Lieber Udo Wolf! Ich weiß, wir kämpfen gemeinsam im Interesse der Menschen, die geflüchtet sind, die Hilfe und Schutz bei uns suchen. Und genau das, was Sie hier so lautstark und energisch eingefordert haben, habe ich in meiner Rede dargestellt. Ich zitiere mich gerne selbst:
Dabei ist uns wichtig, dass die zuständigen Senatoren alle Möglichkeiten, alle infrage kommenden Liegenschaften in allen Bezirken und auch in allen Wahlkreisen... überprüfen.
Das bedeutet auch, dass wir uns in den Ausschüssen genau anschauen wollen, welche Möglichkeiten bisher geprüft wurden und welche noch geprüft werden. Es geht sicherlich auch um Listen.
Meine Aussage, dass es eine Wahlkampfrede war, ging in Richtung von Herrn Lederer; seine Rede fand ich schon sehr populistisch.
[Evrim Sommer (LINKE): Ach, Mann! – Steffen Zillich (LINKE): Wir sind uns also einig darin, dass die Voraussetzungen nicht nachgewiesen sind!]
Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich jetzt der Kollegin Kapek das Wort. – Bitte sehr, Frau Kapek!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss schon sagen, ganz ehrlich: Es geht hier um eine ernste Sache. Es geht um Menschen, die teilweise unter erbärmlichen Umständen nach Berlin gekommen sind und unter erbärmlichen Umständen – leider auch in Tempelhof – untergebracht sind. Das eignet sich meines Erachtens wirklich nicht für Wahlkampfklamauk!
Deshalb, Frau Radziwill, zitiere ich nicht Sie, sondern lieber den Regierenden Bürgermeister, der vor zwei Wochen im Rahmen seiner Regierungserklärung einen NeunPunkte-Plan vorgestellt hat, in dem er Maßnahmen zur Unterbringung von Flüchtlingen präsentiert hat. Ohne die Details vieler dieser Punkte, die er vorgestellt hat, zu kennen, würde ich sagen: Im Grundsatz klingen die meisten davon doch sehr vernünftig.
An der Stelle muss ich sagen – kein Wunder, denn dass die von Ihnen heute vorgeschlagene Gesetzesänderung delikat ist, ist Ihnen sogar selbst schon aufgefallen. Und warum? – Weil es nicht einmal anderthalb Jahre her ist, dass die Berlinerinnen und Berliner für die Freiheit der Tempelhofer Freiheit gegen den Senat gekämpft und gewonnen haben. Nur 16 Monate später wollen Sie die Änderung eines breit getragenen Volksgesetzes, wie es das in der Form in Berlin noch nicht gegeben hat, im Schweinsgalopp durchs Parlament prügeln. Das ist, selbst wenn es keine juristischen Hürden für einen solchen Weg gibt, bei einer Änderung mit einfacher Parlamentsmehrheit und im Eiltempo ausgesprochen bedenklich.
Ein respektvoller Umgang mit direkter Demokratie ist das mit Sicherheit nicht, und mehr Vertrauen bei den Wählerinnen und Wählern gewinnt man so leider auch nicht. Ich kann mich da nur dem Kollegen Lederer anschließen: Wenn das eine Vorsorgemaßnahme für das Jahr 2016 sein soll, dann brauchen wir diese Gesetzesänderung nicht, denn die Traglufthalle, die IGA-Halle, können Sie ohne Probleme auch ohne Gesetzesänderung aufstellen. Deshalb kann ich Ihnen nur noch einmal attestieren: Der Weg, den Sie hier vorgeschlagen haben, ist kein kluger!
Eine Unterbringung in und ein Aufstellen von Traglufthallen entlang des Tempelhofer Damms oder auch auf dem Vorfeld sind nicht nur möglich – das haben Bread and Butter und viele andere Events, die dort schon ansässig waren, bewiesen –, vielmehr hat die Initiative 100 Prozent Tempelhof vor einigen Tage dazu auch ein Konzept vorgelegt. Das muss man nicht toll finden, aber mit dem Konzept sind sie dem Senat zumindest einen Schritt voraus:
Statt eines Senatskonzeptes produzieren Sie leider täglich nur immer wieder neue Schnellschüsse: Erst war es der T-Damm, dann das Oderquartier, kürzlich kam das Columbiaquartier dazu, und heute darf man der Presse entnehmen, dass Senator Czaja doch wieder alles infrage stellt. Wenn das keine Salamitaktik ist, dann weiß ich es auch nicht. Vor allem ist es aber Chaos, und das verunsichert nicht nur die Bevölkerung, es verunsichert auch Ihre Fraktion. Zum Glück nicht nur die CDU-Fraktion; selbst Mitglieder der SPD-Fraktion haben öffentlich schon ihre Kritik an Ihren Plänen geäußert.
Es bleibt der Verdacht – und das haben meine Vorredner schon gesagt –, dass man mit dieser Gesetzesänderung nun den Eindruck schafft, als wolle man den Volksentscheid durch die Hintertür aushebeln und dann doch die Voraussetzung für den alten Masterplan schaffen. Ich kann es nur noch einmal sagen: Vertrauen und Akzeptanz schafft man so nicht!
Neben der direkten Demokratie geht es meines Erachtens aber vor allem um die Dimension der Unterbringung. Auch hier, lieber Herr Geisel, versuchen Sie, Nebelkerzen zu werfen. Da heißt es, 600 bis 800 Menschen sollen in einer Traglufthalle der IGA-Halle untergebracht werden. Vor nur zwei Tagen, bei dem Treffen mit den Bezirken, wurde aber Ihre wahre Intention deutlich. Hier haben Sie nämlich verlautbaren lassen, dass tatsächlich 12 000
Und wenn wir uns dann fragen, warum dieses Gesetz im Eiltempo durchgebracht werden muss, dann liegt nahe, das ist der einzige Grund, und das ist dann auch keine Vorratsplanung, sondern das sind tatsächlich sehr konkrete Planungen, die höchstwahrscheinlich demnächst bei uns auf dem Tisch landen. Diese 10 000 Menschen extra sollen dann auch nicht nur in den sieben Hangars, sondern an den Rändern des Feldes untergebracht werden – an den Rändern, an denen es, Herr Geisel, entschuldigen Sie bitte, nullkommanull Infrastruktur, weder technische noch soziale, gibt. Da gibt es selbst auf dem Vorfeld noch mehr technische Voraussetzungen. Und da muss man die Initiative an der Stelle in Schutz nehmen: Die haben sich wenigstens Gedanken darüber gemacht, wie man hier eine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen realisieren könnte.
Keine Sorge, ich gucke auch gleich in die andere Richtung, denn vor dem Hintergrund, dass die Versorgung der bereits untergebrachten 2 300 bis 2 400 Flüchtlinge heute überhaupt nicht im Griff ist, muss man sagen, ist dieser Vorschlag einfach nur verantwortungslos.
und deshalb hat das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg auch einen Brandbrief an Senator Czaja geschrieben mit dem Ergebnis, dass es heute zwar ein paar Toiletten mehr gibt, aber ansonsten hat sich daran nichts geändert. Und von den wenigen Dixi-Toiletten und den Duschcontainern, die es dort gibt, stehen die meisten unter freiem Himmel, was, wenn wir uns mal vorstellen, wie morgens im Moment die Temperaturen sind und wie sich das weiterentwickeln wird, natürlich bedeutet, dass diese häufig gar nicht nutzbar sind.
Zudem – das gebe ich gerne auch noch zu bedenken – gibt es zu wenig Frischwasser, und es gibt nicht ausreichend Handwaschbecken, und die, die es gibt, haben nur kaltes Wasser. Was bedeutet das? – Das bedeutet, dass man der Verbreitung von Schmierinfektionen Tor und Tür öffnet. Und das, ich kann es nur noch mal betonen, wenn man eine Unterkunft mit 12 000 bis 15 000 Menschen plant, sind nicht nur katastrophale Rahmenbedingungen; ich kann Sie nur davor warnen, denn dies bedeutet nicht nur ein Risiko für die Geflüchteten, dies bedeutet ein Gesundheitsrisiko für uns alle.
Wenn die Unterbringung von Flüchtlingen wirklich eine Priorität für den Senat hätte, dann hätten Sie sie bereits längst in anderen Unterkünften untergebracht. Das Bundesinnenministerium hat 800 Büros frei, in die könnten morgen schon 2 000 Menschen einziehen. Die Bezirke haben Ihnen Immobilien und Flächen angeboten, die BImA ebenso. Das Potenzial an leerstehendem Gewerbe beträgt etwa 15 000 Quadratmeter, also machen Sie uns doch nichts vor: Tempelhof ist doch nur deshalb in der Debatte, weil der Senat bislang bei der Prüfung leerstehender Gebäude und Flächen versagt hat.
Deshalb, lieber Michael Müller, will ich nur noch mal sagen, Sie haben im letzten Plenum eine Regierungserklärung gehalten, die viele von uns beeindruckt hat – mich auch. Sie haben dabei vollkommen zu Recht gesagt, dass Sie die Zustände, wie sie vor dem LAGeSo herrschen, so nicht mehr sehen wollen. Sie haben dort auch gesagt, dass Sie es nicht akzeptieren, dass so viele Gebäude in Berlin leerstehen, wenn gleichzeitig Tausende von Menschen eine Unterkunft suchen. Und recht haben Sie! Ich nehme Sie dabei allerdings dann auch beim Wort und fordere Sie auf, lassen Sie Ihren Worten bitte auch Taten folgen!
Sie haben die Richtlinienkompetenz, und Sie haben auch die Möglichkeit, die Überprüfung von allen leerstehenden Gebäuden in Berlin dann auf neuem und anderem Weg in die Wege zu leiten. Und solange das nicht getan ist, solange Sie an dieser Stelle – da nehme ich den gesamten Senat wieder in Haftung – Ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben, gibt es keine Rechtfertigung dafür, dass man ein so sensibles Etwas wie ein Volksgesetz ohne einen wirklich triftigen Grund aushebelt.
Ich kann Sie nur noch mal dazu auffordern: Schaffen Sie endlich menschenwürdige Unterbringungen in der ganzen Stadt, dann haben Sie uns auch an der Seite! Für das Gesetz, das Sie heute vorgeschlagen haben, haben Sie, glaube ich, wenig Freunde in diesem Haus, und ich vermute, selbst in den eigenen Fraktionen nicht.
Vielen Dank, Frau Kapek! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Evers. – Bitte!