Protocol of the Session on March 12, 2015

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Schneider.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren einen Nachtragshaushalt, das ist nicht das erste Mal im System des Doppelhaushalts. Wie das im Bundesland Berlin gefahren wird, müssen manchmal Nachjustierungen vorgenommen werden. Dazu gab es bisher auch im Haus einen Konsens. Was wir allerdings gestern im Hauptausschuss erleben durften, das bezeichne und schätze ich als bizarre Veranstaltung ein. Ich habe ja großes Verständnis dafür, dass, wenn die Opposition die Wahrnehmung der Stadtgesellschaft reflektiert, die besagt: Endlich geht es nach vorne, endlich packt es RotSchwarz an, hier werden Investitionen fokussiert und wahrgenommene Probleme adressiert –, dass man bei so einem Erfolg und einem so umfassenden Zuspruch in der Öffentlichkeit nach Schnickschnack sucht, dafür habe ich Verständnis. Aber was Sie gestern abgeliefert haben, das hat doch schon einige Erheiterung ausgelöst.

[Uwe Doering (LINKE): Das versteht ja die eigene Fraktion nicht!]

Ich beginne mal mit folgendem Thema: Wir haben zur Krankenhausförderung den Vorschlag des Senats zur Kenntnis genommen und werden ihn auch unterstützen, folgende Kliniken zu sanieren: Vivantes Humboldt-Klinikum 13 Millionen Euro, Vivantes-Klinik am Urban 11 Millionen Euro, Klinikum Neukölln 6 Millionen Euro, Klinikum Auguste-Viktoria 10, DRK Westend 3,5, Evangelisches Waldkrankenhaus Spandau 6, St.-Hedwigs-Klinik 3 Millionen und Unfallkrankenhaus 2,5 Millionen.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Warum das Unfallkrankenhaus?]

Alle diese Krankenhäuser und so auch die Stadtgesellschaft, zu der Sie sich ja gerne erklären, sind erleichtert, loben uns für diesen Schritt – und das ist ein großer Erfolg.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Und jetzt passiert etwas, was ich als bizarr anmelde. Da meldet sich die Linksfraktion mit folgendem Redebeitrag: Warum dieses eine und dieses andere Krankenhaus, und weshalb würden wir denn private Krankenhäuser nicht

(Joachim Esser)

finanzieren? Also, wie Sie das vor Ihrer Klientel vertreten wollen, das erschließt sich mir überhaupt nicht.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf von der LINKEN: Das waren wir nicht!]

Genau das waren Sie! Ich könnte Ihnen sogar namentlich sagen, wer das war, aber das gehört nicht zum guten Stil. Sie waren es jedenfalls politisch durch einen Redebeitrag.

[Steffen Zillich (LINKE): Sag mal!]

Ich will da mal weitermachen. Soziale Infrastruktur, Polizei: Ertüchtigung Sporthalle Landespolizeischule 2,9 Millionen, Einsatztrainingszentrum 13,1 Millionen und weitere 6 Millionen für nutzerspezifische Maßnahmen an diversen Standorten. Die Polizei lobt uns für diesen Schritt. Die Stadtgesellschaft, die ein berechtigtes Sicherheitsbedürfnis hat, lobt uns für diesen Schritt. Und Sie tadeln uns, weil Sie es für irgendeine andere Polizeiwache, die Sie gar nicht adressieren, für richtig gehalten haben. Das ist Schnickschnack und sehr schwach!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Soziale Infrastruktur, Feuerwachen: Sondersanierungsprogramm Freiwillige Feuerwachen 4,2 Millionen; nutzerspezifischer Anteil Generalsanierung Feuerwache Köpenick: 2,5 Millionen; nutzerspezifische Maßnahmen, diverse Standorte Stadtgebiet, Rettungswagenstützpunkte – auch da gibt es eine klare fachliche Indikation – fast 1 Million, Modularfeuerwache Schulzendorf, Ausbildungskapazitäten 1,5 Millionen. Wir nehmen wahr, dass wir in manchen Stadtgebieten einen anderen Versorgungsgrad haben, was schwerste Krankheiten anbelangt, das adressiert die Rettungswagen, dass wir also da messbare Zeiteinheiten länger zum Unfallort brauchen als z. B. innerstädtisch. Die Feuerwehr, die Stadtgesellschaft, die, für die wir Verantwortung tragen, die Bürger, loben uns dafür. Sie verfallen in politischen Schnickschnack und haben keinerlei Alternative dazu.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ach, Herr Albers, jetzt komm ich ja gleich noch zu Ihnen selbst, Herr Oberarzt! Soziale Infrastruktur Charité, Standort Rudolf-Virchow-Intensivstation 3: 12,5 Millionen Euro; technische Infrastruktur Erneuerung Starkstromversorgung – wie wir gestern gehört haben, der dringendste Sanierungsbedarf überhaupt –: 19,8 Millionen Euro. Standort Benjamin Franklin – wieder sind wir in der Notfallmedizin –: Hubschraubersonderlandeplatz 2,5 Millionen Euro, technische Infrastruktur Starkstromversorgung 13,7 und Erneuerung Polikliniken – da haben Sie dann reflexhaft gefragt, was ist denn das?, weil das in der DDR ja vorkam –: 4,5 Millionen Euro. Die Charité, die Mitarbeiterinnen der Charité, die Patienten, die ganze Stadtgesellschaft, zu der Sie sich gerne erklären wollen, das habe ich gestern mehrfach gehört, loben uns dafür.

[Zurufe von der LINKEN]

Ja, ich weiß, dass Ihnen das wehtut, das ist mir schon klar. Und Sie tadeln uns für solche Investitionen in die Charité, das ist doch absurd.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Udo Wolf (LINKE): In welchem Paralleluniversum leben Sie denn?]

Eine ganz besonders bizarre Debatte gab es dann zu den Flüchtlingsunterkünften, weil den erwiesenen Fachpolitikern der Opposition schon gar nicht klar war, was der Unterschied zwischen einem sogenannten Container und einem Modularbau ist: 40 Millionen Euro mehr. Da wurde fast am längsten diskutiert, obwohl Sie doch inhaltlich alle unserer Meinung sind, und das bezeichnet Ihr Dilemma: Sie suchen nach irgendwelchen Begründungen. Auch diese 40 Millionen sind in Berlin notwendig und ein großer Erfolg dieser Koalition.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Fabio Reinhardt (PIRATEN): Wohnungen brauchen wir!]

So könnte ich jetzt beliebig weiter fortfahren. Die Bezirke, das ist bekannt, erhalten 120 Millionen, ich betone: zusätzliches Geld.

[Heidi Kosche (GRÜNE): Nee!]

Ja, ja, das ist natürlich eine Milchmädchenrechnung. Und diese 120 Millionen fokussieren wir zu 70 Prozent in Schule. Wir werden in die Schulen mindestens 250 Millionen zusätzlich investieren. Wenn Sie nicht erkennen, dass das eines der drängendsten Probleme Berlins ist, dann sitzen Sie auf diesen Bänken zu Recht, und zwar dauerhaft.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Und weil das gestern so bizarr war und die Opposition so zerstritten und sich nicht mal klar war, was sie denn nun eigentlich kritisieren will: Die Grünen haben versucht, die Flughafennummer hochzufahren, die ich für absurd halte. Ein Satz von mir: Es ist plausibel, fachlich angezeigt, wird von uns unterstützt, dass wir für das Jahr 2015 in dieser Rücklage rund 230 Millionen vorhalten. Wir gehen davon aus, dass das den Bedarf abdeckt, weil der Abfluss, Herr Esser, anders als geplant bisher viel geringer ausgefallen ist. Und deshalb genügt das, den Rest machen wir in den Haushaltsberatungen, wenn es angezeigt ist.

[Joachim Esser (GRÜNE): Kein Mensch braucht das!]

Ja, schreien Sie ruhig! – Sie wollen das jetzt gern antizipiert vermischen, das ist doch Quatsch. Und die Linken, die waren nicht der Auffassung, der Flughafen sei das Problem – –

[Zuruf von Clara Herrmann (GRÜNE)]

Ich weiß, dass Sie so aufgeregt sind; das tut weh. Das würde mir auch wehtun, in Anbetracht des SIWA, wenn wir Ihnen 2015 und 2016 noch dreimal solche Listen vorlegen, Sie noch dreimal diesen Tanz veranstalten, das zu kritisieren;

[Clara Herrmann (GRÜNE): Ist ja unglaublich!]

das würde mir auch wehtun.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Und nun habe ich noch zwei Minuten auf der Uhr und erlaube mir noch einen Spaß. Spaßbäder – also Spaß –: 60 Millionen Euro. Die SPD-Fraktion hat sich im Januar 2014 dazu verständigt, so eine Sache anzuschieben, und die CDU-Fraktion ist mit uns da völlig einig. Was passiert jetzt? Da gibt es ein, ich nenne das mal, kleines Zentralkomiteebüro im Prenzlauer Berg. Da sitzt die ehemalige Senatorin, da sitzt der Landesvorsitzende und der ehemalige parlamentarische Geschäftsführer, wohlgemerkt alle nicht in ihren Wahlkreisen, sondern Kilometer entfernt, deswegen Zentralkomitee. Das ist dann die Bürgernähe, wie Sie sie ausleben. Und dann wird da mit Briefkopf Zentralkomitee Folgendes verfasst: Ich hätte auch gern ein Spaßbad in meinem Wahlkreis. – So macht man das ja eigentlich nicht, aber ich sage jetzt mal was als Wahlkreisabgeordneter. – Ich hoffe ja sehr, dass die Presse schreibt, da wird in Pankow ein Schneider-Bad gebaut. Etwas Besseres kann mir ja eigentlich gar nicht passieren. Aber jetzt sage ich Ihnen mal etwas als parlamentarischer Geschäftsführer: Wir haben festgestellt, nach vier Jahren Schließzeit in Spandau und in Steglitz und Einsatz eines zweistelligen Millionenbetrags, dass hinterher alle Nutzergruppen sagen: Uns ist das Wasser zu kalt, uns ist es zu warm, uns ist es zu flach, uns ist es zu tief, die Sauna fehlt, die Cafeteria fehlt.

[Dr. Gabriele Hiller (LINKE): Zu teuer! – Uwe Doering (LINKE): Zu wenig Wasser drin!]

Und jetzt sagt uns der Bäderchef – und ich will hier den Anlass nutzen zu sagen, dass wir das sehr bedauern, dass er aus persönlichen Gründen heute seinen Rückzug erklärt hat, und anders als Sie, Herr Kollege Esser, die Sie das gleich hier politisch auswerten wollten –, ich kann euch zeigen, dass ich für einen vergleichbaren Betrag alle Nutzergruppen zufriedenstelle und dass unsere Fachleute sagen, dass man so ein Bad da baut, wo es objektiv angezeigt ist. Das ist ein großer Erfolg.

[Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

Daran können Sie sich abarbeiten – und an den Bürgern vorbei. Den Kontakt zu den Bürgern haben Sie verloren.

[Steffen Zillich (LINKE): Ha!]

Lederer-Bad wird das jedenfalls nie heißen, obwohl er da seit zwei Legislaturperioden seinen Wahlkreis hat. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Uwe Doering (LINKE): Aber Schneider-Bad! – Dr. Gabriele Hiller (LINKE): Ich schäme mich für die SPD gleich mit!]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke jetzt Frau Dr. Schmidt. – Bitte schön, Frau Dr. Schmidt, Sie haben das Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Schneider! Ich würde Sie ja auch gerne loben, aber wissen Sie, wenn Sie selbst heute nur bei Überschriften bleiben, habe ich keinen Grund, Sie zu loben.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Andreas Baum (PIRATEN)]

Im Gegenteil: Sie haben mit dem Senat Müller – auch Sie, Herr Regierender Bürgermeister, auch Sie, Herr Finanzsenator haben das – eine neue Zeit angekündigt. Sie wollten für eine neue Zeit stehen: für Investitionen in diese Stadt, für ein Ende dieser imaginären 0,3-Prozentlinie mit mehr Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit. Das sollte das Credo sein. Doch leider ist keine neue Zeit angebrochen. Noch immer werden Einnahmen versteckt und Ausgaben mal hochgerechnet, mal geleugnet. Sie geben 300 Millionen Euro Mehreinnahmen zu. Tatsächlich sind es aber 800 Millionen Euro, mit denen wir die wirklich wichtigen Entscheidungen für diese Stadt treffen könnten.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Bei den Steuereinnahmen hat der Senat die Ergebnisse der Steuerschätzung vom November fast unverändert übernommen. Herr Kollatz-Ahnen hat es gesagt. Aber damit leugnet er die stetig wachsende Linie der letzten Jahre. Und die zusätzlichen Erstattungen des Bundes für die Kosten der Unterkunft oder auch im Asylbereich werden nicht veranschlagt. Der Senat kommt lediglich der Pflicht nach, die zusätzlich vom Bund bereitgestellten BAföG-Mittel sowie die EU-Mittel aufzunehmen. Wir begrüßen durchaus, dass der Senat hier den politischen Spielraum nutzt und in Hochschulen, Lehrerstellen für die Integration und in ein Sanitärsanierungsprogramm an Schulen investiert.

Doch was ist mit den Ausgaben für die Leistungen an Flüchtlinge? – Der Senat prognostiziert schon jetzt mehr als 20 000 Flüchtlinge in diesem Jahr. Und dennoch sind keine zusätzlichen Mittel im Nachtragshaushalt eingeplant. Die vielen zusätzlich benötigten Kitaplätze, insbesondere für das spätere Einschulungsalter, werden ebenfalls nicht zum Nulltarif zu haben sein. Und großer Posten: Die Minderausgaben für Zinsen werden auch in diesem Jahr bei 350 Millionen Euro liegen. Und Sie unterschlagen das dieser Stadt.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]