Protocol of the Session on November 26, 2015

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Delius! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag Drucksache 17/1933 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich gegen Grüne

(Hildegard Bentele)

bei Enthaltung der Linken und der Hauptausschuss gegen Grüne und Linke die Ablehnung. Wer dem Gesetzesantrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD, der CDU und die Piratenfraktion. Enthaltungen? – Das ist die Fraktion Die Linke. Dann ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich komme zur

lfd. Nr. 5 A:

Gesetz zum Achtzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien vom 25. November 2015 Drucksache 17/2588

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/2494

Zweite Lesung

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die zweite Lesung der Gesetzesvorlage und schlage vor, die Einzelberatung der drei Paragrafen miteinander zu verbinden. – Ich höre auch hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift, die Einleitung sowie die Paragrafen 1 bis 3 sowie den Staatsvertrag. Es ist keine Beratung vorgesehen. Zu der Vorlage – zur Beschlussfassung – empfiehlt der Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien einstimmig mit allen Fraktionen die Annahme. Wer der Gesetzesvorlage zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU, Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion und die Piratenfraktion. Gegenstimmen? – Ich sehe keine Gegenstimmen. Enthaltungen? – Ich sehe auch keine Enthaltungen. Damit ist das Gesetz zum Achtzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag so beschlossen.

Ich komme zur

lfd. Nr. 6:

Das Probejahr an Gymnasien abschaffen! – Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für das Land Berlin

Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/2564

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung. In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat Frau Abgeordnete Kittler. – Bitte!

Danke schön, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wollen das Probejahr abschaffen, denn

Inklusion kann nicht in einem exklusiven Schulsystem realisiert werden.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Machen wir mal einen kleinen Exkurs in die jüngere Geschichte. Am 25. Juni 2009 fasste das Abgeordnetenhaus von Berlin den Beschluss mit dem Titel „Weiterentwicklung der Berliner Schulstruktur“, Drucksache 2479. Im Beschluss werden die seitdem oft wiederholten Ziele der Schulreform benannt: erstens, alle Kinder und Jugendlichen zu höchstmöglichen schulischen Erfolgen und die übergroße Mehrheit zum mittleren Schulabschluss am Ende der 10. Jahrgangsstufe zu führen sowie den Anteil derjenigen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, deutlich zu verringern; zweitens die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft deutlich zu verringern und drittens die Abiturientenquote innerhalb der nächsten zehn Jahre deutlich zu erhöhen. Ausdrücklich beschloss das Abgeordnetenhaus unter Punkt 1.1 hier auch die Gleichwertigkeit von integrierter Sekundarschule und Gymnasium. Hier heißt es, ich zitiere:

Ein zweigliedriges Schulsystem in der Sekundarstufe I ist nur dann erfolgreich, wenn beide Schularten gleichwertig sind. Das bedeutet im Einzelnen: In beiden Schularten gelten die gleichen Bildungsstandards und entsprechend gleiche Lernvolumina. Beide Schularten vergeben alle Schulabschlüsse einschließlich des Abiturs nach gleichen Kriterien. Für aufgenommene Schülerinnen und Schüler ist ein Wechsel der Schulart durch Entscheidung der Schule nicht mehr zulässig. Ein Verlassen der Schule auf eigenen bzw. Wunsch der Eltern bleibt selbstverständlich möglich. Für den Übergang in die gymnasiale Oberstufe gelten die gleichen Anforderungen und Regelungen. Der gemeinsame Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf findet an beiden Schularten statt. Beide Schularten sind gleichwertig im Hinblick auf den Anspruch, jeden Schüler und jede Schülerin in einer heterogenen Lerngruppe zum bestmöglichen Abschluss zu führen.

Zitatende. Alle Schulen, eben auch die Gymnasien, müssten deshalb Verantwortung für jede aufgenommene Schülerin und für jeden aufgenommenen Schüler übernehmen und eine Kultur der individuellen Förderung entstehen lassen. Dazu gehört, dass aufgenommene Schüler bei Defiziten der Leistungsentwicklung nicht zwangsweise an andere Schulen abgegeben werden. Der erzwungene Schulwechsel ist eine auf die Sicherung fiktiver Homogenität ausgerichtete Selektionsmaßnahme, die mit dem Inklusionsauftrag unvereinbar ist. Die betroffenen Schülerinnen und Schüler werden in der Regel beschämt und in ihrer Entwicklung beschädigt. Und dann kommen sie in die Reparaturwerkstatt ISS oder Gemeinschaftsschule. Die Pädagoginnen und Pädagogen dort haben dann lange

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

zu tun, diese Schülerinnen und Schüler wieder aufzubauen, ihnen den Glauben in die eigenen Fähigkeiten wiederzugeben und ihr Selbstwertgefühl aufzubauen. Bei einem nicht unbeträchtlichen Teil schaffen es engagierte Lehrkräfte dort, dann trotzdem diese angeblich abituruntauglichen Schülerinnen und Schüler erfolgreich zum Abitur zu führen. Ich frage Sie: Warum sollte das nicht auch im Gymnasium gehen?

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Unabhängig davon, dass folgendes Problem jedes Jahr neu besteht: Wohin mit den sogenannten Rückläufern? Zurück? Wohin? Dahin, wo sie herkommen? Oder dahin, wo sie hingehören, nur nicht am exklusiven Gymnasium bleiben? Das ist doch der Zopf der Vergangenheit, der uns hier anguckt und der endlich abgeschnitten gehört.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Beim ersten Überfliegen der politischen Schwerpunktsetzungen, die die Koalition mit der Verteilung der Rückzahlung des Bundes und der Länder in Höhe von 300 Millionen Euro betont, dachte ich ja: Oha, die SPD erinnert sich an ihren eigenen mit uns Linken gemeinsam gefassten Beschluss. Ich weiß, so ist es leider nicht. Oder? Ich interpretiere den Geldsegen für die Gymnasien mit einer Aufstockung von 5 Millionen Euro per anno jetzt einfach mal als Unterstützung für unseren Antrag. Das Geld ist dort gut angelegt, wenn das Probejahr fällt und Gymnasien prinzipiell mit heterogenen Klassen arbeiten und alle Schülerinnen und Schüler so fördern, dass aus ihnen wird, was aus ihnen werden kann. Tun wir es einfach, schaffen wir das Probejahr ab!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kittler! – Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Oberg. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Ich fühle mich ein wenig in der Zeit zurückversetzt, so ungefähr sechs oder sieben Jahre. Da haben wir in diesem Haus, aber nicht an diesem Ort die gleichen Debatten miteinander geführt, das waren damals noch die Koalitionsrunden von Rot-Rot, als wir uns gemeinsam diese Schulstrukturreform, wie sie der Senat vorgeschlagen hat, sehr genau angesehen haben. Wir haben uns überlegt, wie wir es schaffen, ein Schulsystem zu etablieren, bei dem wir zwei Schulformen haben, die bis zum Abitur führen, und zwei Schulformen, die gleichwertig sind. Gleichwertig, aber nicht gleichartig war damals etwas, was wir als gemeinsames Ziel formuliert haben. Und das entspricht auch dem, was Sie eben vorgelesen haben. Es ist aber wichtig, zwischen gleichwertig und gleichartig zu unterscheiden,

weil man eben doch den unterschiedlichen Charakter beider Schulen in den Blick nehmen muss. Den muss es ja auch geben, sonst kann man schlecht begründen, warum die einen in zwölf und die anderen in 13 Jahren zum Abitur führen,

[Martin Delius (PIRATEN): Eben!]

warum wir das eine als Ganztagsschule machen und das andere nicht, warum das eine mit einer geringeren Klassenfrequenz unterwegs ist, wohingegen das andere von besonders großen Klassen geprägt ist.

Das alles wissend haben wir uns überlegt, wie wir das mit dem Übergang organisieren. Da war es das prägende Moment, dass wir wollten, dass möglichst viele Kinder eine faire Chance haben, sich selbst gemeinsam mit ihren Eltern entscheiden zu können. Wir hatten lauter Varianten auf dem Tisch. Und irgendwann fiel das Wort, wir suchen die beste von lauter schlechten Möglichkeiten, denn man kann einen Schulübergang in verschiedener Art und Weise organisieren.

Die erste Möglichkeit ist die, die Sie jetzt präferieren, die wir damals relativ rasch verworfen haben, war die, es völlig freizugeben und zu sagen, wer will, entscheidet sich nach dem Ende der 6. Klasse, auf welche Schulart er geht, und dabei bleibt es dann. Das haben wir aus zwei Gründen verworfen, erstens wegen der Akzeptanz der Schulstrukturreform und zweitens aber auch wegen der praktischen Unmöglichkeit, eine sichere Wahl zu diesem einen Zeitpunkt treffen zu können. Man kann sich schlicht auch irren, in die eine wie in die andere Richtung.

Dann haben wir uns also die anderen Alternativen überlegt und haben uns angeschaut, wie man es machen könnte. Man könnte es so machen, dass man einen Test einführt, der nach der 6. Klasse festlegt, wer aufs Gymnasium und wer in die Sekundarschule darf. Das wollten wir nicht. Das wäre nämlich sehr ungerecht gewesen. Zweite Möglichkeit wäre ein Numerus Clausus gewesen. Das wäre ebenso schlecht gewesen. Deswegen haben wir es vom Tisch genommen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Zillich?

Wenn ich den Satz zu Ende gebracht habe. – Deshalb sind wir dann zu dem recht fairen Instrument gekommen, dass sich die Kinder und die Eltern nach der 6. Klasse frei entscheiden können und dass es dann eben ein Probejahr gibt, in dem auch die Kinder, die sich bei der Grundschulempfehlung, die es davor gab oder die so ähnlich aussehen könnte, nicht bewähren konnten, trotzdem die Möglichkeit haben durchzukommen. Das Problem, dass es

(Regina Kittler)

Schulen gibt, die in der 7. Klasse ganz besonders gut fördern, und andere, die brutal aussieben, lässt sich per Gesetz gar nicht ändern, sondern das ist eine Frage der Kulturen. Ich stimme Ihnen zu, dass wir da ranmüssen. Auf dem von Ihnen vorgeschlagenen Weg würden wir das aber nicht lösen. – Jetzt die Zwischenfrage.

Bitte, Herr Zillich!

Es ist ja wie früher, sag ich doch!

Herr Kollege Oberg! Ich will nicht alle Debatten noch einmal führen, aber Sie haben es so dargestellt, als wäre das Probejahr ein gutes Instrument, mit dem Eltern oder Kinder ihre eigenen Irrtümer korrigieren können. Dann braucht man es doch nicht als Zwangsinstrument, oder? Die Schule wechseln kann man doch immer.

Nein, es war eine andere Frage. Dann müssten Sie beide Punkte hören, die ich gesagt habe. Es sind zwei Aspekte. Das eine ist: Wir möchten, dass möglichst viele einen fairen Zugang haben. Gleichzeitig muss man aber auch die Akzeptanz des gesamten Instruments berücksichtigen. Wir beide wissen sehr genau, wie hart wir damals gegen CDU und FDP darum ringen mussten, diese Schulstrukturreform nicht als sozialistisches Experiment diffamieren zu lassen, sondern als etwas anerkennen zu lassen, das genau das richtige Augenmaß zwischen Chancengleichheit und Fairness auf der einen Seite und der Rücksichtnahme auf gesellschaftliche Echoeffekte auf der anderen Seite hat. Deshalb ist dieses Probejahr die beste unter lauter schlechten Alternativen.

Ich denke, wir können auf ein Übergangssystem nicht verzichten. Einen Numerus Clausus wird es mit uns nicht geben, wird es mit Ihnen nicht geben. Einen harten Test, das wird es mit uns auch nicht geben. Deshalb ist diese Lösung, die natürlich Risiken und Nebenwirkungen hat und zu Verwerfungen führt, die aber immer noch geringer sind als ein Numerus Clausus oder ein Test, die beste unter lauter schlechten Möglichkeiten, und wir stehen dazu. – Ich glaube, da möchte noch jemand eine Zwischenfrage stellen.

Ich wollte Sie gerade fragen, ob Sie eine weitere Zwischenfrage zulassen, dieses Mal von der Kollegin Kittler.

Selbstverständlich, geht ja alles nicht von der Zeit ab.

Das ist ja einer, der sich traut, im Gegensatz zu vielen anderen.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Ah!]