Vielen Dank! – Für die Fraktion der Piraten hat nun der Abgeordnete Claus-Brunner das Wort. – Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Senatorinnen beliebigen Geschlechts! Und sehr geehrte Kolleginnen beliebigen Geschlechts! Es wird von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt, dass die Vorbereitung der Ausschreibung einzelner Teilstrecken der S-Bahn Berlin
GmbH in Angriff genommen werden soll. Es soll hier das seit über 100 Jahren einheitlich betriebene S-Bahnnetz zerlegt und filettiert werden und die besten Stücke meistbietend auf dem Markt feilgeboten werden. Wir sind doch hier nicht auf einem orientalischen Basar, sondern haben als Land Berlin den Auftrag, die öffentliche Daseinsvorsorge zu gewährleisten.
Als Gründungsmitglied des Berliner S-Bahntisches und als Mitglied der Piratenfraktion kann und will ich diesen Antrag nicht unbehandelt im Raum stehen lassen. Es bedarf hier in wesentlichen Punkten der Verbesserung und Änderung. Wir fordern den Senat auf, zur grundsätzlichen Vorbereitung den im August 2004 mit der DB AG abgeschlossenen Verkehrsvertrag mit Geltungszeit bis Ende 2017 vollumfänglich offenzulegen. Das ist u. a. erforderlich, um z. B. ausschließen zu können, dass bereits Fehler in den bestehenden Vergabe- und Nutzungsverträgen zwischen S-Bahn Berlin GmbH und der DB Regio AG zu finden sind. Das Konzept, den Betrieb der S-Bahn Berlin in seiner Gesamtheit mit Schienennetz, Fuhrpark und Werkstätten als Anstalt des öffentlichen Rechts in der Hand des Landes Berlin oder als landeseigenen Betrieb zu realisieren, muss oberste Priorität besitzen.
Die Bürger des Landes Berlin zahlen schon heute den größten Teil der Kosten des Betriebs der S-Bahn. Jedoch haben wir derzeit wenig Mitspracherecht oder Möglichkeiten der Kontrolle, was tatsächlich mit unserem Steuergeld veranstaltet wird. Appelle und selbst Kürzungen der Zuschüsse führten schon in der Vergangenheit nicht zu dem erwünschten Erfolg bei der Verbesserung der Betriebssituation. Daher ist die Forderung, die S-Bahn Berlin in ihrer Gesamtheit in die 100-prozentige Verantwortung und Kontrolle des Landes Berlin selbst zu übertragen, mehr als nur sinnvoll. Der Verlustsozialismus, der im Land Berlin nicht nur von der Regierungsbank propagiert wird, muss ein Ende haben.
Wir geben doch nicht Steuergelder dafür aus, dass die DB AG auf der ganzen Welt Großkonzern spielen kann und dabei das Kerngeschäft, uns Berliner Bürger, selbst außer Acht lässt, anstatt uns morgens bis abends zuverlässig, sicher und komfortabel zu unseren Wohnungen und Arbeitsplätzen zu transportieren.
Die angestrebte Privatisierung ist ein fauler Zauber, der nur scheinbar die Lösung der bisherigen Probleme ist. Das Desaster der S-Bahn von heute und der jüngeren Vergangenheit gibt uns einen Vorgeschmack auf das, was uns erwartet, wenn die S-Bahn vollumfänglich privat betrieben werden würde. Die Ausschreibung von Teilstrecken in dem seit mehr 100 Jahren einheitlich betriebenen S-Bahnnetz ist nicht nur ein Widerspruch zur bisherigen Betriebsweise, sondern auch schon Dummheit im
Vorsatz. Leider ist Letzteres nicht strafbewehrt im Sinne des Strafgesetzbuchs. Es wäre aber eine Idee, die zur Auslastung der neuen JVA Heidering beitragen könnte.
Sie machen Politik auf Kosten der Gesundheit der Mitarbeiter und Fahrgäste. Der Raubbau an der Substanz der S-Bahn und ihren Mitarbeitern muss beendet werden. Wenn Sie im Herzen Berliner Bürger sind und langfristig denken, dann werden Sie dem Antrag der Piraten zustimmen müssen.
Ich danke Ihnen, Herr Kollege Brunner! Sagen Sie doch mal: Wann sind Sie das letzte Mal mit der S-Bahn gefahren, und welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Als ich das letzte Mal mit der S-Bahn gefahren bin, ist der eigentlich planmäßig gefahrene Zug am S-Bahnhof Feuerbachstraße um fünf Minuten verspätet eingetroffen. Er war überfüllt, und dementsprechend hat das sehr viel Spaß gemacht, hierher zu fahren.
Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und des Änderungsantrags der Piratenfraktion an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr sowie an den Hauptausschuss empfohlen. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat Frau Abgeordnete Breitenbach. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Zahl der Zwangsumzüge steigt. Die Verdrängung von Geringverdienenden und Hartz-IV-Beziehenden aus den Innenstadtbezirken nimmt zu. Wenn Sie, Herr Müller, jetzt über die Zeitung mitteilen lassen, es sei ja keine Zumutung, von Mitte nach Spandau umzuziehen, dann mag das für Sie persönlich kein Problem sein. Für viele andere bedeutet es aber den Verlust des sozialen Umfelds. Zumindest wir wollen das nicht.
Wir wollen auch nicht, dass es in Berlin Hartz-IVBezirke gibt. Die alte AV Wohnen wird dem allem nicht gerecht. Deshalb möchten wir eine Veränderung. Alle Bemühungen meiner Fraktion seit 2008, mit der SPD hier zu vernünftigen Änderungen zu kommen, sind leider gescheitert. Nach der Änderung des SGB II muss die AV Wohnen jetzt in eine Rechtsverordnung umgewandelt werden. Mit unserem Antrag schlagen wir vor, wie das konkret aussehen soll.
Wir möchten gern sinnvolle Regelungen der alten AV Wohnen wie die Sonder- oder die Härtefallregelung, die eine Überschreitung des Richtwertes im Einzelfall vorsehen, beibehalten. Wir möchten gern, dass das bisherige umfassende Prüfverfahren bei der Angemessenheit der Wohnkosten bleibt, aber auch, dass es besser wird. Jetzt sind zum Beispiel die Beschäftigten überfordert, wenn sie die Betriebskosten überprüfen müssen. Deshalb schlagen wir vor, dass es in Zukunft eine Kooperation mit Dritten gibt, zum Beispiel mit Mieterorganisationen.
Wir möchten, dass die 2008 vom Senat beschlossene Regelung für den flexiblen Umgang mit Heizkosten bleibt. Niemand soll seine Wohnung wegen steigender Heizkosten verlieren. Darüber hinaus halten wir die Erfahrungen, die es mit der kostenfreien Energieberatung
Aber Dreh- und Angelpunkt einer Rechtsverordnung Wohnen ist die Höhe der Richtwerte. Wir brauchen endlich Richtwerte, die der Realität standhalten und den Verbleib in der Wohnung ermöglichen. Deshalb wollen wir, dass sich die Richtwerte künftig am Miet- und am Heizspiegel orientieren und regelmäßig angepasst werden.
Zu Letzterem: Nur solch ein transparentes und verbindliches Verfahren kann garantieren, dass die Fortschreibung von Richtwerten nicht länger – wie in den letzten Jahren erlebt – von politischen Mehrheiten im Senat und deren Wohlwollen abhängig ist.
Das SGB II schreibt zwar vor, dass die Wohnungsregelungen auf dem einfachen Wohnungsstandard fußen müssen, gleichzeitig wird aber ein ausreichend verfügbarer Wohnraum verlangt. Deshalb sagen wir: Es reicht nicht aus, wenn wir in die Berechnung der Richtwerte nur den einfachen Wohnraum einbeziehen. So viele Wohnungen gibt es nicht. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, müssen wir bei der Berechnung der Richtwerte sowohl den einfachen als auch den mittleren Standard einbeziehen. Diese Wohnungen müssen Grundlage sein.
Selbst das würde noch kein ausreichendes Angebot für die Ein- und Zweipersonenhaushalte ergeben. Deshalb unser Vorschlag – liebe SPD, das ist notwendig –, auch die Wohnungen einzubeziehen, die weniger als 40 Quadratmeter haben, denn nur dann haben wir eine entsprechende Anzahl von Wohnungen, die theoretisch zur Verfügung stehen.
All diese Berechnungen führen noch nicht dazu, das Leistungsbeziehende eine Wohnung anmieten können, weil sie dies wollen oder müssen. Deshalb brauchen wir einen Neuvermietungszuschlag. – Frau Präsidentin! Ich sehe, dass ich gleich am Ende sein muss. Das bin ich auch gleich, den einen Absatz noch. – Wir haben innerhalb der letzten zwei Jahre ein besonderes Problem bekommen. Die Verdrängung, die wir heute erleben, findet in den Bezirken statt, in denen es bisher günstigen Wohnraum gab, beispielsweise in Neukölln oder im Wedding. Um das zu stoppen, brauchen wir einen weiteren Zuschlag, der im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung gewährt werden sollte.
Das sind eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die wir Ihnen vorschlagen, um eine vernünftige Rechtsverordnung Wohnen zu schaffen, die Verdrängung verhindert. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition! Wenn
auch Sie die Berliner Mischung in den Kiezen erhalten wollen, dann unterstützen Sie unseren Antrag! – Vielen Dank!