Protocol of the Session on February 19, 2015

nicht. Und wir sehen: Vattenfall wie viele andere Energiefirmen in Deutschland ist wahnsinnig im Umbruch. Niemand weiß, wer in Zukunft diese Firma steuern wird. Niemand weiß, wer der Eigentümer der Braunkohletagebaue werden wird. Vattenfall will den Braunkohletagebau verkaufen, den kriegen sie alleine gar nicht weg; sie müssen jetzt schon die Thüringer Wasserkraft noch dazugeben, damit überhaupt jemand das Zeugs alles kauft. Das ist eine schwierige Aufgabe, die politisch anzugehen ist. Aber wir müssen sie angehen, um die Klimaziele zu vereinbaren. Und wir müssen als Land Berlin mit unsern Partnern in Brandenburg ernsthaft besprechen, wie wir diesen Ausstieg vernünftig gestalten können – hin zu erneuerbaren Energien, hin zu Energieeffizienz, hin zum Energiesparen, damit wir der ganz großen Aufgabe, unsern Beitrag zu leisten – ich sage es noch mal wie am Anfang –, von 25 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß im Land Berlin auf 4 Millionen Tonnen im Jahr 2050 zu kommen. Da bitte ich um Ihre Unterstützung und hoffe sehr, dass wir auch bei dem Endbericht der EnqueteKommission auf einen gemeinsamen, parteiübergreifenden Nenner dazu kommen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Buchholz! – Für die CDU-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Dr. Garmer. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Die Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“ hat in großer Einmütigkeit den Zwischenbericht beschlossen. Das ist deswegen eine gute Nachricht, weil wir in der Energiepolitik wegen der Langfristigkeit der Investitionen darauf angewiesen sind, parteiübergreifende Kompromisse und eine parteiübergreifende Linie zu finden. Ich möchte mich auch dem Dank meiner Vorredner an die Experten, die wir als Mitglieder der Enquetekommission gewinnen konnten und die hervorragende Beiträge geleistet haben, anschließen. Liebe Kollegen! Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass wir hervorragende Experten aus Hochschulen, Verbänden und Forschungsinstituten unentgeltlich für die Arbeit in der EnqueteKommission gewinnen können. Herzlichen Dank noch mal an alle Experten und auch an die Anzuhörenden!

[Allgemeiner Beifall]

Die Energiepolitik in Berlin findet statt vor dem Hintergrund der Energiewende in Deutschland. Die Energiewende ist ein hochkomplexer Prozess. Man kann diesen Prozess vielleicht damit vergleichen, wenn man mit dem Auto mit hoher Geschwindigkeit in die Kurve fährt. Die Physik lehrt uns, dass bei einer solchen Kurvenfahrt hohe Beschleunigungskräfte auftreten. Und wenn man nicht aufpasst, dann fliegt einem im Auto alles Mögliche an

(Daniel Buchholz)

Gegenständen um die Ohren. Und wenn man untersteuert oder übersteuert, dann kann man auch mit dem Auto insgesamt aus der Kurve fliegen. Das darf uns mit der Energiepolitik – wieder zurück – nicht passieren. Das heißt, wir müssen die Klimaziele, die wir uns gesetzt haben, erreichen, selbstverständlich. Wir müssen aber dabei die Ziele Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit genauso im Blick haben. Denn wenn wir es nicht schaffen, den Menschen sicher und zuverlässig Strom und Wärme zu liefern, und zwar zu bezahlbaren Preisen, dann werden wir die Menschen für die Energiewende nicht gewinnen, und dann haben wir mit Zitronen gehandelt.

Darüber hinaus dürfen wir auch die Unternehmen der Energiewirtschaft nicht überfordern. Wir werden in Zukunft weiterhin privates Kapital in großem Umfang in der Energiewirtschaft benötigen, und wir müssen diesem privaten Kapital eine angemessene Verzinsung bieten. Im Übrigen betrifft das auch Stadtwerke, öffentliches Kapital. Dort geht die Verzinsung in Schulen, Kitas, Straßen usw. Auch viele Stadtwerke haben Probleme durch die Energiewende. Wir brauchen verlässliche Rahmenbedingungen, damit die Unternehmen auch ihre Investitionen planen können. Kein Unternehmen, weder öffentliche noch private Unternehmen der Energiewirtschaft, kann es sich leisten, ständig milliardenschwere Abschreibungen vorzunehmen.

Wir werden auch – Herr Kollege Buchholz hat darauf hingewiesen – die Braunkohle und die Steinkohle noch eine ganze Weile brauchen. Kohle ist eine Brückentechnologie. Wir werden irgendwann das Ende der Brücke erreichen, aber so lange benötigen wir die Kohle, um Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit sicherzustellen, und wir sollten deshalb die Kohle nicht verteufeln. Anders als in der „Morgenpost“ von heute dargestellt gibt es auch in der Enquete-Kommission keinen Beschluss, bis 2020 in Berlin komplett aus der Kohle auszusteigen. Das war eine Falschmeldung heute Morgen.

Berlin ist nicht der Nabel der Welt. Die Berliner CO2Emissionen zerstören nicht das Weltklima,

[Unruhe bei den GRÜNEN]

und umgekehrt: Die maximal mögliche Einsparung an CO2-Emissionen in Berlin wird auch das Weltklima nicht retten. Und das Gleiche gilt auch für Deutschland.

[Philipp Magalski (PIRATEN): Jedes Mosaik- steinchen zählt!]

Wir sind im weltweiten Maßstab betrachtet nicht so wichtig, nicht so groß. Aber wir haben trotzdem eine Verantwortung. Worin besteht unsere Verantwortung? – Wenn wir in Deutschland die Energiewende in den Sand setzen, wenn wir es also nicht schaffen, neben den Klimazielen auch die Ziele Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit sicherzustellen, dann werden viele andere Länder mit der Energiewende gar nicht erst anfangen, dann hätten wir

dem Weltklima tatsächlich einen Bärendienst erwiesen. Das darf nicht passieren. Das ist unsere Verantwortung.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall Nikolaus Karsten (SPD)]

Und dieser Verantwortung wollen wir durch die weitere Arbeit in der Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“ gerecht werden. – Herzlichen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Dr. Garmer! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Schäfer. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich beginne mit einem Berliner Start-up, nicht weit von hier gegründet, in der Schöneberger Straße, in einem Hinterhaus. Ein Unternehmen, das mit innovativen Ideen, für die Telekommunikationsbranche gestartet ist. Ein Unternehmer, der das Zeug dazu hat, der Elektromobilität in Berlin zum Durchbruch zu verhelfen. Ein Unternehmen – und man muss kein Wahrsager sein, um das zu sagen –, das eine industrielle Revolution mitgestaltet, das Arbeitsplätze hier nach Berlin, und zwar in Massen, gebracht und Lebensqualität für Berlin erzeugt hat. Dieses Startup heißt Siemens & Halske und wurde im Jahr 1847 gegründet. Die Elektromobilität, der dieses Unternehmen zum Durchbruch verholfen hat, war die Tram. Wir stehen heute wieder vor einer industriellen Revolution, und was damals die Elektrifizierung war, ist heute der Umbau auf 100 Prozent erneuerbarer Energien, auf Ressourceneffizienz, intelligente Netze und neue Werkstoffe.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Daniel Buchholz (SPD) und Fabio Reinhardt (PIRATEN)]

Wie damals werden auch heute die Städte, die Vorreiter sind, den wirtschaftlichen Nutzen ziehen und Unternehmen, Arbeitsplätze und Lebensqualität für ihre Städte schaffen. Ich denke, diese industrielle Revolution, die vor uns liegt, ist eine Riesenchance für Berlin. – Herr Dr. Garmer! Lassen Sie uns vor allem über diese Chance reden, wenn wir über die Energiewende sprechen!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Ich freue mich deshalb, dass der Zwischenbericht, den wir heute beraten, einvernehmlich mit allen Fraktionen gesagt hat: Unser Ziel ist es, 100 Prozent erneuerbare Energie in Berlin bis 2050 zu erreichen. Unser Ziel ist es, vom Schlusslicht im Bundesländervergleich erneuerbare Energien zum Vorreiter zu werden. Wir haben auch reingeschrieben – 3,2 Milliarden Euro gibt Berlin derzeit für Importe fossiler Energien aus –, dass dieses Kapital durch

(Dr. Michael Garmer)

die Energiewende in unsere regionale Wirtschaft, in regionale Wertschöpfung umgelenkt werden kann. Und wir haben auch benannt, dass wir den Braunkohleausstieg bis spätestens 2020 hier umsetzen und auch die Nutzung der Steinkohle geordnet beenden wollen.

Ich schließe mich dem Dank an die Experten und die Mitglieder der Kommission an und möchte einen noch einmal hervorheben: Herr Kollege Stroedter! Ihre faire und ergebnisorientierte Leitung dieser Kommission hat einen sehr großen Anteil an diesem einstimmigen Bericht.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Aber, Herr Kollege Stroedter, meine Damen und Herren, die schwierigste Aufgabe liegt noch vor uns. So, wie Siemens damals nur gedeihen konnte, weil die Rahmenbedingungen stimmten, weil die Stadt Berlin klug investiert hat, geht es auch der Gründerszene heute. Diese Rahmenbedingungen zu definieren, konkrete Maßnahmen zu definieren, diese Aufgabe liegt noch vor uns. Da haben wir im Moment am meisten bürokratische Hindernisse für erneuerbare Energien in Berlin, mehr als in jedem anderen Bundesland. Frankfurt hat Neubaustandards für öffentliche Unternehmen und baut seit Jahren im Passivhausstandard. Die wechseln jetzt zum Aktivhausstandard. Das heißt, neu gebaute öffentliche Gebäude dort produzieren mehr Energie, als sie verbrauchen. Wir in Berlin können, wenn es gut läuft, die Mindestkriterien des Bundes einhalten. Wenn wir hier Innovationen wollen, dann müssen wir auch innovativ sein, dann müssen wir uns als Land innovative Standards setzen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Und wie damals geht es um Investitionen. Den öffentlichen Gebäudebestand trotz der Schuldenbremse zu sanieren, dazu brauchen wir innovative Finanzierungsmodelle. Darüber müssen wir in der Enquete-Kommission reden.

Erneuerbare Energien nutzen: Wir haben Solarpotenziale, wir haben Abwasserwärme. Wir haben ungenutzte Klärschlämme, ungenutzte Biomassen aus Reststoffen, die wir nutzen können. Die müssen wir nutzen. Wir müssen auch darüber reden, wer das dann machen soll. Wir Grünen sind der festen Überzeugung, dass wir dafür ein starkes Stadtwerk brauchen und dass es bei diesem Stadtwerk vor allem darauf ankommt, dass es in die Produktion geht und dass es in die Energieeinsparung geht, dass es den Energiemix in Berlin verändert.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Der Verkauf ist da nicht so entscheidend wie dieser erste Punkt.

Wenn wir es schaffen, uns in dieser Enquete-Kommission auf so ein starkes Instrument, das aus wirtschaftlichem Eigeninteresse die Energiewende in Berlin vorantreibt, zu einigen, auf ein starkes Stadtwerk, dann können wir auch den 600 000 Berlinerinnen und Berlinern, die vor andert

halb Jahren hier in die Wahllokale gegangen sind und trotz eines ungünstigen Termins für den Volksentscheid „Neue Energie“ abgestimmt haben – es waren 20 000 zu wenig für das erforderliche Quorum, es waren 600 000 zu viel, um sie zu ignorieren –, dann können wir diesen Berlinerinnen und Berlinern sagen: Wir haben euren Auftrag verstanden. – Ich hoffe sehr, dass uns das gelingt.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Schäfer! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Harald Wolf. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Energiewende, das ist mehr als der Ersatz von fossilen Energieträgern durch erneuerbare Energien. Energiewende, das heißt grundlegender Umbau der energiewirtschaftlichen Strukturen, das heißt neue Geschäftsmodelle in der Energiewirtschaft, das heißt neue Technologien, und das heißt Innovationen. Der Kollege Schäfer hat zu Recht darauf hingewiesen, dass hier auch für Berlin und für die Bundesrepublik große wirtschaftliche Chancen liegen.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Ramona Pop (GRÜNE)]

Wie groß der Umbruch ist, sieht man zum Beispiel, wenn einer der großen Energiekonzerne wie E.ON seine fossile Sparte in eine Bad Bank abspaltet und sich jetzt, was das Zukunftsgeschäft angeht, auf die erneuerbaren Energien konzentriert. Das heißt, wir haben es auch mit neuen Akteuren und mit neuen Geschäftsmodellen zu tun. Darauf muss sich auch das Land Berlin einstellen.

Wir haben es bei der Energiewende auch mit neuen Anforderungen an die Infrastruktur zu tun, was die Produktionsanlagen und was die Energienetze angeht. Wir brauchen neue Speichertechnologien, und die müssen intelligent integriert werden, damit wir in der Lage sind, die volatilen, erneuerbaren Energien auch wirklich aufzunehmen, zu nutzen und damit wirkungsvoll zu machen.

Die Enquete-Kommission stellt auch fest: Dieser Umbau wird nicht im freien Spiel der Kräfte gelingen, sondern verlangt politische Interventionen. Er verlangt politische Rahmenbedingungen, und, ich füge hinzu, er braucht auch ein kommunalwirtschaftliches Engagement und kommunalwirtschaftliche Instrumente, damit diese Rahmenbedingungen gesetzt werden können und damit auch ein Treiber der Energiewende vorhanden ist.

Wir haben bislang eine – das ist schon mehrfach festgehalten worden – große Einigkeit in dieser EnqueteKommission, was die Definition des Zukunftsbildes

(Michael Schäfer)

angeht. In der zweiten Phase der Arbeit der EnqueteKommission werden wir uns viel stärker auf die Frage der Umsetzung konzentrieren müssen, also auf die Frage, welche Instrumente, welchen Weg es gibt und wie wir zu den definierten Zielen kommen. Es wird noch eine große Herausforderung sein, an dieser Stelle eine breite Einigkeit herzustellen, denn damit kommen wir in die unmittelbar politische Ebene, in die Ebene der Umsetzung. Das wird dann nicht mehr ganz so einfach sein wie die Definition der Ziele für 2050.

An dieser Stelle will ich festhalten, vor welchen Herausforderungen wir stehen und welchen Weg wir vor uns haben. Schon angesprochen wurde das Thema Ausstieg aus Kohle- und Ölverfeuerung. Hier müssen wir gegenüber Vattenfall ganz klar deutlich machen – der Kollege Buchholz hat es schon angesprochen: Wir wollen, dass das, was in der Klimaschutzvereinbarung versprochen und vereinbart wurde, dass in Berlin bis spätestens 2020 aus der Braunkohleverstromung ausgestiegen wird, auch eingehalten wird und die Investition von 1 Milliarde Euro auch erfolgt. Dem müssen weitere konkrete Maßnahmepläne und vor allen Dingen verbindliche Zeitpläne für den Ausstieg auch aus der Steinkohleverfeuerung in Berlin folgen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den PIRATEN]

Die zweite große Herausforderung: In der Machbarkeitsstudie Klimaneutrales Berlin 2050 ist als Zielsetzung und Notwendigkeit ein Anteil der Photovoltaik an der Stromerzeugung von ca. 25 Prozent angegeben. In der Realität liegt der Anteil der Photovoltaik an der Stromerzeugung unter einem Prozent. Das macht deutlich, vor welchen Herausforderungen wir stehen, dass wir die Hemmnisse identifizieren müssen, die dem Ausbau der Photovoltaik in dieser Stadt entgegenstehen und wir klare Rahmenbedingungen schaffen müssen, damit dieses Ziel überhaupt erreichbar ist und wir von dieser absurd niedrigen Zahl von 0,9 Prozent wegkommen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]