Das aktuellste Beispiel ist der Brandbrief der GdP an den Innensenator zur der Unterbringung von Flüchtlingen in der Polizeisporthalle, wo sich die Polizei plötzlich selbst als Betreiber wiedergefunden hat, weil die Sozialverwaltung offensichtlich vergessen hat, für diese Polizeisporthalle einen Betreiber zu organisieren. So kann es nicht gehen.
Sie haben es angesprochen: Die Bezirke melden durchaus Immobilien, haben aber das Gefühl, dass sie bislang in einem schwarzen Loch versacken, oder sie bekommen sehr schnell die Antwort, dass es gar nicht gehe, sodass man den Verdacht hat, es wurde gar nicht richtig geprüft.
Herr Regierender Bürgermeister! Lange haben wir auf konkrete Maßnahmen und Lösungen warten müssen. Ich bin froh, dass Sie uns heute eine ganze Liste vorgelegt
haben. Wir werden darüber diskutieren, das sage ich Ihnen zu. Wir werden darüber konstruktiv miteinander diskutieren, das müssen wir auch, da haben wir eine Verantwortung. Ich will nur ein Beispiel herausnehmen: Ich bin froh darüber, dass die ASOG-Änderung, die wir heute eingebracht haben, die es in Hamburg bereits als Gesetz gibt, heute klargestellt worden ist. Es handelt sich um leer stehende Immobilien, um Gewerbeimmobilien. Man wird darüber reden müssen, gerade mit Blick auf Sport- und Turnhallen, ob wir nicht besser leere Gewerbeimmobilien sicherstellen, beschlagnahmen wie das Gebäude in der Bundesallee, anstatt immer nur auf die Turn- und Sporthallen zu gehen. Für diese Notfälle soll dieses Gesetz gelten, und auch darüber würde ich gerne in diesem Hause konstruktiv diskutieren.
Herr Regierender Bürgermeister! Nicht nur wir, auch diejenigen, die seit Monaten freiwillig und ehrenamtlich engagiert sind und helfen, warten auf konkrete Lösungen, auf konkrete Verbesserungen, denn es kann nicht sein – um ein Beispiel herauszupicken –, dass die Helfer und Helferinnen ihren eigenen Laptop mitnehmen, um zumindest eine Erstregistrierung oder irgendwas in der Art vorzunehmen, weil es vor Ort keine Software gibt. Wir sind unendlich dankbar für das, was die Helfer und Helferinnen täglich leisten. Sie werden nicht müde, es zu tun. Sie leisten unglaublich wertvolle Arbeit. Ich möchte ihnen danke sagen, das kann man nicht oft genug tun. Ihrem Dank möchte ich mich anschließen und mich darüber freuen, dass sie da sind und mit uns weitermachen wollen, denn es war in den letzten Monaten nicht leicht. Vielen Dank!
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Beifall von Nikolaus Karsten (SPD)]
Wir sehen an der überwältigenden Hilfsbereitschaft, die sich quer durch alle Gesellschaftsschichten zieht, quer durch die Stadt, vom Westend bis Hellersdorf, von Reinickendorf bis Treptow vor allem eins: Berlin steht zusammen, und diejenigen, die Hass und Menschenverachtung säen wollen, haben in Berlin keinen Platz, denn wir anderen sind viel, viel mehr. Das ist unser Berlin, und das soll auch so bleiben!
Diese Klarheit, die wir hier in Berlin haben, vermisse ich zunehmend in der Bundespolitik. Wir wissen alle um die Herausforderung, die niemand hier leugnet. Sie haben die Zahlen genannt, wir kennen sie. Aber gerade in schwierigen Zeiten und in Krisensituationen sollten wir uns auf das besinnen, was unsere Gesellschaft zusammenhält. Das ist an erster Stelle unsere Verfassung, unser
Grundgesetz. Und unsere Grundrechte wie das Grundrecht auf Asyl sind eben nicht nur für gute Zeiten und Sonntagsreden gedacht. Sie haben ihren Bestand auch und gerade in Krisenzeiten. Das scheinen einige aus dem Blick verloren zu haben, insbesondere, wenn man in Richtung Bundesregierung schaut. Der Innenminister überfällt uns und die Regierungskoalition nahezu täglich mit neuen Vorschlägen zur Abschreckung von Flüchtlingen und Aushöhlung von Grundrechten. Ob die DublinVerordnung mal eben durch die Hintertür eingeführt wird, der schäbige Vorschlag, den Schutzstatus für Flüchtlinge aus Syrien zu verschlechtern,
oder die Idee, den Familiennachzug zu beschränken – man hat den Eindruck, wenn man auf die CDU/CSU schaut: Das C kann man streichen, denn christlich ist das wahrlich nicht, das S auch, denn sozial ist es auch nicht. Und bei der Zerstrittenheit kann man auch noch feststellen: Eine Union ist das auch nicht mehr.
Vor einigen Tagen haben wir den 9. November begangen. Es war unerträglich zu sehen, wie in diesem Jahr am 9. November BÄRGIDA und andere Rechte mit Reichsfahnen und Reichskriegsflaggen an der Synagoge in der Rykestraße vorbeigezogen sind. Es ist eine Frage wert, wie das eigentlich so ungestört passieren durfte, wo doch ansonsten über alles und jeden hier in der Stadt informiert wird. Nur an der Synagoge in der Rykestraße durften sie am 9. November vorbeiziehen.
Dieser 9. November erinnert an dunkle Stunden von 1938, aber auch an den Glücksmoment des Mauerfalls von 1989. Nicht nur anlässlich dieses Datums fragen wir uns, wie wir heute mit dieser größten Herausforderung seit der Wiedervereinigung umgehen wollen und umgehen können. Es ist vielleicht kein Zufall, dass diejenigen, die wie die Bundeskanzlerin oder wie der Bundespräsident in ihrem Leben bereits eine tiefgreifende Veränderung erlebt haben, diese Herausforderung von heute mit Mut und optimistischer Entschlossenheit angehen. Die Angst vor Veränderung ist offensichtlich bei denjenigen geringer, die selbst gravierende Lebensumbrüche erlebt haben und gestalten konnten und für sich gesehen haben: Es ist gut geworden. Das sind diejenigen, die heute mit Offenheit und Tatkraft anderen Mut machen: Wir schaffen das! Das ist richtig so!
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Beifall von Ülker Radziwill (SPD)]
Das „Wir schaffen das!“ gilt im Übrigen auch für unzählige Migrantinnen und Migranten. Da kann ich meine eigene Lebensgeschichte zu Rate ziehen. Ich kam 1988 in ein Land, das in Integrationsdingen damals noch nicht so ganz geübt gewesen ist. Trotz meiner guten Sprachkenntnisse war es spürbar, dass ich irgendwie nicht dazugehör
te, und es dauerte etwas länger, bis ich dazugehörte. Der Satz „Integration ist mehr als nur ein Sprachkurs“ stimmt absolut, das kann ich aus eigenem Erleben sehr deutlich sagen.
Wir sollten alle miteinander klug genug sein, nicht die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen, nicht zu versäumen, frühzeitig mit Integration, mit Teilhabe und Partizipation zu beginnen. Und dazu gehört, die Realität anzuerkennen, dass viele der Menschen, die zu uns kommen, auch dauerhaft hier bleiben werden. Sie werden sich verändern, und wir alle miteinander werden uns verändern, weil das so ist in offenen Gesellschaften und weil das gut so ist. Wer auch immer einem vorgaukelt – das haben wir auch im letzten Plenum wieder hören dürfen –, nichts ändere sich oder dürfe sich ändern, der lebt nicht in dieser Welt, das sage ich ganz deutlich.
Ich möchte hier die „FAZ“ zitieren, unverdächtig des Linksseins. Der Kommentar von Volker Zastrow lautet:
In modernen Staatswesen findet ein unaufhörlicher Veränderungsprozess statt. Sie sind offen, weil sich technologische, ökonomische und soziale Entwicklung, also der Fortschritt, nur in geschlossenen Systemen verhindern lässt …
Genauso ist es. Eingefrorene Gesellschaften gibt es nur hinter Mauern oder in totalitären Systemen. Und beides wollen wir nicht.
Wir haben aber die Verantwortung, diese Veränderung zu gestalten und sie nicht einfach laufen zu lassen.
Und heute heißt die größte Herausforderung, auch wenn wir über winterfeste Notunterkünfte sprechen müssen, aber die Herausforderung, die Chance heißt eben Integration. Dabei sind alle gefordert, wir, die Politik, die Gesellschaft und die Migrantinnen und Migranten. Es geht um Integration auf dem Wohnungsmarkt, in Bildung, Arbeit und in Rechtsordnung dieser Bundesrepublik. Und gerade bei Letzterem möchte ich noch mal auf die Wiedervereinigung schauen. Wenn Menschen vor Diktatur und Unterdrückung fliehen und in Freiheit und Sicherheit mit ihren Kindern leben und aufwachsen wollen, ja, auch wenn das Menschen sind, die Demokratie und Rechtsstaat vielleicht nicht aus eigenem Erleben bislang kennen, weil sie diese einfach noch nicht erlebt haben, sie haben aber die Unfreiheit gesehen, was Diktatur und fehlende Rechtssicherheit bedeuten. Warum fehlt uns eigentlich der Glaube, dass sie sich für Demokratie, Freiheit und Rechtsstaat begeistern lassen könnten? Ich bin überzeugt, dass das anders ist.
Und ja, wir haben viele Aufgaben auf dem Wohnungsmarkt vor uns. Wir freuen uns ja, dass die Stadt wächst: 40 000 Menschen, die zu uns kommen. Und dazu kommt noch die Aufgabe der 50 000 Flüchtlinge, die auch zu uns kommen und auch aus den Unterkünften rausmüssen, weil wir wollen, dass sie sich integrieren, dass sie inmitten der Stadt und unter uns wohnen, dass sie selbst für sich sorgen können durch Arbeit, dass sie hier Ausbildung und Bildung erfahren, damit sie tatsächlich diesen Integrationsmotor spüren. Es geht also um bezahlbare Wohnungen, und zwar für alle hier in der Stadt. Dazu werden wir heute auch noch über das Wohnraumversorgungsgesetz debattieren.
Es geht um Bildung, es geht um die unbegleiteten Minderjährigen, die endlich auch in die Schulen kommen müssen, und es geht um den Arbeitsmarkt. Ich glaube, dass wir da noch viel tun müssen. Wir wissen alle, dass es Landesunternehmen gibt, Betriebe, Verbände, die sich inzwischen in der Integration sehr engagieren. Sie bieten Ausbildungs- und Arbeitsplätze an. Aber nichtsdestotrotz wird es nicht reichen. Wir werden uns da noch mehr anstrengen müssen. Was ich bislang da kenne, sind nicht mehr als Papiertiger. Ich glaube, ohne eigene Arbeitsmarktprogramme oder eine klare Fokussierung auf Flüchtlinge – dazu werden wir als Fraktion auch einen Vorschlag vorlegen – wird es in der nächsten Zeit nicht gehen.
Alles in allem müssen wir, glaube ich, das tun, was die Notsituation erfordert: konstruktiv miteinander die Dinge gestalten, aber ohne das andere, die Integration, zu lassen. Das ist eine doppelte Herausforderung; die gilt es aber zu meistern, damit es gelingt und damit Berlin das ist und bleibt, was es ist: eine offene und unverwechselbare Stadt.
Wie einige andere hier im Raum habe ich selbst eine Zuwanderungsgeschichte, eine europäische Ost-WestGeschichte, kann man sie vielleicht nennen. Und aus meiner persönlichen Erfahrung heraus weiß ich um die Schwierigkeiten, aber auch um die Chancen und um die Möglichkeiten, die wir nutzen sollten, um Integration voranzutreiben. Es gibt also viel zu tun. Unsere Unterstützung haben Sie, wenn es darum geht, das zu tun, was wirklich hilft. Das kann ich Ihnen zusagen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Berlin leistet in diesen Tagen unglaublich viel, um den ankommenden Flüchtlingen in unserer Stadt eine Unterkunft zu geben. Mein Dank gilt den Ehrenamtlichen sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landes Berlin auf allen Ebenen, ob beim LAGeSo, bei der Feuerwehr, in der Landesverwaltung oder in den Bezirken. Sie gehen über ihre Leistungsgrenzen hinaus.
Wir danken der Berliner Polizei, die in diesen Tagen die Sicherheitslage der Unterkünfte ganz besonders absichert. Wir danken auch den Tausenden Lehrerinnen und Lehrern, Erzieherinnen und Erziehern, die in den Schulen und Kitas mit Flüchtlingskindern arbeiten. Hier hat die Integration einer neuen Generation bereits begonnen!
In Berlin leben mittlerweile 56 000 Geflüchtete. Die Verteilung auf die Berliner Bezirke ist ungleich. Es gibt Bezirke, da leben nur 600 Flüchtlinge, in anderen sind es über 4 000. Dieses Ungleichgewicht ist nicht mehr hinnehmbar. Es kann doch nicht sein, dass zum Beispiel in Reinickendorf ein privates Unternehmen eine Halle zur Verfügung stellt, und dann verzögert sich die Nutzung, weil der Bezirk die Unterkunft blockiert. Das ist verantwortungslos!
Der Winter ist da, und jeden Tag kommen neue Flüchtlinge zu uns. Es ist unsere Verantwortung, dass sie ein Dach über dem Kopf haben. Um nicht mehr geht es im Moment, um die Vermeidung von Obdachlosigkeit. Es geht längst nicht mehr um Mindeststandards. Deshalb bin ich dem Regierenden Bürgermeister dankbar. Er hat zu Recht deutlich gemacht: Es besteht Handlungsbedarf. Die Prozesse müssen beschleunigt werden. Und die Politik hat die Aufgabe, das besser zu organisieren. Diese Haltung des Regierenden Bürgermeisters unterstützen wir als SPD-Fraktion.
Alles andere hieße, nichts zu tun und den Dingen ihren Lauf zu lassen. Und das wäre verantwortungslos. Unsere Aufgabe liegt aber darin, Verantwortung zu übernehmen und Antworten auf die drängenden Fragen zu finden.
Die politischen Maßnahmen von heute werden aber nicht die einzigen bleiben. Nach Berlin kommen nicht nur jeden Tag Flüchtlinge, sondern auch Bürgerinnen und
Bürger aus Deutschland und aus ganz Europa. Berlin ist und bleibt eine der attraktivsten Städte Europas und ein Magnet für viele Menschen. Das heißt für uns: Wir werden unsere gesamte Wohnungsbaupolitik weiter ausbauen müssen, und zwar für alle Berlinerinnen und Berliner; nicht nur für Flüchtlinge, aber auch für Flüchtlinge.