Protocol of the Session on December 10, 2015

Die Bürgerinnen und Bürger werden uns nur vertrauen, wenn wir uns selbst vertrauen. Mit diesem Haushalt stellen wir die Weichen, worauf wir gemeinsam stolz sein können. Und dieses Vertrauen verkörpert der Regierende Bürgermeister Michael Müller. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Kollegin Pop das Wort. – Bitte schön!

[Torsten Schneider (SPD): Sollen wir uns jetzt genauso verhalten wie der Kindergarten der Opposition eben? – Martin Delius (PIRATEN): Ja bitte, Herr Schneider! – Florian Graf (CDU): Kommt da ein Schwank aus Rheinland-Pfalz?]

(Raed Saleh)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das war ja von der Sorte „meine schönsten Erlebnisse des letzten Jahres“ – Stammtische, Schulen, Städtepartnerschaften –, was uns hier vorgetragen wurde. Und das Wort „Stabilität“, was dann doch noch im Wortschatz auftauchte – früher öfter mal genutzt,

[Torsten Schneider (SPD): Starker Beginn!]

Kollege Saleh! Das Wort „Stabilität“ habe ich fast vermisst, das kam ja doch noch zum Schluss, da bleiben Sie sich selber treu.

Dieser Doppelhaushalt, den Sie heute hier verabschieden werden, ist die letzte müde Amtshandlung einer zerstrittenen und handlungsunfähigen Koalition. Und auch diesen Haushalt hätten SPD und CDU nicht miteinander gestemmt, wenn die wirtschaftliche Lage nicht so gut wäre wie seit Langem nicht mehr und die Steuereinnahmen nicht kräftig sprudeln würden.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Andreas Gram (CDU): Dank der Regierung Merkel!]

Vielmehr noch hat diese Koalition die Haushaltsberatung regelrecht dazu gebraucht und auch missbraucht, um ihre Streitereien und Konflikte mit Geld zu befrieden. Und dabei hat die Faustformel immer gelautet: Je größer und tiefer der im Streit ausgehobene Koalitionsgraben gewesen ist, desto mehr Geld brauchte es, um diesen Graben auch zu füllen.

[Lachen von Torsten Schneider: Super! – Anja Kofbinger (GRÜNE): Teuer für die Stadt!]

Ein Wahlkampfhaushalt ohnegleichen wird heute von SPD und CDU verabschiedet. Waren im Senatsentwurf für den Doppelhaushalt noch 1,3 Milliarden Mehrausgaben verzeichnet, beträgt der stattliche Zuwachs in dem, was heute vorgelegt wurde, bereits satte 2,4 Milliarden Euro mehr. Heute liegt uns die Beschlussempfehlung des Hauptausschusses als Ausweis dieser Politik auf dem Tisch. 75 Seiten Änderungsantrag hat es noch nie gegeben. Das ist fast ein Telefonbuch.

[Torsten Schneider (SPD): Ja, weil Sie auch eine Rolle spielen wollen!]

Manche Städte haben dünnere Telefonbücher als dieser Änderungsantrag.

Und ich würde mich beim Länderfinanzausgleich nicht so freuen, Herr Saleh! Und vor allem würde ich nicht die falsche Botschaft in die Welt setzen, die Sie ja bereits in die Welt gesetzt haben, man würde 500 Millionen Euro mehr kriegen, die Sie auch schon wieder in Ihrer Maschinerie verteilen wollen. Wir bleiben, wenn wir Glück haben, bei dem was wir haben, weil die Stadtstaatenwertung tatsächlich nicht angegriffen worden ist. Aber die Verhandlungen sind noch längst nicht am Ende. Und da sollten wir uns jetzt nicht rühmen und Geld ausgeben, das

wir noch lange nicht eingefahren haben. Da sollten Sie sich mal zurückhalten.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Jedes Koalitionsproblem mit Geld zugeschüttet, und die beste Aktion dieser Art haben Sie uns ja noch einmal selbst ins Gedächtnis gerufen. Nach der Regierungserklärung zur Flüchtlingspolitik vor vier Wochen hing der rotschwarze Haussegen ja gewaltig schief. Gut, dass die neueste Steuerschätzung aber damals mehr Geld in Aussicht stellte, so konnten die Fraktionsspitzen von SPD und CDU schnell einen dreistelligen Millionenbetrag zur Demonstration von Handlungsfähigkeit schnüren. Herr Saleh, das war wirklich eine rührende Geschichte, die Sie erzählt haben, von der Familie mit dem Mindestlohn und wie schwer das alles ist und so weiter. Es wäre nur schön, wenn Sie nicht nur schöne Geschichten erzählen,

[Torsten Schneider (SPD): Für Sie etwas abgehoben, damit können Sie nichts anfangen!]

sondern auch tatsächlich rechnen könnten. Wenn Sie in die Kitagebührentabelle schauen, müssen Sie feststellen, dass Menschen mit diesem Einkommen – –

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Könnten Sie vielleicht Herrn Schneider ein bisschen zur Räson rufen, er ist so laut?

Auch hier gilt: Mal wieder ein bisschen mehr Ruhe bitte!

Familien mit einem Mindesteinkommen, Herr Saleh, und die Kitagebührentabelle Ihrer Senatsschulverwaltung hilft Ihnen da sicherlich weiter, zahlen 20 Euro im Monat für einen Ganztagsplatz, neun Stunden in der Krippe. Das ist die Wahrheit, die Sie hier verschwiegen haben, genauso wie Sie offensichtlich verschwiegen haben, dass – – Ich sage lieber nichts zum Thema Diäten und was sonst noch zusätzlich dazukommt bei dem einen oder anderen hier im Hause. Sie haben diese Kitagebührenbefreiung für Besserverdienende – und das ist sie tatsächlich – gegen die eigene Partei, gegen den eigenen Regierenden Bürgermeister, gegen den Elternwillen – der Landeselternausschuss schickte noch Mails am heutigen Morgen und sagt, sie wollen das gar nicht, sie würden dieses unwillkommene Geschenk gerne umtauschen, Herr Saleh – als Egotrip hier durchgesetzt. Und das kostet alle 80 Millionen Euro zum Schluss, damit Sie hier rührende Geschichten erzählen können, die hinten und vorne nicht stimmen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Und ja, es geht noch weiter. Ich will auch an dieser Stelle, weil es sich so gut eignet, mit einer Legende aufräumen,

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

die, wie das bei Märchen so oft der Fall ist, jeder realen Grundlage entbehrt. Sicherlich wird der Kollege Graf sie gleich wieder zum Besten geben und sich hier zum Hüter der Haushaltsdisziplin hochstilisieren. Seit die CDU in Berlin regiert, würden keine neuen Schulden mehr gemacht, lautet diese Legende.

[Sven Rissmann (CDU): Die Wahrheit!]

Ich sage Ihnen, ich kenne nur eine einzige Fraktion hier im Hause, die in der Vergangenheit die grundsätzliche Notwendigkeit der Konsolidierungspolitik infrage gestellt hat, nur eine Fraktion, eine einzige, die Fundamentalopposition gegen jede Form der Haushaltssanierung betrieben hat, und das war die CDU-Fraktion, die sich in die Büsche geschlagen hat.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Für meine Fraktion kann ich sagen: Trotz Opposition haben wir uns nicht vor der Gesamtverantwortung für die Stadt gedrückt. Wir haben uns im Unterschied zu Ihnen verantwortlich gezeigt. Zur Erinnerung: Als 2001 die Berliner CDU aus dem Senat rausflog, gab Berlin 162 Prozent der Steuereinnahmen allein für Sachkosten und Personal aus. Sie überstiegen um ganze 6 Prozent die gesamten Einnahmen des Landes Berlin. Da war noch keine Investition getätigt, die Zinsen waren auch noch nicht bezahlt, und damals war wirklich Land unter. Die entscheidenden beiden Vorhaben zur Konsolidierung, nämlich den Solidarpakt im öffentlichen Dienst und den Ausstieg aus der alten Wohnungsbauförderung, haben wir nicht in jedem Detail, aber im Grundsatz immer unterstützt. Ganz anders die CDU-Fraktion. Die schrie damals Zeter und Mordio und propagierte den Westberliner Staatssozialismus à la Landowsky, als das schon längst keiner mehr bezahlen konnte. Es gibt also keinen Grund, sich hier mit fremden Federn zu schmücken, Herr Graf. Das finde ich tatsächlich unerhört.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Meine Damen und Herren von der SPD! Sie können sich tatsächlich gutschreiben, die harte Arbeit der Konsolidierung gemacht zu haben, als es notwendig gewesen ist. Allerdings die Methode, mit der das durchgezogen wurde, das Sparen bis es quietscht, was nichts anderes als Rasenmähermethode bedeutete, dieses Vorgehen rächt sich jetzt bitter.

[Torsten Schneider (SPD): Geschichtsunterricht!]

Ja, der Solidarpakt im öffentlichen Dienst war zu einer gewissen Zeit notwendig, aber an der von SPD und Linkspartei beschlossenen Zielzahl von 100 000 Stellen im öffentlichen Dienst haben Sie alle miteinander ohne Sinn und Verstand so lange festgehalten, bis nun kaum noch etwas in den Verwaltungen funktioniert. Insofern beklagen Sie, die den 100 000er-Beschluss gefasst und daran festgehalten haben, Zustände, die Sie selbst zu verantworten haben. Das ist durchsichtig.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Und Sie alle miteinander haben die Personalentwicklung des Landes Berlin verschlafen, vernachlässigt und liegengelassen – jahrelang. Die Bürgerinnen und Bürger zahlen für diese Unfähigkeit inzwischen die Zeche: auf dem Bürgeramt, wo es keine Termine mehr gibt; im Jugendamt, wenn sie einen Kitaplatz beantragen; in der KfzStelle, wenn sie ihr Auto ummelden wollen. Das Land Berlin ist kaum noch in der Lage, seine gesetzlich vorgeschriebenen Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger zu erbringen. Was für ein Armutszeugnis für die selbsternannte Smart City!

[Beifall bei den GRÜNEN]

In seiner ersten Regierungserklärung vor knapp einem Jahr hat der Regierende Bürgermeister versprochen, hier auch Abhilfe zu schaffen. Er hat uns keine großen Visionen, aber konkretes Handeln und Arbeiten für die Stadt in Aussicht gestellt. Herr Müller, Sie haben Folgendes gesagt, wenn ich zitieren darf:

Was ich mit dem guten Regieren meine: konkret das Handeln, das zuallererst das Leben der Menschen in dieser Stadt besser machen soll.

[Zuruf von der SPD: Genau!]

Die Stadt muss wieder funktionieren, das ist richtig. Die Wahrheit ist aber: Diese Koalition bekommt inzwischen nicht einmal mehr die alltäglichen Probleme in den Griff – weder die in den eigenen Reihen noch die der Stadt. Dieser Senat hat es geschafft, dass die Berlinerinnen und Berliner bei allen großen und kleinen Themen unserer Metropole das Wort „Problem“ mitdenken: Verwaltungsproblem, Flüchtlingsproblem, Verkehrsproblem, Flughafen: Problem, Staatsoper: Problem, Termine auf dem Bürgeramt: Problem,

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD): ]

Schultoiletten: Problem, S-Bahn: Problem, Herr Saleh, und zwar ein andauerndes Problem, das uns noch lange begleiten wird. Anstatt die notwendige Ausschreibung bereits 2012 vorzunehmen, hat der Berliner Senat mit ideologischer Unterstützung der SPD-Fraktion unter all den Verkehrssenatoren – Junge-Reyer, Michael Müller und Andreas Geisel – kostbare Jahre verloren, was uns jetzt alle mit dem Monopolisten Deutsche Bahn teuer zu stehen kommen wird. Denn anstatt schon 2017 mit neuen S-Bahnen zu fahren, müssen wir die alten Kisten bis mindestens 2021 aushalten, die notdürftig und dazu noch auf Kosten des Steuerzahlers aufgearbeitet werden.

[Torsten Schneider (SPD): Reden Sie auch noch zum Haushalt? ]

Wenn die alten Kisten überhaupt noch zuverlässig fahren werden, denn mit Zuverlässigkeit und Qualität hat die S-Bahn nicht gerade von sich reden gemacht.

[Oliver Friederici (CDU): Das war doch gar nicht S-Bahn!]

Mehrkosten in Milliardenhöhe und ein drohendes S-Bahnchaos für mindestens fünf weitere Jahre, das ist die traurige Bilanz der SPD-Verkehrspolitik in Berlin,

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]