Der dritte Punkt: Frau Haußdörfer! Einmal abgesehen davon, dass der Groth dort eine Luxussiedlung hinbaut und keinen bezahlbaren Wohnraum, das ist doch keine öffentliche Wohnungsbaugesellschaft. Das Bezirksamt Mitte will die Bebauung auch, Frau Haußdörfer. Warum, Frau Haußdörfer, musste der Senat das Ding an sich ziehen, wenn der Bezirk Mitte genau dasselbe will wie der Senat? Es kann doch nur einen einzigen Grund geben: um das Bürgerbegehren leerlaufen zu lassen. Und wenn das wirklich so ist, und Sie haben es in Ihrer Rede ja bestätigt, ist es eigentlich ein Skandal und straft alles Lügen, was Sie zum Thema „Bürgerbeteiligung und Stadtgesellschaft ernst nehmen“ jemals erzählt haben. Insofern: Wir gucken einmal, was aus der „Neuen Mitte“ wird. Ich glaube Ihnen nicht allzu viel, denn Sie vertreten spezifische Interessen, nämlich die der Immobilienlobby in dieser Stadt. Deswegen gucken wir erst einmal, was am Ende dabei herauskommt.
[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Iris Spranger (SPD): Das ist ja wohl der Scherz überhaupt!]
Lieber Herr Dr. Lederer! Allen Ernstes, mir alleinige Interessen der Immobilienwirtschaft als Lobbyistin zu unterstellen, ist wirklich pfui. Ich vertrete viele Interessen, aber nicht nur die.
Stadtentwicklung ist nun einmal ein heiß diskutiertes Feld, und das sehen wir hier auch. Aber das, was Sie hier ansprechen, was wir vermeintlich aus Tempelhof gelernt haben, ist, dass es nicht zwölf Jahre Bürgerbeteiligung braucht, bis man zu einem Ergebnis kommt. Sie sind doch auch besonders engagiert und involviert. Da ist die Frage, wer hier sozusagen der Lobbyist welchen Interesses ist. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, in welchen
Bürgerwerkstätten und Konferenzen wir zum Thema Mauerpark gesessen und um bestimmte Zugrenzungen gestritten haben und wie man am besten verhandeln kann. Das waren durchaus sehr schöne öffentliche Veranstaltungen, die offen diskutiert wurden.
Ja, auch wir waren da. Auch ich habe da mit dringesessen, und dementsprechend kann ich dazu mindestens auch Zeugnis ablegen.
Sie haben gerade ein paar Bauprojekte angesprochen. Dann frage ich einmal zurück: Ich habe mich unter Tagesordnungspunkt 15 A zum Thema Oeynhausen darauf gefreut, aber dann ziehen Sie Ihren dringlichen Antrag zu diesem Thema zurück. Wieso eigentlich? Wieso haben Sie den zurückgezogen? Das sind Fragen, die ich mir schon stelle.
Wenn wir das Thema Buckower Felder ansprechen – das haben Sie auch gemacht –, dann geht es darum, dass bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird. Das ist eine öffentliche Wohnungsbaugesellschaft, die da plant. Und da tut es mir leid, das ist für mich Teil der Daseinsvorsorge und muss auch hier diskutiert werden. Die Beispiele, die Sie vorbringen, zeigen, dass die Änderung in der Gesetzesvorlage diesen einzelnen Beispielen entgegenstehen und für uns eine Handlungsgrundlage für zukünftige Fälle sein soll. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir auch entsprechend konsensual besprechen.
[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Dr. Klaus Lederer (LINKE): Ich habe das jetzt nicht verstanden!]
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Umstand, über den wir heute sprechen, dass der Senat diese beiden Verfahren an sich gezogen hat, zeigt vor allem eines: das gestörte Verhältnis der Dauerregierungspartei SPD zur direkten Demokratie in diesem Lande.
Es ist aber noch einmal daran zu erinnern: Was hat Michael Müller im innerparteilichen Wahlkampf den Berlinerinnen und Berlinern und nicht nur den Parteimitgliedern versprochen, beispielsweise in der „Berliner Zeitung“ vom 22. Oktober letzten Jahres? – Er hat dort reumütig eingestanden, nach dem verlorenen TempelhofEntscheid – wörtlich:
Und was macht der von Ihnen geführte Senat? – Das Gegenteil. Er macht genau das Gegenteil. Er bremst die Bürgerbeteiligung sowohl in Neukölln als auch in Mitte aus. Ich könnte die Zitate noch fortsetzen. In der „Morgenpost“ hat er etwas Ähnliches erzählt, von Partizipation und Bürgerbeteiligung. Und auch der sich als Messias der direkten Demokratie und der Bürgerbeteiligung inszenierende Fraktionsvorsitzende der Berliner SPD, Raed Saleh, der es vorzieht, an dieser Debatte gar nicht teilzunehmen,
hat sich, auch im Rennen um die Bürgermeisterposition in diesem Land, also dem innerparteilichen Rennen in der SPD, ganz ähnlich geäußert und hat schon im „Tagesspiegel“ im Juni verkündet: „Bei wichtigen Vorhaben“ solle es „konsultative Volksbefragungen und auch verbindliche Referenden“ geben. Und was macht der von ihm gestützte Senat? – Das genaue Gegenteil. Er verhindert, dass die Bürgerinnen und Bürger hier in einem vergleichbaren Verfahren ein konsultatives Referendum über die Bebauungspläne in Mitte und Neukölln abhalten. Auf seiner Homepage – das soll das letzte Zitat hier sein – wirbt er für „bessere Bürgerbeteiligung und mehr direkte Demokratie“. Da muss sich die SPD-Fraktion schon fragen lassen: Sind das alles nur Sonntagsreden? Waren das alles nur Versprechungen im innerparteilichen Machtkampf um die Position des Regierenden Bürgermeisters? Oder ist das tatsächlich von Ihnen auch gelebte Politik? Dann sollten Sie Ihren Bausenator Geisel stoppen, wenn er ein Verfahren nach dem anderen an sich zieht und damit die direkte Demokratie in den Bezirken aushebelt.
Kollegin Haußdörfer! Es war ein Foulspiel, das Sie hier gemacht haben. Da war nicht plötzlich die erkannte übergeordnete Bedeutung dieser Bauvorhaben, sondern es ist erkannt worden, dass es schwierig wird, diese Bauprojekte durchzuziehen, weil es Bürgerbegehren gab, die anliefen, und das hat nichts mit einem Erkenntnisprozess zu tun, dass der Senat plötzlich erkannt hat, dass diese Vorhaben stadtpolitische Bedeutung haben, sondern Sie haben ganz bewusst dieses Instrument genutzt, um die Bürgerbeteiligung leerlaufen zu lassen. Das ist nicht in Ordnung. Das ist nicht im Sinne des Gesetzgebers. Das ist ein Foulspiel.
Deswegen ist es auch völlig richtig, dass die Linken mit dem heutigen Antrag eine Debatte hier im Haus beginnen, wie man dieses zukünftig abstellt, wie man dem zukünftig entgegenwirkt, damit das in dieser Form nicht wieder vorkommt. Wir als Grüne finden das einen interessanten Vorschlag. Ob das der Weisheit letzter Schluss ist oder ob man an der einen oder anderen Stelle vielleicht noch einmal gucken muss, ob man damit nicht auch Effekte auslöst, Stichwort Windhundrennen, man muss das Bürgerbegehren sofort anmelden, um die Bauvorhaben zu stoppen, und ob man nicht einen bestimmten Anteil von gesammelten Unterschriften oder Verfestigung des Bürgerwillens braucht, um hier die Sperre auszulösen. Das werden wir in den Ausschüssen noch beraten. Aber es geht völlig in die richtige Richtung, und wir sind an Ihrer Seite, wenn es darum geht, hier die sehr guten Instrumente der direkten Demokratie, die man an der einen oder anderen Stelle immer noch besser machen kann, gegen diesen Senat zu verteidigen und dem Bürgerwillen hier zum Durchbruch zu verhelfen. – Ich danke Ihnen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben schon eine muntere Debatte über den einen oder anderen Einzelfall. Nichtsdestotrotz glaube ich, man muss das Ganze auch noch einmal ins Verhältnis rücken. Nach Berlin sind in den letzten Jahren über 150 000 Menschen gekommen. Die wollen alle eine Bleibe haben. Wir haben eine starke Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt. Ich glaube, es geht nicht umhin, dass wir uns um das Thema Neubau kümmern und auch zügig und vernünftig die Vorhaben umsetzen. Insofern muss man all das sehen, was wir hier auch an Politik tun und warum wir auch das AG Baugesetz in dem Maße anpassen und warum auch manche Bauverfahren dann mal vom Senat an sich gezogen werden. Ich glaube, da beißt die Maus keinen Faden ab, und Verfahren, die seit elf Jahren in der Diskussion liegen, müssen auch irgendwann einmal abgeschlossen werden, und dazu zählt nun auch einmal das Thema Mauerpark. Insofern hätte der Senat an der Stelle jeden Grund, das an sich zu ziehen.
Insofern finde ich die Diskussion zwar sehr nett, man kann sie am Einzelfall auch hochziehen. Was erzählen wir den Menschen, die in Berlin keine Wohnung finden, den Menschen, die nach Berlin kommen und händeringend eine Bleibe suchen? Auch für diejenigen müssen wir Politik machen, und das geht nun einmal nur darüber, dass wir mehr Wohnungen in der Stadt bauen. Als Politik müssen wir uns diesem Diskurs stellen.
Wir haben unsere Debatte heute damit begonnen, dass wir über die historische Mitte gesprochen haben. Da war ein sehr schöner Satz dabei, den der Kollege Evers geprägt hat und den andere unterstrichen haben: Am Ende muss es eine politische Entscheidung und eine politische Verantwortung geben. Das gilt gerade in Bebauungsverfahren. Sehen Sie es einmal von dieser Seite! Sie haben ja noch das Vergnügen, den Bebauungsplan für den Mauerpark mit im Parlament zu entscheiden. Als Politik muss man da Verantwortung übernehmen und solche Entscheidungen treffen, denn es geht um das Abwägen von Einzel- und Gesamtinteressen. Berlin hat derzeit dank der guten Entwicklung, was den Zuzug angeht, und dank der prosperierenden Wirtschaftsentwicklung die Chance, wieder zu wachsen und ein qualitatives Wachstum in der Stadt hinzubekommen. Dazu gehören nun einmal Neubauten. Das muss man so ehrlich sagen, und da muss man seiner politischen Verantwortung nachkommen, solche Entscheidungen tragen und durchfechten. Jeder schützt gern die Grünfläche vor seiner Tür – das kann ich im Einzelfall klar und deutlich nachvollziehen. Aber es ist im Interesse der Gesamtstadt wichtig, ein ausgewogenes Bild zu produzieren, und dazu gehören solche Entscheidungen, wie sie der Senat getroffen hat und wie wir sie im Abgeordnetenhaus dann vor uns haben, nämlich den Bebauungsplan zu beschließen.
Ich freue mich an dieser Stelle auf die Fach- und Sachdebatte und nicht auf die Debatte darüber, dass man gerne eine Käseglocke über die Stadt legt und sich dann im nächsten Atemzug umdreht, um sich darüber zu beklagen, dass wir nichts im Wohnungsbau tun. Nein! Wir übernehmen Verantwortung; wir bauen neue Wohnungen, und wir tragen das dann auch im Konfliktfall. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Verehrte Kolleginnen, verehrte Kollegen! Wir haben die Argumente im Grunde schon alle gehört. Es bleibt mir nur übrig, sie in neuer Form zu wiederholen und unsere Sicht darauf darzustellen: Die Wohnungsknappheit in Berlin nimmt zu. Die Mieten steigen, und Senat und Koalition suchen ihr Heil im Neubau. Lange Jahre wurde der Wohnungsneubau vernachlässigt, selbst dann noch, als die Alarmglocken bei vielen schon geschrillt haben. Nun hat sich die Situation noch verschärft. Uns allen ist aber klar, dass Neubau allein das Problem nicht lösen wird – jedenfalls nicht kurz- oder mittelfristig. Ich will den Neubau nicht verteufeln. Aber wir dürfen uns nicht dazu verleiten lassen, ihm alles unterzuordnen und die guten Sitten über Bord zu
Von Rechtsmissbrauch; danke für den Zuruf! – Die guten Sitten werden aber genau dann über Bord geworfen, wenn wie in mehreren hier schon benannten Fällen die Lücken im Ausführungsgesetz des Baugesetzbuches dazu benutzt werden, direktdemokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten der Bürger im Rahmen eines Bürgerbegehrens ins Leere laufen zu lassen und damit zu entwerten.
Rein rechtlich ist das natürlich möglich. Das Problem resultiert aus der Gestaltung und Struktur der Berliner Politik und Verwaltung. Wenn das passiert – und wir haben die Beispiele dargestellt bekommen –, dann sind wir als Gesetzgeber gefordert, diese Lücken zu schließen. Eine vergleichsweise einfache Form, das zu tun, wird im Antrag der Linken aufgezeigt. Tiefgreifende Änderungen des Ausführungsgesetzes zum Baugesetzbuch werden dadurch nicht vorgenommen – auch wenn Frau Haußdörfer das so ein bisschen vermittelt hat. Die Möglichkeit des Senats, ein Verfahren an sich zu ziehen, wird nur zeitlich beschränkt. Sie besteht nach wie vor – entweder frühzeitig, bevor überhaupt ein Bürgerbegehren in Aussicht steht, oder aber nach dem erfolgreichen oder nicht erfolgreichen Abschluss eines solchen Verfahrens. Das frühzeitige An-sich-Ziehen schafft die Möglichkeit, dass der Senat in Zukunft jegliche Verfahren übernimmt, wo ein Bürgerprotest auch nur denkbar erscheint – das wurde auch schon angedeutet. Das könnte aber schnell zu Kapazitätsproblemen in der zuständigen Senatsverwaltung führen.
Das Verfahren nach einem erfolgreichen Bürgerbegehren an sich zu ziehen, ist auch möglich, aber politisch ungleich brisanter, als dem Bürgerbegehren mitten im Verfahren den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Das ist eine Form, mit der ich mich überhaupt nicht abfinden will und kann. Wir als Piraten werden dem entschieden entgegentreten. Ich freue mich demzufolge schon auf die Debatte im Ausschuss. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Gesetzantrags federführend an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr und mitberatend an den Ausschuss für Verfassung, Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz und Geschäftsordnung empfohlen. Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.