Meine Damen und Herren von SPD und CDU! Sie können sich vielleicht aktuell vor der Debatte hier im Parlament drücken, aber vor der Debatte über die Zukunft der Stadt können Sie sich auf Dauer nicht vor den Berlinerinnen und Berlinern verstecken. Das ist peinlich und schändlich für diese Stadt. Da muss sich einiges ändern.
Leichte Selbstkritik, leichte Selbstzweifel reichen da nicht aus. Es braucht einen neuen Kurs! – Danke schön!
Ich wende mich auch noch einmal an Frau Claßen-Beblo und danke Ihnen und ihren Mitarbeitern im Namen des gesamten Hauses für die geleistete Arbeit und den erstatteten Bericht. Herzlichen Dank dafür!
Antrag der Piratenfraktion, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2303
Es gilt grundsätzlich wieder fünf Minuten Redezeit. Die Auswirkungen einer Redezeitüberschreitung und Auswirkungen auf das Kontingent sind Ihnen allen bekannt. Es beginnt die Piratenfraktion mit dem Kollegen Baum, dem ich jetzt das Wort erteile. – Bitte schön!
Sehr geehrter Präsident! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Man sieht, bei der SPD lichten sich die Reihen. Das hält uns aber nicht davon ab, dass wir Piraten zusammen mit der Linken und Grünen beantragen, dass sich auch Berlin im Bundesrat für die Ehe für alle einsetzt.
Wir erwarten von Ihnen, Herr Regierender Bürgermeister Müller, dass Sie laut und deutlich sagen: Ja, ich will!
Warum die Diskriminierung bei der Eheschließung abgeschafft werden muss, weiß inzwischen jedes Kind. Frau Seibeld! Haben Sie einmal versucht, einem Kind eines gleichgeschlechtlichen Paares zu erklären, weshalb Mama und Mama nicht heiraten dürfen? – Nein? Ich verrate Ihnen etwas: Sie bekommen es auch nicht hin. Sie können es nicht erklären. Es gibt keinen vernünftigen Grund für diese Diskriminierung bei der Eheschließung, und deshalb gehört sie abgeschafft.
Frau Seibeld! Sie schreiben im „Tagesspiegel“, Ihnen scheine der Konsens in der Gesellschaft nicht so weit fortgeschritten zu sein, wie der Eindruck erweckt werden soll.
Ich frage Sie: Welchen Eindruck erweckt es bei Ihnen als Mitglied der Christlichen Demokratischen Union Deutschlands, wenn sich der evangelische Bischof von Berlin-Brandenburg, Markus Dröge, vorbehaltlos für die Ehe für alle ausspricht?
Welchen Eindruck erweckt bei Ihnen ein Umfrageergebnis, wonach sich 63 Prozent der Unionsanhänger, also Ihrer Partei, und 64 Prozent der Befragten insgesamt für eine Öffnung der Ehe aussprechen? Mir scheint, Sie wollen einen Eindruck erwecken, der die CDU rückständiger erscheinen lässt, als sie eigentlich ist.
Genau hier komme ich zu etwas Grundsätzlichem, welches durch die Zerrissenheit der Union auch ganz gut abgebildet wird, denn nicht alle sind Ihrer Meinung. Ihnen gilt die Ehe als gute Symbolpolitik, um einer stetig kleiner werdenden Minderheit noch ein Stückchen Fünfzigerjahre-Weltbild zu vermitteln und dem Bauchgefühl und Unbehagen einen politischen Raum zu geben.
Sie versuchen, mit dieser Politik ein ganz bestimmtes Klientel bei der Stange zu halten. Die Mehrheit vertreten Sie mit dieser Position aber nicht mehr. Es ist bemerkenswert, dass Sie das noch nicht einmal bemerken.
Sie verkennen auch, dass es dabei um elementare Menschenrechte geht, um die Symbolwirkung staatlicher Diskriminierung und damit auch ums Prinzip. Es geht
ums Prinzip, dass ein Baugefühl zum Maßstab für politische Entscheidungsfindung erhoben wird, ohne jedoch noch irgendwie argumentativ Halt zu finden.
Im Grunde kann ich verstehen, dass sie, liebe CDU, in solch einer für sie unsicheren Situation Halt und Orientierung suchen.
Was bietet einer Koalition Halt und Orientierung? – Richtig, der Koalitionsvertrag. Wissen Sie was? Ich finde das gut. Dass Sie sich an Vereinbartes halten wollen, finde ich gut, und ich erkläre Ihnen auch warum. Kennen Sie den letzten Absatz in Ihrem Koalitionsvertrag, liebe SPD und CDU? – Ich darf zitieren:
Die Koalitionsparteien legen das Abstimmungsverhalten des Landes im Bundesrat fest. Sie orientieren sich dabei an den Interessen des Landes und an Inhalt und Geist der Koalitionsvereinbarung.
Das sind also zwei Momente, an denen Sie sich orientieren wollen, wenn es um die morgige Abstimmung im Bundesrat geht. Die Grundlagen Ihres Abstimmungsverhaltens sollen also zunächst einmal die Interessen des Landes sein. Da stellt sich doch folgende Frage: Welche Interessen des Landes vertritt die CDU mit einer Blockade der Ehe für alle im Bundesrat? Oder verrät die CDU mit solch einer Blockade nicht vielmehr die Interessen einer weltoffenen, pulsierenden Metropole? Man denke nur an Programme wie die Initiative für sexuelle Vielfalt und wie Berlin damit bisher in erster Reihe für ein buntes, vielfältiges und diskriminierungsfreies Leben in unserem Land eingetreten ist.
Das, sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister Müller, sind die Interessen Berlins, die von Ihnen morgen vertreten werden müssen.
Liebe Koalition! Sie wollen sich auch noch an einem zweiten Punkt mit ihrem Abstimmungsverhalten orientieren: Inhalt und Geist der Koalitionsvereinbarung. Auch das sollten Sie tun. Aber lesen Sie Lesen bildet! Lesen Sie Ihren Koalitionsvertrag!
Es ist ein Ziel der Koalition, den Schutz jeder und jedes Einzelnen vor Benachteiligung zu verbessern und dem Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung zur tatsächlichen Durchsetzung zu verhelfen.