Das zweite Element: Berlin muss sich weiterhin auf das Inkrafttreten der Schuldenbremse vorbereiten. Den hierfür erforderlichen Konsolidierungspfad – er ist im Stabilitätsrat vereinbart – erfüllen wir mit einem soliden Abstand zur Linie des jeweils Erlaubten. Aber der strukturelle Haushaltsausgleich ist noch nicht erreicht. Dafür bedarf es zusätzlicher Anstrengungen. Je näher 2020 rückt, desto schwieriger wird das Reagieren auf Fehlentwicklungen. Wir wollen nicht in die Lage kommen, auf Fehlentwicklungen reagieren zu müssen, sondern wir wollen diese Zielsetzungen aus eigener Kraft erreichen.
Drittens: Wir befinden uns gegenwärtig mit Blick auf die Einnahmesituation in einem außergewöhnlich guten Umfeld. Wir haben in der Senatsverwaltung dafür Kalkulationen durchgeführt, die man in anderen Bundesländern Konjunkturbereinigungsverfahren nennt. Da merkt man, dass ein Teil unserer Einnahmen tatsächlich auf eine konjunkturell außergewöhnliche Situation zurückzuführen ist. Zudem liegen die Zinsen auf einem außergewöhnlich niedrigen Niveau. Dieser Zustand kann so bleiben; die Erfahrung zeigt jedoch, dass das nicht so sein muss. Das müssen wir berücksichtigen.
Der vorliegende Nachtragshaushalt reflektiert notwendige Aktualisierungen. Er steht in der Tradition der Konsolidierungspolitik. Er ergänzt die Konsolidierungspolitik um eine Investitionspolitik dort, wo Spielräume da sind. Öffentlich bereits geäußerte Anforderungen von Teilen der Opposition, mehr zu investieren, sehe ich nicht. Ich habe auch versucht, das zu begründen. Es führt auch in die Irre, wenn man sagt, wir sollten nicht investieren. Denn der Investitionsbedarf in die wachsende Stadt ist notwendig. Insofern tut dieser Haushalt genau das Richtige, und ich bitte um Unterstützung im Haus. – Danke!
Vielen Dank, Herr Senator! – Für die Besprechung der Aktuellen Stunde steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Herr Kollege Esser, bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten gestern eine überraschend heftige Debatte im Hauptausschuss. Wir haben darüber gestritten, ob das Glas nun dreiviertel voll ist oder ob dieser Nachtragshaushalt nicht vielmehr voll ist mit den Voodoo-Zahlen Ihres Vorgängers, Herr Kollatz-Ahnen.
Wir haben darüber gestritten, ob das Thema dieser Aktuellen Stunde, der Nachtragshaushalt bringe uns zusätzliche Investitionen, richtig ist, und wir haben darüber gestritten, dass dieser Nachtragshaushalt, wie ich finde, einen Tabubruch begeht, indem er der Flughafengesellschaft zusätzliches Geld für das BER-Desaster zuschanzt, ohne dass die Bedingungen für weitere Zahlungen geklärt sind.
Ich will aber versuchen, heute etwas Gift aus der Debatte zu nehmen, und mich bemühen, zu einem gemeinsamen Verständnis zu gelangen.
Vielleicht klappt’s ja nicht! – Herr Kollatz-Ahnen! Die Quelle allen Übels in der Berliner Investitionspolitik ist, dass Ihr Vorgänger bei seinem Amtsantritt den Investitionsplafonds um 250 Millionen Euro auf 1,4 Milliarden Euro gekürzt hat. Das hat uns die niedrigste Investitionsquote seit der Wiedervereinigung, jede Menge Schlaglöcher, kaputte Fenster und Dächer eingetragen. Als Haushälter und Grüner darf ich besonders darauf hinweisen, dass der Zustand unserer landeseigenen Gebäude dazu führt, dass Energieverbrauch und Energiekosten in unseren Gebäuden um 144 Prozent über dem üblichen Standard liegen, wie ein Vergleich mit den von uns angemieteten Gebäuden gezeigt hat. Das alles ist schlecht für den Haushalt, das ist schlecht für den Klimaschutz, und das alles kann so nicht bleiben.
Was aber hat der Senat letzte Woche gemacht? – Er hat beschlossen, den Deckel von 1,4 Milliarden Euro beizubehalten, ja, schlimmer noch: Er hat beschlossen, die Kosten für die vermaledeite Baustelle auf dem Flughafen Schönefeld auch noch in diesen Deckel hineinzuquetschen. Das heißt, der Senat hat im Grunde genommen beschlossen, die regulären Investitionen in Berlin noch weiter zu kürzen und auf allerhöchstens 1,3 Milliarden Euro pro Jahr zu deckeln.
Deswegen ist das SIWA mitnichten zusätzliches Geld für Investitionen. Was Sie mit der linken Hand, mit dem Nachtragshaushalt 2015, für die nächsten Jahre zusätzlich über das Sondervermögen geben, haben Sie mit der rechten Hand, dem Eckwertebeschluss für den Haushalt 2017, für das Flughafendesaster wieder herausgenommen. Ich kann Sie nicht daran hindern, das Märchen von Mehrinvestitionen Ihren Anhängern zu erzählen, aber ich möchte nicht, dass Sie auch noch selbst daran glauben, denn das wäre für unsere Stadt fatal.
Das SIWA könnte ein guter Anfang sein, aber nur, wenn wir es in eine Investitionsstrategie für die nächsten 10, 15 Jahre einbetten. Wir brauchen zur Sanierung der Berliner Infrastruktur einen mindestens so langen Atem wie für die Haushaltssanierung und müssen ihr Vorrang einräumen vor allem, was täglich sonst noch an Forderungen in der Zeitung steht, auch aus unseren eigenen Reihen.
Wir Grüne wollen deswegen Ihre Kürzung der Investitionen rückgängig machen und wieder mindestens 200 Millionen Euro zusätzlich im Haushalt veranschlagen, um den Sanierungsstau schrittweise abzubauen. Und da können und wollen wir uns nicht dauerhaft auf Restposten aus verbleibenden Überschüssen verlassen.
Grundlegend ist – das wissen wir alle –, den weiteren und fortgesetzten Verfall zu stoppen und Substanz- und Werterhalt zu sichern. Da fehlen uns ungefähr 50 Millionen Euro pro Jahr, vor allem in den Bezirkshaushalten, die bekanntlich für die Schulen verantwortlich sind.
Der zweite Punkt ist, den Sanierungsstau, der in zweistelliger Milliardenhöhe aufgelaufen ist, schrittweise abzuarbeiten. Da brauchen wir einen langen Atem, das habe ich
eben schon gesagt: 10, 15 Jahre und jährlich mindestens 100 Millionen Euro, um ans Ziel zu gelangen.
Und schließlich stehen wir vor der großen Aufgabe, Erweiterungen vorzunehmen. Jährlich 30 000 bis 40 000 Neuankömmlinge bringen nicht nur mehr Geld in die Stadtkasse, sie haben auch Bedürfnisse. Eine wachsende Bevölkerung braucht zusätzliche Kitas, Schulplätze, mehr Bahnen, Busse und eine bessere Infrastruktur für den Radverkehr. Unter 100 Millionen Euro pro Jahr wird das nur schwer zu bewerkstelligen sein.
Da gibt es Schnittmengen, von daher kann sich der Finanzbedarf auch mindern, aber die Großprojekte, die alle diskutieren, sind darin noch gar nicht enthalten. Die Stichworte sind sattsam bekannt: ICC, ZLB, Flughafengebäude in Tempelhof, Flughafen Tegel, Komische Oper, Klinikum Steglitz, Rathausforum – Tierpark nicht zu vergessen. Da kommt mehr als eine Milliarde Euro zusammen. Das geht nicht alles und schon gar nicht additiv und gleichzeitig. – Deshalb, Herr Saleh, sage ich Ihnen ganz persönlich eines: Bevor Sie ein neues Kombibad im Tierpark eröffnen können,
Eben habe ich gehört, Sie können sich dann auch noch einen neuen Bäderdirektor suchen. Das gehört dann zu den Entscheidungen dazu.
Und oben drauf kommt dann noch das Stichwort Olympia. Wenn die überall kolportierte Zahl von 2,5 Milliarden Euro – ich weiß nicht, wo sie herkommt – der reine Landesanteil sein soll, der nach allen Kosten und dem Kostenersatz durch Bund und IOC übrigbleibt, dann wäre das zu viel, so leid es mir tut. Dann wäre die Sorge vieler Berliner berechtigt, dass diese Kosten unabweisbare Bedarfe an anderen Stellen verdrängen.
Es hängt sehr viel, um nicht zu sagen, fast alles, davon ab, dass der Senat in der Lage ist – wenn wir denn überhaupt in die Verlegenheit kommen –, zusammen mit der Bundesregierung, der deutschen Wirtschaft und dem deutschen Sport ein glaubwürdiges Finanzierungskonzept zu präsentieren und die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass sich die Stadt das erträumte Sommermärchen auch leisten kann. Im Augenblick ist das nur ein Traum, um nicht zu sagen, eine Illusion. Was fehlt, sind Zahlen, Fakten und Argumente.
Nun zum Thema BER! In Zukunft – da kann sich niemand mehr Illusionen machen – wird der Flughafen nicht mehr aus der Portokasse, sondern aus echtem Haushaltsgeld bezahlt. Und da müssen wir darauf achten, dass am BER die Geldverschwendung nicht weitergeht.
Ich erinnere mich noch sehr gut: Der eigentliche Grund für den Nachtragshaushalt 2015 war die Forderung der Flughafengesellschaft nach frischem Geld. Herr Wowereit und Herr Nußbaum – beide heute nicht mehr da – haben damals zugesichert, dass die Kontroversen mit dem Parlament über die Finanzierung des BER im Rahmen der Beratung eines Nachtragshaushalts geklärt werden. Und jetzt auf einmal haben wir einen Haushalt, der die Kontroversen zwischen Senatsressorts über die Verwendung von EU- und BAföG-Mitteln klärt, nicht aber die Kontroverse zwischen dem Senat und dem Parlament über den BER. Das ist verdrehte Welt.
Die Haltung der Grünen ist glasklar: Ehe wir auch nur einen einzigen Cent für die von Herrn Mehdorn geforderte zusätzliche Milliarde genehmigen, wollen wir einen begründeten Antrag der Flughafengesellschaft dazu sehen und keine Zeitungsmeldungen und vor allem alle von diesem Haus mehrfach angeforderten und uns zugesagten Unterlagen. Das ist erstens der Antrag auf Beihilfe an die EU-Kommission. Das ist zweitens der diesem Antrag beigefügte Businessplan der Flughafengesellschaft bis 2035. Das ist drittens eine geltende und verbindliche Mittelfristplanung. Und das ist viertens ein Bauablaufplan bis zur geplanten Eröffnung mit einer Prognose des Abrufs der Steuermittel. Darauf warten wir.
Was aber macht der Senat im Nachtragshaushaltsentwurf? – Er genehmigt sich einfach schon mal eine Anzahlung von 42 Millionen Euro, zwackt sie diskret vom SIWA ab und schiebt sie in die Flughafenrücklage, der wir alle miteinander ein Ende bereiten wollten. Ich dachte, ich guck nicht richtig, als ich das gesehen habe. Wenn Sie, Herr Schneider, und Sie, Herr Goiny, sich das gefallen lassen, machen Sie sich zum Bettvorleger des Senats! Und da wollen und da werden wir uns nicht danebenlegen. Das ist sicher.
Ich komme zum Schluss. Gegen Ende der gestrigen Debatte hat sich da ja eine Lösung angedeutet. Dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, lasst uns den Weg mit einer qualifizieren Sperre auf alle Haushaltsmittel für den BER
auch gehen, damit der Schlingerkurs in Schönefeld ein Ende hat und die Damen und Herren endlich gezwungen sind, für ihr Tun und Lassen vor diesem Haus Rechenschaft abzulegen!