frau Kollegin Grosse! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich jetzt das Wort der Kollegin Bangert. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn die Erwerbslosenzahlen in Berlin rückläufig sind, besteht kein Grund zum Feiern, denn die Berliner Jobcenter verzeichnen Einbrüche bei den Integrationsquoten. Dieses Paradox erklärt sich damit, dass alle gut Ausgebildeten dank der boomenden Konjunktur in Jobs sind. Übrig geblieben sind langzeiterwerbslose Menschen, die verstärkt gefördert werden müssen. Hinzu kommt die Aufgabe zur Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Menschen, die für uns alle eine enorme Herausforderung sein wird. Das kostet Geld und braucht gutes Personal. Was im Haushalt an Instrumenten eingestellt ist, wird der Situation nicht gerecht. Das von Senatorin Kolat dazu vorgelegte Zehn-Punkte-Papier ist eine Farce.

Aber egal, was wir heute beschließen: Für sämtliche im Haushalt stehenden arbeitsmarktpolitischen Instrumente besteht die Gefahr, dass sie gar nicht umgesetzt werden können. Das liegt nicht am fehlenden Geld, denn das steht im Haushalt. Nein! Es fehlt an einem Dienstleister, der die gesamten Förderinstrumente im Bereich Arbeit, Integration und Frauen umsetzt. Monatelange Verschleppung bei der Fertigung von Ausschreibungsunterlagen, wochenlange Verzögerung eines rechtzeitigen EU-weiten Ausschreibungstermins und nun tagelange Diskussion um den sachgerechten Übergang des Fördermanagements zum 1. Januar 2016 – verantwortungsloser kann man mit Berliner Arbeitsmarktpolitik nicht umgehen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Fabio Reinhardt (PIRATEN)]

Während Senatorin Kolat durch die Gegend reist, Erfolgsgeschichten erzählt und Metropolenkonferenzen veranstaltet, bahnt sich in Berlin eine arbeitsmarktpolitische Katastrophe an. Betroffen sind 1 200 Maßnahmen, 2 400 Beschäftigte in Arbeitsverhältnissen, 2 100 Teilnehmer und Teilnehmerinnen von Qualifizierungsmaßnahmen. Sie alle müssen im Jahr 2016 weiterfinanziert werden.

Kritisch ist auch die Situation der Berliner Jobcoaches, weil viele der über 200 Arbeitsverträge zum Jahresende auslaufen. Gefährdet sind die Beratungsprozesse von fast

10 000 erwerbslosen Menschen bzw. Menschen in öffentlich geförderter Beschäftigung. Bis zu 300 Berliner Beschäftigungs- und Qualifizierungsträger bekommen Probleme. Sie können die Miete nicht mehr zahlen, müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kündigen, weil geplante Anschlussmaßnahmen nicht oder verspätet beginnen. Betroffen ist auch der Übergang in die neue ESFFörderperiode. Träger von ESF-Maßnahmen werden seit sechs Monaten auf den 1. Januar 2016 vertröstet. Es ist ein Skandal, dass Senatorin Kolat erstens die Dramatik der Situation unterschätzt und zweitens nicht in der Lage ist, fristgerecht eine normale Fördermittelvergabe zu organisieren. Wenn Sie den Akteuren der Berliner Arbeitsmarktpolitik ehrlich schöne Weihnachten und ein gutes neues Jahr wünschen wollen, dann hilft uns der Beschluss dieses Haushalts nicht, sondern nur eine schnelle und vor allem dauerhafte Lösung des Problems. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Bangert! – Für die Fraktion der CDU erhält jetzt das Wort der Kollege Prof. Korte. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor uns liegt ein überzeugender, ausgewogener Haushaltsplanentwurf. Für dessen Vorbereitung danken wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Senatsverwaltung, die sich dabei besonderen Schwierigkeiten stellen mussten. Denn es ist keine leichte Aufgabe, die Haushaltskonsolidierung fortzuführen und sich trotzdem auf die Herausforderungen der wachsenden Stadt, speziell der Flüchtlingskrise und auch des Wegfalls europäischer Finanzmittel einzustellen. Dennoch zeichnet sich der Entwurf für den Einzelplan 09 durch große Kontinuität aus und spiegelt dabei die erfolgreiche Arbeit der Koalition in den letzten Jahren wider.

[Elke Breitenbach (LINKE): Oh ja!]

Erfreulicherweise ist es gelungen, mit derzeit etwa 182 000 Arbeitslosen im November den niedrigsten Stand bei den Arbeitslosenzahlen seit 1991 zu erreichen. Gerade die Jugendarbeitslosigkeit ist seit der Abwahl von Rot-Rot um über 40 Prozent zurückgegangen und erreichte einen historischen Tiefstand. Beim Beschäftigungszuwachs ist Berlin bundesweit an der Spitze. Das alles hat nicht nur, aber auch mit der Arbeitsmarktpolitik dieser Koalition und erfolgreichen Programmen wie BerlinArbeit zu tun.

Wichtige Teile dieses Arbeitsmarktprogramms konnten wir mit dem neuen Doppelhaushalt ausbauen. Die Bekämpfung der Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit hat dabei weiter Vorrang. Besonders hervorzuheben sind das

(Burgunde Grosse)

Jobcoaching und das Landesrahmenprogramm Integrationslotsinnen und -lotsen, die mit dem neuen Doppelhaushalt stark ausgebaut werden.

[Zuruf von Elke Breitenbach (LINKE)]

Das Berliner Jobcoaching mit seinem individuellen Betreuungsangebot sorgt für noch mehr Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt, und das ist nach wie vor das Hauptziel der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen dieser Koalition.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Liane Ollech (SPD)]

Meilensteine sind auch der Ausbau der neuen Jugendberufsagenturen und die Fortsetzung des Berliner Ausbildungsplatzprogramms mit insgesamt 530 Ausbildungsplätzen.

Angesichts der aktuellen Flüchtlingszahlen in Berlin – derzeit sind es allein in diesem Jahr über 68 000 – ist auch die Arbeitsverwaltung gefordert, denn für die Schutzbedürftigen, die bei uns bleiben werden, bedeutet Arbeit und Ausbildung die beste Integration. Hier nenne ich beispielhaft das ARRIVO-Programm, das mit dem neuen Doppelhaushalt erheblich erweitert wird, und die Ausweitung des Ausbildungsplatzprogramms um 30 zusätzliche Plätze speziell für Geflüchtete.

Im Fachbereich der Frauenpolitik konnten wir die Mittel erhöhen. Das Budget für Zuwendungsempfänger wird 2016 und 2017 um je 2 Prozent erhöht. Dafür wird ein Betrag von 1,4 Millionen Euro eingesetzt. Bei der Gewaltprävention werden die vorhandenen Maßnahmen weiterentwickelt und auf über 7,5 Millionen Euro pro Jahr verstärkt.

Bei alle dem konnte der Abbau der ESF-Mittel gegenüber der vergangenen Förderperiode in vielen besonders wichtigen Bereichen erfolgreich durch Landesmittel kompensiert werden. – Wir können auf diesen Haushalt stolz sei, und ich werbe gerne um Ihre Unterstützung.