Protocol of the Session on September 10, 2015

[Allgemeiner Beifall]

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

und

lfd. Nr. 4.1:

Priorität der Fraktion der CDU

Tagesordnungspunkt 8

a) Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans von Berlin für die Haushaltsjahre 2016 und 2017 (Haushaltsgesetz 2016/2017 – HG 16/17)

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/2400

Erste Lesung

hierzu:

hier: Austauschseiten im Band 4 – Einzelplan 05

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/2400-1

b) Finanzplanung von Berlin 2015 bis 2019

Vorlage – zur Kenntnisnahme – Drucksache 17/2416

Ich eröffne die erste Lesung des Haushaltsgesetzes. Ich habe die Gesetzesvorlage auf Drucksache 17/2400 vorab federführend an den Hauptausschuss und mitberatend in Bezug auf die Einzelpläne bzw. einzelne Kapitel an die entsprechenden Fachausschüsse überwiesen und darf Ihre nachträgliche Zustimmung hierzu feststellen. Die Fachausschüsse haben bereits teilweise mit den Haushaltsberatungen begonnen.

Die Vorlage zur Finanzplanung habe ich vorab an den Hauptausschuss überwiesen und darf auch hierzu Ihre nachträgliche Zustimmung feststellen. Der Ältestenrat hat hierzu die Empfehlung ausgesprochen, dass auch in den Haushaltsberatungen der Fachausschüsse eine Bezugnahme auf diese Vorlage auch ohne formale Überweisung zulässig ist.

Zunächst werden die Vorlagen durch den Senat begründet. Das Wort hat der Finanzsenator. – Bitte sehr, Herr Dr. Kollatz-Ahnen, Sie haben das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Berlins Zukunft ist solide finanziert. Wir nutzen mit Augenmaß die erarbeiteten Spielräume. Wir legen dem Abgeordnetenhaus als Senat heute einen Doppelhaushalt für die Jahre 2016 und 2017 vor, der derselben Philosophie folgt, die ich bereits beim Nachtragshaushalt 2015 angekündigt hatte, nämlich dem Zweiklang: Konsolidieren und investieren! – Diese Philosophie kennzeichnet und prägt auch den ebenfalls vorgelegten Finanzplan für 2019. Sie haben sicherlich zur Kenntnis genommen – ich finde das auch richtig –, dass wir das Jahr 2020, das für die Finanzplanung wegen der Schuldenbremse eine

(Fabio Reinhardt)

besondere Bedeutung hat, ebenfalls in der Finanzplanung – im Anhang – dargestellt haben.

Transparenz und finanzielle Solidität sind und werden weiter zu einem Markenzeichen der Berliner Finanzpolitik. Mit dem Doppelhaushalt 2016/2017 legen wir dem Parlament den zweiten Doppelhaushalt in Folge vor, der ohne Neuverschuldung auskommt und der positive Ergebnisse vorsieht – 78 Millionen Euro für 2016 und 65 Millionen Euro für 2017. Das setzt sich fort für die Finanzplanung bis 2020. Alle Haushalte sehen jeweils leichte Überschüsse vor.

All denen, die das mit dem Verweis auf niedrige Zinsen und starke Steuereinnahmen für keine starke Leistung halten, sei gesagt: Ausgeglichene Haushalte sind in der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor nicht der Regelfall. Neben Berlin sieht die Haushaltsplanung 2016 in nur sieben weiteren Bundesländern Überschüsse vor. Oder andersherum gesagt: Die Hälfte der Bundesländer wird 2016 wieder Defizite aufweisen, darunter die beiden anderen Stadtstaaten und auch große Flächenländer wie Nordrhein-Westfalen und Hessen.

Dabei sind unsere Einnahmeprojektionen konservativ kalkuliert. Das ist häufig kritisiert worden. Wir legen eine Steigerung der bereinigten Einnahmen von 2014 zu 2016 von 4,7 Prozent zugrunde sowie einen Anstieg um weitere 3,2 Prozent im Jahr 2017. Diese Projektion berücksichtigt Steuerschätzungen, die existierenden Steuerschätzungen, nicht Hoffnungswerte künftiger Steuerschätzungen. Sie berücksichtigt einen Teil der erwarteten Mehreinnahmen aus der Einwohnerentwicklung. Und sie berücksichtigt die bereits feststehenden zusätzlichen Mittel, die der Bund den Ländern zur Verfügung stellt, auch dort keine Hoffnungswerte.

Letzteres, was der Bund den Ländern erfreulicherweise zur Verfügung stellt, ist das kommunale Investitionsprogramm. Und was wir auch im Haushaltsentwurf sehen, sind die schon im Nachtragshaushalt 2015 vom Bund übernommenen BAföG-Mittel. So viel zu dem Thema Konsolidierung!

Jetzt komme ich zu dem Thema „Mehr Investitionen“: Auf der Ausgabenseite ist dieser Haushaltsentwurf von einer deutlichen Ausweitung der Investitionen geprägt. Nach mehreren Jahren der Plafondierung der Investitionen bei etwa 1,4 Milliarden Euro pro Jahr planen wir, die Investitionssumme in den kommenden Jahren auf 1,75 Milliarden Euro auszuweiten. Mehr noch: Wie in der Finanzplanung dargelegt beabsichtigen wir, diese Summe auch bis 2020 fortzuschreiben. Mit dem erhöhten Investitionsvolumen machen wir den ersten Schritt, den Rückstau der Investitionen im Land Berlin aufzulösen.

Angesichts der Größe der Aufgabe ist aber auch klar: Das wird ein langer Prozess. Wir wollen – und das ist das

Signal dieses Haushalts, das auch über diese Wahlperiode hinausweist – einen stetigen Prozess der stückweisen Verbesserung mit einer mittelfristigen Perspektive einleiten, einer Vision über 10 bis 15 Jahre.

[Zuruf von Steffen Zillich (LINKE)]

Wir setzen in dieser ersten Runde bewusst Schwerpunkte in den Bereichen Gesundheit, Schulen und Kitas, und die finden alle statt, öffentlicher Nahverkehr und bei den bezirklichen Investitionen. Zudem wird das Wohnungsbauprogramm von derzeit 1 000 Wohneinheiten auf 2 500 2016 und 3 000 Einheiten 2017 deutlich ausgeweitet und in den Folgejahren bis 2020 fortgeschrieben. Zu diesen 3 000 Einheiten in Landesverantwortung kommen 500 Einheiten für Studierende und weitere 500 Einheiten im experimentellen Wohnungsbau, insgesamt also 4 000 Einheiten im Neubau. All dies sind Bereiche, in denen es nicht nur einen Stau an Ersatzinvestitionen gibt, sondern in denen es gleichzeitig um Erweiterungsinvestitionen aufgrund der steigenden Einwohnerzahlen geht.

Ich weise an dieser Stelle außerhalb, wenn Sie so wollen, der Darstellung des Haushalts darauf hin, dass die Beteiligungsunternehmen des Landes netto, das heißt unter Herausrechnung der Zuweisungen und Zuschüsse aus dem Haushalt, noch einmal jährlich rund 1,7 Milliarden Euro zusätzlich investieren, noch einmal ungefähr dieselbe Summe, die wir im Haushalt haben – in Wasserleitungen, in Wohnungen, in U-Bahnfahrzeuge, in vieles, das die Berlinerinnen und Berliner täglich buchstäblich zu spüren und zu erfahren bekommen.

Die Großprojekte der Stadt – das zeigt auch die öffentliche Diskussion wieder deutlich – erfahren naturgemäß besondere Aufmerksamkeit in Parlament und Öffentlichkeit. Ich bleibe dabei, was ich bereits Anfang Juli bei der Vorstellung des Haushaltsentwurfs formulierte: Berlin sollte sich auf zwei Großprojekte in Parallelität begrenzen. Neue Projekte wie das ICC oder der Umbau des Flughafens Tegel mit der Nachfolgenutzung sind nur in dem Maß zu realisieren, wie bestehende Großprojekte wie die Staatsoper oder der BER abgeschlossen werden. Darauf setzen wir allerdings sehr viel Energie und werden das auch schaffen.

[Zuruf von Ajibola Olalowo (GRÜNE)]

Dieser Grundsatz steht aber gerade nicht im Gegensatz zu einer soliden Planung neuer Projekte. Gute Vorbereitung und die Einteilung solcher Projekte in sinnvolle Abschnitte sind die Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung. In diesem Sinn sieht der Haushaltsentwurf auch genau das für das ICC und den Zukunftsstandort Tegel vor. Die Finanzplanung zeigt zudem die Umsetzung, die dann schrittweise eingeleitet wird.

Ich komme zur wachsenden Stadt. Auch im konsumtiven Bereich sieht der Haushalt Mehrausgaben vor, wo wir entweder den Anforderungen der wachsenden Stadt Rechnung tragen wollen oder einen politischen

(Senator Dr. Matthias Kollatz-Ahnen)

Schwerpunkt setzen. Beides ist richtig und notwendig. Es gibt keine Ausweitung der Ausgaben mit der Gießkanne, sondern eine gezielte Ausweitung dort, wo es einen belegbaren objektiven Mehrbedarf an öffentlichen Leistungen gibt, wobei der Aufwuchs des Personals teilweise auch einen parallelen Aufwuchs der Sachkosten nach sich zieht und das auch im Haushalt abgesichert ist.

Beim Personal finanzieren wir 2 000 neue Stellen für Lehrkräfte sowie Erzieherinnen und Erzieher, 300 neue Stellen in den Bezirksämtern in den für die wachsende Stadt besonders wichtigen Bereichen in Fortschreibung zu den 270 Stellen, die dort bereits genehmigt waren, und 420 neue Stellen bei der Polizei sowie 370 Anwärterpositionen im Polizeivollzug. Wenn die Stadt weiter so wächst, soll es pro Jahr 110 zusätzliche Polizistinnen und Polizisten geben. Und auch im Justizvollzug soll die Personalausstattung gestärkt werden.

Daneben gilt es, die Mehrkosten abzubilden, die sich aus der Tarifeinigung für den öffentlichen Dienst, die Anpassung der Beamten- und Ruhestandsbezüge sowie die vom Abgeordnetenhaus, wie ich finde, richtigerweise beschlossene graduelle Angleichung in Schritten von 0,5 Prozentpunkten der Löhne und Gehälter an das bundesweite Durchschnittsniveau der anderen Bundesländer ergeben. Das sind Mehrausgaben von 250 Millionen Euro pro Jahr bzw. 110 Millionen Euro, das eine für die Beamten, das Zweite für die Angestellten, insgesamt 360 Millionen Euro im Jahr eins, 720 im Jahr zwei und 1 080 im dritten Jahr. Es handelt sich also um eine große Weichenstellung.

Das alles zusammen bedeutet für den Doppelhaushalt und den Finanzplanungszeitraum deutliche Zuwächse bei den Personalausgaben. Das ist der Ausdruck unseres Willens, die öffentlich Beschäftigten nach Jahren der Lohnzurückhaltung am Aufschwung der Stadt teilhaben zu lassen und den öffentlichen Dienst auch attraktiv für Bewerber zu machen. Andererseits – und auch dieses Signal will ich heute bewusst setzen – müssen wir bei all diesen Anpassungen vorsichtig, stufenweise, graduell agieren, damit wir nicht allen mühsam erarbeiteten fiskalischen Spielraum aufs Spiel setzen.

Ein Wort noch zu den Bezirken: Ihnen werden in den beiden Haushaltsjahren rund 6,3 bzw. 6,5 Milliarden Euro zufließen. Neben anhaltend hohen Zuwachsraten bei den Zuschüssen für die Sozialausgaben spiegeln sich hier insbesondere die höheren Zuweisungen für das Personal und auch für die Investitionen der Bezirke wider, die ein wichtiger Träger der öffentlichen Investitionen sind. Das sind Mittel, die den Bürgerinnen und Bürgern Berlins ganz konkret im täglichen Leben positiv begegnen werden und im Übrigen auch eine langjährige Forderung der Bezirke darstellen.

Mit der überproportionalen Steigerung der Budgetmittel im Bereich Kulturpolitik setzen wir zusätzliche Mittel für die Förderung der freien Kunstszene und den Ausbau der Filmförderung ein, wichtige Bereiche für Berlin und auch Bereiche, in denen ein großes Signal damit ankommt.

Es ist unmöglich, heute über die Einbringung eines Haushalts zu reden, ohne etwas zu dem Thema Flüchtlinge zu sagen. Deutlich ausgeweitet haben wir die Reaktion auf die dramatischen Entwicklungen der letzten Monate. Wir haben deswegen die Ansätze für die Finanzierung der Leistungen für Flüchtlinge ausgeweitet. Für das Jahr 2016 sind im Haushalt 383 Millionen Euro und für 2017 445 Millionen Euro vorgesehen. Diese Ansätze basieren auf der Einschätzung zum Datum, als der Senat den Haushalt beschlossen hat. Offenkundig werden wir die Entwicklung auch mit Blick auf ihre Wirkung im Haushalt weiter beobachten und möchten das als Senat auch gerne zusammen mit dem Parlament tun.

Ungeachtet dessen bleiben wir bei der Forderung, dass der Bund den Ländern einen Teil – und ich bin da auch für einen kräftigen Teil – der Flüchtlingskosten abnehmen muss. Bisher erhält Berlin lediglich 27,5 Millionen pro Jahr vom Bund. Formal ist das sogar ein einmaliges Thema. Wir haben konservativ veranschlagt. Wenn der Bund, wie von den meisten Ländern gewünscht, etwa 50 Prozent der Unterbringungskosten veranschlagt, sehen Sie, dass es um ganz andere Größenordnungen geht. Das würde uns auch dabei helfen, das Thema zu bewältigen.

Wie gestern im Hauptausschuss bereits diskutiert schlage ich dem Parlament vor, bis zur zweiten Lesung die Ansätze gemeinschaftlich im Lichte der Entwicklung anzupassen. Niemand kann heute sagen, wie es weitergehen wird. Wir werden aber in einigen Wochen mehr wissen und dann nach bestem Wissen und Gewissen gemeinsam etwas beschließen können. Wir haben dann hoffentlich mehr Klarheit über die Finanzierungszusagen des Bundes. Wir werden das, was wir in Berlin in der Landesverwaltung aufgesetzt haben, nämlich eine Erfassung nach den Ausgabenkategorien, vorlegen, zumindest dem Volumen nach, nicht nach Einzelprojekten, was kaum möglich ist. Diese Kostenanalysen, die in vergleichbarer Form meines Wissens in noch keinem anderen Bundesland vorliegen, wollen wir in die Haushaltsberatungen einbringen und dann gemeinsam mit dem Parlament dieses Thema aktualisieren.

Die Zahlen zeigen Ausgaben von ca. 800 Euro pro Flüchtling und Monat für Unterbringung und Lebensunterhalt sowie 200 Euro pro Monat und Flüchtling für die sinnvollen und notwendigen Integrationsleistungen. Was sind das für Integrationsleistungen? – Das ist das, was heute auch eine Rolle spielte, das ist Arrivo, das sind die Integrationslotsen, das ist die Betreuung und Begleitung bei Kindern, das sind die Sprachkurse, das sind Rönt

(Senator Dr. Matthias Kollatz-Ahnen)

genaufnahmen, das sind Willkommensklassen in Schulen und Kitas. Um diese Stichworte geht es.

Geld allein schafft keine Geborgenheit. Aber diese Mittel sind die finanziellen Voraussetzungen dafür, dass Berlin den Opfern von Krieg und Vertreibung in Not so begegnen kann, wie – ich denke – wir alle in diesem Hause das wollen: mit menschlichem Anspruch und mit offenem Herzen.