Protocol of the Session on May 28, 2015

Beenden Sie das Chaos an Orten, an denen Radverkehrsanlagen abrupt enden und Radfahrerinnen und Radfahrer gezwungen sind, sich unter den gefährlichsten Umständen in den fließenden Verkehr einzuordnen! Markieren Sie Radwege auf dem Fahrweg und sorgen Sie so für bessere Sichtbarkeit an Kreuzungen! Weisen Sie Tempo 30 an Unfallschwerpunkten aus! Qualifizieren Sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verkehrslenkung Berlin für radverkehrsfreundliche Anordnungen – nicht nur, aber gerade an Baustellen! Lehnen Sie diejenigen Anträge ab, die nicht den Vorgaben entsprechen und für Radfahrer gefährlich sind!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Sorgen Sie für bessere Kontrollen gegen Abbiegefehler von Autos und Lkws sowie gegen das Zuparken von Radverkehrsanlagen und das Parken in der zweiten Reihe! Unterstützen Sie die Bezirke bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben!

[Beifall bei den PIRATEN]

Die Punkte, die wir aufgezählt haben und fordern, sind einfach und schnell umzusetzen, und genau deswegen gibt es keinen Grund, weshalb sie von Ihnen nicht angegangen und bis zum Ende des Jahres – zumindest im ersten Punkt – umgesetzt werden.

Natürlich kann auch dieses Sofortprogramm nur ein erster kleiner Schritt hin zu einer besseren Fahrradpolitik sein. Aber die beste Voraussetzung, die wir in Berlin für eine fahrradverkehrsfreundliche Stadt haben – nämlich wenige Steigungen und grundsätzlich breite Straßen, die man umstrukturieren und wo die Flächenverteilung gerechter als bisher vorgenommen werden kann – nutzt nichts, wenn der politische Wille nicht da ist. Ich würde mich freuen, wenn wir auch im Rahmen der Haushaltsberatungen, die ja Mitte des Jahres anstehen, durchaus erkennen können, dass Sie Ihre eigenen Ziele nicht vergessen haben und zwar verspätet, aber zumindest jetzt anfangen, sie umzusetzen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Danke schön! – Für die SPD-Fraktion jetzt der Kollege Kreins.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Baum! Man kann es nicht oft genug sagen: Metropolen von heute brauchen den Radverkehr, so auch Berlin. Und wenn ich von Metropolen rede, dann rede ich nicht von Münster oder Freiburg, die Bevölkerungszahl und Fläche eines unserer Bezirke haben – Amsterdam und Kopenhagen, die Sie in den Vergleich ziehen, passen schon eher. Aber diese Städte sind von der Einwohnerzahl und der Fläche kleiner und haben insofern andere Voraussetzungen. Wenn man also Äpfel mit Birnen vergleicht, muss man in der Konsequenz redlich sein und sagen, dass unsere Radverkehrsstrategie erfolgreich ist.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Warum sie so erfolgreich ist, hat etwas mit den Dingen zu tun, die auch in diesem Haus Konsens sind: Radverkehr bietet kostengünstige Mobilität. Die Wege können schnell zurückgelegt werden – innerhalb des S-Bahnrings ist das Fahrrad wahrscheinlich die schnellste Fortbewegungsart in der Art.

[Zuruf: Motorroller sind schneller!]

Ja, Herr Kollege, Motorroller sind schneller, alles klar! Da sind wir dann schon wieder bei der ideologischen Fixierung auf den motorisierten Individualverkehr! 50 Prozent aller Wege in Berlin sind unter fünf Kilometern. Da brauchen Sie keinen Motorroller, da können Sie das Fahrrad nehmen. Das ist gesund, leise und emissionsarm. Lernen Sie dazu!

Der Radverkehr schont den öffentlichen Haushalt. Auch das ist eine Erkenntnis, und wir werden nachher noch zu den Kostensachen kommen. Radverkehr braucht wenig Infrastruktur und wenig Platz und ist deswegen kostengünstig. In diesem Haus gibt es darüber Konsens, das habe ich schon gesagt. Der Konsens ist in diesem Parlament, das in anderen Punkten nicht unbedingt auf Einigkeit orientiert ist, ein hohes Gut. Deswegen reden wir auch über Details. Mit der Fortschreibung des Radverkehrskonzepts aus dem Jahr 2011 haben Senat und Abgeordnetenhaus den Radverkehr zum integralen Bestandteil ihrer Politik gemacht.

Ich sage Ihnen auch – das muss man immer wieder rahmen: Eine Großstadt kann nicht allein auf Radverkehr setzen, sondern braucht einen Mobilitätsmix. Es ist also nicht sinnvoll, Radverkehrspolitik zulasten anderer

(Andreas Baum)

Verkehrsarten zu machen und sich auf die Förderung nur eines Verkehrsmittels zu konzentrieren.

[Zurufe von den PIRATEN]

Wir wollen die Fehler der autogerechten Stadt nicht wiederholen, indem wir ihr eine fahrradgerechte Stadt mit all den Folgen für den Fußverkehr und andere Verkehrsarten entgegensetzen. Das wird es mit uns nicht geben!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Die Lebenslagen der Menschen in der Stadt erfordern unterschiedliche Lösungen, und wir dürfen auch nicht den Wirtschaftsverkehr und die Wertschöpfung vergessen: Wirtschaftsverkehr lässt sich eben nicht ausschließlich mit dem Radverkehr abwickeln. Wenn man eine moderne Verkehrspolitik macht, so gehört der Radverkehr neben dem Fußverkehr, dem ÖPNV und dem motorisierten Individualverkehr zu den wichtigen Verkehrsarten für die Stadt, und deswegen kann es kein Gegeneinander geben. Die Abwägung zwischen den Verkehrsarten ist ein Kompromiss, und wer Kompromisse und Abwägungen nicht trifft, agiert unseriös.

In der autogerechten Stadt spielte das Rad lange eine untergeordnete Rolle. Diese Zeiten sind vorbei. Deswegen müssen wir gemeinsam diesen Weg energisch voranschreiten: Wir wollen den Radverkehr stärken. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir den Anteil des Radverkehrs in den letzten zehn Jahren verdoppeln konnten. Da sagen Sie immer, das sei trotz der Senatspolitik passiert. Wenn Sie aber andere Großstädte wie Paris anschauen, sehen Sie: Gerade weil der Senat so gehandelt hat, sind wir heute Paris zehn Jahre im Ausbau des Radwegenetzes voraus.

[Beifall bei der SPD]

Der Anteil der mit dem Rad zurückgelegten Kilometer liegt bei 14 Prozent. Wenn man das differenziert, unterscheidet sich das zwischen Stadtrand- und Innenstadtbezirken. Also brauchen wir die Routen und Tangentialverbindungen, und dazu werde ich noch etwas sagen.

Wir haben die Radinfrastruktur konsequent ausgebaut: Radverkehrsanlagen mit über 1 000 Kilometern Länge – und das müssen Sie sich einmal auf der Zunge zergehen lassen – sind dazugekommen. Über 174 Kilometer Radfahrstreifen sind hinzugekommen, seitdem der Radweg nicht mehr en vogue und der Radfahrstreifen die Maßgabe der planerischen Anordnung ist – das muss man auch einmal zur Kenntnis nehmen. Im Jahr 2002 gab es nur eine Fahrradstraße in dieser Stadt. 2012 waren es 16.

[Oh! von den GRÜNEN]

Der Ausbau der Hauptrouten geht voran, und diese Hauptrouten werden im Jahr 2017 350 Kilometer umfassen. – Das können Sie doch nicht ignorieren.

In den letzten Jahren sind über 1 000 Abstelleinrichtungen für Fahrräder in allen Bahnhöfen, aber auch an ande

ren Orten hinzugekommen. Das hat etwas damit zu tun, dass das Rad intermodal nutzbar sein muss, dass man kombinieren kann zwischen Fußweg und Radweg, ÖPNV und Radweg oder auch dem motorisierten Individualverkehr und dem Radweg, um möglichst die Ressourcen zu schonen. Viele Bahnhöfe verfügen über Park-and-ride. Wir bauen gerade – die letzte Debatte hat es gezeigt – das Fahrradleihsystem aus, sodass ÖPNV und Radverkehr gut miteinander kombinierbar sind.

Wir haben natürlich auch Herausforderungen beim Thema Verkehrssicherheit. Der ADFC-Klimatest, den Sie gerade angesprochen haben, benotet Berlin insbesondere bei drei Punkten ganz schlecht. Das betrifft die Frage der Radwegesicherheit, und zwar aufgrund des Zuparkens mit Autos durch andere Verkehrsteilnehmer. Da kann man eigentlich nur eine schnelle Eingreiftruppe der Ordnungsämter fordern. Das wäre eine Konsequenz. Es wäre logisch, dass sich die Ordnungsämter in regionalen Strukturen – –

[Alexander Spies (PIRATEN): Erst mal Personal für Ordnungsämter!]

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im Ältestenrat festgestellt, dass das nicht nur das aktuellste, sondern anscheinend auch das wichtigste Thema ist. Deswegen sollten wir es auch mit der nötigen Ernsthaftigkeit diskutieren. – Vielen Dank!

[Allgemeiner Beifall]

Die Ordnungsämter in regionalen Strukturen zu untergliedern und durch Rufnummern aktuell auf die Delinquenten hinweisen zu lassen, wäre eine Lösung, um Radwege freizuhalten.

Aber auch die Themen Verkehrssicherheit, Kreuzungsumbau und Rechtsabbiegen an Kreuzungen durch Lkws und Pkws – eine der Hauptursachen für schwere Unfälle – werden angegangen. Wir haben dazu die Unfallkommission in der Verkehrslenkung Berlin. Die nimmt sich jede Kreuzung konkret vor und schlägt Lösungen vor, die baulicherseits durch Anordnungen, Ampelphasen und verschiedene andere Maßnahmen, z. B. das Anbringen von Spiegeln, möglich sind.

Wir wollen aber nicht nur die Sicherheit für die Radfahrer verbessern, sondern auch für die Fußgänger. Insofern geht es auch immer um ein Miteinander im Straßenverkehr. Wenn Sie in Ihrem Antrag fordern, dass die zehn am häufigsten genannten Punkte dieses Radverkehrssicherheitsdialogs in diesem Jahr umgesetzt werden, dann stelle ich mir die Frage, ob Sie tatsächlich aufgepasst haben, was die Unfallkommission macht, denn diese

nimmt die konkreten Unfälle vor Ort auf. Wenn Sie sagen, es soll nur die subjektive Unsicherheit dieses Sicherheitsdialogs umgesetzt werden und nicht die Realität, nämlich da, wo die Unfälle passieren, dann sind wir in einem Dissens.

[Zuruf von Martin Delius (PIRATEN)]

Darüber müssen wir sicherlich noch einmal miteinander im Ausschuss sprechen.

Zweitens: Ihr Antrag – das ist auch ein Defizit – vernachlässigt die Frage der Zuständigkeiten. Handelt es ich um eine Nebenstraße, sind auch Bezirke in der Verantwortung, dort umzubauen. Es kann nicht immer nur auf den Senat gezeigt werden, wenn dort Bezirke mit Anordnungen nicht hinterherkommen. – Das sind Dinge, die wir im Ausschuss miteinander besprechen wollen.

Sie haben schon richtig gesagt: Zugeparkte Radfahrstreifen sind in der Tat ein Problem. Aber auch der Fahrraddiebstahl ist ein Problem. Aus diesem Grund erachten viele Leute in der Stadt das Fahrradfahren als unattraktiv. Das hat wenig mit der Infrastruktur zu tun, sondern eher damit, wie Polizei eingesetzt wird. Auch da kann man die Forderung erheben, endlich eine Soko Fahrraddiebstahl einzurichten. Das betrifft etliche Fahrradfahrer in dieser Stadt. Die Wahrnehmung ist so, dass diese Maßnahme dringender ist als andere.

Der Senat hat zum Thema Verkehrssicherheit nicht nur den Onlinedialog geschaltet, sondern auch die Kampagne „Berlin nimmt Rücksicht“. Sie war sehr erfolgreich.

Wir haben noch ein Thema, das im Zusammenhang mit der Verkehrssicherheit zu besprechen ist, nämlich die Jugendverkehrsschulen. Auch die müssen in ihrer Ausstattung und Ausrichtung so organisiert sein, dass die jungen Menschen dort lernen, sicher mit dem Rad zu fahren und insgesamt sicher am Straßenverkehr teilzunehmen.

Um noch mal zum Haushalt und zur Radverkehrsstrategie zu kommen: Sie haben gesagt, wir würden dafür nur 2,25 Euro ausgeben.

[Zuruf von den PIRATEN: 24!]

Entschuldigung! Es ist mein ewiges Leid, immer einen Cent draufzulegen. – Wir haben in den letzten Jahren die Veranschlagung im Haushalt für den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur erhöht. Wir haben auch das Schlaglochsanierungsprogramm reingenommen. Davon werden nicht mehr nur Straßen gemacht, sondern auch Rad- und Gehwege. Das erhöht Ihre Zahl – das haben Sie sicherlich nicht berechnet. Wir haben natürlich eine Zielvorstellung. Die ist mit den 5 Euro pro Einwohner genannt worden. Ich denke, in dieser oder der nächsten Legislaturperiode werden wir auf diesen Wert kommen, um den Radverkehr auszufinanzieren. – Ich will jetzt zu den Herausforderun

gen nichts mehr sagen, weil ich denke, dass die Zeit abgelaufen ist.

Stimmt!

Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Für eine Kurzintervention hat der Kollege Baum das Wort!